Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls
Leitsatz (amtlich)
Der für einen Arbeitsunfall erforderliche innere Zusammenhang der in einem fremden Betrieb ausgeübten Tätigkeit des Arbeitnehmers, bei der der Unfall eingetreten ist, mit dem Betriebe seines Stammunternehmers kann nicht allein damit begründet werden, daß die Tätigkeit für dessen Betrieb typisch ist oder daß der Stammunternehmer durch Zurverfügungstellen fehlerhafter Betriebsmittel (z. B. eines Gerüstes) die Ursache des Unfalls gesetzt hat.
Normenkette
RVO § 636 Abs. 1-2
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das anstelle der Verkündung am 23. Juli 1969 zugestellte Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Beklagte, der Inhaber eines Gipsergeschäftes war, errichtete am Wohnhaus des Flaschnermeisters Richard K. für einen Erweiterungsbau ein Leitergerüst. Richard K. führte die Gipserarbeiten selbst aus, wobei ihm sein Sohn Dieter K., der damals bei dem Beklagten als Gipser beschäftigt war, geholfen hat. Als dieser am 26. April 1965 nach Arbeitsschluß mit dem Grundieren des Dachgesimses beschäftigt war, stürzte er von dem obersten Belag des Gerüstes ab und wurde schwer verletzt. Das Gerüst bestand aus einsprossigen Leitern, deren Sprossen nicht durch Spannschrauben gesichert waren. Die Klägerin hat den Unfall als Arbeitsunfall im Betrieb der Flaschnerei Richard K. & Sohn anerkannt. Sie nimmt den Beklagten aus § 1542 RVO wegen der von ihr für Dieter K. aus Anlaß des Unfalls erbrachten Leistungen auf Schadensersatz in Anspruch. Sie macht einen Betrag von 12.264,62 DM nebst Zinsen geltend und begehrt die Feststellung, daß der Beklagte ihr insoweit, als Ersatzansprüche auf sie übergegangen sind, Schadensersatz bezüglich der für Dieter K. aus Anlaß des Unfalls erbrachten und noch zu erbringenden Aufwendungen zu leisten habe.
Die Parteien streiten darüber, ob dem Beklagten das Haftungsprivileg des § 636 RVO n.F. zugute kommt und ob ihm gegebenenfalls grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht hält die Voraussetzungen des Haftungsausschlusses nach § 636 RVO n.F. für gegeben. Es sieht sich durch den Rentenbescheid der Klägerin vom 13. April 1966 nicht gebunden, den Unfall als einen Arbeitsunfall zu werten, der auch dem Betrieb des Beklagten zuzurechnen ist.
Die Revision meint, das Berufungsgericht habe es nicht auf die Art der von Dieter K. ausgeübten Tätigkeit als Gipser abstellen dürfen. Entscheidend sei vielmehr, für welches Unternehmen die Arbeit ausgeführt werde, d.h. wem als Träger des Geschäftsrisikos das wirtschaftliche Ergebnis unmittelbar zum Vorteil gereiche. Dieter K. habe den Unfall aber eindeutig bei einer Tätigkeit für seinen Vater erlitten. Auch sei er durch die Benutzung des vom Beklagten erstellten Gerüstes für die nach Arbeitsschluß ausgeübte Tätigkeit nicht in dessen Betrieb eingegliedert worden. Das Berufungsgericht habe die Voraussetzungen für die Zuordnung der beim Unfall ausgeführten Arbeit zum Betrieb eines weiteren Unternehmers im Sinne von § 636 Abs. 2 RVO n.F. verkannt und den Sachverhalt fehlerhaft gewürdigt. Auch ohne eine erweiternde Konstruktion sei ein umfassender Versicherungsschutz des Arbeitnehmers im Gesetz geregelt.
Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand.
I.
1.
Der Unfall hat sich nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung - UVNG - vom 30. April 1963 (BGBl. I 241 ff) zugetragen. Daher ist die Frage der Ersatzpflicht des Beklagten nach der Reichsversicherungsordnung in ihrer neuen Fassung zu beurteilen.
