Leitsatz (amtlich)
›1. Wird dem Hauptschuldner ein betragsmäßig limitierter Kontokorrentkredit gewährt, verstößt die formularmäßige Ausdehnung der Bürgenhaftung über das Kreditlimit hinaus gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AGBG.
2. Wird die Bürgschaft aus Anlaß der Gewährung oder Prolongierung eines bestimmten, betragsmäßig limitierten Kontokorrentkredits oder der Erhöhung des Limits um einen bestimmten Betrag geleistet, ist die formularmäßige Ausdehnung der Haftung auf alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten des Hauptschuldners grundsätzlich überraschend.
3. Ist die formularmäßige Ausdehnung der Bürgenhaftung auf alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten des Hauptschuldners aus der Bankverbindung nicht Bestandteil des Bürgschaftsvertrages geworden, bleibt die Zweckerklärung wirksam, soweit sie den Kontokorrentkredit bis zu dem Limit betrifft, wie es bei Abgabe der Bürgschaftserklärung bestand.‹
Verfahrensgang
OLG Zweibrücken |
LG Kaiserslautern |
Tatbestand
Die Klägerin, eine Sparkasse, gewährte der Baugesellschaft U. GmbH & Co. KG (im folgenden: Hauptschuldnerin oder KG) Kredit in laufender Rechnung. Am 18. Januar 1984 verbürgte sich die Beklagte, die an der KG mit einem Kommanditanteil in Höhe von 100.000 DM beteiligt war, formularmäßig ohne zeitliche und betragsmäßige Beschränkung als Selbstschuldnerin für den der KG gewährten Kredit. Gemäß Ziff. 1 Satz 1 der "Bürgschaftsbedingungen" wurde die Bürgschaft "zur Sicherung aller bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Sparkasse gegen den Hauptschuldner ... aus ihrer Geschäftsverbindung (insbesondere aus laufender Rechnung, Krediten und Darlehen jeder Art und Wechseln) sowie aus Wechseln, die von Dritten hereingegeben werden, Bürgschaften, Abtretungen oder gesetzlichem Forderungsübergang übernommen". Gleichzeitig verpflichtete sich die Beklagte, vorhandenen Grundbesitz nicht zu belasten. Dieser Verpflichtung handelte die Beklagte später zuwider. Kurz danach, im Oktober 1985, schied sie gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 150.000 DM aus der KG aus; ob dies auf Druck der Klägerin geschah, ist streitig. Im Januar 1986 erhöhte die Klägerin den der Hauptschuldnerin gewährten Kontokorrentkredit auf 2,5 Mio DM, daneben räumte sie zwei Darlehen über 2 Mio und 1,5 Mio DM ein.
Mit Schreiben vom 19. Februar 1990, der Klägerin zugegangen am 22. Februar 1990, kündigte die Beklagte die Bürgschaft. Zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich bereits der Konkurs der Hauptschuldnerin ab, der kurz danach eintrat. Die Klägerin nahm die Beklagte als Bürgin in Höhe eines Betrages von über 10 Mio DM in Anspruch. Mit der vorliegenden Klage verlangt sie Zahlung eines Teilbetrages von 1 Mio DM. Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Dagegen wendet sich die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
A. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Bürgschaftsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Die weite Zweckerklärung, mit der die Bürgenhaftung auf alle gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen aus der Geschäftsverbindung mit der Hauptschuldnerin ohne betragsmäßige Begrenzung erstreckt werde, sei nicht überraschend im Sinne von § 3 AGBG. Durch das Ausscheiden der Beklagten aus der KG sei weder die Bürgschaft stillschweigend aufgehoben worden noch die Geschäftsgrundlage entfallen. Es wäre Aufgabe der Beklagten gewesen, von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch zu machen.
B. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand. Die weite Zweckerklärung ist teilweise unwirksam. Deshalb ist ungewiß, ob die Bürgschaft noch Forderungen sicherte, als die Beklagte jene kündigte.
I. Allerdings ist der Bürgschaftsvertrag - sieht man von der AGB-Problematik ab - wirksam geschlossen und durch das Ausscheiden der Beklagten aus der Gesellschaft nicht berührt worden.
