Verfahrensgang

KG Berlin (Urteil vom 18.09.1989; Aktenzeichen 22 U 6396/88)

LG Berlin (Urteil vom 01.07.1988; Aktenzeichen 22 O 253/88)

 

Tatbestand

Die Beklagten sind Eigentümer des Grundstückes P.-weg 4 a in B.. Durch notariellen Vertrag vom 5. Februar 1988 verkauften sie das zur Straße hin angrenzende, mit einem Reihenhaus bebaute Grundstück Nr. 6 b, das ihnen ebenfalls gehörte, an die Kläger. Der ursprüngliche Zugang zu diesem Grundstück verlief entlang den zur Straße hin vorgelagerten Reihenhäusern Nr. 6 und 6 a. Er war von den Beklagten durch Entfernung der Gehwegplatten und Bepflanzung geschlossen worden, als ihnen von dem seinerzeitigen Eigentümer des Grundstückes Nr. 4 a gestattet worden war, den Zugangsweg dieses Grundstücks mit zu benutzen. Die Beklagten ließen dementsprechend in den Begrenzungszaun ein Tor ein und führten den Plattenweg von der Hauseingangstür in gerader Linie zu diesem Tor. Im Zusammenhang mit dem Verkauf vom 5. Februar 1988 gestatteten die Beklagten - als die nunmehrigen Eigentümer des Grundstückes Nr. 4 a - den Klägern auch ihrerseits die Benutzung des "Zugangsweges", schlossen aber ein Befahren mit Kraftfahrzeugen ausdrücklich aus. Mit Anwaltsschreiben vom 21. April 1988 widerriefen die Beklagten die Erlaubnis, den Zugangsweg des Grundstücks Nr. 4 a zu benutzen, da der Weg mit Kraftfahrzeugen befahren worden sei.

Sie brachten auf ihrem Zugangsweg ein 1,50 m hohes Eisengittertor an, das das Betreten des Grundstückes Nr. 6 b von diesem Zugangsweg aus verhinderte. Die Kläger erwirkten hiergegen am 6. Mai 1988 eine einstweilige Verfügung (Amtsgericht Sch., Az. 7 C 278/88); zugleich öffneten sie den ursprünglichen Zugang zum Grundstück Nr. 6 b, indem sie die dort befindliche Bepflanzung beseitigten.

Die Kläger haben die Entfernung des Eisengitters verlangt sowie die Beklagten bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel auf Unterlassung jeder Zugangsbehinderung über den Privatweg des Grundstücks P.-weg Nr. 4 a in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Beklagten haben Berufung eingelegt mit dem Antrag, die Klage abzuweisen. Das Berufungsgericht hat den Wert des Beschwerdegegenstands auf 500 DM festgesetzt und die Berufung durch Urteil als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, deren Zurückweisung die Kläger beantragen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision (§ 547 ZPO) ist begründet.

In Rechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche, um die es hier geht, ist die Berufung nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 700 DM übersteigt (§ 511 a Abs. 1 ZPO). Entgegen der Auffassung der Revision richtet sich die Wertfestsetzung allerdings nicht nach § 7 ZPO. Dabei kann offenbleiben, ob diese Bestimmung auf dienstbarkeitsähnlich wirkende nachbarrechtliche Beschränkungen wie etwa das Notwegrecht entsprechend angewendet werden kann, denn es geht im vorliegenden Fall nur um einen schuldrechtlich vereinbarten Zugang, nicht aber um ein Recht, das einer Grunddienstbarkeit ähnlich ist. Im Ansatz zutreffend hat das Berufungsgericht deshalb den Wert des Beschwerdegegenstands gemäß §§ 2, 3 ZPO nach seinem freien Ermessen festgesetzt. Diese Wertfestsetzung kann das Revisionsgericht lediglich dahin nachprüfen, ob das Berufungsgericht von seinem Ermessen einen ungesetzlichen Gebrauch gemacht hat (vgl. z. B. Beschl. v. 8. Februar 1989, IVb ZB 174/88, BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 6). Es kommt dabei auf das Interesse des jeweiligen Rechtsmittelklägers, hier der Beklagten, an (vgl. etwa BGHZ 23, 205, 207; BGH Beschl. v. 16. Dezember 1987, IVb ZB 124/87, BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 3), das allerdings nicht über den durch das Interesse der Kläger bestimmten Streitwert hinausgehen kann. Maßgebend ist also das wirtschaftliche Interesse der Beklagten daran, das Eisengitter nicht entfernen und den Klägern ein ungehindertes Zugangsrecht über den Privatweg zum Grundstück P.-weg Nr. 4 a nicht gewähren zu müssen.

Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf seinen Streitwertbeschluß vom 13. Juli 1989 ausgeführt, die von den Klägern beanspruchte Benutzung stelle für das Grundstück der Beklagten nur eine geringfügige Werteinbuße dar. Auch mit Rücksicht auf etwaige Verkehrssicherungspflichten sei dies nicht anders, weil es die Beklagten für den Zugang zu ihrem eigenen Grundstück ohnehin in verkehrssicherem Zustand erhalten müßten. Die Beseitigung des Eisengitters sei wirtschaftlich bedeutungslos.

Diese Ausführungen sind nicht ermessensfehlerfrei. Wie die Revision mit Recht rügt, haben bei der Wertfestsetzung des Berufungsgerichts nicht alle wesentlichen Umstände Beachtung gefunden. Zwar sind Parteiangaben zum Wert, selbst wenn sie übereinstimmen, für das Gericht nicht bindend. Sie sind aber ein wichtiges Indiz und können nicht völlig unbeachtet bleiben (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 48. Aufl. § 3 Anm. 2 A; Thomas/Putzo, ZPO 15. Aufl. § 2 Anm. 4 c; Zöller/Schneider, ZPO 14. Aufl. § 2 Rdn. 1; Stein/ Jonas/Schumann, ZPO 20. Aufl. § 2 Rdn. 90). Im vorliegenden Fall hat das Landgericht über den Wert verhandelt und ihn "im Einvernehmen mit den Parteien" auf 10.000 DM festgesetzt. Das Berufungsgericht hat sich damit nicht befaßt, obwohl nach allgemeiner Erfahrung dauernde Zugangsrechte in aller Regel nicht für Gegenleistungen unter 700 DM eingeräumt werden. Den Beklagten stünde, falls sie den begehrten Zugang als Notweg dulden müßten, sicher ein Rentenanspruch zu, dessen 25-facher Jahreswert (vgl. § 9 ZPO), gemessen am üblichen Nutzungsentgelt (vgl. auch BGH Urt. v. 19. Dezember 1975, V ZR 25/74, NJW 1976, 669, 670), den Betrag von 700 DM übersteigen würde.

Auch das als Obergrenze heranzuziehende Interesse der Kläger hat das Berufungsgericht in ermessensfehlerhafter Weise auf 500 DM geschätzt und auch insoweit sich nicht mit allen maßgeblichen Umständen auseinandergesetzt. Das Berufungsgericht durfte nicht stillschweigend über die Wertangabe der Kläger (vor dem Landgericht zuletzt 10.000 DM) hinweggehen. Zwar haben die Kläger die Möglichkeit, den ursprünglich vorhandenen Zugang wieder zu eröffnen. Damit reduziert sich ihr Interesse an dem hier beanspruchten Zugang aber nicht auf einen "wirtschaftlich nahezu bedeutungslosen" Wert, wie das Berufungsgericht meint. Es läßt dabei außer Betracht, daß allein die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands (z. B. Verlegung des Plattenweges) für die Kläger gewisse Aufwendungen verursacht, die nach ihrem Vortrag zur Streitwertbeschwerde im Verfahren auf Erlaß der einstweiligen Verfügung (Amtsgericht Sch., Az. 7 C 278/88) über 2.000 DM liegen sollen (Schriftsatz vom 26. Mai 1988 Beiakten GA 65/66). Auch darauf ist das Berufungsgericht nicht eingegangen.

Übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstands mithin jedenfalls 700 DM, war die Berufung der Beklagten zulässig. Das angefochtene Urteil ist, unter Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, aufzuheben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2993039

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