Leitsatz (amtlich)
›Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen sich eine Großbank auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen kann, wenn ihre zentrale Kredit-Abteilung in einem an die Geschäftsstellenleiter gerichteten Rundschreiben unter Nennung der Namen von Personen und Unternehmen über unseriöse Geschäftspraktiken berichtet und dieses Rundschreiben durch den Vertrauensbruch eines Mitarbeiters an Außenstehende gelangt.‹
Tatbestand
Die Erstklägerin, deren alleinvertretungsberechtigter geschäftsführender Gesellschafter der Zweitkläger ist, betreibt ein Unternehmen, das mit Ketten und Kettenrädern handelt. Anfang der 80iger Jahre traten in diesem Geschäftszweig Unternehmen auf, die durch unseriöse und kriminelle Machenschaften den ihre Geschäfte finanzierenden Banken erhebliche Verluste zufügten. Für diese Unternehmen wurde die Bezeichnung ›Ketten-Mafia‹ geprägt.
Die Beklagte ist eine Großbank, deren zentrale Kreditabteilung unter der Überschrift ›Warnung, Ketten-Mafia, VERTRAULICH‹ am 12. Dezember 1988 an die Leitung ihrer Geschäftsstellen im In- und Ausland ein Rundschreiben versandte, in dem es u.a. hieß:
›Im Zusammenhang mit einem Konkursverfahren erhielten wir Kenntnis von seit mindestens 1982 laufenden Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wegen Bankrott, Kreditbetrug, Unterschlagung etc. Die Beschuldigten betätigen sich im
internationalen Handel mit Industrieketten, Zahnrädern, sonstigen Antriebselementen und Zubehörteilen wie Verschlußgliedern und Bolzen.
Die Waren stammen zum großen Teil aus Fern-Ost, insbesondere aus der Volksrepublik China, werden über deutsche Firmen eingekauft und zum Teil mit falschen Herkunftsangaben - meist nach Zwischenschaltung weiterer deutscher oder westeuropäischer Firmen - u.a. auf dem US-amerikanischen und kanadischen Markt abgesetzt. Die finanzierenden Banken werden über die wechselseitigen Abhängigkeiten der Firmen im unklaren gelassen. Durch vorgetäuschte, angeblich durchgehandelte Warengeschäfte ist es den Beschuldigten gelungen, mittels Scheck- und Wechselziehungen, Mehrfachübereignung von Waren und Mehrfachabtretungen von Forderungen Millionen-Beträge beiseite zu schaffen. Fiel eine der Firmen wegen Zahlungseinstellung aus, so wurde sogleich eine neue gegründet, die die Machenschaften fortsetzte. Der durch die verschiedenen Konkurse allein in der Bundesrepublik Deutschland bei den bisher betroffenen Banken verursachte Gesamtschaden beläuft sich auf mindestens rd. DM 40 Mio und wird sich durch den jüngsten Konkurs um mindestens rd. DM 10 Mio erhöhen. Die Geschäftsführer und Gesellschafter sind bereits wieder unter einer neuen Firma in der gleichen Branche tätig.
Beigefügt finden Sie als Ergebnis der bisherigen Recherchen alphabetisch geordnete Listen der hauptsächlich Beschuldigten, mutmaßlichen Mittäter und Hilfspersonen einerseits sowie der unseres Wissens noch aktiven Firmen, die zum Interessenbereich der genannten Personen zählen, andererseits.
