Verfahrensgang
LG Trier (Urteil vom 29.08.2013) |
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 29. August 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren und den Angeklagten G. wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie hinsichtlich des Angeklagten A. eine Verurteilung wegen tateinheitlichen täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und hinsichtlich des Angeklagten G. die Verurteilung wegen jeweils täterschaftlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge und in weiterer Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (in nicht geringer Menge) (Tat II.1. der Urteilsgründe) sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat II.2. der Urteilsgründe) erstrebt. Darüber hinaus rügt sie, dass hinsichtlich des Angeklagten G. die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht geprüft worden ist. Das Rechtsmittel hat Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Rz. 2
Nach den Feststellungen verabredete der Angeklagte A. mit einem Drogenhändler, sich am Transport größerer Mengen Amphetamin aus den Niederlanden nach Deutschland zu beteiligen. Der Angeklagte sollte die Betäubungsmittel auf einem Parkplatz in Belgien übernehmen und in Saarbrücken einem Abnehmer übergeben, wobei ihm der Übergabeort in etwa vorgegeben war, Informationen zum Empfänger aber erst kurz vor der Ankunft telefonisch übermittelt werden sollten. Noch in Amsterdam lernte der Angeklagte A. in einem „Coffee-Shop” den Angeklagten G. kennen. Im Laufe des Gesprächs, das sich bald um Drogen drehte, konnte der Angeklagte A. den Angeklagten G. als Beifahrer für den beabsichtigten Betäubungsmitteltransport gewinnen. Eine gemeinsame Fahrt erschien ihm vorteilhaft, weil seiner Meinung nach Fahrer und Beifahrer bei einer etwaigen Zollkontrolle weniger auffallen und „vier Augen mehr sehen würden als zwei”. Der Angeklagte G. erklärte sich gegen eine Entlohnung von 500 g Amphetamin zur Mitfahrt bereit. Das Rauschmittel wollte er teilweise zum Eigengebrauch, teilweise zum gewinnbringenden Weiterverkauf nutzen. Nachdem der Auftraggeber des Angeklagten A., bei dem sich der Angeklagte G. vorstellen musste, diesem Plan zugestimmt hatte, begaben sich die beiden Angeklagten mit dem PKW nach Belgien, wo dem Angeklagten A. zwei große Sporttaschen und ein mittelgroßer Karton mit Betäubungsmitteln übergeben wurde. Die Sporttaschen enthielten insgesamt rund 29,4 kg Amphetamin mit einem Amphetaminbasegehalt von rund 6,6 kg. In dem Karton befanden sich neben 5 g Haschisch und Cannabissamen 44 g in kleine Kunststoffbeutel abgepacktes Marihuana mit einem THC-Gehalt von 6,3 g. Der Angeklagte A. wusste, dass es sich bei dem transportierten Rauschgift um größere Mengen Amphetamin handelte. Der Angeklagte G. hatte keine Kenntnis von der Art der Betäubungsmittel; er erkannte bei Übergabe der Sporttaschen und des Kartons allerdings, dass es sich um größere Mengen von Rauschgift handelte, und ging – wie auch der Angeklagte A. – davon aus, dass dieses für den gewinnbringenden Weiterverkauf in Deutschland bestimmt war. Wann der Angeklagte G. das versprochene Amphetamin erhalten sollte, war im Einzelnen nicht besprochen worden. Er ging allerdings davon aus, es alsbald nach der Ankunft am Zielort zu erhalten (Tat II.1. der Urteilsgründe). Bei einer kurz nach seiner Festnahme erfolgten Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten G. wurden 59,8 g Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 95,9 %, 4,6 g Amphetamin und 13,3 g Marihuana gefunden, die für den Eigengebrauch des Angeklagten G. bestimmt waren. Einen Eimer mit 5,4 kg Coffein bewahrte er für einen befreundeten Drogendealer auf (Tat II.2. der Urteilsgründe).
Rz. 3
1. Das Urteil hält hinsichtlich des unter II.1. der Urteilsgründe festgestellten Verhaltens der Angeklagten sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Rz. 4
a) Entgegen der Auffassung der Revisionsführerin werden die Feststellungen allerdings von einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung getragen.
