Entscheidungsstichwort (Thema)
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
Leitsatz (amtlich)
Erweckt das Gericht nach Vorberatung über die Strafobergrenze, die es im Fall eines Geständnisses nicht überschreiten wolle, den Eindruck, sich insoweit ohne Rücksicht auf den Umfang des Geständnisses und den weiteren Verlauf der Hauptverhandlung vorbehaltlos und endgültig festgelegt zu haben, so kann dies für einen Verfahrensbeteiligten die Besorgnis der Befangenheit begründen.
Normenkette
StPO §§ 24, 338 Nr. 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 27. November 1998 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Köln zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
I.
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt, und zwar T. wegen fünf Taten, darunter eines Versuchs, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, O. ebenfalls wegen fünf Taten, darunter drei Fällen der Beihilfe, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten sowie G. wegen Beihilfe in einem Fall zu einer einjährigen Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft; sie beanstandet das Verfahren und rügt Verletzung sachlichen Rechts. Das zuungunsten der Angeklagten eingelegte und vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensbeschwerde Erfolg.
Als begründet erweist sich die Rüge, das Ablehnungsgesuch der Staatsanwaltschaft gegen die für befangen erklärten Berufsrichter der Strafkammer sei zu Unrecht verworfen worden; damit liegt ein absoluter Revisionsgrund vor, der ohne weiteres zur Urteilsaufhebung führt (§ 338 Nr. 3 StPO).
1. Der Rüge liegt im wesentlichen folgender prozessualer Geschehensablauf zugrunde:
Vor Beginn der Sitzung am zweiten Hauptverhandlungstag suchte der Vorsitzende, begleitet von einem der Beisitzer, das Gespräch mit den außerhalb des Sitzungssaals wartenden Verteidigern der Angeklagten T. und O.; hinzu kamen später die Beisitzerin, der Verteidiger des Angeklagten G. und Staatsanwalt D., der an diesem Tag den Sitzungsdienst anstelle des sachbearbeitenden Staatsanwalts B. wahrnahm. Dabei kündigte der Verteidiger T. ein Geständnis seines Mandanten für den Fall an, daß mit der Staatsanwaltschaft eine Einigung über das Strafmaß erzielt werde; dieser sei bereit, eine Gesamtfreiheitsstrafe von höchstens vier Jahren zu akzeptieren; andernfalls werde kein Geständnis abgelegt. Staatsanwalt D. erklärte sich außerstande, hierzu verbindlich Stellung zu nehmen, und verwies auf den Sachbearbeiter. Mit diesem nahm der Verteidiger während der Mittagspause in der Gerichtskantine Kontakt auf; eine Einigung kam dabei jedoch nicht zustande. Dies teilte der Verteidiger dem Vorsitzenden noch während der Pause mit und erklärte dazu, die Sache sei damit für ihn erledigt. Daraufhin kündigte der Vorsitzende an, die Kammer werde vorab beraten, ob sie eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren als tat- und schuldangemessen ansehen könne. Die angekündigte Vorberatung fand im Anschluß an die Verhandlung statt. Noch am selben Tag unterrichtete der Vorsitzende die Verteidiger T. und O. telefonisch vom Ergebnis der Vorberatung und erörterte mit ihnen den Fortgang der Hauptverhandlung.
Am dritten Verhandlungstag gab der Vorsitzende zu Beginn der Verhandlung bekannt,
„daß die Kammer nach Schluß des gestrigen Verhandlungstages im Anschluß an mit den Verteidigern der Angeklagten O. und T. geführte Gespräche des Vorsitzenden, an denen teilweise auch die berufsrichterlichen Mitglieder der Kammer und der Vertreter der Staatsanwaltschaft teilgenommen haben, darüber beraten hat, welches Strafmaß sie bei den Angeklagten O. und T. für tat- und schuldangemessen hält. Die Kammer erachtet für beide Angeklagte für den Fall eines glaubhaften und überzeugenden Geständnisses, das im wesentlichen dem Anklagevorwurf entspricht, mögen auch die Angaben zu den transportierten Kokainmengen hiervon abweichen, Freiheitsstrafen von höchstens 4 Jahren für tat- und schuldangemessen. Dies ist den Verteidigern der Angeklagten O. und T. im Anschluß an die Beratung telefonisch mitgeteilt worden.”
