Entscheidungsstichwort (Thema)
Pfändung künftiger Mietforderungen des Insolvenzschuldners. Anfechtungszeitpunkt. Masseneutraler Sicherheitentausch. Teilnahme der Mietforderung am Haftungsverband einer Grundschuld
Leitsatz (amtlich)
a) Pfändet ein Gläubiger eine künftige Mietforderung des Schuldners gegen einen Dritten, richtet sich der für die Anfechtung des Pfändungspfandrechts maßgebliche Zeitpunkt nach dem Beginn des Nutzungszeitraums, für den die Mietrate geschuldet war (Bestätigung von BGH, Urt. v. 30.1.1997 - IX ZR 89/96 für den Anwendungsbereich der InsO).
b) Ist das durch Pfändung der Mietforderung entstandene Pfandrecht anfechtbar, weil der Nutzungszeitraum, für den die Mieten geschuldet sind, in der anfechtungsrelevanten Zeit begonnen hat, führt es nicht zur Annahme eines masseneutralen Sicherheitentauschs, dass die Mietforderung zugleich in den Haftungsverband einer Grundschuld fällt.
Normenkette
InsO § 129 Abs. 1, § 140 Abs. 1, 3; BGB §§ 163, 535 Abs. 2, § 1123 Abs. 2, §§ 1124, 1192 Abs. 1; ZPO § 829 Abs. 3, § 865 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des OLG Schleswig in Schleswig vom 23.5.2008 aufgehoben.
Die Berufung der Streithelferin der Beklagten gegen das Schlussurteil der 10. Zivilkammer des LG Itzehoe vom 5.10.2007 wird zurückgewiesen.
Die Streithelferin trägt die Kosten beider Rechtsmittel.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Der Kläger ist Verwalter in dem auf Gläubigerantrag vom 7.7.2006 am 12.12.2006 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der N. GmbH (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin war Eigentümerin eines Grundstücks, welches im Jahre 1998 zugunsten der beklagten Sparkasse mit einer Buchgrundschuld über 1 Mio. DM belastet wurde. Die Schuldnerin unterwarf sich durch notarielle Urkunde vom 22.1.1998 wegen des Grundschuldkapitals nebst Zinsen der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde in das belastete Pfandobjekt. Das Grundstück war an die R. GmbH (fortan: Drittschuldnerin) vermietet. Auf der Grundlage der Zwangsvollstreckungsunterwerfung erwirkte die Beklagte gegen die Schuldnerin über einen Teilbetrag von 200.000 EUR einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, welcher der Drittschuldnerin am 31.8.2005 zugestellt wurde. Durch diesen ließ die Beklagte u.a. alle künftig fälligen Ansprüche der Schuldnerin aus dem Mietvertrag mit der Drittschuldnerin pfänden. Seit Mai 2006 ist die Schuldnerin zahlungsunfähig. Die Beklagte zog die Miete für den Monat September 2006 am 24.10.2006 und Miete für den Monat Oktober 2006 am 1.12.2006 jeweils i.H.v. 2.639 EUR, insgesamt 5.278 EUR, ein.
[2] Das LG hat der auf Insolvenzanfechtung gestützten Klage auf Rückgewähr dieser Zahlungen stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.
Entscheidungsgründe
[3] Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.
I.
[4] Das Berufungsgericht hat gemeint, der Kläger könne die Rückgewähr der von der Beklagten eingezogenen Mieten nach §§ 130, 131 InsO nicht verlangen, weil es an der nach § 129 Abs. 1 InsO hierfür erforderlichen Gläubigerbenachteiligung fehle. Im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe der Beklagten ein anfechtungsfestes Absonderungsrecht hinsichtlich der mit Beginn des jeweiligen Monats begründeten Mietansprüche zugestanden. Dieses habe die Beklagte bereits mit der Eintragung der Grundschuld im Grundbuch erworben (§ 140 Abs. 2 Satz 1 InsO). Dass die Pfändung der Mietansprüche erst nach dem Eröffnungsantrag wirksam geworden sei, ändere hieran nichts. Ziehe ein Gläubiger beim Drittschuldner die gepfändete Forderung ein, so könnten allerdings die Pfändung und Überweisung einerseits und die Zahlung andererseits als selbständige Rechtshandlungen angefochten werden. Die Anfechtung der Zahlung habe jedoch keinen Erfolg, wenn die vorausgegangene Pfändung wirksam und insolvenzbeständig sei. Vorliegend sei die Pfändung nicht anfechtbar. Maßgeblicher Zeitpunkt sei der Tag der Zustellung des Pfändungsbeschlusses. Dieser liege außerhalb der nach §§ 130, 131 InsO maßgeblichen insolvenzrechtlichen Fristen. Habe die Beklagte bereits im August 2005 ein anfechtungsfestes Pfändungspfandrecht an den Mietforderungen der Schuldnerin erworben, so könne die hierdurch herbeigeführte Befriedigung die Gläubiger nicht mehr benachteiligen.
