Leitsatz (amtlich)
a) Sind die Merkmale eines erteilten Patentanspruchs bei der angegriffenen Ausführungsform identisch verwirklicht, ist der Einwand abgeschnitten, die als patentverletzend beanstandete Ausführungsform stelle mit Rücksicht auf den Stand der Technik keine Erfindung dar – sogenannter „Formstein”-Einwand (BGHZ 98, 12 ff.).
b) Die Prüfung des sogenannten „Formstein”-Einwandes setzt methodisch die Klärung aller Merkmale und ihrer Funktion im Rahmen der patentgemäßen Lehre und weiterhin die Feststellung, zumindest die Unterstellung voraus, daß von jedem einzelnen Anspruchsmerkmal des Klagepatents bei der angegriffenen Ausführungsform Gebrauch gemacht, mindestens eines dieser Merkmale jedoch nicht in wortsinngemäßer Form verwirklicht ist.
Normenkette
PatG § 14 (entspr. EPÜ Art. 69)
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Aktenzeichen 6 U 122/95) |
LG Mannheim (Aktenzeichen 7 O 260/94) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 18. Dezember 1996 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist Inhaberin des am 19. April 1978 angemeldeten deutschen Patents 28 17 036 (Klagepatents). Dieses Patent betrifft einen Kontaktfederblock für Relais.
Patentanspruch 1 des Klagepatents hat folgenden Wortlaut:
„Kontaktfederblock für Relais mit in parallelen Reihen in Form von Kontaktsätzen angeordneten Kontaktfedern, die jeweils in Bewegungsrichtung eines Betätigungsgliedes hintereinander angeordnet und durch eine Zwischenwand des Kontaktfederblocks voneinander getrennt sind, bei dem die der Kontaktgabe dienenden Enden der Kontaktfedern nach außen und die Gesamtheit der Kontaktfedern zu einem Antriebssystem hin durch weitere Wände des Kontaktfederblocks abgedeckt sind, wobei nach Aufschieben einer die Kontaktanordnung abdeckenden Gehäusekappe bis auf die für das Betätigungsglied erforderlichen Durchbrüche abgeschlossene Kontaktkammern für die Kontaktfedern eines Kontaktsatzes entstehen,
dadurch gekennzeichnet,
daß jede Kontaktfeder (4, 5) des Kontaktfedersatzes gegenüber der zugeordneten anderen Kontaktfeder (5, 4) durch eine lediglich den Kontakt gebenden Teil der Kontaktfedern (4, 5) freilassende Zwischenwand (7 a) abgekammert ist.”
Die Beklagte vertreibt unter der Typenbezeichnung OA 5602.54/2063 L 1 ein Relais, von dem unter der Anlagenbezeichnung AL 52/94 ein Muster zu den Gerichtsakten gereicht ist.
Die Klägerin erblickt in dem Vertrieb dieses Relais eine Verletzung des Klagepatents. Bei diesem Relais seien sämtliche Merkmale des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1 des Klagepatents wortlautgemäß und dessen Kennzeichen in äquivalenter Weise verwirklicht.
Das Landgericht ist der Auffassung der Klägerin gefolgt und hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Die Beklagte ist erstinstanzlich zur Unterlassung und Rechnungslegung verurteilt worden, außerdem ist ihre Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz und – soweit der Schadensersatzanspruch verjährt ist – zur Herausgabe des durch die Patentverletzung Erlangten festgestellt worden.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Im Tatbestand des angefochtenen Urteils ist der die Grundlage der geltend gemachten Patentverletzung bildende Patentanspruch 1 des Klagepatents nicht wiedergegeben. Auch in den Entscheidungsgründen hat sich das Berufungsgericht mit dem Klagepatent nicht befaßt und keine Feststellungen getroffen, ob bei der angegriffenen Ausführungsform von den Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Klagepatents Gebrauch gemacht ist. Es hat die Klageabweisung allein auf die Begründung gestützt, das angegriffene Relais der Beklagten sei durch den Stand der Technik nahegelegt gewesen.
Mit der Revision greift die Klägerin das Berufungsurteil an und beantragt seine Aufhebung und die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision hat Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat sich mit dem Klagepatent nicht befaßt. Dies ist nachzuholen, denn ohne eine geraffte Darstellung der Lehre des Klagepatents und der Merkmale des geltend gemachten Patentanspruchs 1 müßte die nachfolgende Erörterung technischer Fragen weitgehend unverständlich bleiben. Das Revisionsgericht ist dazu befugt. Die Auslegung des Klagepatents durch den Tatrichter unterliegt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung (vgl. Benkard, PatG/GebrMG, 9. Aufl., PatG § 139 Rdn. 144 m.N.). Fehlt eine tatrichterliche Auslegung oder Darstellung des Klagepatents völlig, kann sie insgesamt vom Revisionsgericht vorgenommen werden.
