Leitsatz (amtlich)
a) Das Sicherungsverlangen nach § 26 Abs. 1 S. 1 KapErhG wird durch die bei wirksamer Verschmelzung bestehende abstrakte Gefahr gerechtfertigt, daß durch die Gesamtrechtsnachfolge das bisherige Erfüllungsrisiko des Gläubigers erhöht wird.
b) Bei einem Dauerschuldverhältnis ist die nach § 26 Abs. 1 S. 1 KapErhG zu leistende Sicherheit nicht schlechthin nach den während der Restlaufzeit des Vertrages fällig werdenden Ansprüchen zu bemessen; maßgebend für die Höhe ist vielmehr das konkret zu bestimmende Sicherungsinteresse des Gläubigers.
Normenkette
KapErhG § 26
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Sprungrevision der Kläger wird das Urteil der Zivilkammer 4 des Landgerichts Berlin vom 28. März 1994 irrt Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Kläger erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch Ober die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger waren Eigentümer verschiedener mit Wohnhäusern bebauter Grundstücke in B. Sie vermieteten die Wohnungen bei gleichzeitiger Bestellung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit (Wohnungsrecht) zugunsten der Mieterin für die Dauer von 30 Jahren bis zum 31. August 2013 an die 0. GmbH (0.), die das Recht der Untervermietung erhielt und von ihm in der Weise Gebrauch machte, daß sie die Wohnungen Führungskräften der Wirtschaft zur Verfügung stellte, die aus beruflichen Gründen nach Berlin zuzogen. Zwischenzeitlich – teilweise während des Rechtsstreits – haben die Kläger einen Teil der Immobilien veräußert; ihnen gehören jetzt nur noch zwei Objekte, für die der monatliche Mietpreis 9.758,41 DM bzw. 5.456,78 DM beträgt. Die 0. ist im Sommer 1993 auf die Beklagte verschmolzen worden. Die Kläger haben daraufhin nach 5 26 KapErha Sicherheitsleistung gefordert und die Auffassung vertreten, die Sicherheit sei nach den bis zum Vertragsende geschuldeten Mieten zu bemessen. Das Landgericht hat dem Klagebegehren nur in Höhe der Miete eines Jahres – 182.582,28 DM – entsprochen und außerdem auf die einseitige Erledigungserklärung der Kläger ausgesprochen, daß der Rechtsstreit in Höhe eines Teilbetrages von 32.740,80 DM erledigt ist. Hiergegen richtet sich die Sprungrevision der Kläger, die ihre ursprünglichen Antrage, auch soweit ihrem Erledigungsfeststellungsbegehren nicht entsprochen worden ist, weiterverfolgen, in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat jedoch – unter Widerspruch der Beklagten – den Rechtsstreit in weiterem Umfang für teilweise erledigt erklärt haben.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das Landgericht hat die den Klägern als Gläubigern der übertragenden Gesellschaft von der Beklagten zu leistende Sicherheit (§ 26 Abs. 1 S. 1 KapErhG) zu gering bemessen. Mit dem zugrunde gelegten Mietbetrag für lediglich ein Jahr entspricht das Landgericht nicht dem berechtigten Sicherungsbedürfnis der Kläger.
1. Mit Recht hat allerdings das Landgericht das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 S. 1 KapErhG bejaht.
