Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob die Kaufpreisschuld eines Grundstückskäufers erfüllt sein kann, bevor der beim Notar hinterlegte Kaufpreis an den Verkäufer ausgezahlt wird.
Normenkette
BGB § 270 Abs. 1, § 362
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 8. Juli 1993 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 30. Juni 1992 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittel fallen dem Beklagten zur Last.
Tatbestand
Die Klägerin, eine schweizerische Immobiliengesellschaft, verlangt vom beklagten Notar Schadensersatz, weil er einen restlichen Grundstückskaufpreis nicht an sie als Verkäuferin, sondern an einen Dritten ausgezahlt hat.
Sie veräußerte ab 1980 zahlreiche Grundstücke in Westdeutschland. Dabei war für sie Rechtsanwalt E. aus B. tätig, der mit Interessenten verhandelte, die Beurkundung der Kaufvertrage vorbereitete, bei Vertragsschluß für die Klägerin als Vertreter ohne Vertretungsmacht auftrat und den bei der Vertragsabwicklung anfallenden Schriftverkehr mit den Notaren führte. Genehmigte die Klägerin den Vertrag, so erhielt E. eine Provision von 2 % des Kaufpreises.
Mit dem vom Beklagten beurkundeten Vertrag vom 29. November 1985 verkaufte die Klägerin, vertreten durch E. als Vertreter ohne Vertretungsmacht, ein Grundstück in K. für 185.000 DM. Am 18. Dezember 1985 genehmigte die Klägerin den Vertrag. Nach § 3 des Vertrages war der Kaufpreis „durch Hinterlegung” auf ein Anderkonto des Beklagten zu zahlen; dieser wurde angewiesen, mit dem Kaufpreis Grundpfandrechte abzulösen und den Restbetrag an die Klägerin auf deren Konto bei der Volksbank R. „auszuzahlen”, sobald die Löschung der Grundpfandrechte und der vertragsmäßige Eigentumswechsel sichergestellt waren.
Die Ablösung einer Grundschuld von 20.000 DM verzögerte sich, weil der verlorengegangene Brief für kraftlos erklärt werden mußte. Mit Rücksicht darauf erteilten die Vertragspartner dem Beklagten im Juni 1986 eine schriftliche „Anweisung” (Anlagenband 36). Danach hatte dieser die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch „gegen” Auszahlung eines Teilkaufpreises zu veranlassen, sofern die Grundpfandrechte bis auf die genannte Grundschuld gelöscht waren; den Restkaufpreis von 30.000 DM sollte der Beklagte so lange auf seinem Anderkonto einbehalten, bis die Löschungsunterlagen für diese Grundschuld vorlagen, und sodann diesen Betrag an die Klägerin Zug um Zug gegen Löschung der Grundschuld auszahlen.
Im Juli 1986 überwies der Beklagte einen Teilkaufpreis von 100.873,24 DM auf das im Vertrag angegebene Konto der Klägerin. Nachdem alle Grundpfandrechte – mit Hilfe des E. im August 1988 gelöscht worden waren, wurde der Käufer als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.
Mit Schreiben vom 2. August 1988 bat E. den Beklagten, das Anderkonto abzurechnen und den Restkaufpreis, der 31.390,76 DM betrug, auf sein „Anderkonto H.” – dies ist die Firma der Klägerin – bei der Volksbank B. zu überweisen. Dies geschah am 15. Oktober 1988.
E. führte den Betrag nicht an die Klägerin ab und schädigte diese bei anderen Grundstücksverkäufen um etwa 2,3 Mio DM. Er ist vermögenslos.
Der Ersatzklage hat das Landgericht im wesentlichen stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zu Recht geprüft, ob der Klageanspruch durch § 19 BNotO gestützt wird. Danach haftet der Notar, der die ihm einem anderen gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt, für den daraus entstehenden Schaden.