Die Erfindung nach dem Klagepatent betrifft einen Kontaktfederblock für Relais mit in parallelen Reihen in Form von Kontaktsätzen angeordneten Kontaktfedern, die jeweils in Bewegungsrichtung eines Betätigungsgliedes hintereinander angeordnet und durch eine Zwischenwand des Kontaktfederblocks voneinander getrennt sind, bei dem die der Kontaktgabe dienenden Enden der Kontaktfedern nach außen und die Gesamtheit der Kontaktfedern zu einem Antriebssystem hin durch weitere Wände des Kontaktfederblocks abgedeckt sind, wobei nach Aufschieben einer die Kontaktanordnung abdeckenden Gehäusekappe bis auf die für das Betätigungsglied erforderlichen Durchbrüche abgeschlossene Kontaktkammern für die Kontaktfedern eines Kontaktfedersatzes entstehen.
In der Klagepatentschrift ist mitgeteilt, daß ein derartiger Kontaktfederblock aus der deutschen Auslegeschrift 26 14 942 bekannt sei. Er habe aber den Nachteil, daß die Kontaktfedern der Kontaktfedersätze sich nicht in unterteilten Kammern befänden und deshalb bei einem Bruch einer Kontaktfeder die Gefahr eines Kurzschlusses durch Kontakt mit einer benachbarten Kontaktfeder bestehe.
Hier soll die Erfindung des Klagepatents weiterhelfen und den bekannten Kontaktfederblock so weiterbilden, daß bei Bruch einer oder mehrerer der Kontaktfedern keine Störung, insbesondere kein Kurzschluß dadurch hervorgerufen wird, daß der abgebrochene Teil der Kontaktfeder die andere Kontaktfeder des Satzes berührt und kurzschließt.
Zur Lösung dieses Problems soll jede Kontaktfeder des Kontaktfedersatzes gegenüber der zugeordneten anderen Kontaktfeder durch eine Zwischenwand abgekammert werden, welche lediglich den Kontakt gebenden Teil der Kontaktfedern freiläßt. So verbleibt bei Bruch einer der Kontaktfedern der abgebrochene Teil in der dieser Kontaktfeder zugeordneten Kammer, und kann keinen Kurzschluß verursachen.
Fig. 1 des Klagepatents veranschaulicht diese Lösung an einem Beispiel.
Man erkennt, daß jede Kontaktfeder (4, 5) in einer separaten Kammer angeordnet, d.h. von der benachbarten durch eine Zwischenwand (7a, 7c) getrennt ist.
In gegliederter Form stellt Patentanspruch 1 des Klagepatents einen Gegenstand mit folgenden Einzelmerkmalen unter Schutz:
- a) Kontaktfederblock für Relais mit in parallelen Reihen in Form von Kontaktsätzen angeordneten Kontaktfedern,
- b) die jeweils in Bewegungsrichtung eines Betätigungsgliedes hintereinander angeordnet und durch eine Zwischenwand des Kontaktfederblocks voneinander getrennt sind,
- c) bei dem die der Kontaktgabe dienenden Enden der Kontaktfedern zu einem Antriebssystem hin durch weitere Wände des Kontaktfederblocks abgedeckt sind,
d) wobei nach Aufschieben einer die Kontaktanordnung abdeckenden Gehäusekappe bis auf die für das Betätigungsglied erforderlichen Durchbrüche abgeschlossene Kontaktkammern für die Kontaktfedern eines Kontaktsatzes entstehen,
dadurch gekennzeichnet,
- e) daß jede Kontaktfeder des Kontaktfedersatzes gegenüber der zugeordneten anderen Kontaktfeder durch eine lediglich den Kontakt gebenden Teil der Kontaktfedern freilassende Zwischenwand abgekammert ist.
Wegen der Unteransprüche 2 bis 5 und wegen des weiteren Inhalts wird auf die Klagepatentschrift Bezug genommen.
2. Das Berufungsgericht begründet seine klageabweisende Entscheidung wie folgt: Am Anmeldetag des Klagepatents seien Kontaktfederblöcke für Relais in zahlreichen Ausführungen bekannt gewesen, so etwa aus der deutschen Auslegeschrift 26 14 942 und der Schweizer Patentschrift 593 553. Zum Stand der Technik gehöre auch das Relais der Firma B. & Co., das unter der Bezeichnung „KACO” mit der Buchstabenkennzeichnung RF vor dem Anmeldetag des Klagepatents offenkundig vorbenutzt worden sei. Bei dem vorbekannten „KACO”-Relais seien zwischen zwei zugeordneten Kontaktfedern im unteren und oberen Bereich jeweils Stege angeordnet. Der obere Steg sei gegenüber dem unteren Steg seitlich versetzt und befinde sich unterhalb der Federkontaktstelle. Der untere Steg diene als Kriechstreckensteg, während der obere Steg der Anlagesteg für die Passivfeder sei.
