Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 4. November 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte zu 2 (im folgenden: Beklagter) war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der in der Rechtsform einer GmbH geführten erstbeklagten Konzertagentur. Von ihr hatte sich der klagende Sänger, der spanischer Staatsangehöriger ist, seit vielen Jahren zu Konzerten in Deutschland und Europa engagieren lassen; infolge dieser langjährigen Verbindung entwickelten sich zwischen dem Kläger einerseits und dem Beklagten und seiner Ehefrau andererseits über den geschäftlichen Kontakt hinausgehende persönliche Beziehungen.
Am 26. Juni 1997 und 26. August 1997 sang der Kläger bei zwei von der Konzertagentur veranstalteten open-air-Konzerten in H. und F.. Seine Gage sollte jeweils 200.000,00 DM netto betragen; es war – wie in der Vergangenheit – vereinbart, daß die veranstaltende GmbH die persönlichen Steuern des Klägers übernehmen und an die deutsche Finanzverwaltung abführen sollte. Diese vereinbarte Gage hat der Kläger nicht erhalten. Mit der Klage hat er den offen stehenden Betrag geltend gemacht, wobei er hinsichtlich des Beklagten eine Verpflichtung aus vorvertraglichem Verschulden, aus deliktischen Anspruchsgrundlagen (Konkursverschleppung, Eingehungsbetrug) sowie aus Schuldbeitritt herleitet. Das Vorhandensein dieser vertraglichen Schuldmitverpflichtung des Beklagten hat der Kläger auf dessen Schreiben vom 18. Juli 1997 gestützt, in dem um Stundung der Gagen u.a. für die beiden genannten Konzerte gebeten wird. In diesem auf einem Geschäftsbogen der erstbeklagten Konzertagentur verfaßten Fax-Schreiben heißt es u.a.:
„Dear José
… You may imagine … that we have a huge cash flow problem in the moment till I am able to use my time deposites and the outstanding money, what will be not before the end of September. We have not expected such a loss. … The insurance will not cover everything and for sure will not pay the first rate before the middle of August. … Therefore I would like to ask you as a friend, if the outstanding rest of the fee for B. and the 2 shows in H. and F. we can pay at the end of September to you. … I hope for your understanding and that you accept these unique postponement of the payment. I guarantee you like always in our relationship that I will 100% fulfill my obligations regarding you. But this cash flow situation after 4 cancellations and the negative result in B. forces me to ask this favour of you.”
Das Landgericht hat der Klage nur hinsichtlich der Konzertagentur entsprochen, die Berufung des Klägers, mit der er auch die Verurteilung des Beklagten erstrebt hat, hatte keinen Erfolg. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet und führt zur Zurückweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
I. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe in dem von dem Kläger als „Bettelbrief” bezeichneten Schreiben vom 18. Juli 1997 nicht eine eigene Verpflichtung gegenüber dem Kläger übernommen, die offenen Gagen Ende September 1997 zu zahlen, hält im entscheidenden Punkt den Angriffen der Revision nicht stand. Sie beruht nämlich auf einer lückenhaften und nicht alle Interessen der Beteiligten (vgl. Sen.Urt. v. 9. Juli 2001 – II ZR 205/99, WM 2001, 1523 = ZIP 2001, 1414; Sen.Urt. v. 9. Oktober 2000 – II ZR 345/98, WM 2000, 2428 = ZIP 2000, 2259) in den Blick nehmenden Auslegung des maßgeblichen Schreibens.
Richtig ist zwar, daß der Beklagte auf dem Briefpapier der Konzertagentur geschrieben hat, was zunächst dafür spricht, er habe sich in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH als der Vertragspartnerin des Klägers an denselben gewandt. Das Berufungsgericht hat auch durchaus gesehen, daß der Schreiber jenes Briefs zwischen der „Wir”- und der „Ich”-Ebene hin und her schwankt, seine Schlußfolgerung, daß deswegen nicht hinreichend klar sei, der Beklagte habe sich auch für sich selbst verpflichten wollen („ich garantiere”), greift aber zu kurz.