Rz. 5
Die Revisionsführerin macht insoweit geltend, die Beweiswürdigung sei lückenhaft und verstoße gegen Denk- und Erfahrungssätze. Deshalb habe das Landgericht rechtsfehlerhaft keine Feststellungen getroffen, die für beide Angeklagte ein tateinheitliches täterschaftliches Einführen von und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge begründen. Mit diesen Beanstandungen dringt sie nicht durch
Rz. 6
aa) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Überprüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denk- oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn das Tatgericht zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung stellt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1986 – 3 StR 500/86, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2). Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich gewesen wäre.
Rz. 7
bb) Das Landgericht hat den Feststellungen zum Tatgeschehen die geständigen Einlassungen beider Angeklagter, deren übereinstimmenden und als glaubhaft bewerteten Angaben es gefolgt ist, zugrunde gelegt. Die weitere Beweisaufnahme habe keine Hinweise erbracht, dass die Angeklagten das Betäubungsmittel auf eigene Rechnung und in der Absicht eingeführt hätten, diese gewinnbringend weiter zu verkaufen. Dabei hat das Landgericht berücksichtigt, dass ein SMS-Verkehr des Angeklagten A. vom 14. Oktober 2012 und 25. Januar 2013 ein „szenetypisches Verhandeln über Drogenmengen und Preise” nahelegt, insoweit aber keinen Zusammenhang mit der abgeurteilten Tat vom 17. Februar 2013 erkennen können. Einen Hinweis auf eine eigene Handelstätigkeit hat es auch dem Umstand nicht zu entnehmen vermocht, dass der Angeklagte A. bei der Zollkontrolle zunächst angegeben hatte, der Angeklagte G. sei ein Freund, der ihn für zwei Tage in den Niederlanden besucht habe. Die in sich schlüssigen Erwägungen des Landgerichts lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Aus dem Umstand, dass der Angeklagte A. in den Monaten vor der hier abgeurteilten Tat möglicherweise selbst Betäubungsmittelhandel betrieben hat, dessen nähere Umstände hinsichtlich der gehandelten Menge und Art der Betäubungsmittel nicht bekannt sind, muss nicht zwingend gefolgert werden, dass der Angeklagte auch die transportierten Betäubungsmittel selbst gewinnbringend veräußern wollte. Vielmehr ist es möglich und vom Revisionsgericht hinzunehmen, dass das Landgericht diesen Schluss nicht gezogen hat. Auch hinsichtlich des Angeklagten G. begegnet die Beweiswürdigung keinen rechtlichen Bedenken. Die Beweisführung ist auch nicht deshalb lückenhaft, weil das Landgericht nicht erwogen hat, dass der Angeklagte G. bereits wegen Betäubungsmittelhandels vorbestraft ist. Denn dieser Umstand stellt hier für die Frage, welche Rolle dem Angeklagten bei der vorliegenden Einfuhrfahrt zukam, allenfalls ein untergeordnetes Indiz für ein täterschaftliches Handeln dar.
Rz. 8
b) Das Urteil kann dennoch keinen Bestand haben. Nach § 264 StPO muss das Gericht die in der Anklage bezeichnete Tat so, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt, im Urteil unter allen rechtlichen Gesichtspunkten aburteilen. Es ist verpflichtet, den Unrechtsgehalt der Tat voll auszuschöpfen (BGH, Beschluss vom 9. November 1972 – 4 StR 457/71, BGHSt 25, 72, 75; Urteil vom 15. September 1983 – 4 StR 535/83, BGHSt 32, 84, 85). Dieser Verpflichtung ist das Landgericht nicht nachgekommen.
Rz. 9
aa) Hinsichtlich des Angeklagten G. hat das Landgericht bei der rechtlichen Würdigung den Umstand außer Acht gelassen, dass der Angeklagte das ihm als Kurierlohn zugesagte Amphetamin jedenfalls teilweise verkaufen wollte. Insoweit lag aber eine Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nahe.
Rz. 10
(1) Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG umfasst jede eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256 mwN). Damit genügt für ein Handeltreiben jede absatzorientierte Beschaffung des Rauschmittels. Der Tatbestand ist schon dann erfüllt, wenn der Täter einen Dritten ernsthaft verpflichtet hat, ihm die zur Veräußerung bestimmten Betäubungsmittel zu liefern (BGH, Urteil vom 13. August 2009 – 3 StR 224/09, juris Rn. 27).