Zu der angegriffenen Ausführungsform stellt das Berufungsgericht fest, daß sich ebenfalls zwischen den beiden einander zugeordneten Federn eines Kontaktfedersatzes im unteren und oberen Bereich Stege befänden. Diese seien geringfügig anders proportioniert als bei dem vorbenutzten „KACO”-Relais. Die räumliche Anordnung dieser Stege, nämlich der oberen Stege im Bereich unterhalb der Federkontaktstelle und der unteren Stege im Fußbereich der Federn, entspreche nahezu identisch der Anordnung der Stege bei dem vorbekannten Relais. Auch die seitliche Versetzung der oberen Stege im Verhältnis zu den unteren Stegen sei erkennbar. Einziger Unterschied zwischen der angegriffenen Ausführungsform und dem vorbekannten „KACO”-Relais sei, daß bei letzterem die einzelnen Kontaktfedersätze nicht durch Trennwände abgekammert seien. Relais mit abgekammerten Kontaktfedersätzen seien jedoch am Anmeldetag des Klagepatents ebenfalls bereits bekannt gewesen. Die Übertragung der durch das vorbenutzte „KACO”-Relais bekannten Anordnung unterer und oberer Stege zwischen zugeordneten Kontaktfedern auf Kontaktfederblöcke mit abgekammerten Kontaktfedersätzen nach Art der angegriffenen Ausführungsform erfordere keine erfinderischen Überlegungen, sondern sei dem Fachmann als konstruktive Maßnahme nahegelegt. Ob das vorbekannte „KACO”-Relais geeignet sei, die dem Klagepatent zugrundeliegende Aufgabe zu lösen und ob sich diese Aufgabe beim „KACO”-Relais überhaupt stelle, könne unentschieden bleiben. Maßgeblich sei allein der Vergleich zwischen dem Stand der Technik und der angegriffenen Ausführungsform. Ergebe dieser Vergleich, daß die angegriffene Ausführungsform sich lediglich als naheliegende Abwandlung einer vorbekannten Konstruktion darstelle, komme ihre Einbeziehung in den Schutzbereich eines welchen Gegenstand auch immer betreffenden Patents nicht in Betracht. Die Klägerin habe nicht dargetan, welcher erfinderische Schritt der Übertragung der vorbekannten Steganordnung auf ein ebenfalls vorbekanntes Relais mit abgekammerten Kontaktfedersätzen zugrunde gelegen haben solle. Soweit sie geltend mache, bei einem derartigen Relais sei der Verlauf der Kriechströme anders als bei dem vorbekannten „KACO”-Relais, ergebe sich daraus nicht, daß es für die Anordnung der durch dieses Relais bekannten unteren Stege in der angegriffenen Ausführungsform erfinderischer Überlegungen bedurft hätte. Es könne ferner unentschieden bleiben, ob die oberen Stege bei der angegriffenen Ausführungsform als Anlagestege zu bezeichnen seien. Daß sie dieselbe Funktion erfüllten wie die oberen Stege bei dem „KACO”-Relais, ergebe sich aus ihrer konstruktiv übereinstimmenden Anordnung.
3. Die Revision rügt, bei dem Vergleich der angegriffenen Ausführungsform mit dem vorbekannten „KACO”-Relais gehe das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft davon aus, daß sich auch bei der angegriffenen Ausführungsform „jeweils zwischen zwei einander zugeordneten Kontaktfedern eines Kontaktfedersatzes im unteren und oberen Bereich Stege” befänden, „welche geringfügig anders proportioniert (seien) als bei dem vorbenutzten ‚KACO’-Relais”, und „die räumliche Anordnung dieser Stege … nahezu identisch der Anordnung der Stege bei dem vorbekannten Relais” entspreche. Tatsächlich habe die angegriffene Ausführungsform jedoch insgesamt drei Stege, die in der (an anderer Stelle dieser Entscheidung abgebildeten) Anl. B 1 mit den Bezugszeichen a, b und c bezeichnet seien, während das „KACO”-Relais nur zwei Stege aufweise, wobei die Anlegestege die in Fig. 1 der (in den nachfolgenden Entscheidungsgründen ebenfalls abgebildeten) Anl. B 6 mit b bezeichnet seien, bei der angegriffenen Ausführungsform nicht der Wandung b, sondern den Stegen c entsprächen. Denn diese Stege c dienten in beiden Fällen zur ortsfesten Anlage und Positionierung der passiven Kontaktfedern. Das Berufungsgericht habe verkannt, daß die von ihm verglichenen Stege „im oberen Bereich” bei dem „KACO”-Relais und bei der angegriffenen Ausführungsform völlig unterschiedliche Funktionen erfüllten. Darüber hinaus treffe es nicht zu, daß die vom Berufungsgericht verglichenen Stege im unteren Bereich bei der angegriffenen Ausführungsform nur „geringfügig anders proportioniert” seien „als bei dem vorbekannten ‚KACO’-Relais”, was schon durch den Augenschein widerlegt werde. Mit Recht habe das Landgericht deshalb festgestellt, daß sich „beim ‚KACO’-Relais, das zwei parallel angeordnete Sätze von je drei Kontaktfedern aufweist, … ein unterer, zwischen den Einspannstellen zweier benachbarter Federn eines Satzes angeordneter Steg” befinde, „der allerdings deutlich kürzer ist als der untere Steg bei der angegriffenen Ausführungsform”. Der mit dem Buchstaben a in den Anl. B 1 und B 6 bezeichnete Steg der angegriffenen Ausführungsform habe anders als der Steg des „KACO”-Relais nicht die Funktion, den Kriechstromweg zu verlängern. Im Zusammenwirken mit dem Steg b habe er vielmehr dieselbe Wirkung wie die Zwischenwand gemäß