II.
[5] Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Der Kläger hat die streitigen Zahlungen der Drittschuldnerin an die Beklagte gem. §§ 129 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO als inkongruente Deckung wirksam angefochten; die Beklagte hat sie deshalb nebst Zinsen an den Kläger zurückzugewähren, § 143 Abs. 1 InsO.
[6] 1. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist eine während der "kritischen" Zeit im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Sicherung oder Befriedigung als inkongruent anzusehen (BGHZ 136, 309, 311 ff.; 167, 11, 14 f Rz. 9; BGH, Urt. v. 26.6.2008 - IX ZR 87/07, ZIP 2008, 1488 Rz. 8). Daher begründet ein nicht früher als drei Monate vor dem Eröffnungsantrag oder danach wirksam gewordenes Pfandrecht in der Insolvenz kein anfechtungsfestes Absonderungsrecht nach § 50 Abs. 1 InsO, wenn der Schuldner zur Zeit der Rechtshandlung zahlungsunfähig war. Ist das Pfandrecht hingegen vorher entstanden und ist es auch aus sonstigen Gründen nicht anfechtbar, kann die anschließende Befriedigung durch Zahlung nicht mehr angefochten werden, weil sie die Gläubiger nicht i.S.d. § 129 Abs. 1 InsO benachteiligt (BGHZ 157, 350, 353; 162, 143, 156; BGH, Urt. v. 21.3.2000 - IX ZR 138/99, ZIP 2000, 898; v. 9.11.2006 - IX ZR 133/05, ZIP 2007, 35, 36 Rz. 8; v. 26.6.2008, a.a.O., S. 1489 Rz. 8).
[7] 2. Nach diesen Maßstäben liegt hier eine objektive Gläubigerbenachteiligung vor.
[8] a) Das Pfandrecht der Beklagten an den Mietansprüchen für die Monate September und Oktober 2006 ist nach dem hier maßgeblichen § 140 Abs. 1 InsO erst im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Nutzungszeitraum entstanden (vgl. BGH, Urt. v. 30.1.1997 - IX ZR 89/96, ZIP 1997, 513, 514). Beide Nutzungszeiträume fallen in den von § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO geschützten Zeitraum.
[9] aa) Die Bestimmung des Zeitpunkts der Vornahme einer Rechtshandlung regelt § 140 InsO. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift kommt es auf den Zeitpunkt an, in dem die rechtlichen Wirkungen der Handlung eintreten. Die Norm bringt den Rechtsgedanken zum Ausdruck, dass der Zeitpunkt entscheiden soll, in dem durch die Handlung eine Rechtsposition begründet worden ist, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne die Anfechtung beachtet werden müsste (BGHZ 157, 350, 353 f.). Bei bedingten oder befristeten Rechtshandlungen bleibt demzufolge der Eintritt der Bedingung oder des Termins außer Betracht (§ 140 Abs. 3 InsO); denn bedingte oder befristete Forderungen werden im Insolvenzverfahren berücksichtigt (§§ 41, 42, 191 InsO; vgl. BGHZ 157, 350, 354; 159, 388, 396). Eine Forderungspfändung ist grundsätzlich zu dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem der Pfändungsbeschluss dem Drittschuldner zugestellt wird, weil damit ihre rechtlichen Wirkungen eintreten (§ 829 Abs. 3 ZPO). Soweit sich die Pfändung jedoch auf eine künftige Forderung bezieht, wird ein Pfandrecht erst mit deren Entstehung begründet, so dass auch anfechtungsrechtlich auf diesen Zeitpunkt abzustellen ist (BGHZ 157, 350, 354; BGH, Urt. v. 26.6.2008, a.a.O., S. 1489 Rz. 10).