Der vom Beklagten beurkundete Vertrag enthielt einen Treuhandauftrag der Vertragspartner an den Beklagten, die Vollzugsreife des Vertrages herbeizuführen. Insbesondere hatte der Beklagte gemäß § 3 des Vertrages den auf sein Anderkonto überwiesenen Kaufpreis für die Enthaftung des verkauften Grundstücks zu verwenden und den verbleibenden Betrag an die Klägerin auszuzahlen. Dieser Auftrag erstreckte sich auf eine typische Amtstätigkeit eines Notars im Rahmen einer Betreuung der Beteiligten auf dem Gebiete vorsorgender Rechtspflege (§§ 23, 24 BNotO). Der Notar, der – wie im vorliegenden Falle – einen solchen Auftrag übernimmt und ausführt, wird ausschließlich hoheitlich tätig; als unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes (§ 1 BNotO) tritt der Notar zu den Beteiligten in ein öffentlich-rechtliches Verhältnis. Ihm obliegt die Amtspflicht, den Auftrag sorgfältig zu erledigen. Eine Verletzung dieser Pflicht kann nur einen Anspruch aus Amtshaftungsrecht, nicht aus Vertrag begründen (BGH. Urt. v. 8. Februar 1990 – IX ZR 63/89, WM 1990, 940, 942; v. 3. Juni 1993 – IX ZR 119/92, NJW 1993, 2317).
II.
1. Der Beklagte hat seine Amtspflicht aus dem übernommenen Treuhandauftrag verletzt, die ihm gegenüber der Klägerin als Auftraggeberin oblag.
Inhalt und Umfang der Amtspflicht des Beklagten wurden durch die im Vertrag niedergelegten, durch die Vertragspartner einvernehmlich im Juni 1986 teilweise geänderten Weisungen festgelegt (vgl. BGH, Urt. v. 19. März 1987 – IX ZR 166/86, NJW 1987, 3201, 3202), die grundsätzlich streng zu befolgen waren (vgl. BGH, Urt. v. 22. November 1977 – VI ZR 176/76, LM BNotO § 23 Nr. 2). Entgegen der Weisung seiner Auftraggeber hat der Beklagte den restlichen Kaufpreis nicht auf das Bankkonto der Klägerin, sondern auf das eines Dritten überwiesen, der nach den unbeanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts zum Geldempfang nicht befugt war. An der Pflichtwidrigkeit dieses Vorgehens ändert es nichts, daß der Beklagte nach seinem Vorbringen (GA I 22 ff) auf eine Geldempfangsvollmacht des E. vertraut hat (vgl. BGH, Urt. v. 29. November 1966 – VI ZR 38/65, VersR 1967, 162, 163). Gemäß § 12 Abs. 3 der – für den Beklagten geltenden – Dienstordnung für Notare des Landes Nordrhein-Westfalen (JMBl NRW 1985, 37), deren genaue und vollständige Beachtung zur Amtspflicht eines Notars gehört (BGH, Beschl. v. 15. Februar 1971 – NotSt 1/70, DNotZ 1972, 551, 553 f), durfte der Beklagte den auf seinem Anderkonto befindlichen restlichen Kaufpreisbetrag nur dann einem Dritten zuführen, wenn die Klägerin, die nach dem Vertrag Empfangsberechtigte war, den Dritten schriftlich – als Empfangsberechtigten – benannt hatte. Dies war nicht geschehen.
2. Der Beklagte hat gegen seine Amtspflicht fahrlässig verstoßen (§ 276 BGB). Bei Beobachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte er die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens erkennen und die sich daraus ergebenden Folgen für die Klägerin vermeiden können und müssen.
III.
Die Revision beanstandet mit Erfolg die Ansicht des Berufungsgerichts, die schuldhafte Amtspflichtverletzung des Beklagten habe die Klägerin nicht geschädigt.
Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Schaden erlitten, weil ihr Kaufpreisanspruch in Höhe des veruntreuten Betrages nicht erloschen sei. Für eine Vereinbarung, die Kaufpreisforderung habe mit Zahlung auf das Notaranderkonto als erfüllt gelten sollen, ergäben sich aus dem Vertragswortlaut und dem Vorbringen der Parteien keine Anhaltspunkte. Die Klägerin habe E. nicht zum Geldempfang bevollmächtigt gehabt. Die Voraussetzungen einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht seien nicht gegeben, weil der Beklagte nicht auf den Rechtsschein einer Vollmacht vertraut habe. Die Klägerin handele nicht treuwidrig, wenn sie den Käufer erneut in Anspruch nehme.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand, soweit ein Schaden der Klägerin verneint wurde.
Diese ist geschädigt, wenn sich ihre Vermögenslage infolge der Amtspflichtverletzung des Beklagten gegenüber dem Vermögensstand, den sie bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten hätte, verschlechtert hat (vgl. BGHZ 27, 181, 183 f; 75, 366, 371; 99, 182, 196).
Hätte der Beklagte die Weisung seiner Auftraggeber beachtet, so hätte er den restlichen Kaufpreis auf das – in § 3 des Vertrages angegebene – Konto der Klägerin überwiesen. Mit der Kontogutschrift des Betrages wäre dessen Wert in das Vermögen der Klägerin übergegangen und spätestens jetzt deren Kaufpreisanspruch erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB; vgl. BGHZ 6, 121, 122; BGH, Urt. v. 13. März 1953 – V ZR 92/51, NJW 1953, 897).
Durch die auftragswidrige Überweisung des restlichen Kaufpreises an einen Dritten ist die Klägerin geschädigt worden. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Klägerin nicht mehr Inhaberin des Kaufpreisanspruchs, vielmehr war dieser bereits erloschen, als der Beklagte das hinterlegte Geld an E. überwies.
1. Allerdings hatte der Käufer seine Kaufpreisschuld noch nicht getilgt, als der von ihm überwiesene Betrag auf dem Anderkonto des beklagten Notars gutgeschrieben wurde (§ 362 BGB).
a) Ein Notar, der als Treuhänder Geld zur Aufbewahrung oder Ablieferung übernimmt, wird nicht als Vertreter einer Partei, sondern als unparteiischer Betreuer für sämtliche Beteiligten tätig (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO; BGH, Urt. v. 10. Juni 1964 – V ZR 72/62, DNotZ 1965, 343, 345; v. 5. Mai 1986 – III ZR 240/84, WM 1986, 933, 934; Seybold/Hornig, BNotO 5. Aufl. § 24 Rdn. 17). Etwas anderes machen die Parteien nicht geltend.
Ob ein Notar im Rahmen seines öffentlich-rechtlichen Verhältnisses zu den Beteiligten vom Gläubiger gemäß § 362 Abs. 2 in Verbindung mit § 185 BGB ermächtigt werden kann, die vom Schuldner zu erbringende Leistung mit befreiender Wirkung in Empfang zu nehmen (unentschieden in BGHZ 87, 156, 163), kann hier dahinstehen. Eine solche Ermächtigung wurde von den Parteien nicht behauptet und vom Berufungsgericht nicht festgestellt. Dies gilt auch für eine Ermächtigung des Käufers durch die Klägerin, den Kaufpreis mit Erfüllungserfolg an den Notar zu zahlen (vgl. BGHZ 87, 156, 163).
b) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die von den Vertragspartnern vereinbarte „Hinterlegung” des Kaufpreises auf dem Anderkonto des beklagten Notars keine solche im Sinne der §§ 372 ff BGB war und deswegen nicht die in §§ 378, 379 BGB festgelegten Wirkungen hatte (vgl. BGHZ 87, 156, 160).
c) Weiterhin hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, daß die vereinbarte Hinterlegung beim Notar zunächst nicht zum Erlöschen des Kaufpreisanspruchs geführt hat.
