Leitsatz (amtlich)
Zur Bemessung des Anspruchs auf Bauhandwerkersicherung in Fällen des § 650f Abs. 5 Satz 2 und 3 BGB.
Normenkette
BGB § 650f Abs. 5 Sätze 2-3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 17. Januar 2023 unter Zurückweisung der weitergehenden Revision teilweise aufgehoben und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 29. März 2022 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin zu dem Bauvorhaben B. Straße in R. eine Sicherheit gemäß §§ 650f, 232 ff. BGB in Höhe von 134.680,68 € zu leisten; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 73 %, die Beklagte 27 %. Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin zu 38 % und die Beklagte zu 62 %.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin begehrt eine Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB.
Rz. 2
Am 23. April 2021 schlossen die Klägerin und die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) einen Generalübernehmervertrag für die schlüsselfertige Errichtung eines Gesundheitscampus mit Kindertagesstätte auf dem Grundstück B. Straße in R. zu einem Pauschalfestpreis von 9.340.000 € brutto. Auf die erste Abschlagsrechnung über 520.000 € für Planungsleistungen und Projektentwicklung bezahlte die Beklagte am 25. Mai 2021 einen Teilbetrag in Höhe von 270.000 €. Mit Schreiben vom 27. Mai 2021 verlangte die Klägerin unter Fristsetzung bis zum 9. Juni 2021 eine Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB in Höhe von 9.977.000 €. Nachdem diese nicht gestellt wurde, kündigte die Klägerin am 10. Juni 2021 den Generalübernehmervertrag aus wichtigem Grund.
Rz. 3
Mit Schreiben vom 16. Juni 2021 erklärte die Beklagte ihrerseits die fristlose Kündigung des Generalübernehmervertrags und begründete diese unter anderem mit der rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme der Kündigungsmöglichkeit nach § 650f BGB. Nachträglich hat die Beklagte geltend gemacht, die fristlose Kündigung sei auch wegen eines im Vertrag geregelten Kündigungsgrundes bei Compliance-Verstößen berechtigt.
Rz. 4
Das Landgericht hat der auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung in Höhe von 498.850 € gerichteten Klage in Höhe von 216.700 € stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision der Beklagten hat nur teilweise, nämlich insoweit Erfolg, als das Berufungsgericht die Beklagte gemäß § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB zur Leistung einer den Betrag von 134.680,68 € übersteigenden Sicherheit verurteilt hat.
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in BauR 2023, 1396 ff. veröffentlicht ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für die Revision von Interesse, ausgeführt:
Rz. 7
Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Sicherheitsleistung in Höhe von 216.700 € zu, welcher sich mangels anderweitiger vertraglicher Vereinbarung aus § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB ergebe. Eine Bauhandwerkersicherung gemäß § 650f Abs. 1 BGB könne auch nach Kündigung des Bauvertrags verlangt werden, denn der Sicherungsanspruch sei bereits mit Abschluss des Bauvertrags entstanden und bestehe dem Grunde nach nach der Kündigung des Vertrags fort.
Rz. 8
Die Klägerin habe berechtigt nach § 650f Abs. 5 Satz 1 BGB gekündigt, weil die Beklagte den wirksam entstandenen Anspruch der Klägerin auf Gestellung einer Bauhandwerkersicherung pflichtwidrig nicht erfüllt habe. Das Sicherungsverlangen vom 27. Mai 2021 sei berechtigt gewesen. Die Beklagte sei unter Fristsetzung bis zum 9. Juni 2021 zum Stellen einer Bauhandwerkersicherung von 9.977.000 € aufgefordert worden, die Berechnung abzüglich der geleisteten Abschlagszahlung von 270.000 € sei nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe gegen das Sicherungsverlangen keine durchgreifenden Einwendungen erhoben. Eine ausnahmsweise Versagung der Rechte aus § 650f BGB sei allenfalls in Fällen des groben Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB denkbar. Das Sicherungsverlangen müsse hierfür nicht lediglich rechtsmissbräuchlich sein, vielmehr bedürfe es für die Unwirksamkeit des Sicherungsverlangens eines offensichtlichen Rechtsmissbrauchs. Hieran fehle es.