[10] bb) Bei Forderungen lässt sich zwischen befristeten und betagten Ansprüchen unterscheiden. Befristete Forderungen sind in ihrem Bestehen, betagte nur hinsichtlich ihrer Fälligkeit vom Ablauf einer Frist abhängig. Der Anspruch aus § 535 Abs. 2 BGB auf Entrichtung der Miete entsteht - ähnlich wie der Anspruch auf Vergütung für geleistete Dienste (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 26.6.2008, a.a.O., S. 1489 Rz. 13) - erst zum Anfangstermin des jeweiligen Zeitraums der Nutzungsüberlassung. Dies entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Senats (vgl. BGHZ 111, 84, 93 f.; 170, 196, 200 Rz. 12; BGH, Urt. v. 30.1.1997, a.a.O., S. 514; v. 9.11.2006, a.a.O., S. 36 Rz. 9; v. 21.12.2006 - IX ZR 7/06, ZIP 2007, 239 Rz. 13; v. 14.6.2007 - IX ZR 56/06, ZIP 2007, 1507, 1509 Rz. 17; Ganter in MünchKomm/InsO, 2. Aufl. vor §§ 49-52 Rz. 24; Staudinger/Bork, BGB Neubearbeitung 2003 § 163 Rz. 2). Die Gegenauffassung, nach der es sich bei Mietforderungen insolvenzrechtlich um betagte Forderungen handeln müsse, die bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses entständen, weil es ansonsten im Blick auf § 91 InsO der Regelung des § 110 Abs. 1 InsO nicht bedurft hätte (vgl. Flöther/Bräuer NZI 2006, 136, 140), überzeugt nicht. Nach richtigem Verständnis beschränkt § 110 Abs. 1 InsO - ebenso wie die Parallelvorschrift des § 114 Abs. 1 InsO - nicht die Wirksamkeit von Vorausverfügungen über Mietzinsforderungen, sondern verdrängt in seinem Anwendungsbereich § 91 InsO (BGHZ 170, 196, 201 Rz. 12; für § 114 InsO ebenso BGHZ 167, 363, 367 f Rz. 9 ff.).
[11] cc) Der Anspruch auf eine künftige Mietforderung kann eine Sicherung erst bewirken, wenn er werthaltig wird. Dies ist frühestens mit Erreichen des Nutzungszeitraums der Fall, für den die Mietrate geschuldet wird.
[12] (1) Der BGH hat für die Anfechtung im Anwendungsbereich der Gesamtvollstreckungsordnung bereits entschieden, dass bei einer vor Beginn des Anfechtungszeitraums erfolgten Abtretung von innerhalb des Anfechtungszeitraums fällig werdenden Mietansprüchen des Schuldners auf den jeweiligen Nutzungszeitraum abzustellen ist, weil der Schuldner und mit ihm der Zessionar bei einem "normalen Mietvertrag über Grundstücke" bis zum Heranrücken dieses Zeitraums keine gesicherte Rechtsposition auf die jeweilige Rate erlangt (BGH, Urt. v. 30.1.1997, a.a.O., S. 514). Diese rechtliche Beurteilung ist auf den hier zu entscheidenden Fall einer Pfändung künftiger Mietforderungen zu übertragen.
[13] Im Anwendungsbereich der Insolvenzordnung gelten ggü. der Gesamtvollstreckungsordnung insoweit keine andere Wertungen. Soweit in dem Urteil vom 11.11.2004 (IX ZR 237/03, ZIP 2005, 181, 182), das sich zu der Frage der Unwirksamkeit einer Aufrechnung nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO verhält, auf den (früheren) Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages abgestellt und zur Begründung auf § 140 Abs. 3 InsO verwiesen wird, gibt der Senat diese Rechtsprechung auf. In den Fällen der Vorausabtretung einer künftigen Forderung, deren Verpfändung oder Pfändung ist § 140 Abs. 3 InsO nicht einschlägig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stellt die Entstehung der Forderung keine Bedingung der Pfändung dar (BGHZ 157, 350, 354; 167, 363, 365 Rz. 6; 170, 196, 201 Rz. 14; BGH, Urt. v. 20.3.2003 - IX ZR 166/02, ZIP 2003, 808, 809; v. 8.1.2009 - IX ZR 217/07, ZIP 2009, 380, 382 Rz. 27; Jaeger/Henckel, InsO § 140 Rz. 20). Bei Vollstreckungsmaßnahmen, die sich auf eine künftige Forderung beziehen, ist die Anwendung von § 140 Abs. 3 InsO auch deshalb ausgeschlossen, weil die Vorschrift nur Fälle rechtsgeschäftlicher Bedingungen oder Befristungen betrifft. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen als solche fallen deshalb nicht unter diese Vorschrift (BGHZ 167, 11, 17 Rz. 14; BGH, Urt. v. 26.6.2008, a.a.O., S. 1489 Rz. 14).