Der Vertreter der Staatsanwaltschaft und die anderen Prozeßbeteiligten erhielten sodann Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Verteidiger T. verlas einen Schriftsatz und machte ergänzende Ausführungen. Sein Mandant erklärte dazu: „Es ist so gewesen”. Danach wurde eine Zeugin im allseitigen Einverständnis entlassen und die Verhandlung für mehrere Stunden unterbrochen.
Bei deren Wiederbeginn lehnte der Staatsanwalt die Berufsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit ab: Er habe erst durch die Erklärung des Vorsitzenden erfahren, daß nach der Verhandlung vom Vortag „weitere Gespräche zwischen den Verteidigern und den Berufsrichtern” stattgefunden hätten; dies erwecke den Eindruck, daß sich die Kammer ohne Beteiligung der Staatsanwaltschaft auf ein bestimmtes Strafmaß festgelegt habe und insoweit voreingenommen sei.
Die Strafkammer hat – ohne die betroffenen Richter – das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurückgewiesen, weil kein Grund vorliege, der Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richter rechtfertige. Die Staatsanwaltschaft habe Gelegenheit zur Äußerung gehabt; sie sei durch die Teilnahme ihres Sitzungsvertreters an dem Gespräch, das vor Beginn der Sitzung am zweiten Verhandlungstag stattfand, über die Strafmaßvorstellung der Verteidigung T. informiert gewesen, habe ihren abweichenden Standpunkt darlegen können und dies auch getan.
2. Das Ablehnungsgesuch der Staatsanwaltschaft ist zu Unrecht verworfen worden.
a) Die Ablehnung war zulässig, insbesondere – was die hiermit befaßte Kammer auch selbst erkannt und zum Ausdruck gebracht hat – nicht verspätet (§ 26 a Abs. 1 Nr. 1 StPO); das Gesuch ist unverzüglich gestellt worden (§ 25 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Dem steht nicht entgegen, daß die Staatsanwaltschaft es nicht sofort nach Bekanntgabe des Ergebnisses der Vorberatung angebracht hat. „Unverzüglich” („ohne schuldhaftes Zögern”) heißt nicht „sofort”, sondern bedeutet, daß die Ablehnung im Interesse eines zügigen Verfahrensfortgangs ohne unnötige, nicht durch die Sachlage begründete Verzögerungen geltend gemacht werden muß (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 25 Rdn. 8 m. N.). Durch die Sachlage begründet ist aber eine Verzögerung, die dadurch entsteht, daß der Antragsteller, nachdem er Kenntnis vom Ablehnungsgrund erlangt hat, eine gewisse Zeit zum Überlegen und zum Abfassen des Gesuchs benötigt (BGHR StPO § 25 Abs. 2 unverzüglich 2 m.w.N.). Welche Zeitspanne dafür erforderlich, angemessen und deshalb zuzubilligen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Diese Zeitspanne ist im vorliegenden Fall, in dem die Staatsanwaltschaft das Gesuch nach Unterbrechung der Hauptverhandlung bei deren Wiederbeginn noch am selben Tag angebracht hat, nicht überschritten.
b) Die Ablehnung der Berufsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit war berechtigt; es lag ein Grund vor, der Mißtrauen gegen ihre Unparteilichkeit rechtfertigen konnte (§ 24 Abs. 2 StPO). Die Staatsanwaltschaft hatte bei vernünftiger Würdigung aller Umstände begründeten Anlaß, an der Unvoreingenommenheit der abgelehnten Richter zu zweifeln. Den Anlaß dazu bot die Bekanntgabe des Ergebnisses der gerichtlichen Vorberatung, wonach bei den Angeklagten T. und O., falls sie Geständnisse ablegen würden, Gesamtfreiheitsstrafen von höchstens vier Jahren tat- und schuldangemessen seien.
Dem Gericht ist es allerdings nicht verwehrt, das Höchstmaß der zu verhängenden Strafe, die es im Fall eines dem Anklagevorwurf entsprechenden Geständnisses für tat- und schuldangemessen hält, schon vor Durchführung der Beweisaufnahme zum Gegenstand einer Vor- oder Zwischenberatung zu machen und das Ergebnis den Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung bekanntzugeben (BGHSt 38, 102, 104). Dies kann durchaus zweckmäßig sein, um dem Angeklagten eine bessere Abschätzung der Chancen und Risiken seines Einlassungsverhaltens zu ermöglichen, ihn unter Umständen zu einem Geständnis zu veranlassen, das er bei völliger Ungewißheit über das für diesen Fall vom Gericht in Betracht gezogene Strafmaß nicht ablegen würde, und so dazu führen, daß sich eine womöglich langwierige und zeitraubende Beweisaufnahme erübrigt. Regelmäßig läßt sich daraus, daß ein Gericht seine Strafmaßvorstellung offenlegt und zum Gegenstand der Erörterung mit den Verfahrensbeteiligten macht, kein Befangenheitsgrund herleiten; denn es ist ohne Anhaltspunkte für die gegenteilige Annahme nicht davon auszugehen, daß es sich dadurch in unwiderruflicher, das Urteil insoweit vorwegnehmender Weise binden will.