Rz. 9
Mit der Kündigung durch die Klägerin sei das Vertragsverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet worden. Die Kündigungserklärung habe das Schuldverhältnis mit Zugang umgestaltet. Die spätere Kündigung der Beklagten sei deshalb nicht mehr von Bedeutung, weil ein durch eine wirksame Kündigungserklärung bereits umgestaltetes Vertragsverhältnis nicht durch eine weitere Kündigungserklärung erneut umgestaltet werden könne. Gegebenenfalls könne der Kündigungsgrund zu einem Gegenanspruch führen, mit dem aufgerechnet werden könne. Eine solche Aufrechnung sei aber nur zu berücksichtigen, soweit der Gegenanspruch unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sei, § 650f Abs. 1 Satz 4 BGB. Dies sei nicht der Fall, weshalb dahingestellt bleiben könne, ob sich die Klägerin auf die Rechtsfolgen ihrer fristlosen Kündigung nicht berufen dürfe, weil sie sich selbst nicht vertragstreu verhalten haben könnte. Ob die Klägerin gegen den Bauvertrag verstoßen habe, sei streitig und im Sicherungsprozess nicht durch eine Beweisaufnahme aufzuklären.
Rz. 10
Die Kündigung wirke sich auf die Höhe der zu sichernden Forderung im Zeitpunkt des Sicherungsverlangens aus. Der Unternehmer müsse die Höhe der ihm nach der Kündigung zustehenden Vergütung auf der Grundlage der vertraglichen Vereinbarung schlüssig darlegen. Dazu müsse er grundsätzlich eine Abrechnung der erbrachten und nicht erbrachten Leistungen, regelmäßig durch eine Schlussrechnung, vornehmen. Der Unternehmer müsse sich nach § 650f Abs. 5 BGB auf die vereinbarte Vergütung dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages erspart habe. Werde ein Pauschalpreisvertrag gekündigt, sei die Höhe der Vergütung für die erbrachten Leistungen nach dem Verhältnis des Werts der erbrachten Teilleistung zum Wert der nach dem Pauschalvertrag geschuldeten Gesamtleistung zu errechnen. Der Unternehmer müsse deshalb das Verhältnis der bewirkten Leistungen zur vereinbarten Gesamtleistung und des Preisansatzes für die Teilleistungen zum Pauschalpreis darlegen. Sofern der Unternehmer die Höhe der ersparten Aufwendungen nicht (schlüssig) darlege oder darlegen könne, streite für ihn die Vermutung des § 650f Abs. 5 Satz 3 BGB, wonach ihm 5 Prozent der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden vertraglich vereinbarten Vergütung zustehe.
Rz. 11
Zwar habe die Klägerin erbrachte und nicht erbrachte Leistungen nicht voneinander abgegrenzt und keine Schlussrechnung erstellt. Dies sei zur schlüssigen Darlegung der zu sichernden Forderung ausnahmsweise nicht erforderlich, weil sich deren Höhe ohne Weiteres aus den gesetzlichen Regelungen in Verbindung mit der vertraglich vereinbarten Pauschalfestpreisvergütung ergebe.
Rz. 12
Mit der Klage verlange die Klägerin für die erbrachten Leistungen zulässigerweise lediglich eine Sicherung in Höhe eines Teilvergütungsanspruchs von 5 %. Die Vorlage einer Schlussrechnung mit der Unterscheidung der Vergütung für erbrachte und nicht erbrachte Leistungen sei für die schlüssige Darlegung des Sicherungsverlangens nicht erforderlich. Einer weitergehenden Individualisierung der mit der Klage verlangten Sicherungsforderung bedürfe es nicht, weil es sich bei den geltend gemachten 5 % der nicht erbrachten Leistungen und dem Anteil von 5 % der erbrachten Leistungen lediglich um unselbständige Rechnungsposten einer einheitlichen Forderung und nicht um selbständige prozessuale Ansprüche handele.
