Entscheidungsstichwort (Thema)
Konkurs, eigenkapitalersetzendes Darlehen, Bewertung einer Zeugenaussage
Leitsatz (amtlich)
a) Im Eigenkapitalersatzrecht nach Rechtsprechungs- und Novellenregeln braucht der Konkursverwalter zum (Negativ-) Beweis der Kreditunwürdigkeit der GmbH nicht alle denkbaren, sondern nur die von den Gesellschaftern substantiiert behaupteten Möglichkeiten einer Kreditsicherung mit gesellschaftseigenen Mitteln zu widerlegen.
b) Zur Beweiswürdigung bei der Kreditunwürdigkeit.
Normenkette
GmbHG §§ 30-31, 32a a.F., § 32b
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger ist Konkursverwalter in dem am 14. Februar 1992 eröffneten Konkursverfahren über das Vermögen der H. K. GmbH (Gemeinschuldnerin), die Beklagten sind deren Gesellschafter. Die Gemeinschuldnerin nahm bei der C. Bank B. – Zweigstelle W. – in laufender Rechnung Kredit in Anspruch; zur Sicherung des Darlehens hatten der Beklagte zu 1 im Dezember 1984 den letztrangigen Teilbetrag von 100.000,– DM einer mit 12 % p.a. verzinslichen Grundschuld über 192.000,– DM auf seinem Privatgrundstück und der Beklagte zu 2 im Januar 1982 eine bis zum 31. Dezember 1992 befristete selbstschuldnerische Bürgschaft in unbegrenzter Höhe der Bank zur Verfügung gestellt. Aufgrund einer Vereinbarung vom 16./22. Mai 1991 erhöhte die C. Bank – zunächst befristet bis zum 30. April 1992 – den Kreditrahmen von 150.000,– DM auf 250.000,– DM gegen Weitergewährung der bereits bestehenden Gesellschaftersicherheiten für den neuen Kreditrahmen und für alle Forderungen aus der Geschäftsverbindung. In der Zeit zwischen dem 5. Juni 1991 und der Eröffnung des Konkursverfahrens wurde der von der Gemeinschuldnerin über das Kontokorrentkonto in Anspruch genommene Kredit der C. Bank von 341.546,86 DM auf 83.232,96 DM zurückgeführt.
Der Kläger, der in diesem Vorgang eine Tilgung kapitalersetzender Darlehen aus Mitteln der Gemeinschuldnerin sieht, verlangt Erstattung von beiden Beklagten als Gesamtschuldnern in Höhe von 106.383,53 DM und von dem Beklagten zu 2 in Höhe von weiteren 151.930,38 DM. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zunächst durch Urteil vom 19. Oktober 1994 zurückgewiesen. Nach dessen Aufhebung durch Urteil des erkennenden Senats vom 4. Dezember 1995 (II ZR 281/94, ZIP 1996, 275) und Zurückverweisung hat das Oberlandesgericht – nach Beweiserhebung – die Berufung wiederum zurückgewiesen. Der Beklagte zu 2 ist entsprechend seiner Mitteilung, sich im Revisionsverfahren nicht anwaltlich vertreten zu lassen, trotz ordnungsgemäßer Ladung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht erschienen.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung ergeht gegenüber dem säumigen Beklagten zu 2 zwar durch Versäumnisurteil, jedoch – nicht anders als hinsichtlich des erschienenen Beklagten zu 1 – aufgrund umfassender Sachprüfung (BGHZ 37, 79, 81 ff.).
Die erneute Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur nochmaligen Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts stehen dem Kläger Erstattungsansprüche für die Masse weder aus § 32b GmbHG noch nach den sogenannten Rechtsprechungsregeln analog §§ 30, 31 GmbHG zu, weil sich ein eigenkapitalersetzender Charakter der von den Beklagten eingeräumten Sicherheiten für den der Gemeinschuldnerin durch die C. Bank gewährten Kredit nicht feststellen lasse.
Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung insoweit nicht stand, als das Berufungsgericht eine Kreditunwürdigkeit der Gemeinschuldnerin und damit eine Umqualifizierung der Finanzierungshilfen der Beklagten in Eigenkapitalersatz in Höhe von 341.546,86 DM ab dem 5. Juni 1991 verneint hat. Diese Beurteilung beruht auf einer Verletzung des § 286 Abs. 1 ZPO, weil sich das Berufungsgericht insoweit nicht umfassend und widerspruchsfrei mit dem Beweisergebnis und dem übrigen Prozeßstoff auseinandergesetzt hat (vgl. BGH, Urt. v. 14. Januar 1993 – IX ZR 238/91, NJW 1993, 935, 937 m.w.N.); zudem hat es die vorrangige Darlegunglast der Beklagten im Zusammenhang mit dem vom Kläger zu erbringenden Negativbeweis des Nichtvorhandenseins eigener Kreditsicherungsmittel der Gemeinschuldnerin nicht richtig beurteilt.