Die hier zu entscheidende Frage, ob der Verletzte bei der Tätigkeit, die zu dem Unfall geführt hat, auch in den Betrieb des Beklagten eingegliedert war, ist sowohl eine Tatfrage als auch eine revisible Rechtsfrage (Herding/Schmalzl, Vertragsgestaltung und Haftung im Bauwesen 2. Aufl. Anm. 46, 7). Wenngleich es für ihre Beantwortung immer auf die Umstände des Falles ankommt, unterliegt es der revisionsrechtlichen Prüfung, ob der Tatrichter von einem zutreffenden Begriff des Arbeitsunfalls in einem bestimmten Betriebe, hier dem des Beklagten, ausgegangen ist.
Die neue Vorschrift des § 636 Abs. 2 RVO stellt die Bestätigung der Ergebnisse früherer höchstrichterlicher Rechtsprechung dar (BGHZ 24, 247, 248), die für bestimmte Fallgruppen den Satz aufgestellt hatte, der Haftung saus Schluß könne neben dem sog. Stammunternehmen auch einem Fremd unternehmen zugute kommen (sog. mehrseitiges Arbeitsverhältnis). Das schließt allerdings nicht aus, die Vorschrift entsprechend ihrem insoweit klaren Wortlaut umgekehrt auch zugunsten des Stamm unternehmers anzuwenden, wenn die Berufsgenossenschaft mit Bindung für die Gerichte (§ 638 RVO n.F.) den Unfall als Arbeitsunfall im Unternehmen eines Fremd unternehmers anerkannt hat, wie dies hier geschehen ist. Solche Anwendung setzt jedoch - wie sich aus der Bezugnahme des § 636 Abs. 2 auf die Vorschrift des Abs. 1 a.a.O. ergibt - voraus, daß der Unfall als Arbeitsunfall (auch) im Unternehmen des Stammunternehmers anzusehen ist. Dazu bedarf es eines inneren Zusammenhangs derjenigen Tätigkeit des Arbeitnehmers, bei der der Unfall eingetreten ist, mit dem Stammunternehmen. Denn ein Arbeitsunfall im Sinne des § 636 Abs. 1 RVO n.F. ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten erleidet (§ 548 Abs. 1 RVO n.F.). Es handelt sich um die Zurechnung eines bestimmten Ereignisses zu dem Verantwortungskreis des Unternehmers und damit zu seinem Versicherungsträger (Gesamtkommentar RVO § 548 Anm. 4). Die gesetzespolitische Rechtfertigung des § 636 RVO n.F. liegt darin, dem Unternehmer einen Ausgleich dafür zu geben, daß er durch seine Leistungen für einen umfassenden Versicherungsschutz der bei ihm arbeitenden Personen zu sorgen hat; ferner sollen Auseinandersetzungen über Unfallverantwortung und Unfallhaftung, die den inneren Betriebsfrieden stören, eingeschränkt werden (BGHZ 24, 247, 248). Eindeutig auf eigenwirtschaftliche oder betriebsfremde Zwecke gerichtete Tätigkeiten sind aber ohne Rücksicht auf ihre Dauer dem Unternehmen nicht zuzurechnen. Eine solche eigenwirtschaftliche Tätigkeit liegt dann vor, wenn auf den Entschluß und das Verhalten des Verletzten nicht die Absicht, das Unternehmen (hier das Stammunternehmen) zu fördern, sondern die Befolgung persönlicher Interessen derart eingewirkt haben, daß die Beziehung der Tätigkeit zu dem Unternehmen bei der Bewertung der Unfallursache als unerheblich ausgeschieden werden muß (Lauterbach, Unfallversicherung 3. Aufl. § 548 Anm. 46 m.w.N.).
2.
Der Rechtsfehler des Berufungsgerichts liegt darin, daß es für den "inneren Zusammenhang" zwischen der von Dieter K. ausgeübten Gipsertätigkeit mit dem Unternehmen des Beklagten bereits ausreichen läßt, daß es sich hierbei um eine für den Betrieb des Stammunternehmens typische Arbeit handelte und daß sich der Unfall auf einem von dem Beklagten mit Hilfe des Verunglückten aufgestellten Gerüst ereignete.
