Verfahrensgang
LG Mühlhausen (Urteil vom 22.02.2001) |
Tenor
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 22. Februar 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten M. vom Vorwurf der Untreue in Tateinheit mit Betrug, die Angeklagten H. und N. vom Vorwurf der Anstiftung zur Untreue freigesprochen. Die hiergegen eingelegte, vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts schloß der Angeklagte M. als damaliger Landrat des ehemaligen Landkreises B. am 24. Februar 1993 mit den Angeklagten H. und N. einen sogenannten „Betreibervertrag” mit einer Laufzeit von zehn Jahren über die Nutzung einer von der H. und N. GbR zu erwerbenden Liegenschaft („Objekt A.”) als Gemeinschaftsunterkunft für Aussiedler und ausländische Flüchtlinge. Darin verpflichtete sich die Gesellschaft als Betreiber, insgesamt 620 Plätze zur Verfügung zu stellen; die Belegung sollte nach Erwerb und Umbau des Objekts beginnen. Als Entgelt wurde pro untergebrachte Person und Tag ein Betrag von 25,99 DM vereinbart. Dem lag ein „Finanzierungskonzept” zugrunde, welches u.a. einen Aufwand für „Kauf einsch. Zinsen und Umbau der Gebäude sowie Schaffung Außenanlagen einschl. Bearbeitungsgebühr” in Gesamthöhe von ca. 16,1 Millionen DM vorsah. Unabhängig von der tatsächlichen Belegung sollte der Betreiber den Unterkunftssatz für 80 % der jeweils belegbaren Plätze abrechnen können. Bei einer Über- oder Unterschreitung „der Investitionssumme” waren Betreiber und Nutzer berechtigt, eine Anpassung des Tagessatzes pro Person um 0,15 DM je 100.000 DM zu verlangen; der Betreiber war verpflichtet, „über die Investitionssumme dem Nutzer Nachweis zu führen”. Die Parteien gingen davon aus, daß die volle Belegungskapazität am 1. April 1994 hergestellt sein würde. Die Aufwendungen für die Unterbringung der genannten Personen waren vom Freistaat Thüringen zu tragen. Die Titelverwaltung oblag dem Landesamt für Soziales und Familie; die Angelegenheiten der Unterbringung waren den kreisfreien Städten und Landkreisen übertragen. Die erforderliche Zustimmung des Landes zu dem Vertrag vom 24. Februar 1993 wurde erteilt.
Nachdem der Betreiber das Grundstück im April 1993 für einen Kaufpreis von 8,5 Millionen DM von dem Landkreis erworben hatte, kam es in der Folge zu unvorhergesehenen Schwierigkeiten beim Umbau und Ausbau des Objekts, so daß eine Fertigstellung zum 1. April 1994 nicht möglich war. Als sich bei einer Begehung am 16. März 1994 erwies, daß ab 1. April 1994 „allenfalls 500” Plätze zur Verfügung stehen würden, verlangten die Angeklagten H. und N. von dem Angeklagten M., gleichwohl bereits ab 1. April 1994 80 % der vollen Kapazität, also 496 Plätze abrechnen zu können. Der Angeklagte M. war hiermit einverstanden, „erwartete” aber im Gegenzug einen Verzicht der Mitangeklagten auf eine mögliche Anhebung des Tagessatzes. Hierauf einigten sich die Angeklagten mündlich; Dritte wurden hierüber nicht in Kenntnis gesetzt. Ebenfalls am 16. März 1994 teilte der Angeklagte M. bewußt wahrheitswidrig dem Landesamt für Familie und Soziales des Freistaats Thüringen mit, eine Belegungskapazität von 620 Plätzen sei ab 1. April 1994 gewährleistet.
Vom 1. April bis zum 31. Dezember 1994 rechneten die Angeklagten H. und N. daraufhin jeweils 80 % von 620 Plätzen ab, obgleich diese Anzahl tatsächlich nicht zur Verfügung stand; vielmehr wurde die Kapazität von 620 Plätzen erst nach Abschluß der Bauarbeiten im Januar 1995 erreicht. Der Landkreis erstattete den Angeklagten H. und N. auf Veranlassung des Angeklagten M. jeweils die abgerechneten Sätze für 496 Plätze und erhielt diese Aufwendungen wiederum vom Freistaat Thüringen (Landesamt für Soziales und Familie) erstattet; Grundlage hierfür war die unzutreffende Freimeldung des Angeklagten M. vom 16. März 1994. Als unberechtigte Zuvielleistung für diesen Zeitraum hat das Landgericht – auf der Basis von 500 zur Verfügung stehenden Plätzen – einen Betrag von ca. 686.000 DM festgestellt, weiterhin, daß die Gesamtsumme der Um- und Neubaukosten einschließlich der Zinsaufwendungen hierfür um 564.000 DM überschritten wurde. Eine Anhebung des Tagessatzes gemäß § 13 a des Betreibervertrags machten die Angeklagten H. und N. nicht geltend.