Merkmal e des Patentanspruchs 1 des Klagepatents. Es sei ferner unzutreffend, wenn das Berufungsgericht meine, der einzige Unterschied zwischen der angegriffenen Ausführungsform und dem vorbekannten „KACO”-Relais bestehe darin, daß bei letzterem nicht die einzelnen Kontaktfedersätze durch Trennwände abgekammert seien. Fehlerhaft sei auch der Schluß des Berufungsgerichts, aus dem Inhalt der Klagepatentschrift und dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 ergebe sich, daß derartige Relais mit abgekammerten Kontaktfedersätzen am Anmeldetag des Klagepatents bekannt gewesen seien. Aus der bloßen Tatsache, daß die Merkmale c und d im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 ständen, ergebe sich patentrechtlich nicht, daß Relais mit den Merkmalen des Oberbegriffs vorbekannt gewesen seien. Tatsächlich sei das auch nicht der Fall, denn bei der deutschen Offenlegungsschrift 26 14 942 sei eine Abkammerung im Sinne des Klagepatents nicht vorhanden, wie die Klägerin vorgetragen und womit sich das Berufungsgericht nicht befaßt habe. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts seien Aufgabe und Lösung des Klagepatents bei der Prüfung des sogenannten „Formstein”-Einwands (BGHZ 98, 12 ff. - Formstein) keineswegs „ohne jede Relevanz”. Vielmehr sei vor der Prüfung dieses Einwands zunächst die Frage der Gleichwirkung der Merkmale der angegriffenen Ausführungsform mit den Merkmalen des oder der Patentansprüche des Klagepatents zu überprüfen. Erst dann stelle sich die Frage, ob die angegriffene Ausführungsform gegenüber dem vorbekannten Stand der Technik erfinderisch sei.
Das Berufungsgericht sei rechtsfehlerhaft darüber hinweggegangen, daß die Beantwortung der Frage einer naheliegenden Abwandlung einer vorbekannten Konstruktion die Frage beinhalte, aus welchem Grund es dem Fachmann nahegelegt gewesen sein solle, eine vorbekannte Konstruktion abzuwandeln. Sei der Grund die Lösung des der Erfindung zugrundeliegenden Problems gewesen, so hätte das Berufungsgericht darlegen müssen, weshalb es für den Durchschnittsfachmann nach dem vorbekannten Stand der Technik nahegelegen habe, einerseits den Steg im unteren Bereich des vorbekannten „KACO”-Relais mit dem Faktor von wenigstens zwei zu verlängern und andererseits, wie bei der angegriffenen Ausführungsform geschehen, den beim „KACO”-Relais zur ortsfesten Anlage und Positionierung der passiven Kontaktfedern dienenden Steg b bei der angegriffenen Ausführungsform ganz in den oberen Bereich als Steg c zu verlegen und zusätzlich einen weiteren Steg b zu verwenden, der nur auf den ersten Blick ähnlich wie bei dem vorbekannten Relais angeordnet sei, nach dem unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin aber eine ganz andere Funktion erfülle.
Nach dem Vortrag der Beklagten habe eine Verlängerung des Steges a im unteren Bereich nur deshalb nahegelegen, weil damit in geläufiger Weise eine Verlängerung des Kriechstromweges bezweckt werde. Das aber sei zwischen den Parteien streitig. Nach dem unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin sei nämlich die Wandung a bei der angegriffenen Ausführungsform ebensowenig bestimmt wie geeignet, eine Verlängerung des Kriechstromweges für Kriechströme zu bewirken. Auch dazu habe das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen, so daß revisionsrechtlich von der Richtigkeit des Vortrages der Klägerin auszugehen sei. Dann aber habe es nach dem Vortrag beider Parteien nicht nahegelegen, die vorbekannte Konstruktion des „KACO”-Relais im Sinne der angegriffenen Ausführungsform abzuwandeln.
Schließlich verkenne das Berufungsgericht auch die Beweislast. Nicht die Klägerin habe darzulegen, „welcher erfinderische Schritt der Übertragung der vorbekannten Steganordnung auf ein ebenfalls vorbekanntes Relais mit abgekammerten Kontaktfedersätzen zugrunde gelegen haben soll”. Die Darlegungs- und Beweislast für den von ihr erhobenen Einwand des freien Standes der Technik liege bei der Beklagten. Sie müsse darlegen und beweisen, daß es keiner erfinderischen Überlegung bedurft habe, um vom Stand der Technik auf die angegriffene Ausführungsform zu kommen.
4. Die Rügen der Revision sind im Ergebnis begründet.
a) Das Berufungsgericht hat nicht nur keine Ausführungen zum Gegenstand der Lehre des Klagepatents gemacht, es hat auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob und in welcher Form bei der angegriffenen Ausführungsform von den Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Klagepatents Gebrauch gemacht ist.
Die Revision rügt dies als rechtsfehlerhaft, weil die Prüfung des „Formstein”-Einwands (BGHZ 98, 12 ff. - Formstein), wonach der wegen Patentverletzung in Anspruch Genommene sich damit verteidigen kann, die als patentverletzend beanstandete Ausführungsform sei durch den Stand der Technik bekannt oder stelle mit Rücksicht auf diesen keine Erfindung dar, die vorherige Feststellung voraussetze, daß die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Klagepatents erfaßt werde.