Zwar ist eine weite Auslegung des § 636 RVO n. F. statthaft. Die allgemeine Regel, wonach Haftungsausschlüsse eng auszulegen sind, gilt hier nicht (Lauterbach a.a.O. § 636 Anm. 5 m.w.N.). Jedoch muß die Anwendung im Einzelfall durch den Sinn und Zweck der Vorschrift noch gedeckt sein.
a)
Hierfür genügt nicht, daß die beim Unfall ausgeübte Tätigkeit, wie das Berufungsgericht meint, für den Betrieb des Stammunternehmers typisch ist. Der Arbeitnehmer wird bei der Ausübung einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit, z.B. bei einer entgeltlichen Freizeitarbeit, in der Regel in seinem Fach arbeiten. Damit allein verfolgt er aber noch nicht betriebliche Zwecke seines Stammunternehmers. Es ist aus dem vom Berufungsgericht bisher festgestellten Sachverhalt jedenfalls nicht ersichtlich, daß die Grundierung des Dachgesimses am Neubau des Richard K. irgend etwas mit dem Betrieb des Beklagten zu tun hatte.
b)
Es genügt auch nicht, daß der Stammunternehmer durch eine - von seiner Person her gesehen - im Rahmen des Unternehmens liegende Tätigkeit, hier durch die Aufstellung eines fehlerhaften Gerüstes, die Ursache des Unfalls gesetzt hat. Würde man diesen Umstand für ausreichend halten, so könnte das zur Folge haben, daß Unfälle, die ein Arbeitnehmer bei eigenwirtschaftlicher Freizeitarbeit durch Benutzung fehlerhafter Betriebsmittel seines Stammunternehmers erleidet, allgemein als in diesem Unternehmen sozialversichert gewertet werden müßten. Die Unterhaltung einwandfreien Arbeitsgerätes gehört zwar allgemein zu den vornehmsten Pflichten des Unternehmers (§ 549 RVO n.F.); die Verletzung dieser Pflicht wird aber auch dann für den Unfall des Arbeitnehmers ursächlich, wenn dieser das Gerät für eigenwirtschaftliche Freizeitarbeiten benutzt hat.
Der innere Zusammenhang kann in derartigen Fällen auch dann noch nicht bejaht werden, wenn das Wissen des Stammunternehmers hinzutritt, daß der Arbeitnehmer das Gerät zu Freizeit arbeiten benutzen wird, die mit dem Betrieb des Stammunternehmers nichts zu tun haben, vielmehr im sozialversicherungsrechtlichen Sinne als "eigenwirtschaftliche" Betätigung des Arbeitnehmers zu werten sind.
Es genügt auch nicht, daß der Arbeitnehmer selber - wie hier - zu einem vor dem Arbeitsunfall liegenden Zeitpunkt bei der Errichtung der unfallursächlich gewordenen Arbeitsvorrichtung im Rahmen des Unternehmens des Stammunternehmers mitgewirkt hatte. Anderenfalls wäre er z.B. auch dann beim Stammunternehmer mitversichert, wenn er als Teilnehmer am allgemeinen Verkehr durch eben den Mangel der Arbeitsvorrichtung verletzt wird, den er selber mitverursacht hatte. Eine so weit gehende Ausdehnung des Begriffs des Arbeitsunfalls wäre nicht vertretbar.
c)
Schließlich ist auch die sozialpolitische Erwägung des Berufungsgerichts nicht überzeugend, der Arbeitnehmer werde bei Gefälligkeitsarbeiten in der Regel ohne Versicherungsschutz bleiben, wenn man in diesen Fällen einen Arbeitsunfall im Betriebe des Stammunternehmens verneine. Ob ein Arbeitnehmer bei Ausführung von Gefälligkeitsarbeiten Versicherungsschutz geniesst, hängt davon ab, ob er in dem fremden Betrieb wie ein Arbeitnehmer eingegliedert und bereit ist, den Weisungen des fremden Unternehmers Folge zu leisten (BGH Urt. v. 16. Dezember 1958 - VI ZR 251/57 - VersR 1959, 109). Dabei ist unerheblich, ob die Tätigkeit lediglich aus Gefälligkeit stattfindet; es kommt nicht auf die Beweggründe, sondern auf die Art der Betätigung an (BSG 5, 168, 172). Nach § 539 Abs. 2 RVO n.F. sowie nach anderen einschlägigen Bestimmungen der RVO (z.B. § 657 Abs. 1 Nr. 7) wird auch bei kurzfristigen Gefälligkeitsarbeiten in großzügiger Weise Versicherungsschutz gewährt, wie auch die in dem hier zu entscheidenden Fall gewährte Anerkennung als Arbeitsunfall im Betrieb der Firma Richard K. & Sohn beweist.