Denn es wird dabei ausgeblendet, daß Kläger und Beklagter seit mehr als zehn Jahren beruflich sehr erfolgreich zusammengearbeitet und – wie gerade der Beklagte vorgetragen hat – ein enges freundschaftliches Verhältnis entwickelt hatten. Diese Beziehung spricht der Beklagte an, wenn er – in der Ich-Form – den Kläger „as a friend” darum bittet, u.a. das Honorar für die beiden Konzerte in H. und F. bis Ende September 1997 zu stunden. Alle Umstände des Schreibens in die Bewertung einbeziehend, kann nicht ausgeschlossen werden, daß nicht nur die geschäftliche Beziehung zu der Konzertagentur, sondern auch diese freundschaftliche Beziehung des Beklagten und des Klägers („like always in our relationship”) im Zusammenhang mit der Garantie angesprochen und der Kläger deswegen um diesen Gefallen („favour”) der Stundung gebeten wird. Für den Willen des Beklagten, persönlich für die Erfüllung der Verbindlichkeit der erstbeklagten GmbH gegenüber dem Kläger einzustehen, kann vor allem der von dem Berufungsgericht nicht gewürdigte Umstand sprechen, daß der Beklagte seine Stundungsbitte auch damit begründet hat, er benötige den kurzen Aufschub, um „seine” Termineinlagen („my time deposites”) aufzulösen. Wenn damit, wie jedenfalls zugunsten des Klägers revisionsrechtlich als richtig zu unterstellen ist, eigene Gelder des Beklagten selbst und nicht solche der Gesellschaft gemeint gewesen sind, so läßt dies – zumal in Verbindung damit, daß der Beklagte hier erneut die „Ich”-Form gewählt hat – es nicht als ausgeschlossen erscheinen, daß das Berufungsgericht insgesamt den in der „Ich”-Form gehaltenen Aussagen nicht die zutreffende Bedeutung gegeben hat. Denn der um Stundung gebetene Empfänger eines solchen Schreibens muß – zumal im Zusammenhang mit dem Appell an die langjährige persönliche Freundschaft – annehmen, daß der Verfasser des Briefs eben diese privaten Mittel einzusetzen bereit ist, um die Verbindlichkeiten der von ihm geführten und ihm gehörenden Gesellschaft zu erfüllen, nachdem die in B. erwirtschafteten Verluste und der Ausfall durch die Absage von vier Konzerten in Deutschland nicht vollständig von der Versicherung gedeckt waren.
Das Berufungsgericht hat ferner nicht hinreichend beachtet, daß der Hinweis auf die vorhandenen, aufzulösenden und dann zur Bezahlung des Klägers einzusetzenden privaten Termingelder des Beklagten das entscheidende Mittel war, den Kläger nicht allein zum Stillhalten zu bewegen, sondern ihn vor allen Dingen davon abzuhalten, wegen der unbezahlten Gagen der Konzerte in B. und H. das im darauffolgenden Monat in F. stattfindende Konzert abzusagen und dadurch die nicht einfache Lage der Konzertagentur zu verschärfen. Die Erklärung der persönlichen Einstandspflicht, unterlegt mit dem Hinweis auf vorhandenes Privatvermögen, war aus der Sicht des Klägers – wie die Revision mit Recht anführt – das Motiv dafür, nicht auf sofortiger Zahlung zu bestehen, das Konzert in F. zu geben und auf jede Sicherheit, die u.U. auch in einer Verpfändung der dem Beklagten gehörenden Termineinlagen hätte bestehen können, für seine beträchtliche Gage zu verzichten.
II. Eine eigene Entscheidung ist dem Senat auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen verwehrt.
Hinsichtlich der Auslegung des Stundungsersuchens kommt weiterer Vortrag der Parteien – vor allem zur Bedeutung der in dem „Bettelbrief” angesprochenen Termineinlagen – in Betracht.
Soweit der Kläger glaubt, seinen Anspruch auf vorvertragliches Verschulden, Eingehungsbetrug oder Insolvenzverschleppung stützen zu können, reicht sein Vortrag – wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat – nicht aus. Denn der Umstand, daß die frühere Erstbeklagte Ende 1998 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hat und daß diesem Antrag entsprochen wurde, läßt ebenso wenig wie das Ende 1998 von den Finanzbehörden erstellte Papier über die offenen Steuerforderungen der GmbH einen Rückschluß darauf zu, daß die Konzertagentur bereits bei Abschluß des Vertrages mit dem Kläger im Juni 1997 bzw. in den drei folgenden Monaten insolvenzreif war, der Beklagte dies ggfs. gewußt und den Kläger über die Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft der GmbH getäuscht hat. Dagegen spricht schon, daß die Erstbeklagte weitere Konzerte mit dem Kläger im Spätsommer und Herbst 1997 durchgeführt und der Kläger dafür die vereinbarte Gage erhalten hat und daß offenbar erst durch die Aktivitäten der Steuerfahndung und der Staatsanwaltschaft Ende 1998 die schließlich zur Insolvenzeröffnung führende Krise eingetreten ist.
Unterschriften
Röhricht, Henze, Goette, Kurzwelly, Münke
Fundstellen
Haufe-Index 707622 |
DStR 2002, 923 |
DStZ 2002, 503 |
NJW-RR 2002, 822 |
NZG 2002, 779 |
AfP 2002, 460 |
ZUM-RD 2002, 340 |