Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterbrechung der Verjährung durch Klage
Leitsatz (amtlich)
- Die Stufenklage unterbricht die Verjährung des zunächst noch unbestimmten Leistungsanspruchs nur in der Höhe, in der dieser Anspruch nach Erfüllung der seiner Vorbereitung dienenden Hilfsansprüche beziffert wird.
- Ein Stillstand des Verfahrens liegt bei einer Stufenklage nicht vor, solange der Kläger die zur Bezifferung seines Leistungsanspruchs erforderlichen Hilfsansprüche in der Vollstreckung durchsetzt; auch darüber hinaus kann ihm eine angemessene Frist zur Prüfung und Auswertung der Ergebnisse zuzubilligen sein.
Normenkette
BGB §§ 209, 211 Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin verlangt vom Beklagten, ihrem Bruder, Pflichtteilsergänzung. Die Parteien sind zusammen mit einem weiteren Bruder gesetzliche Erben zu je 1/3 nach ihrem am 6. Oktober 1982 verstorbenen Vater. Er übertrug mit notariellem Vertrag vom 27. Mai 1982 sein landwirtschaftliches Anwesen auf den Beklagten. Dieser räumte dem Vater im Vertrag Altenteilsrechte ein und verpflichtete sich zu Zahlungen an seine beiden Geschwister. Damit erklärte die am Vertrag beteiligte Klägerin etwaige Ansprüche für erloschen, die ihr nach dem Tod der vorverstorbenen Mutter gegen den Vater zustanden. Der Vater ordnete im Vertrag an, daß das Anwesen für die Berechnung etwaiger Pflichtteilsergänzungsansprüche mit dem Ertragswert anzusetzen sei. Die im Vertrag vereinbarten Leistungen zugunsten der anderen Abkömmlinge seien auszugleichen; bei der Berechnung der Ausgleichung solle das Landgut, soweit sein Wert die Gegenleistungen übersteige, mit dem Verkehrswert angesetzt werden.
In einem vorangegangenen Prozeß hat die Klägerin mit unbeziffertem Zahlungsantrag Stufenklage erhoben und vom Beklagten zunächst "Auskunft" über den Verkehrswert begehrt. Hilfsweise hat sie "Auskunft" über den Ertragswert verlangt, um einen Pflichtteilsergänzungsanspruch zu berechnen. Der Beklagte hat diesen Hilfsantrag anerkannt. Das Landgericht hat ihn durch Urteil vom 27. März 1986 seinem Anerkenntnis gemäß verurteilt. Den Hauptantrag hat es abgewiesen. Die Berufung der Klägerin mit dem Ziel, Auskunft über den Verkehrswert zu erhalten, ist vom Oberlandesgericht durch Urteil vom 29. Oktober 1986 zurückgewiesen worden. Nachdem der Beklagte ein Gutachten über den Ertragswert vorgelegt hatte, hat die Klägerin am 6. April 1988 einen Antrag auf Zahlung von 44.400 DM gestellt, der vom Landgericht abgewiesen wurde. Mit der Berufung hat die Klägerin nur noch Zahlung in Höhe von 19.000 DM verlangt. Diesem Antrag hat das Oberlandesgericht durch Urteil vom 26. April 1989 stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, in dieser Höhe könne die Klägerin in jedem Fall Pflichtteilsergänzung verlangen, weil das Anwesen nicht mehr als Landgut anzusehen und daher der Verkehrswert maßgebend sei.
Darauf hat die Klägerin im vorliegenden Verfahren eine Stufenklage erhoben auf "Auskunft über den Verkehrswert durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens", hilfsweise auf Verpflichtung des Beklagten, die Ermittlung des Verkehrswerts zu dulden, um danach den Pflichtteilsergänzungsanspruch zu beziffern. In der Folge hat sie ferner hilfsweise Zahlung von 202.400 DM verlangt. Beide Vorinstanzen haben die Klage als unzulässig abgewiesen, soweit über die von der Klägerin berücksichtigte Verurteilung zu 19.000 DM hinaus der Pflichtteilsergänzungsanspruch im Vorprozeß in Höhe weiterhin verlangter 25.400 DM rechtskräftig abgewiesen worden war. Im übrigen ist die Klage auf die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung als unbegründet abgewiesen worden. Die Revision nimmt die Abweisung als unzulässig hin, verfolgt im übrigen aber die in der Berufungsinstanz gestellten Anträge der Klägerin weiter.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
I.