([agr]) Vor der Prüfung des sogenannten „Formstein”-Einwands muß durch einen Vergleich zwischen den Merkmalen des oder der Patentansprüche und der angegriffenen Ausführungsform zumindest ausgeschlossen werden, daß bei der angegriffenen Ausführungsform von den Merkmalen des oder der Patentansprüche in identischer Form Gebrauch gemacht ist. Denn wird von allen Merkmalen eines erteilten Patentanspruchs bei der angegriffenen Ausführungsform in identischer Weise Gebrauch gemacht, kann sich der Beklagte des Patentverletzungsprozesses nicht damit verteidigen, die angegriffene Ausführungsform stelle mit Rücksicht auf den Stand der Technik keine patentfähige Erfindung dar, weil dies auf eine inzidente Feststellung der Nichtigkeit des Klagepatents im Rahmen des Patentverletzungsverfahrens hinauslaufen würde, was mit der dem deutschen Recht entsprechenden Kompetenzverteilung zwischen Nichtigkeits- und Patentverletzungsverfahren nicht vereinbar ist. Die Patenterteilung kann nur mit der Nichtigkeitsklage angefochten werden.
([bgr]) Trotz fehlender Feststellungen im Berufungsurteil kann im Streitfall mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, daß das Berufungsgericht eine identische Verwirklichung des Merkmals e bei der angegriffenen Ausführungsform ausgeschlossen hat.
Den Schriftsätzen der Parteien und dem Urteil des Landgerichts ist zu entnehmen, daß unter den Parteien nicht darüber gestritten wird, daß die Merkmale a bis d des Patentanspruchs 1 bei der angegriffenen Ausführungsform wortlautgemäß verwirklicht sind. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß dieser Beurteilung falsche patentrechtliche Auffassungen zugrunde liegen. Das Berufungsgericht geht ersichtlich von dieser Beurteilung des Landgerichts aus. Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen.
Zur Frage der Verwirklichung des Merkmals e des Patentanspruchs 1 des Klagepatents enthält das Berufungsurteil ebenfalls keine Feststellungen. Im Tatbestand des angefochtenen Urteils ist allerdings die Auffassung der Klägerin referiert, daß dieses Merkmal bei der angegriffenen Ausführungsform in äquivalenter Weise verwirklicht sei. In Verbindung mit dem Vortrag der Parteien und unter Heranziehung der Gründe des landgerichtlichen Urteils kann mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, daß das Berufungsgericht eine identische Benutzung des Merkmals e des Patentanspruchs 1 bei der angegriffenen Ausführungsform nicht annimmt. Obwohl das Revisionsgericht keine tatrichterlichen Feststellungen zu treffen hat, läßt sich an dem angegriffenen Relais, von dem sich ein Muster bei den Gerichtsakten befindet, unschwer erkennen, daß dort keine Zwischenwand vorgesehen ist, die lediglich den Kontakt gebenden Teil der Kontaktfedern freiläßt, sondern ein größerer Bereich zwischen den Kontaktfedern eines Kontaktfedersatzes freigelassen ist.
Aus alledem folgt, daß bei der weiteren revisionsrechtlichen Prüfung davon ausgegangen werden kann, daß bezüglich des Merkmals e eine identische Patentverletzung nicht in Betracht kommt, zumal auch die Revision insoweit keine Beanstandung erhebt.
b) Zu der danach bezüglich des Merkmals e allein in Betracht zu ziehenden Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln enthält das Berufungsurteil keine Feststellungen. Für die weitere revisionsrechtliche Prüfung ist daher zweierlei zu unterstellen:
Zum einen ist zu unterstellen, daß bei der angegriffenen Ausführungsform die „Zwischenwand” so komplett oder, anders ausgedrückt, die verbliebene Öffnung unterhalb des Kontaktbereichs eines Kontaktfedersatzes so klein ist, daß das Problem des Schutzes gegen Kurzschluß bei Federbruch noch in einem praktisch relevanten Umfang gelöst wird, d.h. daß der mit der Erfindung angestrebte technische Erfolg noch in einem praktisch erheblichen Umfang erreicht wird. Bei der erneuten Prüfung wird das Berufungsgericht gegebenenfalls zu überprüfen haben, ob angesichts der Dimensionierung der beiden Stege a und b (vgl. die Anl. B 1, B 2 und B 6 Fig. 2) der patentgemäße Erfolg bei der angegriffenen Ausführungsform noch in einem praktisch bedeutsamen Ausmaß, wenn auch verschlechtert, erreicht wird.
Zum anderen ist revisionsrechtlich zu unterstellen, daß die vorstehend dargestellte Abwandlung der Trennwand gemäß Merkmal e des Patentanspruchs 1 des Klagepatents durch die Stege a und b bei der angegriffenen Ausführungsform dem Durchschnittsfachmann auf der Grundlage der Lehre des Streitpatents nahegelegt war.
c) Bei der Prüfung des sogenannten „Formstein”-Einwands geht das Berufungsgericht zunächst zutreffend davon aus, daß die Beklagte bezüglich der angegriffenen Ausführungsform dann nicht wegen Patentverletzung in Anspruch genommen werden kann, wenn diese dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war. Es prüft in diesem Zusammenhang, ob die angegriffene Ausführungsform durch eine Kombination des vorbekannten „KACO”-Relais mit der deutschen Auslegeschrift 26 14 942 nahegelegt war.