Gemäß § 362 BGB erlischt das Schuldverhältnis grundsätzlich noch nicht mit der Leistungshandlung des Schuldners, sondern erst mit dem Eintritt des Leistungserfolges beim Gläubiger (BGHZ 87, 156, 162 m.w.N.). Eine Vorverlegung dieses Zeitpunkts auf die vereinbarte Überweisung auf ein Notaranderkonto ist im Regelfall wegen der Interessenlage der Beteiligten nicht anzunehmen (BGHZ 87, 156, 162 ff; 105, 60, 64; BGH, Urt. v. 5. Mai 1986 – III ZR 240/84, a.a.O.). Wäre die Kaufpreisschuld bereits mit der Hinterlegung des Kaufpreises beim Notar erfüllt, so trüge der Käufer die Gefahr, daß über das Vermögen des Verkäufers das Konkursverfahren eröffnet wird, bevor dieser seine Vertragspflicht erfüllt hat. Der Käufer wäre dann mit seinem Anspruch auf Erfüllung oder Rückzahlung des Kaufpreises auf die Konkursquote beschränkt. Deswegen hat die vertragsgemäße Hinterlegung beim Notar nur dann Erfüllungswirkung, wenn die Vertragspartner dies ausnahmsweise vereinbaren (BGHZ 87, 156, 162, 164). Nach der unbeanstandeten Feststellung des Berufungsgerichts ist eine solche Abrede im vorliegenden Falle nicht getroffen worden.
d) Für den – hier vorliegenden – Fall, daß der Kaufpreis beim Notar im Interesse beider Vertragspartner hinterlegt ist, wird im Schrifttum die Ansicht vertreten, in der Regel sei die Kaufpreisschuld erfüllt, sobald das Sicherungsinteresse des Käufers erloschen sei und „alleinige Rechtszuständigkeit” des Verkäufers bezüglich der Hinterlegungssumme bestehe, also Auszahlungsreife eingetreten sei; von diesem Zeitpunkt an gebe es meistens keinen Grund, die Erfüllungswirkung aufzuschieben (Zimmermann DNotZ 1980, 451, 461; 1983, 552, 556; 1989, 262, 263 f; Brambring DNotZ 1990, 615, 633). Ob dieser – von der Revision geteilten – Auffassung zu folgen ist, kann dahinstehen.
2. Die Revision rügt zu Recht, daß das Berufungsgericht nicht geprüft hat, ob die Vertragsparteien eine Erfüllungsregelung für den Zeitpunkt vereinbart haben, in dem die vertraglichen Voraussetzungen für eine Auszahlung des restlichen Kaufpreises an die Klägerin gegeben waren („Auszahlungsreife”).
Da dem Vertrag eine solche Abrede nicht eindeutig zu entnehmen ist, muß er gemäß §§ 133, 157 BGB ausgelegt werden. Dies kann durch den Senat geschehen, da die maßgeblichen Umstände feststehen. Die Auslegung soll den objektiven Erklärungswert ermitteln (BGHZ 36, 30, 33). Neben der Ermittlung des Wortsinnes sind außerhalb der Erklärung liegende Umstände in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluß auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen; dies gilt vor allem für den mit dem Rechtsgeschäft verfolgten Zweck und die Interessenlage der Parteien (BGHZ 20, 109, 110; 21, 319, 328; 63, 359, 362; BGH, Urt. v. 16. Juni 1988 – IX ZR 34/87, WM 1988, 1639, 1641).
Die Auslegung ergibt mit Rücksicht auf den Hinterlegungszweck und die damit verbundene Interessenlage der Vertragspartner, daß nach deren übereinstimmenden Willen die Kaufpreisschuld mit Auszahlungsreife getilgt sein sollte. Dies hat sich im Vertragswortlaut niedergeschlagen.