[14] Im Übrigen setzt § 140 Abs. 3 InsO voraus, dass die Rechtshandlung, an die angeknüpft werden soll, dem Gläubiger bereits eine gesicherte Rechtsposition verschafft hat (BGHZ 156, 350, 356 f.; BGH, Urt. v. 14.6.2007, a.a.O., S. 1509 Rz. 17). Dies ist bei der Pfändung künftiger Mietforderungen, die einen weit in der Zukunft liegenden Nutzungszeitraum betreffen, nicht der Fall (vgl. Kirchhof in MünchKomm/InsO, 2. Aufl., § 140 Rz. 9b, 50b; HK-InsO/Kreft, 5. Aufl., § 140 Rz. 4, 13; Flöther/Bräuer, a.a.O., S. 139). Der Zessionar oder Pfandgläubiger einer künftigen Mietzinsforderung kann bei "normalen Mietverhältnissen" zu keinem Zeitpunkt sicher sein, dass am Fälligkeitstag die Zahlung vom Mieter geschuldet wird (BGH, Urt. v. 30.1.1997, a.a.O., S. 514; Dobmeier NZI 2006, 144, 147; Flöther/Bräuer, a.a.O., S. 139). Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass ein Mietvertrag vorliegt, bei dem dies ausnahmsweise anders beurteilt werden könnte. Die Beklagte hat insoweit keine Gegenrüge erhoben.
[15] (2) Die möglicherweise hiervon abzugrenzende Fallgestaltung, dass ein (unbedingtes) Sicherungsrecht an einem schon bestehenden Recht eine künftige Forderung besichert (s. hierzu BGHZ 170, 196, 201 ff. Rz. 14 ff.; HK-InsO/Kreft, a.a.O., § 140 Rz. 4; Ehricke in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 140 Rz. 5), wobei die gesicherte Forderung unter einer aufschiebenden Bedingung oder Befristung steht, ist hier nicht gegeben. Deshalb greifen auch die in BGHZ 170, 196, 202 Rz. 15 ff. ausgeführten Gründe nicht ein, die in dem dort entschiedenen Fall dafür ausschlaggebend waren, auf den (früheren) Zeitpunkt der Einbringung der Pfandgegenstände durch den Schuldner abzustellen.
[16] b) Nicht benachteiligend wirkt der bloße Austausch gleichwertiger Sicherheiten, der Tausch völlig gleichwertiger Gegenstände, die Ablösung eines vollwertigen Pfandrechts, solange der Pfandgegenstand beim Schuldner verbleibt, oder dessen Zahlung auf ein insolvenz- und anfechtungsfestes Pfändungspfandrecht (BGHZ 147, 233, 239 f.; BGH, Urt. v. 28.2.2008 - IX ZR 177/05, ZIP 2008, 650, 651 Rz. 12; v. 26.6.2008 - IX ZR 144/05, ZIP 2008, 1435, 1436 Rz. 14). Vorliegend ist zwar ein Fall doppelter Kreditsicherung, zunächst durch Grundpfandrecht und später durch Pfändung künftiger Mietforderungen, gegeben. Dies führt jedoch nicht zur Vorverlegung des für die Insolvenzanfechtung maßgeblichen Zeitpunkts in die von §§ 130, 131 InsO nicht mehr geschützte Zeit, weil beide Kreditsicherheiten hinsichtlich der hier in Rede stehenden Mieten zugleich - und zwar innerhalb der anfechtungsrelevanten Zeit - wirksam wurden.
