Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung aller Vermögensgegenstände bei Berechnung des Zugewinnausgleichs. Nicht fälliger Anspruch auf Alterskapital
Leitsatz (amtlich)
a) Der Anspruch auf Zugwinnausgleich ist ein einheitlicher Ansruch, der dasBerufungsgericht zwingt, die Berechnung des Zugwinnausgleichs in Ansehung aller Vermögensgegenstände zu überprüfen, die bei der Saldierung berücksichtigt worden sind oder zu berücksichtigen waren (im Anschluss an BGHZ 107, 236).
b) Zur Bewertung auf den Erlenbsfall zugesagten und noch nicht fälligen Anspruchs auf "Alterskapital "im Zugwinnausgleich.
Normenkette
BGB § 1375
Verfahrensgang
OLG Bamberg (Urteil vom 08.06.2000) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats – Familiensenat – des Oberlandesgerichts Bamberg vom 8. Juni 2000 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten um Zugewinnausgleich.
Die am 4. August 1984 (nicht: 1994) geschlossene Ehe der Parteien ist auf den am 19. September 1996 zugestellten Scheidungsantrag durch Scheidungsverbundurteil vom 25. Mai 1998, rechtskräftig seit dem 13. Oktober 1998, geschieden.
Das Amtsgericht hat dem Kläger einen Anspruch auf Zugewinnausgleich in Höhe von 5.792,01 DM zuerkannt. Es hat das Endvermögen des Klägers mit 251.692,26 DM bemessen. Dabei hat es ein dem Kläger von seinem Arbeitgeber zugesagtes unverfallbares Anrecht auf ein „Alterskapital” in Höhe von 189.552 DM, das zum 3. September 2020 zahlbar ist, mit einem stichtagsbezogenen Wert von 37.800 DM in Ansatz gebracht. Von dem so ermittelten Endvermögen hat es das zuvor um den Kaufkraftschwund bereinigte Anfangsvermögen von 108.480 DM in Abzug gebracht. Dem sich danach ergebenden Zugewinn des Klägers in Höhe von (251.692,26 – 108.480 =) 143.212,26 DM hat es einen Zugewinn der Beklagten von 154.796,28 DM gegenübergestellt. Die Hälfte des sich zugunsten der Beklagten ergebenden Zugewinn-Überschusses von (154.796,28 – 143.212,26 =) 11.584,02 DM ergibt den zugunsten des Klägers ausgeurteilten Betrag von 5.792,01 DM.
Die von der Beklagten gegen das amtsgerichtliche Urteil eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der zugelassenen Revision, mit der sie ihr Klagabweisungsbegehren weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Das Oberlandesgericht geht zu Recht davon aus, daß das in der Ehe erworbene unverfallbare Anrecht des Klägers auf den ihm von seinem Arbeitgeber als „Alterskapital” zugesagten Einmalbetrag dem Zugewinnausgleich unterliegt. Ein solches Anrecht auf Kapitalleistungen unterfällt grundsätzlich nicht dem Versorgungsausgleich, da dessen System auf den Ausgleich wiederkehrender Versorgungsleistungen zugeschnitten ist und auf den Ausgleich von Kapitalleistungen nicht paßt (BGHZ 88, 387, 395 f.; 117, 70, 76).
2. Für die Bemessung des Wertes dieses Anrechts zum Stichtag (§ 1384 BGB, hier: 19. September 1996) will das Oberlandesgericht der erst späteren Fälligkeit durch eine Abzinsung Rechnung tragen, für die es einen Zinsfuß von 4 % veranschlagt und aufgrund derer es einen (abgezinsten) Stichtagswert von 73.948 DM errechnet. Wegen der Ungewißheit, ob der Kläger den Leistungsfall erleben oder ein sonstiger (Witwen- oder Waisen-) Versorgungsfall eintreten werde, sei ein weiterer Abschlag vorzunehmen, der jedenfalls unter der Hälfte des so ermittelten (Stichtags-) Wertes des Anrechts liege. Der höchste in Betracht kommende Wert des Anrechts betrage danach – bei einem Abschlag von 45 % – 40.671 DM und liege damit deutlich über dem vom Amtsgericht angesetzten Wert von 37.800 DM, so daß der Zugewinnausgleichsanspruch des Klägers jedenfalls in der vom Amtsgericht zuerkannten Höhe von 5.792,01 DM bestehe; ob der Anspruch noch höher sei, bedürfe keiner Entscheidung, da nur die Beklagte das amtsgerichtliche Urteil mit der Berufung angegriffen habe.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Sie verkennen den Saldierungsmechanismus des Zugewinnausgleichs: Je höher der Wert eines vom ausgleichsberechtigten Ehegatten (hier: vom klagenden Ehemann) in der Ehe erworbenen Vermögensgegenstandes bemessen wird, desto höher ist naturgemäß der Zugewinn dieses Ehegatten. In dem Maße, in dem der Zugewinn des ausgleichsberechtigten Ehegatten steigt, sinkt aber der von dem ausgleichspflichtigen Ehegatten (hier: von der beklagten Ehefrau) erzielte Zugewinnüberschuß und damit der auf hälftige Teilhabe an diesem Überschuß gerichtete Ausgleichsanspruch des ausgleichsberechtigten Ehegatten. Würde daher der stichtagsbezogene Wert des dem Kläger von seinem Arbeitgeber zugesagten Anrechts auf Alterskapital nicht – wie vom Amtsgericht veranschlagt – 37.800 DM, sondern – wie vom Oberlandesgericht als möglicher Maximalwert unterstellt – 40.671 DM betragen, so würde sich der Zugewinn des Klägers auf (Endvermögen 254.563,26 DM – bereinigtes Anfangsvermögen 108.480,00 DM =) 146.083,26 DM belaufen; der sich bei der Beklagten ergebende Zugewinnüberschuß betrüge (154.796,28 – 146.083,26 =) 8.713,02 DM und der Zugewinnausgleichsanpruch des Klägers folglich nicht, wie zuerkannt, 5.792,01 DM, sondern nur 4.356,51 DM.
3. Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben. Der Senat ist nicht in der Lage, in der Sache abschließend zu entscheiden. Die Bewertung der im Zugewinnausgleich zu berücksichtigenden Vermögensgegenstände obliegt dem Tatrichter. Das Oberlandesgericht hat das dem Kläger von dessen Arbeitgeber zugesagte Anrecht auf ein Alterskapital jedoch nicht wertmäßig beziffert, sondern sich darauf beschränkt, insoweit einen „höchsten … in Betracht kommenden Wert” zu benennen. Außerdem hat sich das Oberlandesgericht bei der materiell-rechtlichen Prüfung des erstinstanzlichen Urteils ausschließlich mit der Behandlung dieses Anrechts befaßt. Das ist auch dann nicht richtig, wenn man mit dem Oberlandesgericht davon ausgeht, daß die Berufungsbegründung der Beklagten – entgegen § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. – nicht hinreichend klar erkennen läßt, in welchen Punkten und mit welchen Argumenten die Berufungsklägerin die Ausführungen des Erstrichters zu anderen Vermögenspositionen des Klägers bekämpft. Der Anspruch auf Zugewinnausgleich beruht auf einer Saldierung verschiedener, von den Ehegatten in der Ehe erworbener Vermögenspositionen. Er bildet als einheitlicher Anspruch einen jedenfalls im Grundsatz (vgl. BGHZ 107, 236, 243) unteilbaren Streitgegenstand, der dem Berufungsgericht deshalb nur insgesamt anfallen kann und das Berufungsgericht zwingt, die Berechnung des Zugewinnausgleichs durch das Familiengericht in Ansehung aller Vermögensgegenstände, die bei der Saldierung berücksichtigt worden sind oder zu berücksichtigen waren, zu überprüfen. Die Sache war deshalb an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, damit es die gebotene Wertfeststellung hinsichtlich des Anrechts auf „Alterskapital” nachholt und das erstinstanzliche Urteil auch in Ansehung der übrigen Vermögenswerte, insbesondere auch der bei der Allianz Lebensversicherungs-AG begründeten Anrechte, überprüft.
4. Für die erneute Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf folgendes hin:
Wird – wie im Fall des hier in Frage stehenden Anrechts auf Alterskapital – die Art und Weise der Bewertung eines Vermögensgegenstandes vom Gesetz nicht geregelt, ist es Aufgabe des Tatrichters, im Einzelfall eine geeignete Bewertungsart sachverhaltsspezifisch auszuwählen und anzuwenden. In der Sache handelt es sich um eine Schätzung im Rahmen des § 287 Abs. 2 ZPO (BGHZ 130, 298, 303). Diese tatrichterliche Wertschätzung kann nach allgemeinen Grundsätzen nur daraufhin überprüft werden, ob sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder sonst auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht. Voraussetzung einer solchen revisionsrechtlichen Überprüfung ist allerdings, daß der Tatrichter die für seine Schätzung maßgebenden Bewertungsgrundlagen offenlegt. Diesem Erfordernis wird das angefochtene Urteil nicht uneingeschränkt gerecht:
a) Das Oberlandesgericht bringt das Anrecht des Klägers auf Alterskapital mit seinem durch Abzinsung ermittelten Wert zu dem für die Ermittlung des Endvermögens maßgebenden Bewertungsstichtag in Ansatz. Es geht dabei von der allgemeinen Überlegung aus, daß eine erst in der Zukunft fällig werdende Forderung einen geringeren wirtschaftlichen Wert hat als eine bereits fällige. Das müsse auch im Recht des Zugewinnausgleichs gelten. Dieser Ausgangspunkt des Oberlandesgerichts ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden; er entspricht der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 117 a.a.O., 80).