2. Das Landgericht hat auf der Grundlage dieser Feststellungen sowohl das Vorliegen einer Untreue als auch eines Betrugs durch den Angeklagten M. verneint, weil es an einem Vermögensschaden fehle; dem Freistaat Thüringen sei nämlich infolge der Vermögensverfügung über Haushaltsmittel, welche dem vorgesehenen Verwendungszweck entsprochen hätten, zugleich ein Vermögensvorteil durch den Verzicht auf die mögliche Tagessatzerhöhung zugeflossen. Dieser Vorteil habe etwa 1,1 Millionen DM betragen. Auch eine schadensgleiche Vermögensgefährdung sei nicht eingetreten, da es bei der Vereinbarung am 16. März 1994 keine Anhaltspunkte dafür gegeben habe, die Angeklagten H. und N. würden sich an die Vereinbarung nicht halten. Diese Erwägungen rechtfertigen den Freispruch nicht.
a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts fehlt es hier nicht an einem Vermögensschaden. Das Landgericht hat unter Berufung auf BGHSt 43, 293, 297 f. angenommen, die Verfügung des Angeklagten M. über Haushaltsmittel in Höhe von 686.000 DM im Jahr 1994 zugunsten der Angeklagten H. und N. sei nicht zweckwidrig erfolgt, weil der Angeklagte die Mittel „für den vorgegebenen Zweck, nämlich die Entlohnung der Angeklagten H. und N.” eingesetzt habe (UA S. 13). Dies trifft, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, schon deshalb nicht zu, weil – anders als in dem BGHSt 43, 293 zugrunde liegenden Fall – vorliegend ein Anspruch der Mitangeklagten auf Bezahlung nach Maßgabe der fingierten Belegungszahl gar nicht bestand und daher kein Bedarf für die Mittelverwendung gegeben war.
Soweit von der Verteidigung in der Revisionshauptverhandlung die Möglichkeit angesprochen wurde, die Angeklagten N. und H. könnten einen Schadensersatzanspruch wegen der von ihnen nicht zu vertretenden Verzögerung bei der Fertigstellung des Objekts gehabt haben, welcher durch die Leistung aufgrund der vorgetäuschten Belegungszahl erfüllt worden sei, liegt dies nach den bisherigen Feststellungen nicht nahe. Daß die Planung und Finanzierung der Angeklagten N. und H. „darauf angelegt” war, daß eine Belegungskapazität von 620 Plätzen zum 1. April 1994 hergestellt sein sollte (UA S. 9), hat im Betreibervertrag vom 24. Februar 1993 keinen Ausdruck gefunden. Vielmehr begann die Laufzeit des Vertrags vier Wochen nach Fertigstellungsanzeige; die Nutzung sollte „nach Fertigstellung nachdem der Betreiber über das Objekt verfügen und mit Umbau- und Renovierungsarbeiten bzw. der Neuerrichtung beginnen kann” beginnen, die Entgeltsverpflichtung in Höhe der „jeweils möglichen Belegungskapazität” bestehen. Hieraus ergibt sich, daß schon zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Neubaumaßnahmen vorgesehen waren; überdies ging der Vertrag ersichtlich von einer sukzessiven Erreichung der Gesamtkapazität aus. Schließlich waren am 16. März 1994 nicht nur der Teilneubau, sondern auch Kläranlage und Brandschutzmaßnahmen nicht abgeschlossen. Es ist daher nicht naheliegend, daß zu diesem Zeitpunkt ein Schadensersatzanspruch der Betreiber überhaupt oder gerade in der Höhe bestanden haben könnte, in welcher der Kostenträger vom Angeklagten M. durch die täuschende Erklärung zu Zahlungen veranlaßt wurde.