a) Auch die Beklagte stellt nicht in Abrede, daß sie im Wege der Verschmelzung das Vermögen der früheren Vertragspartnerin der Kläger übernommen hat und daß sich die Kläger mit ihrem Verlangen nach Sicherheitsleistung innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 26 Abs. 1 S. 1 KapErhG gemeldet haben. Die wirksame Verschmelzung begründet die – jedenfalls abstrakte und das Sicherungsverlangen rechtfertigende (vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 13. Aufl. Anh. Verschmelzung § 26 RdNr. 1; ferner zu § 225 AktG: KK/Lutter 2. Aufl. § 225 RdNr. 20; Rittner FS Oppenhoff 5. 317 ff., 326 f.; Krieger MünchHandb. z. Gesellschaftsrecht Bd. 4 § 60 RJNr. 39) – Gefahr, daß durch die Gesamtrechtsnachfolge das normale Erfüllungsrisiko, das der Gläubiger gegenüber dem verschmolzenen Vertragspartner eingegangen ist, erhöht wird (vgl. Lutter/Hommelhoff aaO Arih. Verschmelzung § 26 RdNr. 1). Dieser Gefährdung seiner Interessen will der Gesetzgeber mit Vorschriften wie dem auf den vorliegenden Fall noch anwendbaren § 26 KapErhG begegnen, indem er dem Gläubiger das Recht einräumt, von der übernehmenden Gesellschaft Sicherheit zu verlangen. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist für eine „Vorwirkung” des § 22 UmWG 1994 schon deswegen kein Raum, weil der Gesetzgeber dem neuen Recht keine Rückwirkung beigemessen hat, obwohl er durch entsprechende Übergangsbestimmungen dies leicht hätte anordnen können. Auf die daran anschließende, von der Beklagten bejahte Frage, ob 5 22 Abs. 1 S. 2 UflrwG 1994 die Glaubhaftmachung einer konkreten Gefährdung verlangt, kommt es deswegen nicht an.
b) Vergeblich macht die Beklagte geltend, dieses dem Grunde nach bestehende Recht auf Sicherheitsleistung dürften die Kläger deswegen nicht geltend machen, weil sie mit ihrem Verlangen sachfremde Ziele verfolgten. Zutreffend ist schon das Landgericht dem entsprechenden Vorbringen der Beklagten nicht nachgegangen. Hinreichende Anhaltspunkte für ein aus sachfremden Erwägungen gestelltes, allein die Erzielung nicht gerechtfertigter Vorteile verfolgendes Sicherungsverlangen bestehen nicht. Das gilt insbesondere auch im Hinblick auf das Aufforderungsschreiben der Kläger vorn 22. August 1993. Die dort am Ende in Aussicht gestellte Bereitschaft, das durch die Verschmelzung begründete abstrakte Risiko, der Mietvertrag könne nicht wie vorgesehen problernlos abgewickelt werden, irrt Wege der Verhandlung anderweitig abzusichern, zwingt entgegen der Meinung der Beklagten nicht zu der Annahme, die Kläger wollten die gesetzliche Lage nur zur Erzielung zusätzlicher Einnahmen nutzen. Auch die Beklagte, mag derzeit auch angesichts ihrer finanziellen Ausstattung und der gegenwärtigen Zusammensetzung ihrer Gesellschafter keine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, daß sie den auf sie übergegangenen Verpflichtungen den Klägern gegenüber nicht nachkommen kann, kann nicht für die gesamte bis zum Jahre 2013 reichende Restlauf zeit des Mietvertrages jegliches Risiko für die Kläger ausschließen. Bei der langen Laufzeit kann es nicht nur zu einem Wechsel irrt Gesellschafterbestand, sondern auch zu erheblichen Verlusten aus anderen Geschäften der Beklagten kommen, die den pünktlichen Eingang der den Klägern zustehenden Mieten gefährden. Auf der unzutreffenden Annahme, ein Risiko bestehe für die Kläger nicht, beruht aber die – weder vom Wortlaut noch vom Sinn des Schreibens der Kläger nahegelegte – Auffassung der Beklagten, das Sicherungsverlangen sei allein von mißbräuchlichen Erwägungen geleitet.
