Leitsatz (amtlich)
Der Verurteilung eines Bandenmitglieds wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs steht nicht entgegen, daß die Einzeldelikte der Betrugsserie der Tätergruppierung in seiner Person aus Rechtsgründen in gleichartiger Tateinheit zusammentreffen und daher gemäß § 52 Abs. 1 StGB gegen ihn nur auf eine Strafe zu erkennen ist.
Normenkette
StGB § 52 Abs. 1, § 263 Abs. 5
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Urteil vom 25.03.2003) |
Tenor
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 25. März 2003 werden verworfen.
Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten – den Angeklagten F. unter Freispruch im übrigen – des gewerbsmäßigen Bandenbetruges (§ 263 Abs. 5 StGB) schuldig gesprochen und den Angeklagten H. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren, den Angeklagten Y. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren sowie einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen und den Angeklagten F. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. In diese Gesamtstrafen sind jeweils die Einzelstrafen einbezogen, die gegen die Angeklagten im Urteil des Landgerichts Hamburg vom 26. April 2001 ausgesprochen worden waren.
Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Der Angeklagte F. macht darüber hinaus das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs geltend. Die Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.
Die Verfahrensrüge des Angeklagten H. ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Soweit er nach Zustellung der Antragsschrift des Generalbundesanwalts mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2003 erstmals eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung bis zur Abfassung der Anklageschrift geltend macht, ist diese Verfahrensrüge (vgl. BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 7 und 11) verspätet (§ 345 Abs. 1 Satz 1 StPO); sie entspricht zudem auch nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
Im übrigen hat die revisionsrechtliche Prüfung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Auch das vom Angeklagten F. geltend gemachte Verfahrenshindernis besteht nicht. Der Senat nimmt bezüglich der erhobenen Einzelbeanstandungen Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seinen Antragsschriften vom 2. Oktober 2003. Weitergehender Erörterung bedarf allein die Frage, ob das Landgericht die Angeklagten des gewerbsmäßigen Bandenbetruges schuldig sprechen durfte, obwohl es sie jeweils nur wegen einer Tat im materiell-rechtlichen Sinne verurteilt hat.
I. Das Landgericht hat folgendes festgestellt:
Im Laufe des Jahres 1998 faßten der Angeklagte H., der frühere Mitangeklagte G. sowie der zwischenzeitlich verstorbene … W. den Entschluß, zu betrügerischen Zwecken im Kapitalanlagenbereich ein Unternehmen in der englischen Rechtsform der „Limited” zu errichten. Die Opfer sollten im Telefonhandel dazu verleitet werden, Gelder als Einlage in einen – tatsächlich nicht existierenden – „Guaranteed Fund” zu zahlen. Eine Kapitalanlage war in Wahrheit nicht vorgesehen. Vielmehr sollten die eingehenden Gelder nach Abzug der Kosten unter den Beteiligten verteilt werden.
Der Angeklagte Y. wurde frühzeitig in diese Planungen eingeweiht. Um später an den Erlösen teilzuhaben, beteiligte er sich schon am Aufbau des Unternehmens, indem er in vielfältiger Weise an der Gründung der Firma, der Anwerbung von Personal, der Einrichtung des Scheinfirmensitzes in Han. sowie der tatsächlichen Betriebsstätte in Ha. und an der Herstellung von Werbematerial mitwirkte.
Anfang Oktober 1998 wurde der Betrieb des Unternehmens in den Büroräumen in Ha. aufgenommen. Dem Angeklagten H. fiel die Aufgabe zu, die – zunächst fünf – Telefonverkäufer zu leiten und einzuweisen. Daneben übte er die Funktion eines „Buchhalters” aus, der bei ständiger Präsenz im Büro den „Verkauf” kontrollierte, die Zahlungsabwicklung mit den Kunden absprach und die diesen gegenüber vorzutäuschende Kontoführung abwickelte. Er wurde aber auch selbst als Telefonverkäufer tätig. Mitte November 1998 stellte er den Angeklagten F. als weiteren Telefonverkäufer ein.