1. Die Sicherungszweckerklärung in Ziff. 1 Satz 1 der "Bürgschaftsbedingungen", wonach eine Bürgschaft übernommen wird "zur Sicherung aller bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen aus ihrer Geschäftsverbindung (insbesondere aus laufender Rechnung, Krediten und Darlehen jeder Art und Wechseln)", genügt den Erfordernissen der inhaltlichen Bestimmtheit nach § 765 BGB.
In der Rechtslehre wird zwar teilweise die Ansicht vertreten, schon dieser erste Teil der Sicherungszweckerklärung (zum zweiten Teil vgl. BGH, Urt. v. 5. April 1990 - IX ZR 111/89, WM 1990, 969, 970; v. 16. Januar 1992 - IX ZR 113/91, WM 1992, 391, 392; v. 24. Februar 1994 - IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341, 1342) sei inhaltlich nicht bestimmt genug, weil zu der sachlichen Begrenzung auf Forderungen aus der Geschäftsverbindung eine Begrenzung der Höhe nach hinzutreten müsse (Brandner, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG 7. Aufl. Anh. §§ 9 - 11 Rdnr. 260; Horn, in: Festschrift für Merz 1992 S. 217, 219 ff; ders., in: Staudinger/Horn, BGB 12. Aufl. § 765 Rdnr. 10; Pecher, in: MünchKomm-BGB, 2. Aufl. § 765 Rdnr. 12; Reinicke/Tiedtke JZ 1985, 485, 486; dies. JZ 1986, 426, 427 f; Tiedtke ZIP 1994, 1237, 1238; Thelen DB 1991, 741 ff). Zur Begründung wird darauf hingewiesen, das Erfordernis der Bestimmbarkeit habe (auch) die Aufgabe, den Bürgen zu schützen. Er solle keine Verpflichtungen übernehmen, die er nicht übersehen könne. Die Begrenzung der Höhe nach hat indessen mit der Bestimmtheit (oder Bestimmbarkeit) der Hauptschuld nichts zu tun. Wird zum Beispiel die Bürgschaft "für alle nur irgendwie denkbaren Verbindlichkeiten des Hauptschuldners ohne sachliche Begrenzung" übernommen, so ist klar, welche Hauptschulden darunterfallen - nämlich alle. Den Gefahren einer derartigen "Globalbürgschaft" (vgl. dazu auch BGHZ 25, 318, 321; Wolf, in: Wolf/Horn/Lindacher, AGBG 3. Aufl. § 9 Rdnr. S 96; Clemente ZIP 1990, 969, 973) muß in anderer Weise als über das Bestimmtheitserfordernis Rechnung getragen werden (zutreffend: Bydlinski WM 1992, 1301, 1304; Larenz/Canaris, Schuldrecht Bd. II 2 Besonderer Teil 13. Aufl. S. 7; Graf v. Lambsdorff/Skora, Handbuch des Bürgschaftsrechts 1994 Rdnr. 121 ff, 126; Rehbein, Festschrift für Heinsius 1991 S. 659, 662 f; Rimmelspacher WuB I F 1 a. - 9.90). Der erste Teil der Sicherungszweckerklärung ist, wenn er individualvertraglich vereinbart wird, grundsätzlich nicht zu beanstanden; damit ist aber über seine Zulässigkeit als AGB-Klausel noch nichts gesagt.