2. Hat das Landgericht danach dem Grunde nach eine Pflicht der Beklagten, den Klägern Sicherheit zu leisten, mit Recht bejaht, so hat es aber deren Höhe rechtsfehlerhaft bestimmt.
a) Zu Unrecht meinen die Kläger allerdings, ihnen stehe ohne weiteres eine Sicherheit in Höhe der während der Restlaufzeit des Mietvertrages fällig werdenden Mietzinsen zu. Für diese Auffassung kann sich die Revision allein auf den Wortlaut des § 26 Abs. 1 S. 1 KapErhG stützen, weil diese Bestimmung – ähnlich wie andere ältere gesellschaftsrechtliche Vorschriften (vgl. z.B. §§ 225, 303 AktG 1965, 93 f. GenG, 7 UWWG 1969) – keine Anordnung darüber trifft, in welcher Höhe den Gläubigern der übertragenden Gesellschaft Sicherheit zu leisten ist. Der Wortlaut ist jedoch in diesem Zusammenhang nicht entscheidend. Besonders für Dauerschuldverhältnisse, bei denen nach herrschender Ansicht die Verschmelzung, die Kapitalherabsetzung oder ähnliche das Risiko des Gläubigers erhöhende Maßnahmen einen Anspruch auf Gewährung einer Sicherheit auslösen (vgl. z.B. Hüf fer, AktG, 2. Aufl. 5 225 Rdlir. 4; KK/Lutter aao 5 225 RCNr. 13; Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG 5 303 Rarir. 8, Hefermehl in Geßler u.a. aaO § 225 RdNr. 3; Grunewald in Geßler u.a. aaO § 347 RdNr. 3; Meyer/Meulenbergh/Beuthien, GenG, 12. Aufl. § 93 f. Rdnr. 4; Krieger aaO § 60 RdNr. 36), stellt sich das Problem der richtigen Bemessung derselben. Im Schrifttum (vgl. Hüffer aaO § 225 RW(r. 4 und § 303 RCRr. 3 m.w.N.; Hachenburg/Schilling/Zutt 7. Aufl. § 77 Anh. II 5 26 VerschmG RdNr. 11; Meyer/Meulenbergh/Beuthien aaO § 93 f. Rdrir. 4; ferner Lutter ZOR 1990, 392 ff., 410 f.) ist deswegen verschiedentlich die Frage erörtert worden, ob und inwieweit hier die Sicherheitsleistung der Höhe nach zu begrenzen ist. Dem Anliegen nach angemessener Begrenzung der Sicherheitsleistung hat der Gesetzgeber nicht nur in § 347 AktG n.F., sondern auch in § 22 WawG 1994 (vgl. dazu Neye Imsis S. 152 f.) Rechnung getragen und damit die – Mindeststandards darstellenden – europarechtlichen Vorgaben (vgl. Art. 13 Abs. 2 der Dritten Richtlinie – 78/855/EWG; ferner Art. 12 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie – 82/891/EWG – abgedruckt bei Lutter Europäisches Unternehmensrecht, 4. Aufl. S. 135 und 202) umgesetzt. Die in diesen Bestimmungen ausdrücklich niedergelegte Wertung, daß die Höhe der Sicherheitsleistung von dem Schutzbedürfnis des Gläubigers bestimmt wird, klingt auch in den in § 26 KapErhG niedergelegten Ausnahmen an, in denen abweichend von Abs. 1 S. 1 aaO ein Anspruch auf Sicherheitsleistung ausscheidet. Es widerspräche daher dem Sinn der Vorschrift, allein deswegen bei Dauerschuldverhältnissen die Sicherheit nach den während der Restlaufzeit des Vertrages fällig werdenden Ansprüchen zu bemessen, weil § 26 KapErhG die Begrenzung der Sicherheitsleistung auf das erforderliche und zum Schutz des Gläubigers angemessene Maß nicht ausdrücklich anordnet (vgl. auch Scholz/Priester, GmbHG, 7. Aufl. § 26 KapErhG RdNr. 6-8, 12; Hachenburg/Schilling/Zutt 7. Aufl. § 77 Anh. II 5 26 VerschmG RÖPIr. 11; Lutter/Hommelhoff aaO Anh. Verschmelzung § 26 Rörir. 9; Dehmer, Umwandlungsrecht § 26 KapErhG Anm. 11).
b) Ungeachtet dessen, daß die Kläger mit ihrer Ansicht, Sicherheit werde immer in der vollen Höhe der ausstehenden Leistung geschuldet, nicht durchdringen können, erweist sich ihre Revision als begründet, weil das Landgericht seiner Entscheidung einen ersichtlich zu kurzen Zeitraum zugrunde gelegt und die individuellen Gegebenheiten für die Bestimmung der Höhe der Sicherheitsleistung nicht festgestellt hat.