Die potentiellen Kunden wurden zunächst von – nicht ermittelten, mit den Telefonverkäufern nicht identischen – sog. Broschürenwerbern angerufen und in groben Zügen über die Geldanlage im „Guaranteed Fund” informiert. Zeigten sie Interesse, so wurde ihnen von dem vermeintlichen Geschäftssitz in Han. eine Werbebroschüre zugesandt. Sobald mit dem Zugang dieser Broschüre gerechnet wurde, rief einer der Telefonverkäufer unter einem Falschnamen bei dem Interessenten an, um ihn zu einer Geldanlage zu überreden. Sagte dieser zu, oblag es dem Angeklagten H., den Abschluß buchhalterisch und praktisch mit dem Kunden abzuwickeln. Er rief daher unter seinem Decknamen erneut den Kunden an und vereinbarte mit ihm die Zahlungsabwicklung sowie die Übersendung von unterzeichnetem „Beteiligungsantrag” und Zahlungsnachweis per Fax an den Scheinfirmensitz in Han.. Ging das Fax dort ein, informierte der dort tätige „director” der Gesellschaft telefonisch den Angeklagten H. im Büro in Ha.. Dieser veranlaßte aufgrund dessen sofort die Herstellung eines entsprechenden Kontoauszuges in zweifacher Ausfertigung. Ein Exemplar heftete er in der entsprechenden Kundenakte ab, das andere leitete er zusammen mit einem „Versicherungsschein” für die Kapitalanlage weiter nach Han., wo beides vom Scheinsitz der Firma an den jeweiligen Kunden versandt wurde. Die Transporte nach Han. führte zunächst G., ab Dezember 1998 der Angeklagte Y. durch. Der Angeklagte Henk erkundigte sich dann, um das Vertrauen des Kunden zu stärken, telefonisch bei diesem, ob er Kontoauszug und „Versicherungsschein” erhalten habe und alles zu seiner Zufriedenheit abgewickelt worden sei.
In der Folge wurden den Kunden weitere Kontoauszüge übersandt, auf denen die Gutschrift erster Renditen verzeichnet war. Dies diente als Grundlage für „Loadinggespräche”, durch die die Telefonverkäufer die Kunden zur Erhöhung ihrer Kapitalanlage verleiten sollten. Wegen seiner besonderen Fähigkeiten bei den „Loadinggesprächen” wurden dem Angeklagten F. ab Anfang Januar 1999 sämtliche Kundenakten zum Zwecke des Loadings vorgelegt. Auch wurden die Telefonate an ihn als vermeintlichen Verkaufsleiter weitergeleitet, in denen die anderen Telefonverkäufer bzw. der Angeklagte H. bei den Kunden nicht den gewünschten Erfolg erzielen konnten. Im einzelnen vermochte das Landgericht nicht zu klären, welche Kunden von welchem Verkäufer oder Loader zu den jeweiligen einzelnen Erstanlagen und späteren Erhöhungen der Einlagen veranlaßt wurden. Fest steht allein, daß sämtliche Mitarbeiter in dem Büro in Ha. bei der Täuschung der Kunden arbeitsteilig zusammenwirkten. Der Angeklagte Y. hatte indessen keinen direkten Kontakt zu den Kunden.
Zwischen dem 20. Oktober 1998 und dem 23. März 1999 wurden auf diese Weise 23 Anleger zur Zahlung von insgesamt 2.665.297,05 DM und 100.000 ATS verleitet. Die eingehenden Geldbeträge hob der „director” in Han. … von den dort errichteten Bankkonten in bar ab. Das Geld wurde sodann nach Ha. verbracht. Auch diese Transporte führte ab November 1998 der Angeklagte Y. durch.
Die Angeklagten H. und F. wurden bei der Verteilung der Gelder nach festen Prozentsätzen bedacht. Der Angeklagte H. erhielt auf dieser Grundlage im Tatzeitraum mindestens 112.542,98 DM, der Angeklagte F. mindestens 100.000 DM. Der Angeklagte Y. wurde für seine Kurierfahrten zwischen Ha. und Han., die er drei- bis viermal wöchentlich durchführte, mit 2.000 DM pro Fahrt entlohnt. Auch für seine sonstigen Tätigkeiten wurden ihm Zahlungen geleistet, deren genaue Höhe jedoch nicht festgestellt werden konnte.