Der zu entscheidende Fall liegt jedoch anders. Hier hat das Gericht durch sein Verhalten im Zusammenhang mit der Bekanntgabe des Ergebnisses der Vorberatung, wonach im Fall von Geständnissen der Angeklagten T. und O. Gesamtfreiheitsstrafen von höchstens vier Jahren tat- und schuldangemessen seien, den Eindruck erweckt, es habe sich insoweit schon vorbehaltlos und endgültig festgelegt, werde also ohne Rücksicht auf dagegen sprechende Umstände, die sich insbesondere aus dem Umfang des Geständnisses oder im weiteren Verlauf der Verhandlung ergeben könnten, die genannte Strafobergrenze auf keinen Fall überschreiten; ein derartiger Eindruck läßt das Gericht – im buchstäblichen Sinne des Wortes – als voreingenommen erscheinen und setzt daher die beteiligten Richter der Besorgnis aus, befangen zu sein.
Daß für die Verfahrensbeteiligten, namentlich die Staatsanwaltschaft, dieser Eindruck entstand, ergibt sich aus der Gesamtheit der dafür bedeutsamen Umstände:
aa) Dazu gehören bereits die Vorgänge, die zur Vorberatung der Kammer über das Strafmaß und zur Bekanntgabe des Ergebnisses geführt haben. Bei der Art und Weise, wie die – durch Ablegung von Geständnissen bedingte – Zusage der Einhaltung einer Strafobergrenze zustande kam, fallen zwei Besonderheiten ins Auge:
Zum einen entsprach die vom Vorsitzenden als Ergebnis der Vorberatung bezeichnete Strafobergrenze genau dem Höchstmaß, das der Verteidiger des Angeklagten T. bei dem außerhalb der Hauptverhandlung geführten Gespräch vor Beginn der Sitzung am zweiten Verhandlungstag in kompromißloser Form (andernfalls werde kein Geständnis abgelegt) als Bedingung für ein Geständnis seines Mandanten genannt hatte. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob diese Übereinstimmung eine – allerdings nur zweiseitige – Urteilsabsprache darstellt und die ohne Einbeziehung oder Mitwirkung der übrigen Verfahrensbeteiligten erreichte Verständigung über das Verfahrensergebnis den hieran zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt. Der vorliegende Fall erfordert es nicht, zur Zulässigkeit von Urteilsabsprachen im Strafverfahren und ihren Voraussetzungen Stellung zu nehmen (vgl. hierzu BGHSt 43, 195, 205 ff.). Unter dem Gesichtspunkt der Festlegung ist hier lediglich von Bedeutung, daß sich die Kammer durch die vom Verteidiger T. gestellte Bedingung dazu gedrängt sehen konnte, die bezeichnete Höchststrafe, ohne deren Einhaltung ein Geständnis nicht zu erwarten war, keinesfalls zu überschreiten.
