Leitsatz (amtlich)
a) Zur Auslegung einer als "Vorschussklage" bezeichneten Klage gegen einen Architekten wegen behaupteter Planungsfehler.
b) Ein richterlicher Hinweis oder eine Rückfrage des Gerichts ist auch dann geboten, wenn für das Gericht offensichtlich ist, dass der Prozessbevollmächtigte einer Partei die von dem Prozessgegner erhobenen Bedenken gegen die Fassung eines Klageantrags oder die Schlüssigkeit der Klage falsch aufgenommen hat.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 633 Abs. 3, § 635; ZPO § 139 a.F.
Verfahrensgang
OLG Rostock (Urteil vom 13.01.2003; Aktenzeichen 3 U 33/02) |
LG Schwerin |
Tenor
Das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Rostock v. 13.1.2003 wird im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage gegen die Beklagte zu 2 abgewiesen worden ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
I.
Im Jahr 1995 ließ der Kläger eine Wohnanlage in S. modernisieren. Hierbei betraute er die Beklagte zu 2) im Vertrag v. 8.3./13.3.1995 mit der Architekturleistung der Leistungsphasen 1 bis 8 des § 15 HOAI. Im Vertrag v. 17.8./13.9.1995 beauftragte der Kläger die Beklagte zu 1) mit Fliesenlegerarbeiten in 110 Badezimmern.
Die ursprüngliche Planung der Beklagten zu 2) sah vor, dass die vorhandenen Sprelacartwände aus den Bädern entfernt und durch neue Feuchtraumrigipswände auf Ständerwerk ersetzt werden. Die Fliesen sollten auf Gipsbetonplatten aufgebracht werden. Nach mehreren Gesprächen mit den Beklagten verlangte der Kläger die Verwendung von Holzspanplatten anstelle von Rigipsplatten. Hiergegen äußerten die Beklagten Bedenken. Die Beklagte zu 1) holte schließlich eine Verlegeempfehlung der Firma A. bzw. der S. GmbH ein und empfahl dem Kläger, den Feuchtigkeitsschutz entsprechend der Empfehlung der S. GmbH durchzuführen. Die Beklagte zu 2) empfahl eine Versiegelung der Holzspanplatten nach dem D.-System. Der Kläger entschied sich für einen Feuchtigkeitsschutz nach dem S.-System.
Nach dem Einbau der Holzspanplatten führten die Mitarbeiter der Beklagten zu 1) die Fliesenlegerarbeiten aus. Diese Arbeiten wurden am 8.2.1996 abgenommen.
Ende 1997 traten in über dreißig Badezimmern Fliesenschäden auf. Ursache war ein Aufquellen der Holzspanplatten. Der Kläger beantragte beim LG H. die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens gegen die Beklagte zu 1). Der Beklagten zu 2) wurde der Streit verkündet. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige B. kam in seinem Gutachten v. 2.12.2000 zu dem Ergebnis, die aufgetretenen Schäden seien entstanden, weil die Holzspanplatten als Verlegegrund ungeeignet seien. Darüber hinaus war die Stirnseite der montierten Spanplatten nicht feuchtigkeitsgeschützt. Ferner entsprach die Dicke und die Verlegungsart der Spanplatten nicht der Empfehlung der S. GmbH. Den zur Mängelbeseitigung erforderlichen Betrag bezifferte der Sachverständige pro Bad auf 2.604 DM netto bzw. 3.000 DM brutto.
II.
1. Der Kläger hat von den Beklagten als Gesamtschuldnern zunächst Zahlung von 267.500 DM (= 136.770,57 EUR) als Vorschuss für die Kosten der Mängelbeseitigung in 107 Bädern (2.500 DM pro Bad) begehrt. Das LG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben.
2. In der Berufungsinstanz hat der Kläger den Rechtsstreit i.H.v. 17.500 DM (= 8.947,61 EUR) in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagten haben sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.
Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil nur ggü. der Beklagten zu 1) i.H.v. 59.948,97 EUR (= 117.250 DM) bestätigt und festgestellt, dass die Hauptsache in Höhe eines weiteren Betrages von 4.196,43 EUR (= 8.207,50 DM) erledigt ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Senat hat die Revision des Klägers zugelassen, soweit sie sich gegen den Beklagten zu 2) richtet.
Entscheidungsgründe
I.
1. Die Revision hat Erfolg, sie führt, soweit die Klage gegen die Beklagte zu 2) abgewiesen worden ist, zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
2. Das für das Schuldverhältnis maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum 31.12.2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB).
II.