II. Das Landgericht hat den Angeklagten H. und Y. „sämtliche Verkäufe und Loadings” zugerechnet. Der Angeklagte H. habe zwar mit jedem Kunden selbst Telefonate im Rahmen der Zahlungsabwicklung geführt, ohne daß jedoch die konkreten Tatbeiträge im einzelnen noch hätten festgestellt werden können. Durch seine geschäftsleitende Tätigkeit würden die einzelnen betrügerischen Geschäftsvorfälle in seiner Person jedoch derart eng verbunden, daß sie für ihn eine einzige Betrugstat darstellten. Ebenso seien sämtliche organisatorischen Maßnahmen und die Kurierdienste des Angeklagten Y. rechtlich als eine einheitliche Tat einzuordnen. Eine Aufspaltung seiner Tatbeiträge liege im Hinblick auf die organisatorische Verzahnung seiner Aktivitäten über den gesamten Tatzeitraum fern.
Auch die Tatbeiträge des Angeklagten F. seien als ein einheitlicher Betrug zu werten. Zwar habe er ab Anfang Januar 1999 mit zahlreichen Kunden Verkaufs- und Loadingtelefonate geführt. Seine konkreten Tatbeiträge seien jedoch nicht mehr exakt zurechenbar. Er habe jede Kundenakte zum Zwecke des Loading auf den Schreibtisch bekommen und sich ständig bereit gehalten, um in Problemfällen gegenüber den Kunden mit der Autorität des Verkaufsleiters aufzutreten. Diese organisatorische Stellung und seine ständige Bereitschaft bei Anwesenheit im Büro verbinde seine nicht exakt feststellbaren Tatbeiträge zu einer einheitlichen Tat.
III. Auf dieser Grundlage läßt die Verurteilung der Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges im Ergebnis keinen sie beschwerenden Rechtsfehler erkennen. Insbesondere steht dem Schuldspruch nach § 263 Abs. 5 StGB nicht entgegen, daß das Landgericht das strafrechtlich relevante Verhalten der Angeklagten als eine materiell-rechtliche Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB bewertet hat.
1. a) Gewerbsmäßig handelt, wer sich durch wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen will. Liegt diese Absicht vor, ist bereits die erste Tat als gewerbsmäßig begangen einzustufen, auch wenn es entgegen den ursprünglichen Intentionen des Täters zu weiteren Taten nicht kommt (BGH NJW 1998, 2913, 2914; BGH NStZ 1995, 85; 2004, 265, 266). Eine Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Deliktsbegehung setzt daher schon im Grundsatz nicht notwendig voraus, daß der Täter zur Gewinnerzielung mehrere selbständige Einzeltaten der jeweils in Rede stehenden Art verwirklicht hat. Ob die Angeklagten gewerbsmäßig gehandelt haben, beurteilt sich vielmehr nach ihren ursprünglichen Planungen (vgl. RGSt 58, 19, 21) sowie ihrem tatsächlichen, strafrechtlich relevanten Verhalten über den gesamten ihnen jeweils anzulastenden Tatzeitraum.
Hinsichtlich der Angeklagten H. und F. kann den Feststellungen hierzu entnommen werden, daß sie ihre Tätigkeit in dem Unternehmen jeweils mit dem Willen aufnahmen, durch persönliche Telefonate mit potentiellen Kunden eine Vielzahl möglicher Opfer betrügerisch zu schädigen, um sich bzw. die anderen Beteiligten aus den erlangten Geldern rechtswidrig zu bereichern. Ihre Planungen waren somit darauf gerichtet, durch für sich tatsächlich jeweils selbständige Handlungen eine möglichst große Zahl von Betrugsdelikten eigenhändig zu verwirklichen. Diese Planungen haben sie nach Überzeugung des Landgerichts auch umgesetzt, indem sie durch eine – wenn auch zahlenmäßig nicht exakt feststellbare – Mehrzahl von Erstanwerbungs- und Loadinggesprächen verschiedene Opfer zur Überweisung von Geldbeträgen verleiteten. Hinzu kommen beim Angeklagten H. seine Anrufe bei den – von anderen Telefonverkäufern angeworbenen – Erstkunden zum Zwecke der technischen Abwicklung der Erstanlage, die sich als jeweils individueller mittäterschaftlicher Tatbeitrag zu einem einzelnen selbständigen Betrugsdelikt darstellen. Damit sind die Voraussetzungen gewerbsmäßigen Tätigwerdens für die Angeklagten H. und F. belegt.