Zum anderen wurde der Eindruck einer solchen Festlegung auch noch dadurch gefördert, daß die Kammer der Staatsanwaltschaft vor Bekanntgabe des Ergebnisses der Vorberatung keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Dies war verfahrensfehlerhaft. Das Gericht ist verpflichtet, alle Prozeßbeteiligten anzuhören, bevor es einem Angeklagten die Zusage gibt, im Fall seines Geständnisses eine bestimmte Strafobergrenze einzuhalten; ist es aufgrund einer Vor- oder Zwischenberatung zu dem Ergebnis gelangt, daß dem Angeklagten bei einem Geständnis die Einhaltung einer solchen Obergrenze in Aussicht gestellt werden soll, so darf es ihm dies nicht mitteilen, bevor die anderen Prozeßbeteiligten hierzu gehört worden sind (BGHSt 38, 102). Dies hat die Kammer nicht beachtet, sondern der Staatsanwaltschaft erst nach Bekanntgabe des Ergebnisses der Vorberatung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Allerdings bieten Rechtsfehler, auch Verfahrensfehler des Gerichts regelmäßig für sich allein keinen Grund, die Unparteilichkeit der beteiligten Richter in Zweifel zu ziehen (BGHSt 24, 336, 337; BGH NStZ 1994, 447: BGH bei Kusch NStZ 1995, 218; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 24 Rdn. 14; Pfeiffer in KK-StPO 4. Aufl. § 24 Rdn. 6; anders für grobe Rechtsfehler: Lemke in HK-StPO 2. Aufl. § 24 Rdn. 23; Wendisch in Löwe-Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 24 Rdn. 37; vgl. auch Rudolphi in SK-StPO § 24 Rdn. 24); darin macht auch die Verletzung von Anhörungspflichten keine Ausnahme. Im Zusammenhang mit den weiteren, in dieselbe Richtung deutenden Umständen war hier jedoch auch der beschriebene Anhörungsmangel geeignet, den Anschein einer Festlegung des Gerichts auf das Vorberatungsergebnis, bei der es auf eine Stellungnahme der ohnehin ablehnenden Staatsanwaltschaft nicht mehr ankommen würde, noch zu verstärken.
bb) Für die Besorgnis, das Gericht habe sich ohne Rücksicht auf möglicherweise entgegenstehende Umstände auf die von ihm genannte Strafobergrenze ein für allemal festgelegt, um auf jeden Fall die vom Verteidiger T. für ein Geständnis genannte Bedingung erfüllen zu können, sprechen weitere Umstände:
Zum einen war die vom Gericht für den Fall von Geständnissen in Aussicht gestellte Strafobergrenze derart niedrig gezogen, daß bei ihrer Einhaltung dem Gebot tat- und schuldangemessenen Strafens nicht mehr entsprochen werden konnte; bei Bestätigung des Anklagevorwurfs mußte das Mindestmaß der noch schuldangemessenen Strafe unterschritten werden. Das gilt unbeschadet des Grundsatzes, daß die Bemessung der Strafe Sache des Tatgerichts ist und nur eingeschränkter Kontrolle des Revisionsgerichts unterliegt, wie auch in Anbetracht aller überhaupt in Betracht kommender Milderungsgründe einschließlich des vorausgesetzten Geständnisses. Mit der unverändert zugelassenen Anklage, von welcher der Senat zur Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen ohnehin Kenntnis zu nehmen hatte, war dem Angeklagten T. in fünf und dem Angeklagten O. in sechs Fällen Handeltreiben mit sehr großen Mengen (insgesamt über 20 kg) an hochprozentigem Kokain zur Last gelegt worden. Selbst wenn die Kammer – was unterstellt werden kann – in der Vorberatung zu dem Ergebnis gelangt sein sollte, daß die Angeklagten keine Bande gebildet hatten und mithin die für bandenmäßiges Handeltreiben vom Gesetz angedrohte Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren aus dem Regelstrafrahmen (§ 30 a Abs. 1 BtMG) nicht in Betracht kam, war jedenfalls eine für alle angeklagten Taten zu verhängende Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren zu milde, um ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, noch genügen zu können.
Zum anderen hat die Strafkammer die Einhaltung der genannten Strafobergrenze nicht einmal an die Bedingung eines den Anklagevorwurf voll abdeckenden (anklagekongruenten) Geständnisses geknüpft. Zwar hat sie, zufolge der protokollierten Erklärung des Vorsitzenden, ein Geständnis vorausgesetzt, das „im wesentlichen dem Anklagevorwurf entspricht”; doch lag schon in der daran anschließenden, einschränkenden Wendung, „mögen auch die Angaben zu den transportierten Kokainmengen hiervon abweichen”, ein Verzicht auf eben dieses Erfordernis. Es blieb – jedenfalls nach dem durch die Bekanntgabe hervorgerufenen Anschein – offen, welche Mengenabweichung nach unten die Kammer noch hinnehmen wolle, ohne sich zum Widerruf der Strafmaßzusage veranlaßt zu sehen. Ein Geständnis aber, durch das der Angeklagte ein Handeltreiben mit Rauschgiftmengen einräumt, die in einem unbestimmten Ausmaß hinter den ihm zur Last gelegten zurückbleiben, entspricht dem Anklagevorwurf nicht, jedenfalls nicht „im wesentlichen”, sondern erweist sich der Sache nach als bloßes Teilgeständnis. Auch dies konnte aus der Sicht der Staatsanwaltschaft den Eindruck erwecken, das Gericht sei entschlossen, die vom Verteidiger T. gestellte Bedingung für die Ablegung eines Geständnisses unter allen Umständen, insbesondere ohne die gebotene Rücksicht auf die für den Tat- und Schuldumfang bedeutsamen Rauschgiftmengen, zu erfüllen.