1. Eine auf Kreditunwürdigkeit beruhende Krise der Gesellschaft, in der ein ihr gewährtes Darlehen oder eine Kreditsicherheit ihres Gesellschafters die Funktion von Eigenkapitalersatz erlangt, liegt nach der Senatsrechtsprechung dann vor, wenn die Gesellschaft von dritter Seite den zur Fortführung ihres Unternehmens benötigten Kredit zu marktüblichen Bedingungen nicht erhält und deshalb liquidiert werden müßte, wenn nicht der Gesellschafter mit seiner Leistung einspringt oder eingesprungen wäre (vgl. Sen. Urt. v. 2. Juni 1997 – II ZR 211/95, ZIP 1997, 1648, 1650; Sen. Urt. v. 13. Juli 1992 – II ZR 269/91, ZIP 1992, 1382, 1382 jew. m.w.N.). Nach dem Wortlaut der Aussage des bei der Zentrale der C. Bank in B. mit der Kreditüberwachung befaßten Zeugen K. drängt es sich auf, die tatsächlichen Voraussetzungen einer Kreditunwürdigkeit in diesem Sinne in bezug auf die Gemeinschuldnerin bereits im Zeitpunkt der Erhöhung des Kreditrahmens auf 250.000,– DM am 16./22. Mai 1991 und bei der kurze Zeit später am 5. Juni 1991 erfolgten Überziehung dieses Rahmens bis auf 341.546,86 DM anzunehmen. Der Zeuge K. hat unmißverständlich bekundet, daß bereits Anfang 1991 für die Aufstockung der zum Teil überzogenen Kreditlinie um 100.000,– DM eine Grundschuldabtretung in notarieller Form aus dem Privatvermögen des Beklagten zu 1 verlangt worden, diese jedoch ausgeblieben sei, so daß das Kreditengagement der Gemeinschuldnerin in der bisherigen Form weitergelaufen sei. Zwar hat der Zeuge einräumen müssen, daß ihm die tatsächlich durch die Filiale W. vorgenommene Erhöhung des Kreditrahmens gegen Bestehenbleiben der bisherigen Sicherheiten nicht bekannt sei, er hat jedoch abschließend nachdrücklich betont, die Gemeinschuldnerin würde ohne Sicherheiten aus dem Kreis der Gesellschafter bei der C. Bank keine Kredite bekommen haben, sie sei nicht blankokreditwürdig gewesen. Das Berufungsgericht hält die Aussage wegen der Unkenntnis des Zeugen K. von der Kreditrahmenerhöhung zumindest in ihrem zweiten Teil für „entwertet”. Damit mißt es der objektiven Wissenslücke des Zeugen eine Bedeutung für die Beweisfrage der Kreditunwürdigkeit der Gemeinschuldnerin in dem fraglichen Zeitraum bei, die ihr unter Berücksichtigung des übrigen Beweisergebnisses nicht zukommt. Begründete Zweifel gegen die objektive Richtigkeit der Bekundungen des Zeugen K. – dessen Glaubwürdigkeit im übrigen nicht in Frage steht – hinsichtlich des anfänglichen Verlaufs der Krediterhöhungsverhandlungen hat das Oberlandesgericht nicht dargelegt. Gleichwohl läßt es die Bedeutung dieses Teils der Zeugenaussage zu Unrecht außer Acht. Sie besteht darin, daß die ursprünglich verlangte Absicherung des Kredits durch ein Grundpfandrecht offenbar die offizielle Kredivergabepraxis der C. Bank darstellte, wie sie auch bei anderen Banken üblich ist. Da die Gemeinschuldnerin unstreitig keine Grundstücke besaß, entsprach das statt dessen an den Gesellschafter gerichtete Verlangen nach der erforderlichen Realsicherheit dem legitimen Absicherungsinteresse der Bank; die beiläufig in anderem Zusammenhang vom Berufungsgericht geäußerte Mutmaßung, daß eine solche Handhabung nur aus besonderen „geschäftspolitischen Erwägungen” ohne praktische Notwendigkeit geschehen sei, entbehrt jeglicher Tatsachengrundlage. Soweit danach die Gemeinschuldnerin selbst nicht zur Absicherung des gesamten Kreditvolumens durch ein Grundpfandrecht in der Lage war, spricht dies zumindest indiziell für eine Kreditunfähigkeit zu diesem Zeitpunkt; dem steht die spätere tatsächliche Kreditgewährung zu „einfacheren” Bedingungen nicht entgegen, weil die Frage einer Kreditunwürdigkeit nach objektiven Marktbedingungen und nicht etwa nach einer denkbaren Vorzugsbehandlung durch den der Gemeinschuldnerin wohlgesonnenen Sachbearbeiter einer Filiale der Bank zu beurteilen ist.