Wir bitten Sie,
1. die Aufnahme von Geschäftsverbindungen zu den aufgeführten Personen und Firmen zu vermeiden,
2. alle Engagements mit Firmen, die in der oben genannten Branche tätig sind, kritisch zu prüfen:
Wir können nicht ausschließen, daß in der Liste auch solche Personen und Firmen aufgeführt sind, die marginal oder lediglich als Geschädigte an den kriminellen Machenschaften beteiligt sind. Die Liste ist daher intern und vertraulich zu behandeln, um die Bank nicht etwaigen Schadensersatzansprüchen wegen Geschäftsschädigung o.ä. auszusetzen.‹
Die dem Rundschreiben beigefügte Liste ist nach Personen und Firmen gegliedert. In der Personenliste wird einleitend darauf hingewiesen, daß die Namen der hauptsächlich Beschuldigten unterstrichen sind. Unter den dort aufgeführten 27 Personen befindet sich der Name des Zweitklägers; dieser Name ist unterstrichen. Die Erstklägerin wird in der Firmenliste genannt, die 28 Namen umfaßt.
Das Rundschreiben der Beklagten gelangte durch einen Pflichtenverstoß des S., eines Mitarbeiters der Beklagten, an die Firma D., deren Inhaber hierauf mit der Anweisung reagierte, die Erstklägerin nur noch gegen Vorkasse zu beliefern.
Die Kläger, die behaupten, mit den im Rundschreiben geschilderten Machenschaften nichts zu tun zu haben, machen geltend, daß ihre Stellung im Geschäftsleben durch dieses Schreiben erheblich gelitten habe. Sie verlangen von der Beklagten, folgende Behauptungen zu unterlassen:
a) dem Kläger zu 2) sei es durch vorgetäuschte, angeblich durchgehandelte Warengeschäfte gelungen, mittels Scheck- und Wechselziehungen, Mehrfachübereignungen von Waren und Mehrfachabtretungen von Forderungen Millionenbeträge beiseite zu schaffen;
b) der Kläger zu 2) sei an Konkursen beteiligt und als Geschäftsführer und Gesellschafter bereits unter einer neuen Firma in der gleichen Branche tätig;
c) der Kläger gehöre der ›Ketten-Mafia‹ an;
d) die Klägerin zu 1) gehöre zu dem Kreis der noch aktiven Firmen, die zum Interessenbereich der Personen zähle, die die unter a)-c) aufgeführten Handlungen vornehmen würden.
Ferner begehren sie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz des ihnen aus der Verbreitung des Rundschreibens entstandenen und noch entstehenden Schadens.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht den Klägern der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB zu. Die Beklagte habe in ihrem Rundschreiben beide Kläger gleichermaßen mit den dort beschriebenen Machenschaften der ›Ketten-Mafia‹ in Verbindung gebracht und hierdurch in ihrer persönlichen und geschäftlichen Ehre verletzt; die ehrenrührigen Äußerungen über den Zweitkläger träfen auch die Erstklägerin. Bei diesen Äußerungen handele es sich insgesamt und insbesondere auch insoweit, als dort von einer ›Ketten-Mafia‹ die Rede sei, um Tatsachenbehauptungen. Obwohl das Rundschreiben nur zur geschäftsinternen Verwendung bestimmt gewesen sei, habe sich die Beklagte bei seiner Herausgabe an die Geschäftsstellenleiter nicht in einem dem Ehrenschutz entzogenen Freiraum bewegt; auch geschäftsinterne Äußerungen einer Großbank könnten beträchtliche Auswirkungen haben, zumal sich - wie die Beklagte selbst einräume - nicht verhindern lasse, daß sie an einen nichtberechtigten Empfängerkreis gelangten. Die Beklagte könne die Herausgabe des Rundschreibens nicht damit rechtfertigen, daß sie in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt habe. Zwar sei ihr Ziel anzuerkennen, sich mit dem Rundschreiben gegen betrügerische Machenschaften zu schützen; sie habe es jedoch an den erforderlichen Recherchen fehlen lassen. Grundlage des Rundschreibens seien bestenfalls Verdachtsmomente gewesen; an konkreten Erkenntnissen dafür, daß die Kläger zum aktiven und hauptverantwortlichen Kreis der ›Ketten-Mafia‹ gehört hätten, habe es indes gefehlt. Damit sei die Beklagte vor die Notwendigkeit gestellt, die Wahrheit ihrer Behauptungen zu beweisen; dies sei ihr aber nicht gelungen. Auch der Feststellungsantrag sei begründet; Verunglimpfungen, wie sie das Rundschreiben gegenüber den Klägern aufweise, brächten für den Betroffenen erfahrungsgemäß wirtschaftliche Nachteile mit sich. Die Beklagte müsse jedenfalls nach § 831 BGB für die Versäumnisse aufkommen, die ihren Mitarbeitern bei der Abfassung des Rundschreibens unterlaufen seien.
II. Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
1. Allerdings sind die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Unterlassungsanspruch im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden.
a) Das Berufungsgericht hat die Äußerungen der Beklagten in dem Rundschreiben, durch die sich die Kläger in ihrer Ehre und in ihrem geschäftlichen Ruf verletzt fühlen, mit Recht als Tatsachenbehauptungen gewertet. Das gilt auch, soweit in dem Rundschreiben von einer ›Ketten-Mafia‹ die Rede ist. Allerdings stellt sich diese Äußerung - für sich betrachtet - als eine bloße (subjektive) Wertung dar. Sie steht jedoch nicht für sich allein, vielmehr erscheint sie schlagwortartig als Überschrift über einem Text, der sie durch die Behauptung konkreter und einem Beweis zugänglicher Vorgänge inhaltlich ausfüllt. Durch diesen Zusammenhang gewinnt die Wendung ›Ketten-Mafia‹ die Qualität einer Tatsachenbehauptung (vgl. Senatsurteil vom 11. Juli 1989 - VI ZR 255/88 - VersR 1989, 1048).
b) Mit Recht ist das Berufungsgericht weiter der Auffassung, daß von der ehrverletzenden Wirkung der Äußerungen im Rundschreiben beide Kläger betroffen sind, so daß sie beide aktivlegitimiert sind. Für den Zweitkläger, der als ›hauptsächlich Beschuldigter‹ bezeichnet wird, bedarf dies - keiner Erklärung. Aber auch die Erstklägerin wird durch das Rundschreiben in ihrem geschäftlichen Ruf und ihrer Ehre betroffen; dies nicht nur deshalb, weil ihre Erwähnung in der dem Rundschreiben beigefügten Liste zum Ausdruck bringt, daß sie die Geschäftsmethoden der ›Ketten-Mafia‹ praktiziert. Vielmehr trifft sie auch der gegen den Zweitkläger erhobene Vorwurf, ein ›hauptsächlich Beschuldigter‹ zu sein. Dies folgt daraus, daß die Verkehrsauffassung die Erstklägerin mit den geschäftlichen Aktivitäten des Zweitklägers, um die es hier ausschließlich geht, identifiziert, weil letzterer ihr alleinvertretungsberechtigter geschäftsführender Gesellschafter ist (vgl. Senat BGHZ 78, 24, 26 f.).
Ohne Erfolg macht die Revision geltend, daß die Beklagte in ihrem Rundschreiben die dort geschilderten Machenschaften der ›Ketten-Mafia‹ gar nicht selbst den Klägern angelastet habe, vielmehr bei richtigem Verständnis des Rundschreibens davon auszugehen sei, daß in ihm lediglich über das Ermittlungsverfahren und die dort zur Erörterung stehenden Vorwürfe berichtet werde. Der Schutz gegen das Ansehen und den Ruf schädigende Vorwürfe umfaßt nicht nur das Behaupten, sondern auch das Verbreiten; gegen die Weitergabe nur eines Verdachts ist der Betroffene grundsätzlich in gleicher Weise geschützt wie gegen eine insoweit nicht eingeschränkte Behauptung. Im übrigen hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler das Rundschreiben dahin verstanden, daß es sich bei den Äußerungen über die ›Ketten-Mafia‹ um eigene Behauptungen der Beklagten handelt, die sich (auch) auf die Kläger beziehen. Für die Adressaten wurde schon durch die Zweckbestimmung des Rundschreibens, die Geschäftsstellenleiter vor Geschäften mit den in der beigefügten Liste genannten Personen und Unternehmen zu warnen, deutlich, daß die Beklagte auch die Kläger zum Kreis derer zählt, die sich der Geschäftsmethoden der ›Ketten-Mafia‹ bedienen.