a) Die Einschaltung des Notars als Treuhänder sollte nach der Vertragsregelung die Erfüllung der wechselseitigen Vertragspflichten (§§ 433, 434 BGB) sichern und den Vertragspartnern das Risiko einer Vorleistung ersparen. Deswegen durfte der vom Käufer auf das Notaranderkonto überwiesene Kaufpreis erst dann zur Enthaftung des Grundstücks und zur Auszahlung des Restbetrages an die Verkäuferin verwendet werden, wenn diese ihre Vertragspflichten erfüllt, insbesondere dafür gesorgt hatte, daß der Ablösung der Grundpfandrechte und dem Eigentumswechsel kein Hindernis entgegenstand (§ 3 Abs. 2 des Vertrages); nach dieser Regelung erhielt der Käufer sein Geld vom Notar zurück, wenn der Vollzug des Vertrages scheiterte. Andererseits war die vertragsgerechte Hinterlegung des Kaufpreises beim Notar die Voraussetzung dafür, daß der Besitz und die Nutzungen des Grundstücks auf den Käufer übergingen und der Notar den Eigentumswechsel sowie die Bestellung von Grundpfandrechten durch den Käufer – zur Teilfinanzierung des Kaufpreises – veranlassen durfte (§§ 4, 9, 10 des Vertrages).
Dieser Hinterlegungszweck spiegelt die Interessenlage der Vertragspartner.
Der Käufer wollte die vertragsgerechte Verwendung des hinterlegten Kaufpreises sichern. Dieses Sicherungsinteresse erlosch spätestens, als ihm das enthaftete Grundstück übergeben und übereignet wurde. Danach gab es aus der Sicht des Käufers keinen sachlichen Grund mehr, den restlichen Kaufpreis nicht an die Verkäuferin auszuzahlen. Vielmehr mußte ihm von diesem Zeitpunkt an daran gelegen sein, sich von der Last der Verlustgefahr gemäß § 270 Abs. 1 BGB, die er bis zur Erfüllung seiner Kaufpreisschuld trug, möglichst rasch zu befreien.
Die Klägerin wiederum mußte als Verkäuferin ein Interesse daran haben, daß der Käufer seine Schuld spätestens in dem Zeitpunkt erfüllte, in dem er ein Anwartschaftsrecht erlangte, also nach Vereinbarung der Auflassung entweder eine Auflassungsvormerkung eingetragen wurde oder der Käufer den Antrag auf Eigentumsumschreibung beim Grundbuchamt stellte (vgl. BGHZ 83, 395, 399). Denn während des Zeitraums zwischen diesem Zeitpunkt und der Eintragung des Käufers ins Grundbuch hatte die Verkäuferin ihre Verpflichtung noch nicht i.S. von § 17 KO erfüllt, falls es jetzt zum Konkurs über das Vermögen des Käufers kam (vgl. RGZ 84, 228, 235; 85, 402, 403; Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl., § 17 Rdn. 63; Kuhn/Uhlenbruck, KO 10. Aufl., § 17 Rdn. 18 n; Kilger/K. Schmidt, KO 16. Aufl., § 17 Anm. 3 a). Um zu verhindern, daß § 17 KO eingriff, mußte die Verkäuferin, wenn sie am Kaufvertrag festhalten wollte, daran interessiert sein, daß wenigstens der Käufer erfüllt hatte. Dieses Interesse an einer Vorverlegung der Erfüllungswirkung endete zwar, als der Käufer als Eigentümer im Grundbuch eingetragen war und von jetzt ab der Notar das hinterlegte Geld treuhänderisch nur noch für die Verkäuferin verwahrte. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, daß die Verkäuferin bis dahin daran interessiert gewesen sein mußte, daß nicht ihr Erfüllungsanspruch nach § 17 KO erlosch und nunmehr der Konkursverwalter vom Notar den Kaufpreis zurückforderte. Dieses Interesse der Verkäuferin ist regelmäßig höher einzuschätzen als deren anderes Interesse, dem Käufer nicht die Übermittlungsgefahr des § 270 Abs. 1 BGB abzunehmen. Denn die Verkäuferin durfte diese Gefahr und das Risiko eines Bankenkonkurses, in dem die Guthabenforderung des Anderkontoinhabers nicht ausgesondert werden dürfte und nur Konkursforderung wäre (Kilger/K. Schmidt, a.a.O. § 43 Anm. 9 a.E.), geringschätzen. Eine Veruntreuung und Fehlleitung des hinterlegten Geldes durch den Beklagten, dem beide Vertragspartner vertrauten, lagen fern. Trat doch ein solcher Schaden ein, so hatte die Berufshaftpflichtversicherung des Beklagten dafür einzustehen.
b) Der Wortlaut des Vertrages enthält genügend Anhaltspunkte für die Annahme, die Kaufpreisschuld habe entsprechend dieser Interessenlage in dem Zeitpunkt erfüllt sein sollen, in dem der Käufer ein nicht mehr entziehbares Anwartschaftsrecht auf das Eigentum erlangt hatte.