Für den Angeklagten Y. gilt im Ergebnis nichts anderes. Zwar hat dieser mangels unmittelbaren Kontakts zu den Kunden in keinem Einzelfall eine Betrugstat in allen Tatbestandsmerkmalen eigenhändig verwirklicht. Auch ist für ihn kein mittäterschaftlicher Tatbeitrag festgestellt, durch den er gezielt ein individuelles Einzeldelikt der Betrugsserie vor dessen Vollendung gesondert gefördert hätte. Jedoch hat er nicht nur in der Gründungsphase des Unternehmens, sondern auch durch die Aufnahme und regelmäßige Durchführung der notwendigen Kurierfahrten zwischen Ha. und Han. durch wiederholte, für sich rein tatsächlich selbständige Handlungen mittäterschaftliche Tatbeiträge erbracht, durch die er die Organisation des Unternehmens aufrechterhielt und damit die von seinen Tatgenossen verwirklichten Einzeldelikte wenn auch nicht individuell, so jedenfalls allgemein förderte, um sich aus den Betrugserlösen zu bereichern. Auch er wollte daher in einem rein tatsächlichen Sinne wiederholt an der Verwirklichung einer Vielzahl von Betrugstaten mitwirken und hat diesen Plan umgesetzt. Dies reicht für die Annahme gewerbsmäßigen Handelns ebenfalls aus.
b) Die konkurrenzrechtliche Einordnung der Einzelaktivitäten der Angeklagten als eine Betrugstat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB ist hier für die Annahme des Qualifikationsmerkmals der Gewerbsmäßigkeit demgegenüber ohne Bedeutung. Insoweit gilt:
aa) Zutreffend ist das Landgericht bei der Bewertung des Konkurrenzverhältnisses der strafrechtlich relevanten Einzelaktivitäten der Angeklagten der Sache nach von dem Grundsatz ausgegangen, daß bei der Beteiligung mehrerer Mittäter an einer Deliktsserie für jeden von ihnen gesondert zu prüfen und zu entscheiden ist, ob die einzelnen Straftaten der Serie in seiner Person tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen. Maßgeblich ist hierbei der Umfang des Tatbeitrages bzw. der Tatbeiträge jedes Mittäters. Erfüllt er hinsichtlich aller oder einzelner Taten der Serie sämtliche Tatbestandsmerkmale in eigener Person oder leistet er für alle oder einige Einzeltaten zumindest einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten – soweit nicht natürliche Handlungseinheit vorliegt – als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Allein die organisatorische Einbindung des Täters in ein betrügerisches Geschäftsunternehmen ist demgegenüber nicht geeignet, diese Einzeldelikte der Tatserie rechtlich zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen (vgl. BGHSt 26, 284, 285 f.; BGH NStZ 1996, 296, 297 sub 2. d; 1997, 233; BGH wistra 2003, 342 f.). Erbringt er dagegen im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge, durch die alle oder je mehrere Einzeldelikte seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, so sind ihm die je gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob die Mittäter die einzelnen Delikte nach obigen Grundsätzen gegebenenfalls tatmehrheitlich begangen haben, ist demgegenüber ohne Bedeutung (st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZ-RR 2003, 265, 267; BGH wistra 2001, 336, 337 m. w. N.; a.A. Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 52 Rdn. 21).