Dabei begnügt es sich mit dem Hinweis, die Klagepatentschrift gehe selbst davon aus, daß es aus der deutschen Auslegeschrift 26 14 942 (bei den Akten befindet sich lediglich die deutsche Offenlegungsschrift 26 14 942, Anl. K 3, von der im folgenden ausgegangen wird) bekannt gewesen sei, Kontaktfedersätze abzukammern, weshalb das Klagepatent „dessen Merkmale folgerichtig im Oberbegriff des Anspruchs 1 wiedergibt”.
Diese Begründung ist unzureichend und rechtsfehlerhaft, wie die Revision mit Recht rügt.
Zum Stand der Technik gehört nur das, was zur Zeit der Anmeldung des Klagepatents der Öffentlichkeit tatsächlich zugänglich war. Das gilt auch dann, wenn der Anmelder versehentlich einen Teil seiner Erfindung dem Stand der Technik zugerechnet hat und insoweit sachlich unzutreffende Angaben in der Patentschrift enthalten sind (vgl. Benkard, aaO, PatG § 22 Rdn. 43 m.N.). Bei der Prüfung des Einwands, die als patentverletzend beanstandete Ausführungsform stelle mit Rücksicht auf den Stand der Technik keine Erfindung dar, kommt es allein auf die zur Zeit der Anmeldung des Klagepatents gegebene objektive Lage und nicht auf das diesbezügliche Referat in der Klagepatentschrift und schon gar nicht darauf an, ob ein Merkmal im Oberbegriff des Patentanspruchs oder in seinem Kennzeichen wiedergegeben ist. Das Berufungsgericht hätte sich deshalb mit dem Inhalt der vorveröffentlichten deutschen Offenlegungsschrift 26 14 942 befassen müssen. Die Klägerin hatte insoweit vorgetragen, daß dort eine Abkammerung im Sinne des Klagepatents nicht vorhanden sei. Nicht nur das kennzeichnende Merkmal e, sondern auch die in den Oberbegriff des Patentanspruchs 1 des Klagepatents aufgenommenen Merkmale c und d seien bei dem Relais nach der deutschen Auslegeschrift 26 14 942 nicht verwirklicht. Eine Abkammerung der oberen Kontakt gebenden Enden der Kontaktfedern eines jeden Kontaktfedersatzes durch das Betätigungselement in ein oberes und ein unteres Volumen sei dort nicht vorhanden. Vorhanden seien nur Anschläge für die passiven Kontaktfedern. Mit diesem Vorbringen der Klägerin hätte sich das Berufungsgericht sachlich auseinandersetzen müssen.
d) Bei der weiteren revisionsrechtlichen Prüfung wird im folgenden davon ausgegangen, daß es aus der deutschen Offenlegungsschrift 26 14 942 bekannt war, die einzelnen aus aktiver und passiver Kontaktfeder bestehenden Kontaktfedersätze gegeneinander abzukammern.
e) Das Berufungsgericht befaßt sich sodann mit dem vorbekannten „KACO”-Relais, von dem im folgenden die Fig. 1 der Anl. B 6 wiedergegeben ist. Außerdem ist darunter die als Anl. B 1 vorgelegte Zeichnung der angegriffenen Ausführungsform (mit gebrochenen Federn) wiedergegeben, um die nachfolgenden Erörterungen besser verständlich zu machen.
Das Berufungsgericht stellt fest, daß bei dem „KACO”-Relais jeweils zwischen zwei zugeordneten Kontaktfedern (h, i) im unteren und oberen Bereich Stege (a, b) angeordnet sind, wobei die oberen Stege (b) gegenüber den unteren Stegen (c) seitlich versetzt sind und sich unterhalb der Federkontaktstelle befinden. Das Berufungsgericht stellt weiter fest, daß die unteren Stege (a) als Kriechstromstege und die oberen Stege (b) als Anlagestege für die Passivfedern dienen.
Das Berufungsgericht vergleicht sodann das „KACO”-Relais mit der angegriffenen Ausführungsform. Hierbei begnügt es sich mit der Feststellung, daß sich auch bei der angegriffenen Ausführungsform „jeweils zwischen zwei einander zugeordneten Kontaktfedern eines Kontaktfedersatzes im unteren und oberen Bereich Stege” befänden, „welche geringfügig anders proportioniert (seien) als bei dem vorbenutzten ‚KACO’-Relais”. Auch entspreche „die räumliche Anordnung dieser Stege nahezu identisch der Anordnung der Stege bei dem vorbekannten Relais”.