Bei der Bewertung des zweiten Teils der Zeugenaussage berücksichtigt das Oberlandesgericht ersichtlich nicht die maßgebliche Bedeutung der von den Beklagten erstmals im Beweisaufnahmetermin vorgelegten Urkunde über die Kreditrahmenerhöhung vom 16./22. Mai 1991 für das Beweisthema. Ausschlaggebend ist in diesem Zusammenhang nicht etwa, daß sich die C. Bank gegenüber ihrem ursprünglichen Verlangen nunmehr mit einer „minderen” Absicherung zufriedengegeben hat, sondern daß die Kreditgewährung insgesamt nur gegen Aufrechterhaltung der Sicherheiten der beiden Gesellschafter erfolgte. Die tatsächliche Handhabung der Kreditrahmenerhöhung bestätigt daher die abschließende Aussage des Zeugen K., daß die Gemeinschuldnerin ohne Sicherheiten aus dem Kreis der Gesellschafter einen Kredit nicht erhalten hätte; vor diesem Hintergrund ist die Annahme des Berufungsgerichts, die Bekundung des Zeugen sei wegen seiner Wissenslücke entwertet, nicht nachvollziehbar. Gleiches gilt für die Erwägung, der Bekundung über die fehlende Blankokreditwürdigkeit der Gemeinschuldnerin könne nicht entnommen werden, daß diese zur hinreichenden, banküblichen Besicherung nicht in der Lage gewesen sei. Schon nach allgemeinem Sprachverständnis ist ein Blankokredit ein „Personalkredit, der ohne Stellung von Sicherheiten gegeben wird, wobei die Gewähr für die fristgerechte Zurückzahlung durch das Geschäftsgebaren und die Persönlichkeit des Kreditnehmers geboten sein muß” (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch 1980, S. 709, Stichwort: Blankokredit). Dementsprechend wollte der Zeuge zum Ausdruck bringen, daß die Gemeinschuldnerin zu einer hinreichenden, banküblichen Besicherung selbst nicht in der Lage war. Daß er zu einer solchen Beurteilung befähigt war, ist aufgrund seiner Stellung bei der C. Bank und des langjährigen Kreditengagements der Gemeinschuldnerin naheliegend. Angesichts dessen geht die Erwägung des Oberlandesgerichts, die Angabe des Zeugen sei nicht überzeugend, weil ein von der Kreditnehmerin selbst besicherter Kredit kein Blankokredit sei, am Inhalt der Aussage vorbei.
Auch die weitere Erwägung des Berufungsgerichts, über gesellschaftseigene Sicherheiten sei im Zusammenhang mit der Krediterhöhung nicht gesprochen worden, so daß die Bekundung des Zeugen unergiebig sei, greift bereits deshalb zu kurz, weil das Berufungsgericht die Ambivalenz dieser Indiztatsache nicht erkannt hat (BGH, Urt. v. 14. Januar 1993, aaO S. 938). Da die C. Bank Absicherung mittels Grundpfandrechten verlangte, die Gemeinschuldnerin Jedoch keine Grundstücke besaß, stand nach den Bekundungen des Zeugen nur das bereits bekannte Grundstück des Beklagten zu 1 zur Debatte; daher war jegliche Diskussion überflüssig. Dies galt selbstverständlich auch dann, wenn – entsprechend dem Sinn der Bekundung des Zeugen K. – die Gemeinschuldnerin auch über sonstige taugliche Sicherheiten nicht verfügte.
Das Berufungsgericht hätte, wenn ihm etwa die Bekundung über die fehlende Blankokreditwürdigkeit der Gemeinschuldnerin zu wenig konkret erschien, jedenfalls zunächst seiner Aufklärungs- und Nachforschungspflicht gem. § 396 Abs. 2 ZPO nachkommen müssen, bevor es sich eine abschließende Meinung über den Gehalt der Zeugenaussage bildete.