Beim Zusammenwirken mehrerer Beteiligter im Rahmen eines Unternehmens, das – allein oder auch – zum Zwecke der Begehung von Straftaten über eine längere Zeit betrieben wird, ist nach diesen Maßstäben eine Vielzahl von Möglichkeiten denkbar, wie in der Person jedes einzelnen Beteiligten je nach seinen Tätigkeitsbereichen bzw. seinen tatsächlich entfalteten Aktivitäten die aus dem Unternehmen heraus begangenen Straftaten konkurrenzrechtlich zusammentreffen können. Die Aufklärung der firmeninternen Vorgänge, die für eine in allen Einzelheiten zutreffende konkurrenzrechtliche Bewertung der dem jeweiligen Beteiligten zurechenbaren Einzeltaten notwendig wäre, wird demgegenüber jedoch vielfach nicht möglich oder nur mit einem unverhältnismäßigen Ermittlungs- bzw. Verhandlungsaufwand durchführbar sein. Dieses Aufklärungsdefizit war nach früherer Rechtsprechung weitgehend deswegen unproblematisch, weil derartige Tatserien meist – ob nach den hierzu aufgestellten rechtlichen Maßstäben stets zutreffend, sei dahingestellt – als fortgesetzte Handlung rechtlich zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verbunden wurden. Seit diese Rechtsfigur durch den Beschluß des Großen Senats für Strafsachen vom 3. Mai 1994 (BGHSt 40, 138) im wesentlichen – so auch für den Straftatbestand des Betruges – aufgegeben worden ist, stellt sich das Problem der tatsächlichen Aufklärung und zutreffenden konkurrenzrechtlichen Bewertung von Tatserien unter Mitwirkung mehrere Beteiligter neu. Zur Überwindung der dadurch aufgeworfenen Schwierigkeiten behilft sich die Rechtsprechung nunmehr damit, daß sie – abgesehen von durch einen Tatgenossen eigenhändig verwirklichten oder durch einen individuellen Tatbeitrag mitverwirklichten Einzeldelikten – Tatbeiträge eines Mittäters, mittelbaren Täters oder Gehilfen zum Aufbau, zur Aufrechterhaltung und zum Ablauf eines auf Straftaten ausgerichteten Geschäftsbetriebes unter Heranziehung des Zweifelssatzes (vgl. BGH NStZ 1994, 586; BGH, Beschl. vom 7. September 1995 – 1 StR 319/95; BGH, Urt. vom 3. Juli 2003 – 1 StR 453/02, insoweit in wistra 2003, 424 nicht abgedruckt; s. auch BGHSt 40, 218, 238) rechtlich weitgehend zu einem – uneigentlichen – Organisationsdelikt zusammenfaßt, durch welches mehrere Einzelhandlungen oder mehrere natürliche Handlungseinheiten rechtlich verbunden und hiermit die aus der Unternehmensstruktur heraus begangenen Straftaten in der Person dieser Tatbeteiligten zu einer einheitlichen Tat oder gegebenenfalls zu wenigen einheitlichen Taten im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammengeführt werden (s. etwa BGH NStZ 1996, 296 f.; BGHR StGB § 263 Täterschaft 1; BGH NJW 1998, 767, 769; 2004, 375, 378).
Hiergegen ist, insbesondere unter dem Aspekt der Verfahrensvereinfachung, grundsätzlich nichts einzuwenden; denn da die konkurrenzrechtliche Einordnung der Einzeltaten deren Gesamtunrechts- und Schuldgehalt im allgemeinen nicht berührt (vgl. BGHSt 40, 218, 239; 41, 368, 373; BGH NStZ 1997, 233; BGH, Beschl. vom 30. März 2004 – 4 StR 529/03), führt die Verurteilung wegen nur einer Tat oder nur weniger tatmehrheitlicher Taten in aller Regel im Ergebnis zu einer den Angeklagten weder ungerechtfertigt belastenden noch unberechtigt begünstigenden Straffolge. Jedoch darf hierüber nicht aus dem Blick verloren werden, daß dem Angeklagten jedes durch einen Mittäter, Tatmittler oder Haupttäter vollendetes selbständiges Einzeldelikt zuzurechnen ist. Dies ist zur Kennzeichnung des Schuldumfangs im Schuldspruch grundsätzlich dadurch zum Ausdruck zu bringen, daß das Vorliegen gleichartiger Tateinheit kenntlich gemacht wird (vgl. etwa BGH NStZ 1994, 35; BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 30 und § 263 Täterschaft 1; BGH wistra 2001, 144; mißverständlich demgegenüber z. B. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Konkurrenzen 10 und § 266 Abs. 1 Konkurrenzen 2). Hiervon kann nur dann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn durch die genaue Bezeichnung des Konkurrenzverhältnisses der Schuldspruch unübersichtlich und schwer verständlich würde (BGH NStZ 1996, 610, 611).