An diesem Aussagegehalt des Rundschreibens ändert sich im Kern nichts durch den im letzten Absatz erscheinenden Hinweis, es sei nicht auszuschließen, daß in der Liste auch Personen und Firmen aufgeführt seien, die marginal oder lediglich als Geschädigte an den kriminellen Machenschaften beteiligt seien. Diese Erklärung konnte der Leser des Rundschreibens schon deshalb nicht auf die Kläger beziehen, weil der Zweitkläger in der Liste als ›hauptsächlich Beschuldigter‹ bezeichnet wird. Diese Qualifizierung trifft, wie gesagt, auch die Erstklägerin.
c) Das Berufungsgericht geht weiter zutreffend davon aus, daß die Kläger die Beklagte wegen der Äußerungen im Rundschreiben grundsätzlich zur Rechenschaft ziehen können. Die Revision macht vergeblich geltend, daß diese Äußerungen in einem dem Ehrenschutz entzogenen Freiraum gefallen seien. Allerdings hat die Rechtsprechung anerkannt, daß ein solcher Freiraum für Äußerungen im engsten Familienkreis besteht; ein Teil des Schrifttums dehnt dies aus auf Äußerungen im engsten Freundeskreis und andere Verhältnisse, die durch eine vom Gesetzgeber besonders abgesicherte Vertraulichkeit herausgehoben sind (vgl. Senat BGHZ 89, 198, 203 f. m.w.N.). Der tragende Gedanke für diese Ausgrenzung ist jedoch nicht der, daß die Äußerung nur wenigen Personen zugänglich geworden ist, sondern der, daß dem Bürger ein Freiraum verbleiben muß, in dem er sich aussprechen kann, ohne sich in einem Gerichtsverfahren rechtfertigen zu müssen. Die Ausgrenzung findet damit ihre innere Rechtfertigung im Kerngehalt der Garantie der Menschenwürde, und dies noch verstärkt durch die Schutzgarantie des Art. 6 Abs. 1 GG. Vergleichbare Rechtspositionen sind hier nicht im Spiel. Hier ging es um eine Information im Rahmen des Geschäftsbetriebes einer Großbank, deren Zweck darin bestand, zur Vermeidung wirtschaftlicher Verluste die Geschäftsabläufe zu steuern.
Auch die weitere Erwägung der Revision, daß es sich bei dem Rundschreiben um eine auf den Organisationsbereich der Beklagten beschränkte ›Selbstinformation‹ und nicht um eine Tatsachenmitteilung handele, verhilft ihr nicht zum Erfolg. Die Beklagte hat in dem Rundschreiben gegenüber Dritten - den Geschäftsstellenleitern - in bezug auf die Kläger ehrenrührige und rufschädigende Tatsachen behauptet, die den Adressaten des Rundschreibens noch nicht bekannt waren. In diesem Vorgang liegt eine Rechtsbeeinträchtigung der Kläger, aus der sich grundsätzlich die zum Ehrenschutz entwickelten Rechtsfolgen ergeben können. Dies gilt erst recht, weil - wie die Beklagte selbst einräumt - solche Rundschreiben an außenstehende Dritte gelangen können, wie es hier geschehen ist.