[17] aa) Die erforderliche Masseneutralität des Sicherheitentauschs ist nicht gegeben, wenn der Schuldner als Eigentümer eines mit einem Grundpfandrecht belasteten Grundstücks über die Miet- oder Pachtzinsen zugunsten des Grundpfandgläubigers verfügt oder - wie hier im Wege einer vom Grundpfandgläubiger veranlassten Zwangsvollstreckung - auf die Miete zugegriffen wird (Mitlehner ZIP 2007, 804, 806; a.A. Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl., § 29 Rz. 62; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 12. Aufl., § 129 Rz. 121; Kirchhof in MünchKomm/InsO, a.a.O., § 129 Rz. 158; s. ferner RGZ 64, 339, 343 für die Gläubigeranfechtung). Insb. wird infolge der durch die Pfändung bewirkten endgültigen Enthaftung des Grundstücks in Bezug auf die von der Pfändung erfassten Mietforderungen gem. §§ 1123, 1124 BGB die Zugriffslage der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger nicht entsprechend verbessert. Vor dem Wirksamwerden eines von dem Grundpfandgläubiger ausgebrachten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses unterliegen die Mietforderungen dem Haftungsverband des Grundpfandrechts, hier dem der Grundschuld (§ 1192 Abs. 1, § 1123 Abs. 1 BGB). Die Haftung ist jedoch nur eine vorläufige, weil die Mietansprüche weder der Verfügung des Schuldners noch dem wirksamen Zugriff der Insolvenzgläubiger entzogen sind (vgl. §§ 1123 Abs. 2, 1124 BGB). Dieser Zustand, der vom Senat als "potentielle Haftung" bezeichnet worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 8.12.1988 - IX ZR 12/88, NJW-RR 1989, 200), hält so lange an, bis der Grundpfandgläubiger die Beschlagnahme des Grundstücks im Wege der Zwangsverwaltung herbeiführt. Erst durch die Anordnung der Zwangsverwaltung erstarkt diese "potentielle Haftung" zu einer voll wirksamen (vgl. §§ 146 Abs. 1, 20 Abs. 1, 2, 148 Abs. 1 Satz 1 ZVG), was bewirkt, dass die erfassten Mietforderungen für die Insolvenzgläubiger als Zugriffsobjekt nunmehr endgültig ausscheiden. Dies wird von den Anhängern der Gegenansicht durchaus anerkannt. Ihr Argument, wonach Maßnahmen, die in ihrem Erfolg nur die gesetzliche Haftung und Rangfolge aufrechterhielten, keine die Anfechtbarkeit rechtfertigende Benachteiligung der persönlichen Gläubiger darstellten (vgl. Jaeger/Henckel, a.a.O.), trägt nicht. Die objektive Gläubigerbenachteiligung ist stets nach dem realen Geschehen zu beurteilen; für fiktive oder hinzugedachte Ereignisse (Aufrechterhaltung der gesetzlichen Haftung und Rangfolge) ist kein Raum (BGHZ 104, 355, 360; 123, 320, 326; BGH, Urt. v. 2.6.2005 - IX ZR 263/03, ZIP 2005, 1521, 1523; v. 19.4.2007 - IX ZR 199/03, ZIP 2007, 1164, 1166 Rz. 19). Die Rechtsstellung des Grundpfandgläubigers ist in Bezug auf künftige Mietansprüche nicht sicherer als die eines Mobiliarpfandgläubigers. Eine Gläubigerbenachteiligung ist daher bei Zahlung der Miete an den Grundpfandgläubiger vor der Beschlagnahme des Grundstücks gegeben, weil die in anfechtbarer Zeit getilgte Mietforderung dem Gläubigerzugriff unterlag (vgl. § 865 Abs. 2 Satz 2 ZPO) und den Insolvenzgläubigern die Möglichkeit endgültig abgeschnitten worden ist, sie aus dem Haftungsverband zu lösen.
[18] bb) In dem Senatsurteil vom 9.11.2006 (a.a.O. S. 36 Rz. 11) wird aus den sachenrechtlichen Wirkungen der Grundschuldhaftung, die nach allgemeiner Meinung ein gegenwärtiges Pfandrecht an den Mietzinsforderungen begründet, der insolvenzrechtliche Schluss gezogen, dass der persönliche Gläubiger keinen Anspruch auf vorrangige Befriedigung habe, wenn der dingliche Gläubiger vor einer Pfändung durch den persönlichen Gläubiger sich zum Schutz seines dinglichen Rechts eine dem Erfolg der Zwangsverwaltung gleichkommende Sicherungszession habe geben lassen. Soweit aus dem damit umschriebenen Rangverhältnis auf die Masseneutralität einer Pfändung durch den Grundschuldgläubiger in Bezug auf künftige Forderungen geschlossen werden könnte (kritisch neben Mitlehner, a.a.O., auch MünchKomm/Ganter, a.a.O., § 49 Rz. 28 a.E.), hält der Senat hieran aus den vorstehenden Gründen nicht fest. Eine andere Sicht führte zudem zu einem Widerspruch. Wenn für den Rückgewähranspruch aus einer Sicherungszession, einer Verpfändung oder - wie hier - aus der Pfändung von Mietforderungen nach § 140 Abs. 1 InsO auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem der Schuldner als Vermieter die jeweilige Leistung erbracht hat, also den Gebrauch der Mietsache gewährt, kann es für die Anfechtung des Absonderungsrechts, welches sich aus dem Grundpfandrecht ergibt, auch nur auf diesen Zeitpunkt ankommen.
III.
[19] Das angefochtene Urteil kann damit nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und die Sache nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung getroffen (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 2271562 |
BGHZ 2010, 264 |
DB 2010, 51 |