Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufrechnungsverbot von Rückforderungsansprüchen gegen laufende Rentenbezüge

 

Leitsatz (amtlich)

Der nach dem Tode eines Entschädigungsberechtigten gegen dessen Erben geltend gemachte Rückforderungsanspruch des Entschädigungspflichtigen kann in der Regel nicht gegen einen Rentenanspruch aufgerechnet werden, der dem Erben aus eigenem Recht zusteht.

 

Normenkette

BEG §§ 7, 39; BGB § 394

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 25. April 1989 wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten der Revision trägt der Beklagte.

 

Tatbestand

Der Beklagte leistete an die Mutter der Klägerin, die 1983 in T. verstorbene Gisela L. aufgrund eines im Jahre 1957 abgeschlossenen Vergleichs eine Gesundheitsschadensrente in Höhe von (zuletzt) 1.093 DM sowie - wegen des verfolgungsbedingten Todes ihres Ehemannes Majer L. - eine Hinterbliebenenrente in Höhe von (zuletzt) 947 DM. Nach dem Tode der Rentenberechtigten wurde bekannt, daß sie im Jahre 1959 in Israel wieder geheiratet hatte und ihr zweiter Ehemann Henrik H. dort im Jahre 1978 verstorben war. Der Beklagte forderte deshalb mit einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Bescheid vom 12. Dezember 1986 von der in Kanada lebenden Klägerin als Miterbin ihrer Mutter einen Betrag von 116.026 DM zurück. Zugleich erklärte er, daß bis zur Tilgung dieser Forderung eine der Klägerin zustehende Rente für Schaden an Körper oder Gesundheit in voller Höhe - derzeit monatlich 515 DM - sowie alle zukünftigen Rentennachzahlungen einbehalten und verrechnet werden.

Auf die von der Klägerin dagegen gerichtete Klage hat das Landgericht mit Teilurteil den in dem Rückforderungsbescheid ausgesprochenen Einbehalt sowie die angeordnete Verrechnung ihrer Rente aufgehoben. Auch hat es den Beklagten verurteilt, der Klägerin ab 1. Dezember 1987 die laufende Rente in Höhe von monatlich 515 DM weiter zu bezahlen und ihr für den Zeitraum vom 1. Januar 1987 bis 30. November 1987 eine Rentennachzahlung in Höhe von insgesamt 5.665 DM zu leisten. Nachdem das Oberlandesgericht die Berufung des Beklagten zurückgewiesen hat, verfolgt dieser mit der zugelassenen Revision den Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I.

Das Berufungsgericht hält das vom Landgericht erlassene Teilurteil für zulässig, weil die Voraussetzungen für den Erlaß eines solchen Urteils gemäß § 301 ZPO gegeben gewesen seien. Der aufgehobene Ausspruch des Bescheids hätte auch in einer eigenständigen Verfügung ergehen können. Ebenso enthalte die Anordnung eine selbständige Beschwer; denn damit werde die Weiterzahlung der Rente eingestellt. Schließlich sei der Rechtsstreit insoweit entscheidungsreif; hinsichtlich des mit dem Teilurteil behandelten Begehrens der Klägerin habe selbst bei im übrigen abweichender Entscheidung abschließend entschieden werden können.

Das läßt entgegen der Ansicht der Revision keinen Rechtsfehler erkennen. Der in dem Rückforderungsbescheid enthaltene Ausspruch über die Einbehaltung und Verrechnung der der Klägerin zustehenden Rente mit einem etwaigen Rückforderungsanspruch ist von dem übrigen Prozeßstoff abtrennbar. Unabhängig von dem Bestehen eines solchen Anspruchs des Beklagten konnte somit darüber entschieden werden, zumal die Frage einer Aufrechnung gegen den Rentenanspruch der Klägerin eine etwaige Rückforderungsberechtigung des Beklagten nicht berührt. Das Berufungsgericht geht deshalb zutreffend davon aus, daß gegen das Teilurteil des Landgerichts keine rechtlichen Bedenken bestehen.

II.

Das Berufungsgericht nimmt weiter an, die von dem Beklagten ausgesprochene Aufrechnung der Rückforderungsansprüche gegen die laufenden Rentenbezüge der Klägerin sei unzulässig. Aus den Vorschriften der § 394 BGB in Verbindung mit § 851 Abs. 1 ZPO und § 39 Abs. 1 BEG ergebe sich ein Aufrechnungsverbot, das auf Entschädigungsansprüche anwendbar sei. Eine Ausnahme hiervon lasse sich nicht aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben herleiten, weil eine rechtsmißbräuchliche Anwendung des Sozialschutzes des § 394 Satz 1 BGB nicht vorliege. Allein aufgrund der möglichen Miterbenstellung der Klägerin könne sich der Arglisteinwand gegen das Aufrechnungsverbot nicht ergeben. Auch zu erwartende Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der Rückforderungsansprüche im Ausland oder eine mangelhafte Mitwirkung der Klägerin bei Feststellung der Anspruchsgrundlagen rechtfertigten keine Durchbrechung.

Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

Gemäß § 394 Satz 1 BGB findet gegen eine der Pfändung nicht unterworfene, insbesondere also gegen eine nicht übertragbare Forderung (vgl. § 851 Abs. 1 ZPO) die Aufrechnung nicht statt. Mit dieser Regelung wird dem in §§ 811 ff, 850 ff ZPO zum Ausdruck kommenden Sozialschutz Rechnung getragen und sichergestellt, daß gegenüber unpfändbaren Forderungen auch die Aufrechnung als Mittel der Durchsetzung der Gegenforderung im Wege der Selbsthilfe ausgeschlossen ist (BAG, Urt. v. 31. März 1960 - 5 AZR 441/57 = NJW 1960, 1589, 1591; MünchKomm/von Feldmann, BGB 2. Aufl. § 394 Rdnr. 1). Zwar ist dieser Sozialschutz, dem innerhalb der Rechtsordnung beträchtliches Gewicht zukommt, nicht grenzenlos. Insbesondere können ihm Billigkeits- und Redlichkeitserwägungen entgegenstehen. Eine Berufung auf das Aufrechnungsverbot des § 394 Satz 1 BGB ist jedoch nur dann treuwidrig, wenn der Gläubiger der unpfändbaren Forderung im Rahmen eines einheitlichen Lebensverhältnisses, vor allem eines Unterhalts-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses schadensersatzpflichtig geworden ist. Liegt ein solches Verhältnis nicht vor, hat insbesondere der Schuldner der Forderung, mit der aufgerechnet werden soll, sich nicht im Rahmen eines solchen Lebensverhältnisses schadensersatzpflichtig gemacht, kann das Aufrechnungsverbot durch die Einrede der Arglist nicht beseitigt werden (BGHZ 30, 36, 38 f; Senat, Urt. v. 6. Dezember 1979 - IX ZR 40/76 = RzW 1980, 76).

So ist es hier. Der Klägerin steht unabhängig von ihrer vermeintlichen Stellung als Miterbin nach ihrer Mutter ein gemäß § 39 Abs. 1 BEG nicht übertragbarer Anspruch auf eine Rente zu, der nicht gepfändet und gegen den grundsätzlich nicht aufgerechnet werden kann (§ 851 Abs. 1 ZPO, § 394 Satz 1 BGB). Der ihr durch die genannten Vorschriften eingeräumte Sozialschutz, der auch im Entschädigungsrecht gilt (Senatsurteil aaO), widerspräche nur dann Treu und Glauben, wenn ihre Berufung auf das Aufrechnungsverbot rechtsmißbräuchlich wäre. Eine solche Treuwidrigkeit, die sich - wie ausgeführt - aus den Besonderheiten eines einheitlichen Lebensverhältnisses ergeben könnte, liegt im Streitfall jedoch nicht vor. Der Rentenanspruch der Klägerin beruht auf Verfolgungsmaßnahmen, die sie selbst erlitten hat und durch die sie an Körper oder Gesundheit geschädigt wurde. Demgegenüber leitet der Beklagte den Rückforderungsanspruch aus der Verletzung von Mitteilungspflichten der Mutter der Klägerin her, die die Klägerin - soweit bisher festgestellt - nicht zu verantworten hat und für die sie nur deshalb einstehen soll, weil sie nach den bis jetzt getroffenen Feststellungen unter Umständen Miterbin nach ihrer Mutter geworden ist. Dies reicht nicht aus, um unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben sowie dem Gedanken des Rechtsmißbrauchs eine Ausnahme von dem Aufrechnungsverbot anzunehmen und die von dem Beklagten angeordnete Verrechnung der geschuldeten Rente mit einem etwaigen Rückforderungsanspruch zuzulassen.

Das Berufungsgericht geht daher mit Recht davon aus, daß im Streitfall das für eine Durchbrechung des in § 394 Satz 1 BGB geregelten Aufrechnungsverbots notwendige einheitliche Lebensverhältnis zwischen den Parteien fehlt. Es nimmt zutreffend an, daß die Berufung auf das Aufrechnungsverbot unter den gegebenen Umständen im Verhältnis der Parteien nicht als arglistig angesehen werden kann. Auch ist nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht etwaige Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der Rückforderungsansprüche des Beklagten im Ausland oder eine angebliche unterlassene Mitwirkung der Klägerin bei Feststellung der Anspruchsgrundlage für eine Durchbrechung des Aufrechnungsverbots für nicht ausreichend erachtet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob mit solchen Schwierigkeiten bei einer Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs in Kanada - dem Wohnsitz der Klägerin - überhaupt zu rechnen ist. Auch kann offenbleiben, inwieweit die Klägerin gegenüber dem Beklagten zur Mitwirkung bei Feststellung eines etwaigen Anspruchs des Beklagten verpflichtet ist. Denn diese Umstände sind nur für die Frage von Bedeutung, ob der Beklagte einen etwaigen Rückforderungsanspruch gegen die Erben der Mutter der Klägerin mit Erfolg durchsetzen kann. Eine Einschränkung des gesetzlich geregelten Aufrechnungsverbots unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben kann daraus jedenfalls nicht hergeleitet werden.

 

Unterschriften

Merz

Nonnenkamp

Schmitz

Kreft

Kirchhhof

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456323

JR 1991, 154

DVBl. 1990, 1164

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