Die Revision rügt, daß sich das Berufungsgericht nicht mit der Funktion der jeweils verglichenen Elemente befaßt habe. Die Klägerin habe vorgetragen und belegt, daß die angegriffene Ausführungsform insgesamt drei Stege habe. Demgegenüber besitze das „KACO”-Relais nur zwei Stege. Wie der von der Beklagten als Anl. B 1 vorgelegten Zeichnung der angegriffenen Ausführungsform zu entnehmen sei, weise das angegriffene Relais drei Stege auf, die dort mit den Bezugszeichen a, b und c bezeichnet seien, während das „KACO”-Relais nur zwei Stege a und b habe, wie der Darstellung in Fig. 1 der Anl. B 6 zu entnehmen sei. Das Berufungsgericht habe diesen Umstand unberücksichtigt gelassen. Die Klägerin habe auch im Berufungsrechtszug mehrfach vorgetragen, daß die Funktion des in Fig. 1 der Anl. B 6 mit dem Buchstaben b gekennzeichneten Anlagesteges des „KACO”-Relais bei der angegriffenen Ausführungsform nicht durch den Steg b (vgl. Anl. B 1), sondern durch den Steg c übernommen werde, denn nur der Steg c diene als Anschlag für die Kontaktfedern. Die mit b bezeichneten Stege der angegriffenen Ausführungsform seien demgegenüber keine Anlagestege, weil an diesen die Kontaktfedern nicht anlägen. Sie entsprächen vielmehr funktionell den Zwischenwänden 7 gemäß Merkmal e des Patentanspruchs 1 des Klagepatents.
Die Rügen der Revision sind begründet.
([agr]) Das Berufungsgericht erkennt, daß die unteren Stege a bei der angegriffenen Ausführungsform „geringfügig anders proportioniert” sind als die Stege a bei dem vorbekannten „KACO”-Relais. Dem Umstand, daß die unteren Stege bei der angegriffenen Ausführungsform gegenüber den unteren Stegen des vorbekannten „KACO”-Relais etwa doppelt so lang sind, mißt das Berufungsgericht keine Bedeutung bei, sondern stellt insoweit allein auf die übereinstimmende „räumliche Anordnung” der verglichenen Stege ab.
Das ist rechtsfehlerhaft, denn es kommt insoweit auf die Dimensionierung der Stege an. Es spricht wenig dafür, daß die angegriffene Ausführungsform durch das „KACO”-Relais nahegelegt war, wenn bei dem letzteren die unteren Stege a nicht so dimensioniert sind, daß mit ihnen dieselbe Wirkung wie bei der angegriffenen Ausführungsform erreicht werden kann. Zweck des unteren Steges a bei der angegriffenen Ausführungsform ist nach dem Vortrag der Klägerin im Zusammenwirken mit dem oberen Steg b die patentgemäße Zwischenwand (vgl. Merkmal e) zu ersetzen. Zweck der patentgemäßen Zwischenwand ist es, einen Kurzschluß im Falle des Bruchs einer Kontaktfeder zu vermeiden. Es liegt auf der Hand, daß dies bei der angegriffenen Ausführungsform wie beim „KACO”-Relais nur vermieden werden kann, wenn die oberen und unteren Stege hinreichend groß sind oder anders ausgedrückt, wenn der freie Raum zwischen diesen Stegen hinreichend klein ist, so daß eine abgebrochene Kontaktfeder mit der benachbarten nicht in Berührung kommen kann. Es ist denkbar, daß der untere Steg a beim „KACO”-Relais so klein ist, daß im Zusammenwirken mit dem oberen Steg b bei diesem Relais die patentgemäße Wirkung einer „Abkammerung” der einzelnen Kontaktfeder eines Kontaktfedersatzes im Falle des Federbruchs überhaupt nicht erreicht wird. Dies macht die Klägerin geltend. Wenn der untere Steg a beim „KACO”-Relais zur Vermeidung von Kriechströmen dient, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, und er wegen seiner geringen Dimensionierung eine darüber hinausgehende Funktion im Sinne eines Zusammenwirkens mit dem oberen Steg b zur Schaffung einer „Trennwand” zwischen den beiden Kontaktfedern eines Kontaktfedersatzes nicht hat, der Gedanke der Abkammerung der Passiv- und der Aktivfeder eines Kontaktfedersatzes demgemäß dem „KACO”-Relais überhaupt nicht entnommen werden kann, ist nicht ersichtlich, was den Fachmann zu einer Vergrößerung des unteren Steges a des „KACO”-Relais veranlassen sollte, der zur Vermeidung von Kriechströmen ersichtlich als ausreichend dimensioniert angesehen wurde.
Umgekehrt ist es denkbar, daß die bei der angegriffenen Ausführungsform gegenüber dem „KACO”-Relais veränderte Dimensionierung der Stege a und b ein Ersatz für die patentgemäße Zwischenwand (Merkmal e des Patentanspruchs) sein kann.
Die allein auf die „räumliche Anordnung” der Stege abstellende Betrachtung des Berufungsgerichts greift zu kurz.