Auch dieser vom Berufungsgericht angeführte Gesichtspunkt trägt somit die Entscheidung nicht. Diese mußte deshalb aufgehoben werden.
3.
Das Revisionsgericht ist nicht in der Lage, die Frage des Arbeitsunfalls im Betriebe des Beklagten zu entscheiden, da der Sachverhalt in wesentlichen Punkten unaufgeklärt ist. Für die Entscheidung dieser Frage kann von Bedeutung sein, welcher Vertragsinhalt der Erstellung des Gerüstes zugrundelag, ob diese Leistung entgeltlich oder unentgeltlich war, ob der Beklagte sie aus Gefälligkeit gegenüber Richard K. etwa unter dem Gesichtspunkt der Kundenwerbung oder des Kundendienstes - oder vorwiegend im eigenen Interesse erbracht hat oder ob etwa das Arbeitsverhältnis zu dem Verunglückten der ausschlaggebende Anknüpfungspunkt für die Erstellung des Gerüstes war. In diesem Zusammenhang könnte ferner Bedeutung haben, ob der Beklagte nach Arbeitsschluß einige Dielen von dem Gerüst entfernte und ob er etwa nicht damit rechnete, daß das Gerüst noch nach Feierabend benutzt werden könnte. Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen überdies nicht klar erkennen, daß der Verunglückte nur nach Feierabend auf dem Gerüst gearbeitet hat. Nach dem im Berufungsurteil S. 2 dargelegten Tatbestand war Dieter Kaiser nach Arbeitsschluß im Auftrag seines Vaters mit dem Grundieren des Dachgesimses beschäftigt, während das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen (S. 17) davon ausgeht, daß er die Gipserarbeiten offenbar nach Feierabend ausgeführt hat. Es ist nicht ersichtlich, worauf sich dieses "offenbar" bezieht. Zudem ergaben sich in der Revisionsverhandlung Zweifel hinsichtlich des Zeitpunkts des Unfalls.
Erst nach Klärung dieser Punkte wird sich beurteilen lassen, ob die bei dem Unfall ausgeübte Tätigkeit noch in einem ausreichenden inneren Zusammenhang mit dem Betrieb des Beklagten stand. Bei der rechtlichen Beurteilung wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben:
Nur wenn der Beklagte Dieter K. dessen Vater zur Durchführung der Gips erarbeiten zur Verfügung gestellt , d.h. wenn er als Stammunternehmer entgeltlich oder unentgeltlich Auftrag (und nicht nur die Erlaubnis) zu einer vorübergehenden Hilfeleistung erteilt hatte (Lauterbach a.a.O. § 648 Anm. 11, 13), wird eine Bewertung dieser Arbeit nach den für Leiharbeitsverhältnisse herausgearbeiteten Grundsätzen in Betracht kommen.
Sofern ein solcher Auftrag nicht festgestellt werden kann, wird das Berufungsgericht bei Entscheidung der Frage, wann ein Versicherungsschutz in dem Unternehmen des Stammunternehmers bei einer mittelbaren Rückwirkung der privaten Tätigkeit auf betriebliche Belange - etwa unter dem Gesichtspunkt des Kundendienstes oder der Kundenwerbung oder der Erhaltung und Verbesserung des Betriebsklimas - bejaht werden kann, die von der Rechtsprechung hierfür entwickelten strengen Maßstäbe zu berücksichtigen haben. So hat z.B. das Bundessozialgericht entschieden, daß ein Unfall, den ein Arbeitnehmer nach Beendigung der Arbeitsschicht bei der Benutzung einer Betriebseinrichtung mit Genehmigung des Unternehmers für eigene private Zwecke erlitt, selbst dann nicht zu der versicherten Beschäftigung dieses Unternehmers gehörte, wenn der Arbeitnehmer dafür eine Gebühr entrichtete und der Unternehmer an dem Verkauf des Materials für die zu bearbeitende Sache verdiente. Weder der zeitliche Zusammenhang eines kurz nach Betriebsschluß eingetretenen Unfalls mit der vorangegangenen Betriebstätigkeit noch ein Interesse des Unternehmers an der Erhaltung und Verbesserung des Betriebsklimas oder an einer guten Arbeitsleistung seines Arbeitnehmers aus Gründen der Betriebswerbung noch der damit verbundene finanzielle Vorteil bilden nach Meinung des Bundessozialgerichts einen rechtserheblichen ursächlichen Anknüpfungspunkt zu der betrieblichen Tätigkeit (BSG 14, 295).