Rz. 13
Die Klägerin mache 5 % des vereinbarten Pauschalpreises, bestehend aus der gesetzlich vermuteten Pauschale von 5 % für die nicht erbrachten Leistungen und einen Teil des Werklohns von 5 % für die erbrachten Leistungen geltend. Die Vermutung eines Anspruchs von 5 % der vereinbarten Vergütung bestehe zwar für die Vergütung erbrachter Leistungen nicht. Die Klägerin mache aber für die erbrachten Leistungen von der Vergütung im Umfang von 100 %, die sie im Sicherungsprozess verlangen könnte, lediglich einen Teil von 5 % geltend. Dem Werkunternehmer stehe es frei, zunächst eine Sicherheit lediglich für einen Teil seines gesamten Vergütungsanspruchs zu verlangen. Die lediglich teilweise Geltendmachung der der Klägerin für die erbrachten Leistungen zustehenden Vergütung benachteilige die Beklagte nicht.
Rz. 14
Der Umstand, dass für die erbrachte Leistung die Vergütung mit Umsatzsteuer abzurechnen sei, während für die nicht erbrachte Leistung keine Umsatzsteuer anfalle, sei im Sicherungsprozess ohne Belang, weil die Vergütung in diesem Zusammenhang nicht abgerechnet werde, sondern nur die Grundlage für das streitgegenständliche Sicherungsverlangen biete. Der Vergütungsanspruch werde im Sicherungsprozess lediglich summarisch geprüft. Aus diesem Grunde gehe der Ansatz der Beklagten fehl, dass das Sicherungsverlangen nur auf eine Vergütungsforderung gestützt werden könne, wie sie im Rechtsstreit über die Vergütung selbst vorzubringen sei. Der Anspruch auf die Stellung der Sicherheit bestehe ab dem Vertragsschluss und damit auch bereits vor dem Stellen einer Rechnung, die eine Umsatzsteuer ausweise.
Rz. 15
Der Anspruch der Klägerin auf Sicherheitsleistung bestehe in Höhe von 216.700 €. Die von der Klägerin verlangte Sicherung in Höhe von 5 % der vereinbarten Vergütung für die nicht erbrachten Leistungen zuzüglich eines Anteils von 5 % der vereinbarten Vergütung für die erbrachten Leistungen, rechnerisch 5 % der vertraglich vereinbarten Gesamtpauschalfestpreisvergütung von 9.340.000 €, belaufe sich auf 467.000 €. Hierauf habe die Beklagte eine Teilzahlung von 270.000 € geleistet, so dass insoweit kein Sicherungsbedürfnis mehr bestehe. Zu den verbleibenden 197.000 € seien 10 % für Nebenforderungen hinzuzurechnen.
Rz. 16
Der Anspruch auf die Bauhandwerkersicherung sei nicht wegen des von der Beklagten geltend gemachten Verstoßes gegen die Compliance-Regel des Generalübernehmervertrags ausgeschlossen. Soweit die Beklagte wegen des behaupteten Verstoßes die außerordentliche Kündigung erklärt habe, habe diese keine Rechtswirkungen entfaltet, weil das Vertragsverhältnis zuvor bereits wirksam durch die Klägerin gekündigt worden sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob ein schwerer Pflichtenverstoß, wie die Beklagte meine, zum Ausschluss des Kündigungsrechts geführt hätte oder sich die Klägerin deswegen nach Treu und Glauben auf ihre Kündigung nicht berufen dürfte. Die Parteien hätten hierzu streitige Behauptungen aufgestellt, welche im vorliegenden Rechtsstreit nicht durch eine Beweisaufnahme aufzuklären seien, da nach dem gesetzgeberischen Willen das Sicherungsverlangen nicht mit einem Streit über die tatsächlichen Voraussetzungen der Einwendungen gegen den Vergütungsanspruch zu belasten sei.
II.
Rz. 17
Das hält der revisionsrechtlichen Überprüfung mit Ausnahme der Berechnung der Höhe der Sicherheitsleistung stand.
Rz. 18
1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht entschieden, dass die Klägerin dem Grunde nach einen Anspruch gemäß § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB darauf hat, dass die Beklagte ihr eine Bauhandwerkersicherung für die vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen stellt, deren Höhe sich als Rechtsfolge der durch die Klägerin wirksam erklärten außerordentlichen Kündigung nach § 650f Abs. 5 Satz 2 und 3 BGB bestimmt.
Rz. 19
a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB sind erfüllt, denn die Klägerin begehrt Sicherheit für noch nicht gezahlte Vergütung aus einem Bauvertrag nach § 650a Abs. 1 BGB.