Der für die zuerkannte Sicherheitsleistung zugrunde gelegte Betrag in Höhe lediglich der Miete für ein Jahr ist schon deswegen zu gering bemessen, weil mit ihm der Gefahr nicht sachgerecht begegnet wird, daß die Beklagte die geschuldete Leistung nicht erbringen kann und auch von den Untermietern Zahlungen nicht oder nur unter Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe erlangt werden können. Für diesen Fall wären die Kläger darauf verwiesen, unter Umständen zahlreiche Prozesse mit anschließender Räumungsvollstreckung zu führen, Maßnahmen, von denen angesichts der bekannten Oberbelastung der Justiz keineswegs sicher angenommen werden kann, sie seien binnen eines Jahres erfolgreich abgeschlossen worden. Nicht auszuschließen ist auch eine Situation, in der die Untermieter zwar die von ihnen geschuldeten Mietzahlungen erbringen, andere Gläubiger der Beklagten aber diese Mietzinsforderungen pfänden. Schließlich muß bei der Bemessung der Sicherheitsleistung auch berücksichtigt werden, daß es zu einem Preisverfall auf dem Wohnungsmarkt kommen kann und die Kläger nach einer etwa ausgesprochenen Kündigung der Verträge und Räumung der Wohnungen nicht sofort andere geeignete Mieter finden oder die Objekte nicht zu dem mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten vereinbarten Preis neu vermieten können, wobei das zugunsten der Beklagten in das Grundbuch eingetragene Wohnungsrecht zusätzlich erschwerend wirken kann.
3. Die Zurückverweisung der Sache gibt dem Landgericht die Gelegenheit, die fehlenden Feststellungen nachzuholen und das Sicherungsinteresse der Kläger unter Beachtung der individuellen Gegebenheiten neu zu bewerten. Dabei wird nach dem gegenwärtigen Stand des Rechtsstreits der dreifache Jahresbetrag der Miete schwerlich unterschritten werden können. Entgegen der Meinung der Revisionserwiderung ist § 550b BGB, nach dem eine Mietkaution Ober Wohnraum das Dreifache der Monatsmiete nicht übersteigen darf, bei der Bemessung der Sicherheitsleistung schon deswegen nicht als gesetzlicher Modellfall heranzuziehen, weil die Vorschrift auf weitervermietete Wohnräume, um die es hier geht, unanwendbar ist (vgl. MK/Voelskow 3. Aufl § 564b Rdrir. 12 i.V.m. § 550b RdNr. 3).
4. Da die Beklagte der von den Klägern in der mündlichen Verhandlung erklärten – weiteren – Teilerledigung widersprochen hat, hätte dem insoweit in erster Linie auf Feststellung der Erledigung gerichteten Begehren nur entsprochen werden können, wenn die Klage hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat begründet gewesen wäre. Dies festzustellen, ist der Senat jedoch nicht einmal für einen Teil des für erledigt erklärten Begehrens in der Lage, da der Sachverhalt – wie oben unter 2 näher ausgeführt – weiterer Klärung bedarf.
Unterschriften
Boujong, Röhricht, Dr. Henze, Dr. Goette, Dr. Greger
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 18.03.1996 durch Bartelmus Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 604873 |
NJW 1996, 1539 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1996, 705 |
GmbHR 1996, 369 |
ZBB 1996, 144 |