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch der Klägerin ist, soweit sie ihn im Vorprozeß nicht beziffert hat, inzwischen verjährt.
1.
Geht man mit dem Berufungsgericht davon aus, daß die Klägerin Kenntnis vom Eintritt des Erbfalles und der sie beeinträchtigenden Verfügung erst bei Abfassung der Klageschrift des Vorprozesses erlangt hat, lief die dreijährige Verjährungsfrist des § 2332 Abs. 1 BGB Anfang Oktober 1988 ab, also etwa ein Jahr vor dem Eingang der Klageschrift im vorliegenden Verfahren am 26. Oktober 1989.
2.
Allerdings hat die im Vorprozeß erhobene Stufenklage die Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs vor seiner Bezifferung unabhängig von der später vorgenommenen Konkretisierung in jeder Höhe unterbrochen (BGH, Urteil vom 14. Mai 1975 - IV ZR 19/74 - NJW 1975, 1409f.; BAG, Urteil vom 28. Januar 1986 - 3 AZR 449/84 - NJW 1986, 2527). Das hat das Berufungsgericht nicht verkannt. Damit wird § 254 ZPO Rechnung getragen, der der Klägerin gestattet, sich die bestimmte Angabe der begehrten Leistung vorzubehalten, bis die ihrer Vorbereitung dienenden Hilfsansprüche erfüllt worden sind. Sie war nicht darauf beschränkt, lediglich den Betrag zu fordern, der sich aus der verlangten Auskunft ergab, sondern behielt volle Dispositionsfreiheit, wie sie den Leistungsanspruch errechnen und beziffern wollte (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 1957 - I ZR 192/56 - LM ZPO § 254 Nr. 3 unter IV).
3.
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin im Vorprozeß schließlich Zahlung von 44.400 DM gefordert. Damit hatte sie grundsätzlich nicht die Möglichkeit verloren, aufgrund besserer Einsicht später weitergehende Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend zu machen, auch wenn sie sich dies nicht ausdrücklich vorbehielt (BGH, Urteil vom 28. Juni 1985 - V ZR 43/84 - NJW 1985, 2825, 2826 unter 2 b bb). Solche Ansprüche sind hier durch die weitere Stufenklage erhoben worden, mit der die Klägerin das vorliegende Verfahren eingeleitet hat. Insoweit ist die Verjährung durch Erhebung der Stufenklage im Vorprozeß aber nicht unterbrochen worden.
a)
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist entschieden worden, daß die umfassende Unterbrechung der Verjährung, die durch Erhebung einer Stufenklage eintritt, nicht entfällt, sondern gemäß § 211 Abs. 2 Satz 1 BGB endet, wenn der Anspruch nach Erfüllung der seiner Vorbereitung dienenden Hilfsansprüche nicht beziffert wird (BGH, Urteil vom 14. Mai 1975 - IV ZR 19/74 - NJW 1975, 1409f., BAG, Urteil vom 28. Januar 1986 - 3 AZR 449/84 - NJW 1986, 2527). Dann beginnt die Verjährung erneut zu laufen. Das kann der Beklagte vermeiden, indem er den Prozeß weiterbetreibt (§ 211 Abs. 2 Satz 1 BGB).