Ebenso hat das Landessozialgericht Niedersachsen (Urt.v. 16. Januar 1968 BerGen. 1969, 278) die Voraussetzungen des Versicherungsschutzes für den Fall verneint, in dem ein Unternehmer einem seiner Kunden die Ausführung eines von diesem erbetenen Reparaturauftrages abgelehnt, ihm aber anheimgegeben hatte, die Reparaturarbeiten von seinem Betriebsangehörigen in der arbeitsfreien Zeit unter Benutzung des Werkzeugs des Unternehmens ausführen zu lassen und dieser durch die Benutzung des Werkzeugs einen Unfall erlitt.
II.
Eine abschließende Entscheidung des Revisionsgerichts im Sinne der Revision ist auch nicht etwa deshalb geboten, weil der Beklagte auch bei Bejahung eines Arbeitsunfalls (in Bezug auf seinen Betrieb) haften würde. Die Revision will dies zwar wegen grober Fahrlässigkeit des Beklagten nach § 640 RVO bejaht wissen. In diesem Punkte ist aber dem Berufungsgericht beizutreten, das die Voraussetzungen des § 640 RVO n.F. verneint. Das Berufungsgericht geht ohne nähere Begründung davon aus, der Beklagte habe durch Nichtbeachtung der Unfallverhütungsvorschriften - UVV - (Fehlen der Spannschrauben an den zum Gerüstbau verwendeten einsprossigen Leitern) den Arbeitsunfall des Dieter K. fahrlässig verursacht. Eingehend führt es sodann aus, ihn treffe jedoch keine grobe Fahrlässigkeit. Aus der Unfallverhütungsvorschrift "Gerüste" habe er unmittelbar nicht entnehmen können, welche Art von Leitern er im Zeitpunkt des Unfalls habe verwenden dürfen. Zudem habe sich die Klägerin selbst nicht an die UVV gehalten und die Weiterverwendung anderer als der nach DIN 4411 allein noch zulässigen dreisprossigen Gerüstleitern auch nach dem 1. März 1956 geduldet, die einsprossigen Gerüstleitern sogar durch Beschluß ihrer Vertreterversammlung vom 24. September 1963 für eine Übergangszeit - während der sich der hier zu behandelnde Unfall ereignete - wieder zugelassen, sofern sie mit Spannschrauben versehen waren. Da sie somit selbst nicht auf der Einhaltung ihrer UVV bestanden habe, könne es dem Beklagten nicht als grobe Fahrlässigkeit angelastet werden, wenn er mit einer laxen Handhabung dieser Vorschriften gerechnet und die erst seit 1963 begründete Pflicht, einsprossige Gerüstleitern mit Spannschrauben zu versehen, nicht beachtet habe.
Diese Ausführungen lassen einen Rechts- oder Verfahrensfehler nicht erkennen. Der Senat hat die dagegen erhobenen Rügen der Revision geprüft. Von einer Begründung wird nach Art. I Nr. 4 EntlG v. 15. August 1969 abgesehen. Die Entscheidung, ob das Verschulden des Unternehmers an dem Unfall sich als grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 640 Abs. 1 S. 1 RVO n.F. darstellt, ist nach ständiger Rechtsprechung weitgehend Sache des Tatrichters und insoweit der Nachprüfung in der Revisionsinstanz entzogen.
III.
Auf die Revision der Klägerin war hiernach das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zu erneuter Prüfung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Pehle,
Dr. Bode,
Dr. Weber,
Nüßgens,
Scheffen
Fundstellen
Haufe-Index 1456332 |
NJW 1971, 1562 |
MDR 1971, 742 |