Rz. 20
b) Der Anspruch der Klägerin auf eine Bauhandwerkersicherung scheitert nicht daran, dass der Bauvertrag gekündigt ist. Entgegen der Auffassung der Revision beeinflusst eine auf § 650f Abs. 5 Satz 1 Fall 2 BGB gestützte Kündigung des Unternehmers den Anspruch auf Gestellung einer Sicherheit gemäß § 650f Abs. 1 BGB dem Grunde nach nicht, sondern nur dessen Höhe.
Rz. 21
Die vorzeitige Beendigung eines Bauvertrags lässt das Sicherungsbedürfnis des Unternehmers nicht entfallen, weil dessen Anspruch auf die vereinbarte und nicht gezahlte Vergütung weiterhin der Sicherheit bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2014 - VII ZR 349/12 Rn. 14, BGHZ 200, 274). Wie der Senat inzwischen entschieden hat, gilt dies entgegen der Auffassung der Revision auch für den Fall, dass der Unternehmer den Bauvertrag nach § 650f Abs. 5 BGB gekündigt hat, weil der Besteller seinem berechtigten (ersten) Verlangen nach einer Bauhandwerkersicherung nicht nachgekommen ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2023 - VII ZR 228/22 Rn. 29, BauR 2023, 2075).
Rz. 22
c) Es bestehen keine revisionsrechtlichen Bedenken gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die von der Beklagten am 16. Juni 2021 ausgesprochenen Kündigung habe keine Rechtswirkungen mehr entfalten können. Zutreffend hat das Berufungsgericht diese als unbeachtlich behandelt, weil das Vertragsverhältnis bei Ausspruch dieser Kündigung bereits anderweitig umgestaltet war. Denn die Klägerin hatte den Generalübernehmervertrag zuvor wirksam außerordentlich gekündigt. Hierzu war sie gemäß § 650f Abs. 5 Satz 1 Fall 2 BGB berechtigt, weil die Beklagte ihrem Sicherungsverlangen nicht fristgerecht entsprochen hatte. Dem Sicherungsverlangen standen keine durchgreifenden Einwendungen entgegen. Eigene Vertragstreue ist entgegen der Auffassung der Revision kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 650f Abs. 5 Satz 1 Fall 2 BGB. Es stellt keine unzulässige Rechtsausübung und keinen Verstoß gegen das bauvertragliche Kooperationsgebot dar, wenn dem Sicherungsverlangen des Unternehmers auch andere Motive als die bloße Erlangung einer Sicherheit zugrunde liegen (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 2017 - VII ZR 34/15 Rn. 28 f., BauR 2018, 526 = NZBau 2018, 96).
Rz. 23
Soweit die Revision geltend macht, die Klägerin könne sich auf die Rechtsfolgen ihrer eigenen außerordentlichen Kündigung nach § 242 BGB nicht berufen, sind - wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat - die dazu vorgetragenen Tatsachen streitig und deshalb einer Klärung durch Beweisaufnahme im vorliegenden Sicherungsprozess nicht zugänglich. Ohne Erfolg beruft sich die Revision darauf, das Berufungsgericht habe gehörsverletzend Vortrag zu dem behaupteten Verstoß gegen eine Compliance-Regel des Generalübernehmervertrags missachtet; die Verfahrensrüge hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet, von einer Begründung wird nach § 564 Satz 1 ZPO abgesehen. Soweit sich in diesem Zusammenhang Gegenforderungen der Beklagten ergeben haben könnten, stünde einer etwaigen Geltendmachung § 650f Abs. 1 Satz 4 BGB entgegen.
Rz. 24
2. Von Rechtsfehlern beeinflusst ist jedoch die Bestimmung der Höhe des sicherbaren Anspruchs. Dieser besteht unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Zahlung der Beklagten nur in Höhe von 134.680,68 €.