b)
Für den hier gegebenen Fall, daß der Zahlungsanspruch nach Erfüllung der Hilfsansprüche in einer bestimmten Höhe beziffert wird, vertritt das Berufungsgericht die Auffassung, daß der Anspruch auch nur in dieser Höhe als mit Erhebung der Stufenklage rechtshängig geworden anzusehen sei (so schon OLG Hamburg, FamRZ 1983, 602; zustimmend Stein/Jonas/Schumann, ZPO 20. Aufl. § 254 RdNr. 18; ebenso Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht 14. Aufl. 1986, § 98 II 3 b S. 585). Die Erhebung der Stufenklage im Vorprozeß habe die Verjährung der jetzt geltend gemachten Ansprüche daher nicht unterbrochen. Die Einrede des Beklagten greife durch.
c)
Dem ist zuzustimmen. Dabei ist nicht entscheidend, ob das Verhalten der Klägerin im Vorprozeß Anhaltspunkte dafür bot, daß sie den Rahmen ihres Anspruchs von vornherein auf den später geltend gemachten Betrag habe beschränken wollen. Vielmehr rechtfertigt der Zweck des § 254 ZPO nach Auffassung des Senats nicht, die im Wege der Stufenklage vorgehende Klägerin im Blick auf die Unterbrechung der Verjährung über den Betrag hinaus zu privilegieren, den sie nach Erfüllung der Hilfsansprüche im Prozeß beziffert hat. Anders - insbesondere auch aus der Sicht des Prozeßgegners - liegt der Fall, wenn nach Erfüllung der Hilfsansprüche überhaupt kein Zahlungsantrag gestellt und das Verfahren von beiden Parteien nicht weiterbetrieben wird. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin jedoch ohne Verfahrensstillstand von der ihr in § 254 ZPO gebotenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, ihren Anspruch erst nach Erfüllung der Hilfsansprüche zu beziffern. Über diesen Betrag hinaus reicht der Schutz des § 254 ZPO vor Verjährung nicht.
d)
Aus den im Berufungsurteil in Bezug genommenen Akten des Vorprozesses ergibt sich allerdings, daß die Klägerin das Verfahren nicht sofort nach Vorlage des Gutachtens durch den Beklagten weiterbetrieben hat. Der Beklagte hat das Landgericht mit Schriftsatz vom 14. Oktober 1987 gebeten, dem Rechtsstreit Fortgang zu gewähren, weil er bereits im Mai 1987 das Gutachten vorgelegt habe und die Klägerin daher seit fünf Monaten in der Lage sei, ihre Ansprüche zu beziffern; es ergebe sich jedoch kein weiterer Anspruch der Klägerin, so daß Klagabweisung beantragt werde. Mit Schriftsatz vom 2. Dezember 1987 hat der Beklagte dem Landgericht mitgeteilt, die Klägerin habe außergerichtlich eine Forderung in Höhe von 44.400 DM erhoben, die er jedoch abgelehnt habe; der Rechtsstreit müsse daher fortgeführt werden. Schließlich hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 18. März 1988 gefordert, Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen, weil die Klägerin den Rechtsstreit offensichtlich nicht weiterbetreiben wolle; daraufhin setzte das Landgericht einen Verhandlungstermin im April 1988 an.
Dem hat das Berufungsgericht jedoch mit Recht nicht einen Verfahrensstillstand und das Inlaufsetzen einer neuen Verjährungsfrist entnommen. Im Falle einer Stufenklage gerät der Prozeß nicht dadurch im Sinne von § 211 Abs. 2 Satz 1 BGB in Stillstand, daß einem der Vorbereitung des Hauptanspruchs dienenden Hilfsantrag rechtskräftig stattgegeben wird. Vielmehr dauert die Unterbrechung der Verjährung auch während der Vollstreckung einer solchen Entscheidung fort, weil die klagende Partei gerade auf diese Weise ihren Zahlungsanspruch weiterverfolgt (BAG, Urteil vom 28. Januar 1986 - 3 AZR 449/84 - NJW 1986, 2527). Im vorliegenden Fall ergibt sich der Zahlungsanspruch noch nicht ohne weiteres aus den Angaben, die durch Erfüllung des Hilfsanspruchs erlangt worden sind. Vielmehr hat die Klägerin ein vom Beklagten in Auftrag gegebenes Gutachten über den Ertragswert des Anwesens erhalten, das sie schon seiner Art nach zu einer kritischen Überprüfung der Ansätze und der daraus gezogenen Folgerungen veranlassen konnte. Hierfür muß ihr eine angemessene Frist zugebilligt werden. Daß ihr Schweigen bis zum Eingang des Beklagtenschriftsatzes vom 14. Oktober 1987 vom Tatrichter noch nicht als Beendigung der Rechtsverfolgung gewertet worden ist, läßt nach den Umständen des vorliegenden Falles keinen Rechtsfehler erkennen.