Rz. 11
(2) Indem er sich für die Begleitung des Angeklagten A. auf der Fahrt 500 g Amphetamin als Lohn versprechen ließ, hat der Angeklagte G. diese Voraussetzungen erfüllt. Auch wenn die genauen Umstände der Entlohnung nicht abgesprochen waren, so rechnete der Angeklagte G. doch mit der – auch vom Hintermann des Angeklagten A. gebilligten – Übergabe des Rauschgifts am Ende der Fahrt. Da er einen Anteil des Amphetamins gewinnbringend weiterverkaufen wollte, erfüllt bereits die Erlangung dieser Zusage den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln. Hinter dieses täterschaftliche Handeltreiben tritt die mit der Begleitung bei der Schmuggelfahrt geleistete Beihilfe zum Handeltreiben nicht zurück, weil sich die Teilnahmehandlungen – je nachdem, ob die versprochenen 500 g Amphetamin der eingeführten Menge entnommen oder gesondert beschafft werden sollten – auf eine andere Betäubungsmittelmenge bzw. einen anderen Teil der Betäubungsmittelmenge bezogen. Vielmehr besteht insgesamt Tateinheit (BGH, Urteil vom 13. August 2009 – 3 StR 224/09, juris Rn. 40). Eine Ergänzung des Schuldspruchs durch den Senat kommt allerdings bereits deshalb nicht in Betracht, da die Urteilsgründe sich nicht dazu verhalten, welcher Anteil des Betäubungsmittels zum Weiterverkauf bestimmt war, so dass aufgrund der Feststellungen nicht beurteilt werden kann, ob sich der Angeklagte insoweit wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG oder wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG strafbar gemacht hat.
Rz. 12
(3) Die aufgezeigten Rechtsfehler führen bezüglich des Angeklagten G. zur Aufhebung des gesamten Urteils im Fall II.1. der Urteilsgründe. Zwar hat das Landgericht für sich betrachtet rechtsfehlerfrei die Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge festgestellt; diese Delikte stehen jedoch wie gezeigt in Tateinheit mit dem nicht ausgeurteilten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (in nicht geringer Menge), so dass sich die Urteilsaufhebung auf sie zu erstrecken hat (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2011 – 3 StR 231/11, NJW 2012, 325, 328 mwN).
Rz. 13
bb) Auch im Schuldspruch hinsichtlich des Angeklagten A. hat die Strafkammer rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass er sich daran beteiligen wollte, dem Angeklagten G. 500 g Amphetamin zu verschaffen, die dieser jedenfalls teilweise gewinnbringend verkaufen wollte. Dabei ergeben die getroffenen Feststellungen nicht, ob sein Verhalten insoweit als täterschaftliches Handeltreiben oder als Anstiftung oder Beihilfe hierzu zu bewerten ist. Der Kognitionspflicht des Landgerichts unterlag es jedoch, den Beitrag des Angeklagten A. zum Betäubungsmittelhandel des Angeklagten G. in objektiver und subjektiver Hinsicht aufzuklären und einer rechtlichen Bewertung zu unterziehen. Dies bedingt auch bei ihm die Aufhebung des Schuldspruchs und lässt die – von diesem Rechtsfehler nicht betroffene – Verurteilung wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge entfallen.
Rz. 14
2. Hinsichtlich der Tat II.2. der Urteilsgründe kann das Urteil ebenfalls keinen Bestand haben. Insoweit erweist sich die Beweiswürdigung als rechtsfehlerhaft. Das Landgericht stützt die Feststellung, dass die bei dem Angeklagte G. sichergestellten Beweismittel ausschließlich dem Eigengebrauch dienen sollten, ohne weitere Erwägungen allein auf die Einlassung des Angeklagten. Dies ist hier auch unter Berücksichtigung der oben dargelegten beschränkten Überprüfung der Beweiswürdigung durch das Revisionsgericht rechtsfehlerhaft.
Rz. 15
a) Entlastende Angaben eines Angeklagten, für die keine zureichenden Anhaltspunkte bestehen und deren Wahrheitsgehalt fraglich ist, darf der Tatrichter nicht ohne Weiteres seiner Entscheidung zugrunde legen, nur weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt. Die Zurückweisung einer Einlassung erfordert auch nicht, dass sich ihr Gegenteil positiv feststellen lässt. Vielmehr muss sich der Tatrichter aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einlassung bilden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 30. Oktober 2008 – 3 StR 416/08, juris Rn. 6; vom 18. Januar 2011 – 1 StR 600/10, NStZ 2011, 302, 303). Dies gilt umso mehr, wenn objektive Beweisanzeichen festgestellt sind, die mit Gewicht gegen die Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten sprechen.