Rz. 25
a) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass eine Sicherung nicht mehr bezogen auf die ursprünglich vertraglich vereinbarte Vergütung gemäß § 631 Abs. 1 BGB, sondern nur noch bezogen auf die Vergütung in der Höhe verlangt werden kann, die die Klägerin als Rechtsfolge der wirksam erfolgten außerordentlichen Kündigung für sich reklamiert (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2014 - VII ZR 349/12 Rn. 19, BGHZ 200, 274). Der Unternehmer muss die Höhe des Sicherheitsverlangens seinem ihm nach der Kündigung verbleibenden Vergütungsanspruch anpassen (BGH, Urteil vom 17. August 2023 - VII ZR 228/22 Rn. 25, BauR 2023, 2075).
Rz. 26
b) Als Folge der wirksamen Kündigung der Klägerin bestimmt sich die Höhe des sicherbaren Anspruchs gemäß § 650f Abs. 5 Satz 2 und 3 BGB.
Rz. 27
Gemäß § 650f Abs. 5 Satz 2 BGB kann der Unternehmer die vereinbarte Vergütung verlangen, muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erspart oder böswillig zu erwerben unterlässt.
Rz. 28
c) Im Sicherungsprozess muss der Unternehmer die Höhe des zu sichernden Vergütungsanspruchs schlüssig darlegen (BGH, Urteil vom 17. August 2023 - VII ZR 228/22 Rn. 32, BauR 2023, 2075; Versäumnisurteil vom 20. Oktober 2022 - VII ZR 154/21 Rn. 30, BGHZ 234, 371; Urteil vom 6. März 2014 - VII ZR 349/12 Rn. 20, BGHZ 200, 274). Zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs nach § 650f Abs. 5 BGB bedarf es grundsätzlich der schlüssigen Darlegung der vereinbarten Vergütung, der Abgrenzung erbrachter Leistungen von den nicht erbrachten Leistungen sowie der Darlegung, welche Kosten der Unternehmer erspart hat und welchen anderweitigen Erwerb er sich anrechnen lassen muss. Haben die Parteien einen Pauschalpreisvertrag geschlossen, bestimmt sich die Höhe der Vergütung für die erbrachten Leistungen nach dem Verhältnis des Werts der erbrachten Teilleistungen zum Wert der vereinbarten Gesamtleistung. Der Unternehmer muss deshalb das Verhältnis der bewirkten Leistungen zur vereinbarten Gesamtleistung und des Preisansatzes für die Teilleistungen zum Pauschalpreis darlegen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 2014 - VII ZR 176/12 Rn. 10, BauR 2015, 109 = NZBau 2015, 27; Urteil vom 4. Mai 2000 - VII ZR 53/99, BGHZ 144, 242, juris Rn. 47).
Rz. 29
Rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht an, dass der Vortrag der Klägerin für die Bemessung der Sicherheit gleichwohl schlüssig ist.
Rz. 30
aa) Die Klägerin begehrt die Sicherung einer Vergütung gemäß § 650f Abs. 5 Satz 2 und 3 BGB in Höhe von insgesamt 5 % des vereinbarten Pauschalpreises. Bezogen auf die nicht erbrachten Leistungen stützt sie sich auf die gesetzlich vermutete Pauschale nach § 650f Abs. 5 Satz 3 BGB. Als Sicherheit für die erbrachten Leistungen verlangt sie nicht die Vergütung in voller Höhe, sondern macht auch diesbezüglich nur 5 % der vereinbarten Vergütung gestützt auf die Pauschalierung nach § 650f Abs. 5 Satz 3 BGB geltend.
Rz. 31
Ohne Erfolg rügt die Revision, dass dem Berufungsurteil eine Annahme zugrunde liege, welche in dem Vorbringen in den Vorinstanzen keine Grundlage finde. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin die Sicherung sowohl für die Vergütung der erbrachten Leistungen als auch die Vergütung für noch nicht erbrachte Leistungen jeweils in Höhe von 5 % verlangt. Der Senat hat die Verfahrensrüge geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet, von einer näheren Begründung wird nach § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
Rz. 32
bb) Das Vorbringen der Klägerin zur Berechnung ihrer Vergütung ist entgegen der Auffassung der Revision nicht deshalb unschlüssig, weil die Klägerin die von ihr bereits erbrachten Leistungen nicht von den noch ausstehenden Leistungen abgegrenzt und, wie für Pauschalpreisverträge notwendig, die entsprechende Vergütung dem erbrachten und nicht erbrachten Leistungsteil zugeordnet hat.