e)
Schließlich läßt sich die Bezifferung des Zahlungsantrags im Vorprozeß nicht mit der Revision als Klagerücknahme möglicher weiterreichender Ansprüche deuten. Im übrigen wäre die Sechs-Monats-Frist des § 212 Abs. 2 Satz 1 BGB - von der Bezifferung des Zahlungsanspruchs im Vorprozeß im April 1988 an gerechnet - vor Erhebung der Klage im vorliegenden Verfahren abgelaufen.
4.
Damit kann die Klägerin Ansprüche, die sie im Vorprozeß nicht beziffert hat, infolge Verjährung nicht durchsetzen. Daran ändern auch die von der Revision weiterhin angeführten Gesichtspunkte nichts.
a)
Im vorliegenden Fall ist nicht eine erkennbar irrtümliche Beschränkung des Klageantrags im Laufe des Verfahrens berichtigt worden (wie im Fall BGH, Urteil vom 3. Februar 1978 - I ZR 116/76 - LM BGB § 209 Nr. 35). Ob das hier in Rede stehende Anwesen die Eigenschaft, ein Landgut im Sinne von § 2312 BGB zu sein, verloren hat, hängt von einer rechtlichen Wertung ab, deren tatsächliche Grundlagen vom Beklagten im vorliegenden Verfahren mit weiterem Sachvortrag bestritten worden sind. Von einem für die Gegenseite erkennbaren Irrtum der Klägerin im Vorprozeß kann daher nicht die Rede sein.
b)
Es ist Sache des Pflichtteilsberechtigten, sich innerhalb der Verjährungsfrist über die für die Berechnung der Höhe seines Pflichtteilsanspruchs in Betracht kommenden Verhältnisse zu unterrichten; soweit er dabei auf unüberwindliche Schwierigkeiten stößt, kann er auf Feststellung seines Anspruchs klagen (BGH, Urteil vom 10. November 1976 - IV ZR 187/75 - WM 1977, 176, 177). Durch Vorlage des Ertragswertgutachtens sowie durch sein Vorbringen über seine Lebensstellung als Diplomingenieur hat der Beklagte der Klägerin die Fakten an die Hand geliefert, um die Beurteilung des Anwesens als Landgut im Sinne von § 2312 BGB in Zweifel ziehen zu können. Die Berufung des Beklagten auf die Einrede der Verjährung ist deshalb auch nicht rechtsmißbräuchlich.
II.
Da die Klägerin mithin über den im Vorprozeß ausgeurteilten Betrag hinaus keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch mehr geltend machen kann, ist das Informationsinteresse entfallen, dem die vorrangig zur Entscheidung gestellten Hilfsansprüche dienen. Obwohl die Klägerin dem Wortlaut nach Auskunft begehrt, die durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens erteilt werden soll, geht es ihr der Sache nach um Wertermittlung (BGHZ 89, 24, 28). Auch die auf dieses Ziel gerichteten Ansprüche bestehen hier nicht fort, weil eine Bezifferung des Zahlungsanspruchs wegen dessen Verjährung nicht mehr in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 3. Oktober 1984 - IVa ZR 56/83 - NJW 1985, 384f.).
Fundstellen
Haufe-Index 1456324 |
BB 1992, 2031 |
NJW 1992, 2563 |