Der – rechnerisch korrekten – Abzinsung legt das Oberlandesgericht einen Zinsfuß in Höhe von 4 % zugrunde. In den Gründen der angefochtenen Entscheidung wird allerdings nicht näher erläutert, anhand welcher Kriterien und aufgrund welcher Erkenntnisse ein Zinsfuß gerade in dieser Höhe realistisch erscheint. Das Oberlandesgericht beschränkt sich insoweit auf den Hinweis, daß ein Zinsfuß in Höhe von 4% auch von der Beklagten für angemessen gehalten werde. Hiergegen ist jedoch schon deshalb nichts einzuwenden, weil jeder höhere Zinsfuß zu einer stärkeren Abzinsung, zu einem niederen Anrechtswert und damit zu einem höheren Ausgleichsanspruch des Klägers führt, der – wegen des Verbots der reformatio in peius – zu Lasten der Beklagten und Rechtsmittelführerin nicht zugrunde gelegt werden kann.
b) Das Oberlandesgericht hält wegen der Ungewißheit, ob und in welcher Form ein Versorgungsfall eintritt, einen weiteren Abschlag für angezeigt. Dieser Abschlag soll jedenfalls unter der Hälfte des abgezinsten Wertes des Anrechts (73.948 DM) liegen und dazu führen, daß sich der Wert des Anrechts bei einem Abschlag von 45 % auf höchstens 40.671 DM beläuft. Der Abschlag müßte, folgt man dem Oberlandesgericht, danach einerseits mindestens 45 % betragen, dürfte andererseits aber 50 % nicht erreichen. Dagegen bestehen Bedenken.
Richtig ist, daß die Ungewißheit, ob der im Anrecht des Klägers verkörperte Vermögenswert diesem oder seinen Rechtsnachfolgern einmal zufallen wird, bei der Bewertung des Anrechts berücksichtigt werden muß (BGHZ 117 a.a.O., 81; 118, 242, 250). Die Gründe der angefochtenen Entscheidung lassen allerdings nicht erkennen, auf welcher methodischen Grundlage die tatrichterliche Bewertung des Erlebensrisikos beruht. Der Senat hat mehrfach Faktoren benannt, die in eine Bewertung des Überlebensrisikos Eingang finden können und diese – auch für das Revisionsgericht – nachvollziehbar werden lassen. So ist vorstellbar, die Erlebenswahrscheinlichkeit des Anrechtsinhabers etwa durch das Verhältnis der Erlebensquoten zu erfassen, die für den Anrechtsinhaber bei Eintritt des (Alters-) Versorgungsfalles einerseits und zum Bewertungsstichtag andererseits gelten (dazu Heubeck, Richttafeln 1998, vgl. dort S. 45 „Ausscheideordnung Männer”). Als Anhalt für den Betrag, mit dem die Ungewißheit bei der Bewertung zu berücksichtigen ist, kommen auch die Kosten einer Risikolebensversicherung in Betracht, die der Anrechtsinhaber für die Zeit bis zum Eintritt des Erlebensfalles abschließen kann, um das Risiko des vorzeitigen Todesfalles zu decken und sicherzustellen, daß die Verminderung des Zugewinnausgleichsbetrages infolge der Einbeziehung des aufschiebend bedingten Anrechts durch die Versicherungsleistung aus der Risikoversicherung gedeckt ist, wenn die Bedingung nicht eintritt (BGHZ 118 a.a.O. 251). Es ist nicht ersichtlich, ob das Oberlandesgericht bei seiner Bewertung einen dieser Wege beschritten hat; es ist auch nicht erkennbar, wie sich bei Heranziehung dieser Bewertungshilfen die – mit einem Abschlag zwischen 45 % und 50 % einschneidende – Berücksichtigung des Erlebensrisikos durch das Oberlandesgericht erklären läßt.
c) Der Senat verkennt nicht die Schwierigkeiten, die sich dem Tatrichter bei der stichtagsbezogenen Bewertung von Anrechten entgegenstellen, die – wie hier das Recht auf Alterskapital – auf künftige Leistungen gerichtet sind und deren Verwirklichung ganz oder teilweise an den Erlebensfall gebunden ist. Er hat deshalb bereits auf die – naheliegende – Möglichkeit verwiesen, sich bei der Bewertung solcher Anrechte sachverständigen Rates zu versichern (vgl. etwa BGHZ 130 a.a.O., 303). Vielfach wird erst eine solche Beratung den Tatrichter in die Lage versetzen, den für die jeweilige Wertbemessung „richtigen” Abzinsungsfaktor zu ermitteln und nach versicherungsmathematischen Grundsätzen etwaige weitere Abschläge vorzunehmen. Die Zurückverweisung gibt Gelegenheit, diese Möglichkeit zu nutzen.
Unterschriften
Hahne, Weber-Monecke, Wagenitz, Bundesrichter Fuchs ist urlaubsbedingt verhindert, zu unterschreiben. Hahne, Vézina
Fundstellen
Haufe-Index 846697 |
BGHR 2003, 69 |
FamRZ 2003, 153 |
FuR 2002, 501 |
ErbBstg 2003, 96 |
EzFamR aktuell 2002, 260 |
FPR 2003, 23 |
FF 2003, 105 |
FamRB 2003, 1 |
ZErb 2003, 1 |
ZFE 2002, 381 |