2. Der Senat vermag den Erwägungen des Berufungsgerichts jedoch nicht zu folgen, soweit es der Auffassung ist, daß die Äußerungen im Rundschreiben nicht durch den Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt seien.
a) Die Kläger haben stets behauptet, mit den Machenschaften der ›Ketten-Mafia‹ nichts zu tun zu haben. Das Berufungsgericht geht in Würdigung des Prozeßstoffs davon aus, daß die Beklagte die Wahrheit ihrer Behauptungen im Rundschreiben nicht bewiesen hat. Danach ist für das Revisionsverfahren offen, ob die Behauptungen der Beklagten zutreffen oder nicht. Für eine solche Fallkonstellation hat der Senat den Grundsatz entwickelt, daß entsprechend der über § 823 Abs. 2 BGB in das Zivilrecht herüberwirkenden Beweisregel des § 186 StGB zu Lasten des Äußernden grundsätzlich von der Unwahrheit der rufbeeinträchtigenden Behauptung auszugehen ist und der Betroffene deshalb ihre Unterlassung verlangen kann. Etwas anderes gilt indes, wenn sich der Inanspruchgenommene darauf berufen kann, daß schützenswerte Interessen ihn zu den Behauptungen oder ihrer Verbreitung berechtigen, obschon er den Wahrheitsbeweis für sie nicht führen kann. In diesem Fall greift der negatorische oder deliktische Schutz für den Betroffenen erst ein, wenn dieser die Unwahrheit der Behauptung nachweist. Zur Beantwortung der Frage, ob sich die Beklagte im Streitfall auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen bei der Herausgabe ihres Rundschreibens berufen konnte, sind ihr Interesse an einer Unterrichtung ihrer Geschäftsstellenleiter schon in diesem Stadium der Ermittlungen einerseits und das Schutzbedürfnis der Kläger andererseits gegeneinander abzuwägen. Zu berücksichtigen ist auch die Sorgfalt, mit der die Beklagte bei der Ermittlung des wahren Sachverhalts vorgegangen ist (vgl. Senatsurteil vom 11. Juli 1989 - VI ZR 255/88 - aaO. S. 1049 m.w.N.).
Im Rahmen der danach gebotenen Abwägung ist zu Gunsten der Kläger in die Waagschale zu werfen, daß sie durch Vorwürfe, wie sie das Rundschreiben aufweist, in ihrer Ehre und in ihrem geschäftlichen Ansehen empfindlich getroffen werden können. Wegen der Schlüsselfunktion, die die Banken im geschäftlichen Verkehr haben, können kreditschädigende Berichte über ein Unternehmen und seine Geschäftspraxis, insbesondere wenn sie wie hier mit Millionenverlusten der Banken in Verbindung gebracht wird, existenzvernichtende Auswirkungen haben. Sie müssen den Betroffenen umso mehr belasten, solange sie, ohne daß er davon weiß, bankintern kursieren, so daß er auch insoweit keine Möglichkeit hat, hierzu Stellung zu nehmen und seinen Ruf wiederherzustellen. Auf der anderen Seite verlangt das Interesse eines Kreditinstituts Beachtung, hohe finanzielle Verluste zu vermeiden, die durch Machenschaften kreditunwürdiger Geschäftspartner auftreten können; solche Verluste erweisen sich häufig als endgültig. Sicherungen der Kreditinstitute vor kreditunwürdigen Kunden sind deshalb unentbehrlich (vgl. Senatsurteil vom 20. Juni 1978 - VI ZR 66/77 - NJW 1978, 2151, 2152). Die Kreditinstitute müssen grundsätzlich durch interne Mitteilungen auf die Gefahren hinweisen dürfen, die ihnen von unseriösen Unternehmen drohen. Dies kann auch in Form eines Rundschreibens geschehen, in dem die drohenden Gefahren dargestellt werden; entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist eine Warnung ohne Begründung für das betroffene Unternehmen in der Regel nicht mit geringeren Belastungen verbunden, weil sie den Spekulationen freien Lauf läßt. Die Kreditinstitute müssen auch die Möglichkeit haben, solche internen Warnungen schon auszusprechen, bevor ihr Verdacht gegen das Unternehmen zur Gewißheit geworden ist. Gerade bei Fallgestaltungen, in denen sich die Bank einer weitverzweigten Organisation mit nur schwer durchschaubaren Verbindungen und Verzahnungen ausgesetzt sieht, aufgrund deren Praktiken