2. Die – eher theoretischen – Ausführungen des Oberlandesgerichts über eine denkmögliche Kreditfähigkeit der Gemeinschuldnerin aus eigener Kraft und die offenbar darauf gestützte Annahme, das Gegenteil sei nicht bewiesen, legen zudem eine Verkennung der diesbezüglichen Darlegungs- und Beweislastverteilung nahe. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 4. Dezember 1995 (aaO S. 277) ausgeführt hat, kann Kreditunwürdigkeit insbesondere nicht mit der pauschalen Erwägung verneint werden, es sei nicht auszuschließen, daß die Gemeinschuldnerin noch Vermögensgegenstände oder stille Reserven gehabt habe, die sie ihren Gläubigern als ausreichende Sicherheiten hätte zur Verfügung stellen können. Dem Konkursverwalter ist es nur zumutbar, den von ihm zu erbringenden Negativbeweis zu führen, wenn der Gesellschafter konkret darlegt, welche Vermögensgegenstände die Gemeinschuldnerin seiner Ansicht nach ihren Gläubigern noch als Sicherheiten hätte anbieten können und inwiefern sie noch über stille Reserven, die als Kreditsicherheit tauglich gewesen wären, verfügt haben soll (vgl. hierzu auch Sen. Urt. v. 2. Juni 1997 – II ZR 211/95, ZIP 1997, 1648, 1650).
Der diesbezügliche Vortrag der Beklagten ist – insbesondere hinsichtlich des hier in Betracht kommenden Zeitraums zwischen dem 16. Mai und dem 5. Juni 1991 – wenig konkret. In die unfertigen Erzeugnisse, wie sie sich aus der Bilanz per 31. Dezember 1989 ergeben,- sind nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Klägers Leistungen der Lieferanten eingegangen, für die einfache und verlängerte Eigentumsvorbehalte bestanden, so daß sie sich nicht als Kreditsicherheit eigneten. Hinsichtlich des gesamten Anlagevermögens besteht zwar im wesentlichen Einigkeit zwischen den Parteien darüber, daß dieses mittlerweile im Konkurs zu einem Erlös von rund 95.000,– DM verwertet worden ist. Das Berufungsgericht hat in anderem Zusammenhang diesen Wert per 31. Dezember 1989 auf 70.000,– DM korrigiert. Ob selbst dieser Wert überhaupt für den hier maßgeblichen Zeitpunkt in Ansatz gebracht werden kann, erscheint fraglich. Da im Mai 1991 keine aktualisierten Zahlen vorlagen, sondern lediglich die Bilanz per 31. Dezember 1989, die ein überwiegend verbrauchtes Stammkapital auswies, spricht wenig dafür, daß die C. Bank angesichts des erheblichen Bewertungsrisikos auch nur teilweise auf die Gewährung von Gesellschaftersicherheiten verzichtet hätte (vgl. hierzu auch Sen. Urt. v. 28. September 1987 – II ZR 28/87, ZIP 1987, 1541, 1542).
Hiermit hätte sich das Berufungsgericht jedenfalls auseinandersetzen müssen, bevor es eine Beweislastentscheidung zum Nachteil des Klägers traf.
II.
Das angefochtene Urteil kann auch nicht mit der Hilfserwägung des Berufungsgerichts aufrechterhalten werden, die Gesellschafter hätten noch eine Überlegungsfrist für ihre Finanzierungsentscheidung, so daß die Umqualifizierung in den Zeitraum falle, in dem sie mangels Spezifizierung der Zeitpunkte der Kreditrückführung im einzelnen nicht zu ermitteln sei. Eine derartige Überlegungsfrist (Sen. Urt. v. 19. Dezember 1994 – II ZR 10/94, NJW 1995, 658) wäre hier den Beklagten schon deshalb nicht zuzubilligen, weil sie mit der Annahme der Kreditrahmenausweitung vom 16./22. Mai 1991 ihre „Finanzierungsentscheidung” für das Stehenlassen ihrer Sicherheiten in Kenntnis der Kreditunwürdigkeit und damit der Umqualifizierung in Eigenkapitalersatz nach Art einer Krisenfinanzierung getroffen hätten; dies gilt angesichts der übernommenen Haftung für alle Forderungen aus der Geschäftsverbindung auch bezüglich des den neuen Kreditrahmen alsbald übersteigenden Betrages per 5. Juni 1991.
III.
Bei der danach gebotenen Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
Fundstellen
Haufe-Index 604865 |
BB 1998, 555 |
DB 1998, 463 |
DStR 1998, 426 |
NJW 1998, 1143 |
KTS 1998, 233 |
NZG 1998, 223 |
WM 1998, 243 |
WuB 1999, 69 |
ZAP 1998, 113 |
ZIP 1998, 243 |
GmbHR 1998, 233 |
ZBB 1998, 120 |