bb) Ob das Landgericht diese Grundsätze bei allen Angeklagten zutreffend angewendet hat, insbesondere ob nicht jedenfalls bei dem Angeklagten H. aufgrund der festgestellten Telefonate mit jedem einzelnen Kunden zur technischen Abwicklung der Erstanlage zumindest 23 Betrugstaten tatmehrheitlich hätten ausgeurteilt werden müssen, kann dahinstehen. Ebenso bedürfen die Schuldsprüche insofern keiner Korrektur, als das Landgericht das Vorliegen gleichartiger Tateinheit nicht zum Ausdruck gebracht hat. Denn durch die Ausurteilung nur einer einheitlichen Betrugstat werden die Angeklagten hier nicht beschwert, insbesondere wird die Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung hierdurch nicht ausgeschlossen.
Die Betrachtung der rechtlichen und tatsächlichen Gründe, die dazu führten, daß das Landgericht die verschiedenen Einzelaktivitäten der Angeklagten, durch die diese zur Verwirklichung der ihnen zurechenbaren Betrugsfälle beigetragen haben, als „dieselbe Handlung” im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB gewertet hat, zeigt, daß die konkurrenzrechtliche Einordnung keine geeignete Rechtfertigung dafür darstellen kann, gewerbsmäßige Tatbegehung zu verneinen. Sie hängt weitgehend von Zufälligkeiten ab, verschleiert eher den Umfang der tatsächlichen strafrechtlichen Aktivitäten der Angeklagten sowie die Bedeutung, die diesen für die Verwirklichung der Deliktsserie zukam, und verdeckt – bei Ausurteilung nur einer einheitlichen Betrugstat – insbesondere den wesentlichen Umstand, daß den Angeklagten alle während des ihnen anlastbaren Tatzeitraums aus dem Unternehmen heraus begangenen Betrugsdelikte zuzurechnen sind. Sie beruht bei den Angeklagten H. und Y. allein auf der Anwendung des Zweifelssatzes, weil das Landgericht die genaue Zahl der von diesen eigenhändig in allen Tatbestandsmerkmalen und damit tatmehrheitlich verwirklichten Betrugstaten nicht festzustellen vermochte, obwohl es andererseits davon überzeugt war, daß diese Angeklagten eine Mehrzahl von Betrugsdelikten tatmehrheitlich begangen haben. Beim Angeklagten Y. ist lediglich deshalb von nur einer Tat nach § 52 Abs. 1 StGB auszugehen, weil zum einen keine isolierten Kausalverknüpfungen zwischen seinen verschiedenen Tätigkeiten und bestimmten einzelnen betrügerischen Schädigungen bestehen und zum anderen bereits seine Mitwirkung bei der Errichtung des Unternehmens sich auf alle späteren Betrugsdelikte fördernd ausgewirkt hat. Die inhaltlichen Voraussetzungen der Gewerbsmäßigkeit werden hierdurch nicht berührt.
Eine andere Betrachtung würde dem Regelungsgehalt der §§ 52, 53 StGB nicht gerecht. Dieser erschöpft sich in Fragen der Strafenbildung (vgl. BVerfGE 56, 22, 30 f.; BGHSt 43, 252, 256) und ist daher nur für die Rechtsfolgenseite relevant. Zur Auslegung von Tatbestands- bzw. Qualifikationsmerkmalen des Besonderen Teils des StGB vermag er dagegen nichts beizutragen (vgl. Schmitz in MünchKomm-StGB § 244 Rdn. 41).