([bgr]) Im übrigen weist die Revision mit Recht darauf hin, daß das angegriffene Relais drei Stege mit den Bezugszeichen a, b und c hat, während das „KACO”-Relais nur zwei Stege, nämlich die Stege a und b, aufweist. Bei dem „KACO”-Relais hat der Steg b die Funktion, die seitliche Ausschwenkung der einen Kontaktfeder zu begrenzen, d.h. als Anschlag für diese Feder zu dienen. Bei der angegriffenen Ausführungsform wird diese Funktion (insoweit in Übereinstimmung mit dem Klagepatent) von dem oberen Anschlag c übernommen. Es ist nicht erkennbar, was den Fachmann bei einer Kombination des „KACO”-Relais mit dem Relais nach der deutschen Offenlegungsschrift 26 14 942 veranlassen sollte, einerseits den Anschlag von Position b nach Position c zu verlegen und gleichwohl noch zusätzlich einen Steg in Position b vorzusehen, obwohl der Sinn dieses Steges als Anschlagsteg entfallen und ein anderer Sinn nicht erkennbar ist. Die Ausführungen des Berufungsgerichts greifen auch insoweit zu kurz.
f) Darüber hinaus ist das Berufungsurteil auch deshalb aufzuheben, weil das Berufungsgericht die Darlegungs- und Beweislast verkannt hat. Es hat ausgeführt, die Klägerin habe „nicht dargetan, welcher erfinderische Schritt der Übertragung der vorbekannten Steganordnung auf ein ebenfalls vorbekanntes Relais mit abgekammerten Kontaktfedersätzen zugrunde gelegen” haben könne, aus ihrem Vortrag ergebe sich nicht, daß es für die Anordnung „der unteren Stege in der angegriffenen Ausführungsform erfinderischer Überlegungen bedurft hätte”. Wie der Senat in der Entscheidung „Formstein” dargelegt hat, ist es Sache des aus dem Patent in Anspruch genommenen Beklagten darzulegen und zu beweisen, die als patentverletzend beanstandete Ausführungsform stelle mit Rücksicht auf den Stand der Technik keine Erfindung dar (BGHZ 98, 12, 22). Auch wegen der Verletzung der Darlegungs- und Beweislast kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.
II. Nach allem ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen wird.
Für die neue Verhandlung sind folgende Hinweise veranlaßt. Die Auffassung des Berufungsgerichts, für die Beurteilung der Frage, ob die angegriffene Ausführungsform dem Durchschnittsfachmann des Anmeldetages durch den vorbekannten Stand der Technik nahegelegt war, seien „Aufgabe und Lösung des Klagepatents ohne jede Relevanz” und hätten daher „außer Betracht zu bleiben”, es komme allein auf einen „Vergleich zwischen dem Stand der Technik und der angegriffenen Ausführungsform” an, ist nicht zutreffend. Die Prüfung des sogenannten „Formstein”-Einwands kann in aller Regel nicht losgelöst von den Merkmalen des Patentanspruchs und ihrer patentgemäßen Funktion erfolgen. Beschränkt sich die Prüfung des Einwands auf einen Vergleich der angegriffenen Ausführungsform mit dem Stand der Technik, ohne die Merkmale des Patentanspruchs des Klagepatents in den Blick zu nehmen, kann das Ergebnis des Vergleichs die Feststellung der Übereinstimmung in irrelevanten Merkmalen sein, die mit dem Streit der Parteien nichts zu tun haben. Die Prüfung des Einwands, die als patentverletzend beanstandete Ausführungsform stelle mit Rücksicht auf den Stand der Technik keine Erfindung dar, setzt methodisch die Klärung aller Merkmale und ihrer Funktion im Rahmen der patentgemäßen Lehre und weiterhin die Feststellung, zumindest die Unterstellung voraus, daß – aus der Sicht des Fachmanns – von jedem einzelnen Anspruchsmerkmal des Klagepatents bei der angegriffenen Ausführungsform Gebrauch gemacht, mindestens eines dieser Merkmale jedoch nicht in wortsinngemäßer Form verwirklicht ist. Das ist eine allein an den Patentansprüchen unter Berücksichtigung des sonstigen Inhalts der Patentschrift ausgerichtete Prüfung. Erst auf dieser Grundlage kann sachgerecht beurteilt werden, ob eine mit den Merkmalen des Patentanspruchs gleichwirkende Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform ausnahmsweise deshalb vom Patentschutz ausgenommen ist, weil sie über eine naheliegende Abwandlung des vorbekannten Standes der Technik nicht hinausreicht.
Sollte das Berufungsgericht bei der erneuten Befassung mit der Sache zu der Auffassung kommen, daß die angegriffene Ausführungsform in den Schutzbereich des Klagepatents fällt, wird es beim Urteilstenor darauf zu achten haben, daß eine Verurteilung nur wegen solcher Ausführungsformen wird erfolgen können, die dem Fachmann des Anmeldetages des Klagepatents durch den Stand der Technik nicht nahegelegt waren. Soweit sich das Berufungsgericht auch unter Einbeziehung des Vortrages der sachkundigen Parteien zu einer eigenständigen Beurteilung der anstehenden technischen Fragen nicht in der Lage sieht, wird es sich sachverständiger Hilfe zu bedienen haben.
Unterschriften
Rogge, Jestaedt, Maltzahn, Scharen, Keukenschrijver
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 17.02.1999 durch Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539430 |
DB 1999, 1599 |
NJW 2000, 1724 |
NJW-RR 2000, 263 |
GRUR 1999, 914 |
Nachschlagewerk BGH |
Mitt. 1999, 320 |