Nach § 3 des Kaufvertrages sollte der Notar den Kaufpreis an die Verkäuferin auszahlen, sobald der Notar den Eintragungsantrag beim Grundbuchamt gestellt hatte und der Eintragung Hindernisse nicht entgegenstanden; die Auszahlung war also nicht hinausgeschoben, bis der Käufer als Eigentümer im Grundbuch stand. Schon vor dem vertraglichen Auszahlungszeitpunkt gingen die Nutzungen der jeweiligen Leistungen auf den Erwerber über.
Die Verkäuferin überließ dem Käufer den Besitz und die Nutzungen des Grundstücks bereits zehn Tage nach der Genehmigung des Vertragsschlusses, falls der Kaufpreis beim Notar hinterlegt war und vom Käufer zu vertretende Auszahlungshindernisse nicht vorlagen (§ 3 Abs. 2 des Vertrages). Nach Hinterlegung des Kaufpreises durfte der Käufer das Grundstück zur Teilfinanzierung des Kaufpreises belasten (§ 10 mit § 3 Abs. 1, 2 des Vertrages).
Der Käufer wiederum überließ der Verkäuferin die gesamten seit der Einzahlung auf dem Notaranderkonto anfallenden Zinsen (§ 3 Abs. 3 des Vertrages). Daran haben die Vertragspartner in ihrer „Anweisung” vom Juni 1986 festgehalten, obwohl damals abzusehen war, daß sich die von der Verkäuferin geschuldete Enthaftung des Grundstücks erheblich verzögern werde, weil ein verlorengegangener Grundschuldbrief für kraftlos zu erklären war. Nach dieser „Anweisung” sollte der einbehaltene Restkaufpreis von 30.000 DM als Festgeld angelegt werden und die sich daraus ergebenden Zinsen der Verkäuferin zustehen. Ohne eine solche Regelung hätten die Zinsen dem Käufer zugestanden, solange er das Grundstück noch nicht nutzen konnte (§§ 99 ff, 953 ff BGB).
Daß der Käufer bereits ab Einzahlung auf dem Notaranderkonto auf die Zinsen verzichtete, läßt angesichts des Zwecks, den der Käufer mit der treuhänderischen Beauftragung des Notars verfolgte, zwar nicht den Schluß zu, daß die Kaufpreisschuld bereits in diesem frühen Zeitpunkt getilgt sein sollte. Der Umstand, daß die Vertragspartner einander jeweils sofort oder alsbald die Nutzungen der zu fordernden Leistungen zugestanden, läßt aber ihren Willen erkennen, die Erfüllungswirkung der Kaufpreiszahlung möglichst vorzuverlegen und sie spätestens in dem Zeitpunkt eintreten zu lassen, in dem der Käufer sicher sein konnte, Eigentümer des Grundstücks zu werden.
c) Entsprechend diesem Auslegungsergebnis sind die Parteien in den Vorinstanzen davon ausgegangen, daß die Klägerin keinen Kaufpreisanspruch mehr hat.
IV.
Die Revision beanstandet zu Recht die Meinung des Berufungsgerichts, ein Ersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten entfalle wegen überwiegenden Mitverschuldens.