Entsprechend war bereits in der früheren Rechtsprechung zu der rechtlichen Handlungseinheit der Fortsetzungstat anerkannt, daß Gewerbsmäßigkeit auch dann vorliegen kann, wenn dem Täter „nur” eine fortgesetzte Handlung zur Last liegt und sein Wille auch nicht auf die Begehung weiterer im Verhältnis zur Fortsetzungstat selbständige Handlungen gerichtet war. Dem lag der Gedanke zugrunde, daß es keinen rechtfertigenden Grund dafür gebe, einen von vornherein zu wiederholtem Handeln entschlossenen, also besonders bedenkenlosen Täter nur deshalb nicht wegen gewerbsmäßigen Handelns zu verurteilen, weil dieser – auch – den Gesamtvorsatz hatte, sich die fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer in mehreren Einzelakten einer (von ihm selbst selten zutreffend als solche beurteilten) fortgesetzten Handlung zu verschaffen. Dabei dürfe nicht übersehen werden, daß die fortgesetzte Tat nur im rechtlichen, nicht aber im natürlichen Sinne „eine” Tat ist, die sich aus mehreren stets vom Vorsatz des Täters getragenen Verletzungen desselben Rechtsguts zusammensetzt, aus denen der Täter immer wieder neue materielle Vorteile ziehen kann (BGHSt 26, 4, 8; zu ähnlichen Überlegungen für die tatbestandliche Handlungseinheit der Bewertungseinheit vgl. BGH NJW 1992, 381, 382).
Diese normative Bewertung trifft auch auf vorliegende Fallgestaltung zu, in der – wenn auch unter anderem dogmatischen Ansatz – ebenfalls alle aus dem Unternehmen heraus begangenen Betrugsdelikte den Angeklagten rechtlich als eine Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zugerechnet werden. Die Zusammenfassung mehrere Betrugsdelikte zu einer rechtlichen Handlungseinheit vermag danach generell die Annahme von gewerbsmäßiger Tatbegehung nicht auszuschließen. Ob gleiches auch dann zu gelten hat, wenn ein Tatbeteiligter an einer Deliktsserie nur durch eine Handlung bzw. in natürlicher Handlungseinheit stehende Betätigungen mitgewirkt hat, bedarf hier keiner Entscheidung.
2. Bandenmäßig im Sinne des § 263 Abs. 5 StGB handelt, wer den Betrug als Mitglied einer Bande begeht, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 StGB verbunden hat. Eine derartige Bande ist gegeben, wenn sich mindestens drei Personen mit dem Willen zusammengeschlossen haben, im einzelnen noch ungewisse Straftaten der genannten Art zu begehen (vgl. BGHSt 46, 321). Danach ist auch hier – wie bei der Gewerbsmäßigkeit – nicht vorausgesetzt, daß die Bandenmitglieder tatsächlich mehrere Betrugstaten bzw. andere der in § 263 Abs. 5 StGB genannten Delikte begangen haben. Vielmehr ist es ausreichend, wenn es im Zeitpunkt ihres Zusammenschlusses ihre gemeinsame Absicht war, mehrere noch nicht im einzelnen konkretisierte derartige Taten zu verwirklichen. Scheidet in einem derartigen Fall ein Tatgenosse schon nach der ersten unter seiner Beteiligung begangenen Straftat aus oder fliegt die Gruppierung insgesamt zu diesem Zeitpunkt bereits auf, so ist er wegen eines einzigen Bandenbetruges zu verurteilen (BGH bei Dallinger MDR 1967, 269; Schmitz aaO Rdn. 44). Die (beabsichtigte) wiederholte Tatbegehung als Voraussetzung der Gewerbsmäßigkeit und die (beabsichtigte) fortgesetzte Tatbegehung als Voraussetzung von Bandenmäßigkeit sind daher strukturell identisch. Für den Bandenbetrug kann daher im Grundsatz nichts anderes gelten, als oben für den gewerbsmäßigen Betrug ausgeführt: Maßgebend dafür, ob fortgesetzt eine Mehrzahl im einzelnen noch ungewisser Straftaten der in § 263 Abs. 5 StGB benannten Art begangen werden sollten oder begangen wurden, sind die – geplanten – tatsächlichen Abläufe sowie deren Umsetzung; unerheblich ist demgegenüber, ob diese in der Person eines Bandenmitgliedes aufgrund der besonderen Art seiner Tatbeiträge und gegebenenfalls unter Heranziehung des Zweifelssatzes rechtlich zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammengefaßt werden oder würden.