Rz. 33
Zwar bedarf es zur Ermittlung der kündigungsbedingt geschuldeten Vergütung aus einem Pauschalpreisvertrag grundsätzlich einer solchen Darlegung. Diese war jedoch entbehrlich, weil die Klägerin, in Kenntnis, dass sie keine solche Aufstellung erstellt hat, bezogen auf die erbrachten Leistungen nicht die darauf entfallende volle Vergütung, sondern lediglich einen fünfprozentigen Anteil geltend macht. Der Beklagten erwächst kein Nachteil, wenn die Klägerin mit ihrer Forderung hinter dem zurückbleibt, was sie als Vergütung für erbrachte Leistungen tatsächlich fordern könnte. Der Unternehmer kann sein Sicherungsverlangen auf einen Teilbetrag beschränken (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 2000 - VII ZR 82/99, BGHZ 146, 24, juris Rn. 26; Ingenstau/Korbion/Joussen, VOB Teile A und B, 22. Aufl., Anhang 1 Rn. 165, 171). Die Klägerin macht als Teil des Sicherungsverlangens für erbrachte Leistungen lediglich die kündigungsbedingte Vergütung in der Höhe geltend, welche sie beanspruchen könnte, wenn sie keinerlei Leistungen erbracht hätte. Eine solche Vergütung steht ihr ausgehend von der Vermutungsregelung des § 650f Abs. 5 Satz 3 BGB in jedem Fall zu. Soweit dem Senatsurteil vom 28. Juli 2011 (VII ZR 45/11 Rn. 14 ff., BauR 2011, 1811 = NZBau 2011, 669; ebenso BGH, Urteil vom 28. Juli 2011 - VII ZR 223/10 Rn. 13 ff., K&R 2011, 652) etwas anderes entnommen werden könnte, hält der Senat hieran nicht fest.
Rz. 34
cc) Der Schlüssigkeit steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin keine Angaben zu einem anderweitigen Erwerb im Sinne von § 650f Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 Fall 2 BGB gemacht hat. Zugunsten der Klägerin gilt die Vermutungsregel des § 650f Abs. 5 Satz 3 BGB, die gerade eine Vereinfachung für Unternehmer ermöglicht, die wie die Klägerin Schwierigkeiten haben, die kündigungsbedingt geschuldete Vergütung nach § 650f Abs. 5 Satz 2 BGB schlüssig darzustellen.
Rz. 35
dd) Das Vorbringen ist auch ohne Vorlage einer Schlussrechnung schlüssig.
Rz. 36
Die Angaben, die üblicherweise zur Abrechnung eines gekündigten Pauschalpreisvertrags in die Schlussrechnung einfließen, sind kein Selbstzweck, sondern dienen dem Informations- und Kontrollinteresse des Bestellers. Benötigt dieser keine weiteren Informationen, um die Forderungsberechnung nachzuvollziehen, kann die Vorlage einer Schlussrechnung entbehrlich sein (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2006 - VII ZR 2/04 Rn. 15, BGHZ 165, 382). Diese für die Geltendmachung der Vergütung entwickelten Überlegungen können auf die Bestimmung der Höhe des Sicherungsverlangens übertragen werden. Weiterer Angaben oder der Vorlage einer Schlussrechnung bedarf es nicht, wenn sich die Höhe des Sicherungsverlangens ohne weiteres aus dem Gesetz und der vertraglich vereinbarten Pauschalfestpreisvergütung ergibt. Dies ist der Fall, denn die Höhe der geforderten Sicherheit, die die Klägerin auf die Mindestvergütung beschränkt hat, die ihr zustehen würde, hätte sie keinerlei Leistungen erbracht, kann ohne Abgrenzung der erbrachten von den nicht erbrachten Leistungsteilen dem Gesetz entnommen und anhand des vereinbarten Pauschalbetrags ermittelt werden.
Rz. 37
d) Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht unberücksichtigt gelassen, dass der Unternehmer auf den Teil der Vergütung, der für noch nicht erbrachte Leistungen geltend gemacht wird, keine Umsatzsteuer berechnen darf (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2007 - VII ZR 83/05 Rn. 16 ff., BGHZ 174, 267; Urteil vom 6. März 2014 - VII ZR 349/12 Rn. 21, BGHZ 200, 274). Dies hat zur Folge, dass die Klägerin nur eine Sicherheit für die geschuldete Nettovergütung beanspruchen kann.