bereits Kredite in Höhe von vielen Millionen notleidend geworden sind, können andernfalls ihre Warnungen zur Verhütung weiterer Schäden zu spät kommen. Allerdings muß sich die Bank gerade in solchen Fällen der besonderen Nachteile bewußt sein, die bei der Schwere ihrer Verdächtigung und bei der Schwierigkeit für die Betroffenen, den wahren Sachverhalt ans Licht zu Unrecht erhobene Beschuldigung für diese haben muß. Zunächst muß deshalb die Bank darum bemüht sein, solche Warnungen mit aller Vorsicht herauszugeben, um zu verhindern, daß sie über ihren internen Geschäftsbereich hinaus, den sie kontrolliert und in dem sie deshalb, sobald sich ihr Verdacht als unbegründet erweist, alsbald das von ihr veranlaßte falsche Bild über den Betroffenen richtigstellen muß und kann, an die breitere Öffentlichkeit dringen. Da sie indes, wie der Streitfall zeigt, dieses Risiko nicht vollständig ausschließen kann, darf sie solche mit so schweren Nachteilen für den Betroffenen verbundenen Warnungen erst dann aussprechen, wenn sie sich auf einen Mindestbestand von Beweisen für die Begründetheit ihres Verdachts stützen kann. Dies hat das Berufungsgericht im Ansatz auch gesehen. Es hat jedoch nach Auffassung des Senats zu hohe Anforderungen an die Recherchierungspflicht der Beklagten gestellt, indem es ihr insoweit keine geringeren Pflichten abverlangt, als wenn sie mit ihrem Rundschreiben an die Öffentlichkeit getreten wäre, während sie in Wirklichkeit die ihr möglichen Schutzvorkehrungen gegen eine Weiterleitung des Rundschreibens getroffen hat. Sie hat sich nicht mit dem Hinweis begnügt, daß es sich um eine vertrauliche Mitteilung handelt, vielmehr hat sie darüber hinaus am Schluß des Rundschreibens eindringlich die Gründe dargelegt, aus denen die Liste mit den Namen der betroffenen Personen und Unternehmen intern und vertraulich zu behandeln ist.
b) Es läßt sich danach nicht feststellen, daß die Beklagte gegen ihre Recherchierungspflicht verstoßen hat. Die Anforderungen an diese Pflicht sind nicht in jedem Fall gleich, vielmehr bestimmen sie sich nach den Umständen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist der vorliegende Fall dadurch gekennzeichnet, daß einige Umstände für Beziehungen der Kläger zur ›Ketten-Mafia‹ sprechen konnten. Die Beklagte wußte, daß wegen dieses Tatkomplexes ein - erst nach Herausgabe des Rundschreibens im März 1989 eingestelltes - Ermittlungsverfahren gegen den Zweitbeklagten schwebte. Sie kannte ein internes Protokoll aus einer Bankensitzung, aus dem sich ergab, daß der Zweitkläger bis zum 23. Juni 1981 Gesellschafter der A.-GmbH gewesen war, die am 15. Februar 1982 in Konkurs gegangen ist und in Geschäftsverbindung mit den Gesellschaften gestanden hat, die maßgebend an den Lieferungen von Ketten aus der Volksrepublik China in die USA beteiligt waren. Mitgesellschafter dieser GmbH waren Geschäftsleute, die in jenen Unternehmen ebenfalls tätig waren und die in Verdacht standen, zur ›Ketten-Mafia‹ zu gehören. Der Konkurs der A.-GmbH hatte zu Bankausfällen in Millionenhöhe geführt. Die Beklagte selbst hatte im August 1988 durch den Konkurs der E.-Handelsgesellschaft, der nach dem Muster der ›Ketten-Mafia‹ abgelaufen war, erhebliche Forderungsausfälle erlitten; in diesem Zusammenhang stellte die Beklagte fest, daß der Name der Erstklägerin als Drittschuldnerin einer der von der E.-Handelsgesellschaft zedierten Forderungen erschien. Ferner war der Beklagten eine bankinterne Warnung vor den Aktivitäten einer Firma K. bekannt; in dieser Warnung wurde ausgeführt, daß die Erstklägerin zum ›Interessenbereich‹ der Geschäftsleute P. zähle, die dem Kreis der ›Ketten-Mafia‹ zugerechnet wurden. Schließlich hatte die Beklagte erfahren, daß die Erstklägerin zu den Firmen D. und C. in Geschäftsbeziehungen gestanden hatte; diese Unternehmen wurden dem Interessenbereich der ›Ketten-Mafia‹ zugerechnet.
