Entscheidungsstichwort (Thema)
Betrug
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 11. April 2000 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im übrigen wegen Betruges in 58 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Das Rechtsmittel ist unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat. Der Erörterung bedarf nur folgendes:
1. Das Landgericht hat in den ausgeurteilten Betrugsfällen zu Recht jeweils das Vorliegen eines Vermögensschadens im Sinne des § 263 StGB bejaht.
a) Nach den Feststellungen gründeten der Angeklagte und der frühere Mitangeklagte M., die weder über ein ausreichendes Startkapital noch über Kenntnisse im Reinigungsgewerbe verfügten, Ende Juli 1998 die P. C. GmbH. Gegenstand des Unternehmens sollte in erster Linie die Reinigung von Gebäuden sein. Nach Anmietung entsprechender Büroräume schlossen sie in der Folgezeit für die P. C. GmbH mit 58 Personen, zumeist als Reinigungskräften, Arbeitsverträge, in denen sich die Gesellschaft zur Zahlung von Bruttomonatsgehältern im Bereich von ca. 3.000.– bis 6.000.– DM verpflichtete. Einstellungstermine waren entweder der 1. September, der 1. Oktober oder der 1. November 1998. Da keine Aufträge vorhanden waren, vereinbarten sie, daß sich – bis auf vier Angestellte – das gesamte übrige Personal auf Abruf zu Hause bereitzuhalten habe. Hierbei erklärten sie den Mitarbeitern bewußt der Wahrheit zuwider, daß sich niemand Sorgen wegen des Gehalts zu machen brauche, „weil die Kapitaldecke der Firma P. C. GmbH so groß sei, daß bis Februar/März 1999 alle Gehälter problemlos gezahlt werden könnten, unabhängig von der Auftragslage” (UA 21). Auch sollten keinerlei Abstriche bei der Höhe des Arbeitsentgelts gemacht werden, wenn die Arbeitnehmer, die sich zu Hause bereitzuhalten hatten, nicht zum Einsatz kämen. In der Folge erhielt die P. C. GmbH lediglich einige wenige Reinigungsaufträge. Gehälter wurden nur ganz ausnahmsweise und nicht in voller Höhe bezahlt; insgesamt blieb die P. C. GmbH 58 Mitarbeitern für den Zeitraum ab ihrer Einstellung bis zum 20. November 1998 Arbeitsentgelte in Gesamthöhe von 236.911,65 DM schuldig. Die am 23. November 1998 beantragte Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der P. C. GmbH wurde schließlich mangels Masse abgelehnt.
b) Auf der Grundlage dieser Feststellungen sind die Mitarbeiter, die keinen oder jedenfalls nicht den vollen Lohn erhalten haben, durch das Verhalten des Angeklagten in ihrem Vermögen geschädigt worden. Hierbei kommt es weder darauf an, ob sie tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht haben noch ob sie anderweitig eine bezahlte Tätigkeit hätten ausüben können.
Zwar stellt nach überwiegender Ansicht die Arbeitskraft eines Menschen als solche, das heißt seine Fähigkeit, durch den Einsatz geistiger oder körperlicher Kräfte Leistungen von wirtschaftlichem Wert zu erbringen, noch keinen Vermögensbestandteil dar (vgl. hierzu Lackner in LK 10. Aufl. § 263 Rdnr. 140; Cramer in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 263 Rdnr. 96; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 263 Rdnr. 27 a.E.; Otto Jura 1993, 424, 427; Heinrich GA 1997, 24, 25). Jedoch kann die Möglichkeit, die eigene Arbeitskraft zur Erbringung von Dienstleistungen einzusetzen, zum Vermögen im Sinne des § 263 StGB gehören, wenn solche Leistungen üblicher Weise nur gegen Entgelt erbracht werden (RGSt 68, 379, 380; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögen 1; BGH NStZ 1998, 85; vgl. auch Lackner und Cramer jeweils aaO). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Erbringung der persönlichen Arbeitsleistung Gegenstand einer (entgeltlichen) Vertragsbeziehung, in aller Regel eines Dienst-, Arbeits- oder Werkvertrages, zwischen Täter und Opfer ist (vgl. Cramer aaO; Heinrich aaO S. 28 f). Täuscht der Täter – wie hier – in einem solchen Fall bei Abschluß des Vertrages über seine Fähigkeit, die vereinbarte Vergütung zu zahlen, so gelten die allgemeinen Regeln über den Eingehungsbetrug. Der Vermögensschaden des Opfers ist darin begründet, daß es nunmehr über seine Arbeitskraft – sei es unmittelbar, sei es in Form des Abschlusses von Dienstverträgen – nicht mehr frei zu eigenem Nutzen verfügen kann (RGSt 68, 380). Hierbei ist es unbeachtlich, ob der Betroffene die Möglichkeit gehabt hätte, seine Arbeitskraft anderweitig gewinnbringend einzusetzen (RG aaO; ebenso Cramer aaO Rdnr. 96 a.E., Lackner aaO Rdnr. 140; a.A. Kohlrausch/Lange StGB 43. Aufl. § 263 Anm. V 2 d). Denn mit dem Abschluß eines Vertrages, der die Erbringung von Arbeiten gegen Vergütung zum Inhalt hat, wird die persönliche Arbeitsleistung zum Gegenstand einer vermögensrechtlichen Beziehung und damit zu einem Bestandteil des Vermögens des zur Dienstleistung Verpflichteten. Stellt er seine Arbeitskraft ohne Aussicht auf vertragsgemäße Entlohnung zur Verfügung, so ist sein Vermögen um den Wert seiner Arbeitsleistung vermindert (vgl. auch BGH NStZ 1998, 85).
2. Die Urteilsfeststellungen belegen auch, daß der Angeklagte von Anfang an mit dem für den Betrugsvorsatz erforderlichen Schädigungsbewußtsein gehandelt hat. Dem steht nicht die Feststellung des Landgerichts entgegen, er sowie der frühere Mitangeklagte M. hätten (erst) „spätestens am 17. Oktober 1998 … erkannt, dass die zu einer erfolgreichen Unternehmensführung erforderlichen Aufträge für die P. C. GmbH ausblieben und dass auch die Geldbeschaffung über Versicherungsprovisionen oder Zuschüsse vom Arbeits- bzw. Sozialamt nicht den gewünschten Erfolg haben würde” (UA 24). Für den inneren Tatbestand der Schädigung genügt bedingter Vorsatz (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdnr. 40 m.N.). Den Urteilsgründen kann entnommen werden, daß sich der Angeklagte aufgrund der Gesamtsituation bereits bei der Einstellung des ersten Arbeitnehmers darüber im Klaren war, zur späteren Zahlung der Löhne möglicherweise nicht in der Lage zu sein, und daß er dies auch billigend in Kauf nahm. Ersichtlich wollte das Landgericht daher durch die zitierte Urteilsstelle nur zum Ausdruck bringen, daß der Angeklagte ab dem dort angegebenen Zeitpunkt nicht mehr (lediglich) mit bedingtem, sondern mit direktem Vorsatz handelte.
Unterschriften
Maatz, Kuckein, Athing, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 638052 |
NJW 2001, 981 |
NWB 2001, 2253 |
NStZ 2001, 258 |
wistra 2001, 145 |
Kriminalistik 2001, 407 |
JURAtelegramm 2001, 185 |
LL 2001, 482 |