Rz. 16
b) Die danach gebotene Überprüfung der Einlassung des Angeklagten G. hat das Landgericht nicht vorgenommen. Es hat es vielmehr unterlassen, sich mit einer Reihe von Beweisanzeichen zu befassen, die gegen die Richtigkeit dieser Angaben und dafür sprechen, dass das aufgefundene Rausch- und Streckmittel nicht ausschließlich dem Eigenkonsum diente, sondern gewinnbringend weitergegeben werden sollte. So hat sich die Strafkammer mit dem Umstand, dass der Angeklagten G. über eine erhebliche Menge, nämlich 59,8 g Kokain in hoher Dosierung – der Wirkstoffgehalt betrug 95,9 % – verfügte, sowie mit dem gleichzeitigen Auffinden von 5,4 kg Coffein, das als Streckmittel für Kokain dienen kann, nicht auseinandergesetzt. Der Frage, warum der Angeklagte für einen befreundeten unbekannten Dealer den Eimer mit dem Streckmittel aufbewahren sollte, ist das Landgericht nicht nachgegangen. Dem Angeklagten liegt der Handel mit Betäubungsmitteln auch nicht fern, wie nicht nur die frühere Verurteilung, sondern auch der Umstand zeigt, dass er auch das für die Hilfestellung bei der Einfuhr erwartete Amphetamin jedenfalls teilweise verkaufen wollte.
Rz. 17
c) Dass § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG für die Aburteilung des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge den gleichen Strafrahmen wie für das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorsieht, entbindet das Gericht nicht von der Notwendigkeit zu klären, ob und in welchem Umfang das besessene Rauschgift zum Weiterverkauf einerseits und zum Eigenverbrauch andererseits bestimmt war. Im Verhältnis zu anderen Begehungsformen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, die ihrerseits Verbrechen sind, weist der Besitz einen geringeren Unrechtsgehalt auf (BGH, Urteil vom 13. August 2009 – 3 StR 224/09, juris Rn. 40). Auch wirken sich die für den Eigenkonsum einerseits und für den Weiterverkauf andererseits bestimmten Teilmengen und ihr Verhältnis zueinander sowohl bei der rechtlichen Einordnung als auch bei der Gewichtung der Taten im Rahmen der Strafzumessung aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. April 2004 – 3 StR 116/04, StV 2004, 602, 603; vom 9. Januar 2008 – 2 StR 531/07, NStZ-RR 2008, 153). Selbst wenn der Angeklagte nur einen die Grenze zur nicht geringen Menge unterschreitenden Teil des Kokains hätte gewinnbringend absetzen wollen, träte der dann verwirklichte § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG nicht hinter den Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 3 BtMG zurück, sondern stünde hierzu in Tateinheit (BGH, Beschluss vom 24. September 2009 – 3 StR 280/09, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 10).
Rz. 18
3. Das Urteil muss deshalb insgesamt aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden. Der neue Tatrichter wird auch Gelegenheit haben, die Voraussetzungen der Unterbringung des Angeklagten G. in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StPO) zu prüfen. Nach den Feststellungen konsumiert der Angeklagte G. seit dem Alter von zweiundzwanzig Jahren Betäubungsmittel. Insbesondere nach seiner Haftentlassung im Mai 2012 stieg der Konsum auf zuletzt fünf bis sieben Gramm Cannabis täglich und ein Gramm Kokain fast täglich an. Auch vor der abgeurteilten Tat hatte der „ausgesprochen drogengewohnte” Angeklagte Cannabis in unbekannter Menge konsumiert. Sollte die neue Beweisaufnahme diese Feststellungen bestätigen, wird das Landgericht unter Zuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) prüfen und entscheiden müssen, ob die Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gegeben sind.
Unterschriften
Schäfer, RiBGH Pfister ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Schäfer, Mayer, Gericke, Spaniol
Fundstellen
Haufe-Index 7054684 |
NStZ-RR 2014, 344 |
NStZ-RR 2014, 5 |