Bei der Beurteilung pflichtwidriger Verfügungen über Haushaltsmittel ist nicht auf das Gesamtergebnis einer Wirtschaftsperiode oder eine „letzten Endes” erreichbare Saldierung möglicher Vor- und Nachteile für das zu betreuende Vermögen abzustellen, sondern auf die einzelne Untreuehandlung (vgl. BGHSt 40, 287, 298; 43, 293, 296 f.; BGH NStZ 2001, 248, 251); es kommt für die Feststellung eines Vermögensschadens daher darauf an, ob zum Zeitpunkt des Eintritts des Vermögensnachteils dem Treugeber zugleich ein ausgleichender vermögenswerter Vorteil zufließt (BGH NStZ 1997, 543). Ein solcher Ausgleich kann bei pflichtwidrigen Entgeltleistungen an Dritte insbesondere in der Gleichwertigkeit der erlangten Gegenleistung liegen (vgl. BGHSt 40, 293, 298). Hieran mangelt es vorliegend ersichtlich, denn die Zuwendung an die Angeklagten H. und N. erfolgte gerade nicht als Gegenleistung für von diesen vertraglich erbrachte Leistungen. Ein ausgleichender Vermögensvorteil lag entgegen der Annahme des Landgerichts auch nicht in dem „Verzicht” der Angeklagten H. und N. auf eine ihnen zustehende Vergütungserhöhung. Selbst bei Annahme des vom Landgericht errechneten Überschreitungsbetrags hatte der festgestellte – von den Beteiligten geheimgehaltene – „Verzicht” zum Zeitpunkt der schädigenden Vermögensverfügung, auf welchen allein es ankommt, keinen auch nur annähernd konkretisierbaren Vermögenswert und war daher zur Saldierung nicht geeignet. Zu dem Zeitpunkt der Absprache am 16. März 1994 stand weder fest, ob und wann die geplante Belegungskapazität erreicht würde, noch war die Höhe der noch aufzuwendenden Investitionssumme bestimmt; es war daher ungewiß, ob überhaupt jemals ein Anspruch entstehen würde, auf dessen Geltendmachung die Angeklagten H. und N. verzichten konnten. Weitere Unsicherheitsfaktoren ergaben sich schon daraus, daß der Verzicht nur mündlich vereinbart und vom Angeklagten M. weder gegenüber seinen Mitarbeitern noch gegenüber dem Landesamt für Soziales und Familie offenbart wurde. Aus der Vereinbarung ergab sich daher allenfalls eine vage Chance zukünftiger Vermögensmehrung für das vom Angeklagten M. zu betreuende Vermögen; diese stellte keinen den Nachteil unmittelbar ausgleichenden Vorteil dar (vgl. BGHSt 17, 147, 148; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 38).
b) Dasselbe gilt auch für den Tatvorwurf des Betrugs; die an BGHSt 43, 293, 299 orientierten Erwägungen des Landgerichts zur Dispositionsfähigkeit des Freistaats Thüringen und zur fehlenden Notwendigkeit einer gewichtigen Kreditaufnahme des Landes (UA S. 21 f.) gehen fehl, weil es schon an einer gleichwertigen Gegenleistung für die schädigende Vermögensverfügung fehlte.
c) Aufgrund des unzutreffenden Ausgangspunkts mangelt es auch den Erwägungen des Landgerichts zum Vorsatz des Angeklagten M. an einer Grundlage, ohne daß es hierbei auf die von der Revision vorgetragenen Umstände der weiteren geschäftlichen Beziehungen zwischen den Angeklagten ankommt; Feststellungen hierzu trifft das Urteil nicht. Für die Annahme zumindest bedingten Vorsatzes stellt – was das Landgericht nicht erörtert – die Vorgehensweise des Angeklagten M. ein gewichtiges Indiz dar. Kam es ihm, wovon das Landgericht nach seiner nicht näher begründeten Auffassung „ausgehen mußte” (UA S. 22), darauf an, einen Schaden für das Land Thüringen abzuwenden, so lag es fern, dies unter Verstoß gegen die Genehmigungspflicht und unter Geheimhaltung gegenüber dem Landesamt für Soziales und Familie durch wissentlich falsche, täuschende Erklärungen zu tun.
3. a) Da der Freispruch sich somit schon auf der Grundlage der landgerichtlichen Feststellungen als rechtsfehlerhaft erweist, kommt es auf die von der Revision erhobenen Einwendungen gegen die Beweiswürdigung nicht an. Der Senat merkt hierzu an, daß jedenfalls die Feststellung, es sei am 16. März 1994 die von den Angeklagten behauptete Verzichts-Vereinbarung geschlossen worden, einer tragfähigen Grundlage in den Urteilsgründen entbehrt. Welcher Anhaltspunkt für die Richtigkeit dieser Einlassung sich aus der im Urteil wiedergegebenen Aussage der Zeugin Me. ergeben könnte, ist nicht ersichtlich, denn die Zeugin war bei dem Gespräch nicht anwesend und hat auch später von seinem Inhalt nichts erfahren (UA S. 16).
b) Soweit das Landgericht seiner Berechnung des die ursprünglich projektierte Gesamtinvestition übersteigenden Betrags eine Vertragsauslegung zugrunde gelegt hat, wonach auch eine mögliche Erhöhung der Zinslast zu einer Anpassung des Tagessatzes berechtigen sollte, versteht sich dies nicht von selbst und wird vom neuen Tatrichter zu prüfen sein. Eine solche Auslegung des Betreibervertrags würde – wovon das Landgericht offenbar ausgegangen ist – dazu führen, daß das den Angeklagten N. und H. zu leistende Entgelt um so höher würde, je weniger Kredite zurückgeführt würden. Eine solche vollständige Freistellung der Vertragspartner von allen Risiken wäre so ungewöhnlich, daß die Annahme eines solchen Vertragsinhalts besonderer Begründung bedurfte.
Unterschriften
Jähnke, Otten, Rothfuß, Fischer, Elf
Fundstellen
Haufe-Index 2559662 |
wistra 2002, 300 |
NStZ-RR 2002, 237 |
StraFo 2002, 268 |