1. Das Berufungsgericht hat die Klage gegen die Beklagte zu 2) mit folgenden Erwägungen abgewiesen:
a) Der Beklagten zu 2) sei ein Planungsfehler vorzuwerfen, weil sie die Verwendung der ungeeigneten Holzspanplatten, die von der Beklagten zu 1) vorgeschlagen worden seien, akzeptiert habe.
b) Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH sei ein Architekt nicht verpflichtet, Mängel an einem Bauwerk nachzubessern, die auf seiner fehlerhaften Planung beruhen würden.
c) Nicht zu entscheiden sei darüber, ob dem Kläger gegen die Beklagte zu 2) ein Schadensersatzanspruch zustehe. Der Kläger habe ggü. der Beklagten zu 2) keinen Schadensersatz, sondern einen Kostenvorschuss für die Beseitigung der Mängel am Bauwerk gefordert.
Eine Entscheidung über einen Schadensersatzanspruch betreffe einen anderen Lebenssachverhalt, der nicht hilfsweise geltend gemacht worden sei. Der Übergang vom Kostenvorschuss auf Schadensersatz sei eine Klageänderung.
Eines gerichtlichen Hinweises habe es nicht bedurft, weil die Beklagte zu 2) in der mündlichen Verhandlung auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt hingewiesen habe.
2. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat den Klagantrag des Klägers und seinen Prozessvortrag verfahrensfehlerhaft gewürdigt. Selbst auf der Grundlage seiner Auffassung, dass der Kläger von dem Architekten Kostenvorschuss verlangt, hätte das Berufungsgericht dem Kläger einen Hinweis nach § 139 ZPO erteilen müssen.
a) Die als Vorschussklage bezeichnete Klage gegen die Beklagte zu 2) hätte das Berufungsgericht nach verständiger Würdigung des Prozessvortrags des Klägers dahingehend auslegen müssen, dass der Kläger von der Beklagten zu 2) Schadensersatz verlangt (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.2000 - VII ZR 242/99, MDR 2001, 267 = BauR 2001, 425 = ZfBR 2001, 106 = NZBau 2001, 97).
Im Hinblick auf die Entscheidung des LG und den Prozessvortrag des Klägers konnte die Klage gegen die Beklagte zu 2) vernünftigerweise nur dahingehend ausgelegt werden, dass der Kläger von der Beklagten zu 2) Schadensersatz in Höhe der geschätzten Nachbesserungskosten verlangen wollte.
Das LG hatte die Verurteilung des Beklagten zu 2) auf eine positive Forderungsverletzung gestützt. Der Kläger hat diese Entscheidung im Berufungsverfahren verteidigt. Durch seinen Vortrag, dass der Mangel, der sich im Bauwerk bereits verwirklicht hatte, auf einem Planungsfehler der Beklagten zu 2) beruht, hat der Kläger hinreichend verdeutlicht, dass er gegen die Beklagte zu 2) keinen Vorschussanspruch gem. § 633 Abs. 3 BGB geltend machen wollte, sondern einen Schadensersatzanspruch gem. § 635 BGB. Als Anspruch kam allein ein Schadensersatzanspruch in Betracht, weil der Planungsmangel sich bereits im Bauwerk verwirklicht hatte, sodass ein Nachbesserungsanspruch nicht mehr bestand.
b) Selbst auf der Grundlage seiner unzutreffenden Würdigung des Klagantrags hätte das Berufungsgericht dem Kläger einen Hinweis gem. § 139 ZPO erteilen müssen, dass im Hinblick auf seinen Prozessvortrag nur eine Schadensersatzklage in Betracht komme. Der Umstand, dass der Prozessgegner Bedenken gegen die Fassung des Antrags oder die Schlüssigkeit geltend gemacht hat, befreit das Gericht dann nicht von seiner Pflicht zu einem Hinweis, wenn es für das Gericht offenkundig ist, dass der Prozessbevollmächtigte der Partei die Bedenken des Prozessgegners nicht zutreffend aufgenommen hat (BGH, Urt. v. 21.1.1999 - VII ZR 269/97, MDR 1999, 495 = BauR 1999, 510 = ZfBR 1999, 151; Urt. v. 7.12.2000 - I ZR 179/98, MDR 2001, 1009 = BGHReport 2001, 485 = NJW 2001, 2548). Das ist hier der Fall.
Fundstellen
Haufe-Index 1193377 |
BGHR 2004, 1517 |
BauR 2004, 1477 |
FamRZ 2004, 1480 |
NJW-RR 2004, 1247 |
IBR 2004, 607 |
ZfIR 2005, 162 |
ZfBR 2004, 777 |
BTR 2004, 231 |
BrBp 2004, 475 |
NJW-Spezial 2004, 313 |
NZBau 2004, 512 |
BauRB 2005, 14 |
JbBauR 2006, 394 |
ProzRB 2004, 234 |