Rz. 38
aa) Der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass der Vergütungsanspruch im Sicherungsprozess lediglich summarisch geprüft werde und es deshalb nicht darauf ankomme, wie die spätere Abrechnung erfolgt, ist unzutreffend. Die Bemessung der Höhe der Sicherheit knüpft materiell-rechtlich an die Vergütung an, die der Unternehmer im Zeitpunkt des Sicherungsverlangens noch verlangen kann und die er darum schlüssig darzulegen hat (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2023 - VII ZR 228/22 Rn. 32 f., BauR 2023, 2075).
Rz. 39
bb) Grundsätzlich hat der Unternehmer Anspruch auf den vereinbarten Nettowerklohn zuzüglich Umsatzsteuer, mit der Folge, dass der Bruttobetrag für die Bemessung der Sicherheit maßgeblich ist. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Unternehmer nicht Umsatzsteuerschuldner ist, weil dann kein Sicherungsbedürfnis hinsichtlich des Umsatzsteuerbetrags besteht. Besteht der zu sichernde Vergütungsanspruch nur in Höhe des Nettobetrags, kann der Unternehmer nur in diesem Umfang Sicherheit verlangen.
Rz. 40
cc) Kann der Unternehmer eine Belastung mit Umsatzsteuer nicht schlüssig darlegen, muss die Klage auf Gestellung einer Sicherheit bezogen auf den Umsatzsteueranteil abgewiesen werden. Weil die Klägerin die erbrachten Leistungen und die Höhe der hierfür beanspruchten Vergütung nicht schlüssig dargelegt hat, kann auch die Höhe der hierauf zu zahlenden Umsatzsteuer nicht bestimmt werden. Im Interesse der Beklagten, die davor geschützt werden muss, eine Sicherheit leisten zu müssen, welche das Sicherungsbedürfnis der Klägerin übersteigt, kann die Klägerin darum die Sicherheit insgesamt nur bezogen auf die Nettovergütung verlangen.
Rz. 41
e) Ausgehend hiervon berechnet sich die Höhe der zu leistenden Sicherheit nach der vertraglich vereinbarten Gesamtpauschalfestpreisvergütung von 9.340.000 € brutto, was einem Nettobetrag von 7.848.739,50 € entspricht. Der von der Klägerin verlangte Sicherungsbetrag bezogen auf fünf Prozent der vereinbarten Vergütung für die nicht erbrachten Leistungen und eines Anteils von fünf Prozent der vereinbarten Vergütung für die erbrachten Leistungen beläuft sich rechnerisch auf fünf Prozent der Nettovergütung und damit auf 392.436,98 €. Hiervon ist die geleistete Teilzahlung in Höhe von 270.000 € abzuziehen. Dem danach verbleibenden Restbetrag von 122.436,98 € sind zehn Prozent für Nebenforderungen hinzuzurechnen, so dass sich eine zu sichernde Vergütung in Höhe von 134.680,68 € ergibt.
III.
Rz. 42
Die angefochtene Entscheidung kann nach alledem teilweise keinen Bestand haben. Da die Aufhebung des Berufungsurteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach Letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der erkennende Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO auch in der Sache selbst zu entscheiden. Das Berufungsurteil unterliegt danach im tenorierten Umfang der Aufhebung. Soweit die Beklagte zur Leistung einer den Betrag von 134.680,68 € übersteigenden Sicherheit verurteilt worden ist, ist die Klage abzuweisen.
IV.
Rz. 43
Die Kostenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO und § 97 Abs. 1 ZPO.
Pamp |
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Halfmeier |
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Kartzke |
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Borris |
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Brenneisen |
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Fundstellen
Haufe-Index 16227474 |
NJW 2024, 1501 |
NJW 2024, 8 |
BauR 2024, 929 |
IBR 2024, 234 |
IBR 2024, 235 |
ZfIR 2024, 268 |
ZfBR 2024, 304 |
NJW-Spezial 2024, 332 |
NZBau 2024, 263 |