1. Die Veruntreuung des Geldes durch E. hat die Klägerin nicht zu vertreten.
Im Rahmen des § 254 BGB darf dem Geschädigten das Verschulden eines Dritten gemäß § 278 BGB nur angelastet werden, wenn der Geschädigte sich der Hilfsperson zur Erfüllung einer im eigenen Interesse gebotenen Obliegenheit bedient hat, um den Schaden abzuwenden oder zu mindern (BGHZ 3, 46, 49 f; 36, 329, 338 f; BGH, Urt. v. 18. März 1993 – IX ZR 120/92, WM 1993, 1376, 1378 m.w.N.).
Bei der Auszahlung des restlichen Kaufpreises oblag E. nicht die Wahrnehmung einer solchen Obliegenheit der Klägerin. Es kann dahinstehen, ob er deren Gehilfe bei Vertragsschluß und bei der Vertragsabwicklung bezüglich der Enthaftung des Grundstücks war. Jedenfalls hatte die Klägerin ihn nach der eindeutigen Regelung in § 3 des Vertrages nicht mit der Empfangnahme oder Einziehung des restlichen Kaufpreises betraut.
2. Eine mangelnde Überwachung des E. ist nach dem festgestellten Sachverhalt nicht ursächlich geworden für die Fehlleitung des Geldes.
Nach den tatrichterlichen Feststellungen hat E. bis Mitte des Jahres 1988 als Vertreter der Klägerin ohne Vertretungsmacht drei Kaufverträge beurkunden lassen, nach denen der Kaufpreis nicht auf das Konto der Klägerin bei der Volksbank R., sondern auf sein Konto bei der Volksbank B. zu überweisen war. Die Klägerin genehmigte diese Verträge, weil sie irrtümlich annahm, sie sei über das von E. eingerichtete „Anderkonto H.” verfügungsberechtigt. Die Kaufpreis Zahlungen sind in diesen Fällen vertragsgemäß bis Ende August 1988 erfolgt. Deswegen konnte die Klägerin von diesem Zeitpunkt an erkennen, daß sich E. nicht weisungsgerecht verhielt.
Selbst wenn die Klägerin ab Ende August 1988 E. hätte überwachen müssen und können, so ergeben die tatrichterlichen Feststellungen keinen Anhaltspunkt dafür, daß eine fahrlässige Verletzung dieser Pflicht dazu beigetragen hat, daß der Beklagte am 15. Oktober 1988 den restlichen Kaufpreis an E. überwies. Anders als in den drei anderen Fällen war im vorliegenden Vertrag niedergelegt worden, daß der Kaufpreis, soweit er nach Ablösung der Grundpfandrechte verblieb, auf das Konto der Klägerin zu überweisen war. Die Klägerin durfte sich darauf verlassen, daß der Beklagte diese Vertragsregelung beachten werde, und brauchte nicht damit zu rechnen, daß er ihr Vertrauen zu E. ohne weitere Prüfung einer General- oder Inkassovollmacht gleichsetzen werde (vgl. in einem insoweit gleichgelagerten Fall BGH, Urt. v. 29. November 1966 – VI ZR 38/65, VersR 1967, 162, 163). Deswegen war die Klägerin auch nicht ab Ende August 1988 verpflichtet, den Käufer und/oder den Beklagten vorsorglich und allgemein vor einer Unzuverlässigkeit des E. zu warnen.
V.
Die Schadenshöhe wird entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht gemindert, weil der Beklagte geltend gemacht hat, die Klägerin müsse sich das Honorar abziehen lassen, das sie E. bei ordnungsmäßiger Vertragsabwicklung gezahlt hätte. Dagegen hat die Klägerin unwidersprochen vorgebracht, sie hätte in diesem Falle gegen den Vergütungsanspruch des E. mit Ersatzforderungen wegen Betruges in anderen Verkaufsfällen aufgerechnet.
VI.
Nach alledem ist unter Aufhebung des Berufungsurteils das Urteil des Landgerichts wiederherzustellen (§ 564 Abs. 1, § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
Unterschriften
Brandes, Schnitz, Kreft, Zugehör, Ganter
Fundstellen
Haufe-Index 2143619 |
NJW 1994, 1403 |
Nachschlagewerk BGH |
DNotZ 1995, 125 |