Allerdings besteht beim Bandenbetrug im Vergleich zum gewerbsmäßigen Betrug eine Besonderheit, die dieses Ergebnis indessen noch erhärtet: Während das nach der Gesetzesauslegung für gewerbsmäßiges Handeln erforderliche Merkmal der (beabsichtigten) wiederholten Tatbegehung auf den Willen des einzelnen Täters abstellt, hat das Tatbestandsmerkmal der (beabsichtigten) fortgesetzten Tatbegehung nach dem Gesetzeswortlaut die Vorstellungen der Bande in ihrer Gesamtheit im Blick. Geht diese – wie angesichts der nicht näheren Konkretisierung der Einzeltaten nahezu notwendig – dahin, daß die Deliktsserie durch Aktivitäten verwirklicht wird, die jedenfalls in der Person einzelner Mitglieder der Tätergruppierung tatsächlich selbständige Straftaten darstellen, ist daher bereits mit der ersten Tatbegehung für die daran Mitwirkenden das Merkmal der Bandenmäßigkeit erfüllt. Ob die Tatbeiträge eines Beteiligten zu diesem und den (geplanten) nachfolgenden Delikten rechtlich zu einer Tat im Sinne gleichartiger Tateinheit verknüpft würden, ist daher noch weniger von Belang als bei der Frage der Gewerbsmäßigkeit. Eine abweichende Betrachtung bliebe auch hier den Begrifflichkeiten der Konkurrenzlehre verhaftet, obwohl diese lediglich Fragen der Strafenbildung betrifft. Sie würde darüber hinaus dem Schutzziel des Qualifikationsmerkmals der Bandenmäßigkeit geradezu entgegenwirken, das durch die erhöhte Strafandrohung auch der Gefahr begegnen will, daß durch die gruppendynamischen Prozesse innerhalb des Zusammenschlusses mehrerer tatgeneigter Personen ein ständiger Anreiz zur Begehung weiterer einschlägiger Straftaten geschaffen wird (vgl. BGHSt 23, 239, 240).
Zwar hat die frühere Rechtsprechung demgegenüber stets betont, daß die beabsichtigte Verwirklichung nur einer Fortsetzungstat, also ebenfalls einer rechtlichen Handlungseinheit, eine bandenmäßige Tatbegehung nicht zu begründen vermöge (s. etwa BGH NStZ 1986, 409; 1993, 294; BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 1 Bande 3, wo allerdings bereits Bedenken gegen diese Rechtsprechung angedeutet werden; s. andererseits BGHSt 35, 374 zu § 370 Abs. 3 Nr. 4 AO). Abgesehen davon, daß diese Ansicht in einem kaum erklärbaren Widerspruch zu der gleichzeitig bejahten Möglichkeit einer gewerbsmäßig begangenen Fortsetzungstat stand, kann aus ihr nunmehr schon deshalb nichts mehr abgeleitet werden, weil die Rechtsfigur der Fortsetzungstat für Betrugsserien nicht mehr anzuerkennen ist (BGHSt 40, 138).
IV. Nach alledem wurden die Angeklagten zu Recht wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs verurteilt, so daß ihre Revisionen zu verwerfen sind.
Unterschriften
Tolksdorf, Miebach, von Lienen, Becker, Hubert
Fundstellen
Haufe-Index 2557910 |
BGHSt 2005, 177 |
BGHSt |
NJW 2004, 2840 |
Nachschlagewerk BGH |
wistra 2004, 418 |
NStZ-RR 2006, 106 |
RÜ 2004, 477 |
StV 2004, 532 |