Es ist dem Berufungsgericht zuzugeben, daß diese Verdachtsmomente - jeweils für sich betrachtet - nur eine geringe Aussagekraft aufwiesen. Eine solche isolierte Betrachtung erweist sich jedoch als nicht situationsgerecht. Vielmehr ist eine Gesamtschau aller gegen die Kläger sprechenden Verdachtsmomente geboten, wie sie der Beklagten vor Augen standen, als sie sich zur Herausgabe des Rundschreibens entschloß. Sie konnte bei einer Gesamtschau wegen der Häufung der Verdachtsmomente durchaus zu der Auffassung gelangen, daß zwischen den Klägern und der Ketten-Mafia‹ Geschäftsbeziehungen bestehen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß sich die Beklagte der Notwendigkeit ausgesetzt sah, zur Vermeidung hoher Verluste schnell zu handeln. In dieser Situation können angesichts der Vorkehrungen, die die Beklagte gegen eine Weiterleitung ihres Rundschreibens getroffen hatte, an ihre Recherchierungspflicht nur maßvolle Anforderungen gestellt werden.
3. Das Berufungsurteil kann somit mit seiner bisherigen Begründung keinen Bestand haben. Ein Anspruch auf Unterlassung steht den Klägern nur dann zu, wenn der Tatrichter die Überzeugung gewinnt, daß die im Rundschreiben aufgestellten Tatsachenbehauptungen falsch sind. Hierfür tragen die Kläger die Beweislast (vgl. Senatsurteil vom 11. Juli 1989 - VI ZR 255/88 - aaO. S. 1050). Insoweit bedarf es weiteren Vortrags und weiterer Beweiserhebung. Dasselbe gilt für die Frage der Wiederholungsgefahr; da, wie dargelegt, die Herausgabe des Rundschreibens an die Geschäftsstellenleiter durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt war, scheidet sie als Grundlage für die Vermutung der Wiederholungsgefahr aus.
4. Daß die Herausgabe des Rundschreibens an die Geschäftsstellenleiter durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt war, wirkt sich auch auf den Feststellungsausspruch aus. Danach können den Verfassern des Rundschreibens Versäumnisse, die nach Auffassung des Berufungsgerichts eine Einstandspflicht der Beklagten aus § 831 BGB zur Folge haben, nicht angelastet werden. Das Berufungsgericht hat jedoch - aus seiner Sicht zu Recht - offen gelassen, ob die Beklagte aus § 831 BGB für die Folgen des Vertrauensbruchs ihres Mitarbeiters einstehen muß, der das Rundschreiben weitergeleitet hat. Auch hierzu bedarf es des weiteren Vortrags der Parteien.
Fundstellen
Haufe-Index 2993164 |
BB 1993, 169 |
NJW 1993, 525 |
BGHR BGB § 1004 Rufschädigung 4 |
BGHR BGB § 823 Abs. 2 Unterlassung, 193 1 |
DRsp I(150)329e |
GRUR 1993, 412 |
WM 1993, 69 |
ZIP 1993, 107 |
AfP 1993, 703 |
MDR 1993, 230 |
VersR 1993, 364 |
ZBB 1993, 34 |