cc) Die Strafkammer hat diesen, von ihr nach den Gesamtumständen des Falles erweckten Eindruck, auf die Einhaltung der bekanntgegebenen Strafobergrenze vorbehaltlos und endgültig festgelegt zu sein, auch nicht noch vor Anbringung des Befangenheitsgesuchs beseitigt und damit die bis dahin begründete Besorgnis der Befangenheit nachträglich ausgeräumt. Sie hat insbesondere die Einhaltung der genannten Strafobergrenze nicht in Frage gestellt, nachdem der Angeklagte T. das angekündigte Geständnis abgelegt hatte, das – wiewohl er noch weitere, von der Anklage nicht erfaßte Beschaffungsfahrten eingeräumt hatte – beträchtlich hinter dem Anklagevorwurf zurückblieb.
dd) Schließlich enthalten auch die Urteilsgründe Belege dafür, daß sich die Kammer an die dem Angeklagten T. zugesagte Einhaltung einer Strafobergrenze für vorbehaltlos und endgültig gebunden gehalten hat. Sie hat ihm eine Gesamtfreiheitsstrafe von höchstens vier Jahren – über die am dritten Verhandlungstag gegebene Zusage hinausgehend – am fünften Verhandlungstag sogar für „alle in seiner Einlassung eingeräumten strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen” in Aussicht gestellt. In den Urteilsgründen hat sie sich ausdrücklich an diese Obergrenze für gebunden erklärt. Sie hat endlich die Verhängung einer um sechs Monate geringeren Gesamtfreiheitsstrafe damit begründet, daß nicht alle vom Angeklagten eingeräumten „strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen” Gegenstand des Urteils geworden seien und der mit einer weiteren, diesbezüglichen Anklage befaßten Strafkammer die Möglichkeit verschafft werden solle, unter Einbeziehung der im vorliegenden Verfahren verhängten Einzelstrafen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren zu erkennen (UA S. 79). Diese Ausführungen, die den Versuch dokumentieren, der Zusage noch eine über den eigenen Entscheidungsbereich hinausgreifende Wirkung zu verleihen, sind Anzeichen für den Grad der von der Kammer beabsichtigten Festlegung und bestätigen damit die von der Staatsanwaltschaft gehegte Besorgnis der Befangenheit.
II.
1. Da über das Ablehnungsgesuch Richter aus einer anderen Strafkammer entschieden haben, die nach Zurückverweisung der Sache an dasselbe Landgericht womöglich zur Mitwirkung an der neuen Verhandlung und Entscheidung berufen wären, erscheint es zweckmäßig, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
2. Für die neue Verhandlung und Entscheidung wird vorsorglich bemerkt:
Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils wären die Schuldsprüche rechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt auch – entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung – für die Verneinung bandenmäßiger Tatbegehung (§ 30 a Abs. 1 BtMG); weder ist dabei der Begriff der Bande zu eng ausgelegt worden noch leidet die seiner Ablehnung zugrunde liegende Beweiswürdigung an Rechtsfehlern. Anders verhält es sich mit den Strafaussprüchen, die gegen die Angeklagten T. und O. ergangen sind. Angesichts der Kokainmengen, mit denen diese Angeklagten als Täter und Gehilfen Handel getrieben und Handel zu treiben versucht haben, aber auch wegen des professionellen Zuschnitts ihrer bis in südamerikanische Länder reichenden Aktivitäten sind die den Angeklagten zugemessenen Gesamtfreiheitsstrafen nicht nur unangemessen milde; sie unterschreiten vielmehr – auch bei Berücksichtigung der ihnen zugute gehaltenen Milderungsgründe – eindeutig den Rahmen des Schuldangemessenen.
Unterschriften
Niemöller, Theune, Bode, Otten, Rothfuß
Fundstellen
Haufe-Index 556676 |
BGHSt |
BGHSt, 312 |
NJW 2000, 965 |
JR 2001, 159 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2000, 279 |
wistra 2000, 142 |
JA 2000, 633 |
NJ 2000, 263 |
StV 2000, 177 |
StV 2000, 289 |
StraFo 2000, 84 |