2. Die Bürgschaft war zeitlich nicht dahin begrenzt, daß sie nur für die Dauer der Gesellschafterstellung der Beklagten gelten und mit deren Ausscheiden aus der Gesellschaft erlöschen sollte. Ebensowenig war sie auf den Kreis derjenigen Forderungen der Klägerin beschränkt, die bis zum Ausscheiden der Beklagten entstanden waren. Im Vertrage heißt es ausdrücklich, die Beklagte verbürge sich ohne zeitliche Beschränkung. Er enthält für den Fall, daß die Gesellschafterstellung des Bürgen endet, auch keine Regelungslücke, die durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen wäre (vgl. BGH, Urt. v. 10. Juni 1985 - III ZR 63/84, WM 1985, 1059, 1060; im Ergebnis ebenso BuB/Schröter Rdnr. 4/1144; vgl. aber Schröter WuB I F 1 a. - 6.85; a.A. RG HRR 1935 Nr. 581; Stolzenburg ZIP 1985, 1189, 1191; Meinhardt, Beendigung der Haftung aus Bürgschaften eines Gesellschafters oder Geschäftsführers bei dessen Ausscheiden aus der Gesellschaft? Diss. Göttingen 1990 S. 103 ff). Denn die Beklagte konnte - worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist - ihr Ausscheiden zum Anlaß nehmen, die Bürgschaft zu kündigen. Nach Ziff. 5 der Bürgschaftsbedingungen war eine Kündigung für die Zukunft, ohne daß dies begründet werden mußte, jederzeit möglich. Diesen ihr zumutbaren Weg hat die Beklagte nicht beschritten.
3. Die Parteien haben, als die Beklagte aus der Gesellschaft ausschied, die Bürgschaft nicht einverständlich aufgehoben. Ausdrücklich ist in dieser Hinsicht nichts erklärt worden. Es fehlen aber auch Anhaltspunkte für ein Verhalten der Klägerin, das Ausdruck des Willens hätte sein können, die Beklagte aus der Bürgschaft zu entlassen. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellt, die Klägerin habe den Standpunkt der Beklagten gekannt, sie sei mit ihrem - von der Klägerin betriebenen - Ausscheiden aus der Gesellschaft auch der Bürgenverpflichtung ledig, und habe gleichwohl geschwiegen, so läßt sich dieses Schweigen nicht als Zustimmung deuten. Das Berufungsgericht weist zutreffend darauf hin, daß das Sicherungsinteresse der Klägerin nach dem Ausscheiden der Beklagten fortbestand und für die Zukunft nur durch Kündigung beseitigt werden konnte. Eine Kenntnis der Klägerin von der inneren Einstellung der Beklagten machte deren Kündigung nach Treu und Glauben - entgegen der Ansicht der Revision - nicht entbehrlich.
II. Die Sicherungszweckerklärung verstößt jedoch gegen § 9 AGBG und möglicherweise gegen § 3 AGBG.
1. Die Erstreckung der Bürgschaft auf alle bestehenden und künftigen Forderungen der Klägerin in der als Allgemeine Geschäftsbedingung anzusehenden (vgl. BGH, Urt. v. 27. Oktober 1994 - IX ZR 168/93, WM 1994, 2274, 2275) vorformulierten Zweckerklärung ist an dem AGBG zu messen. Eine vorrangige Individualabrede, die der Zweckerklärung die Bedeutung nehmen könnte (§ 4 AGBG), ist nicht gegeben.
Eine ergänzende Auslegung des Bürgschaftsvertrages dahin, daß die Bürgin nur für die Verbindlichkeiten haftet, die bis zu ihrem Ausscheiden aus der Gesellschaft entstanden sind, entfällt (I 2). Auch der Auffassung (Larenz/Canaris, aaO. S. 19), der Kontokorrentkreditbürge werde das höhenmäßige Limit, das für die Hauptschuld regelmäßig bestehe, nach §§ 133, 157 BGB häufig als individualvertragliche Begrenzung seiner Einstandspflicht auffassen dürfen, so daß eine spätere Erhöhung desselben ihm gegenüber unwirksam sei, kann nicht gefolgt werden. Für eine stillschweigende Vereinbarung der begrenzten Einstandspflicht kann nicht genügen, daß die Bürgschaft anläßlich der Zusage, Erweiterung oder Prolongierung eines konkreten Darlehens übernommen wurde, wenn die formularmäßige Zweckerklärung alle Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung umfaßt (Berninghaus BB 1986, 206, 210; Bydlinski WM 1992, 1301, 1306; Graf v. Westphalen WM 1984, 1589, 1590; ders., in: Löwe/Graf v. Westphalen/Trinkner, Großkommentar zum AGB-Gesetz Bd. III 2. Aufl. Broschüre 36 Rdnr. 6; Scholz/Lwowski, Das Recht der Kreditsicherung 7. Aufl. Rdnr. 167; Rehbein, Festschrift für Heinsius S. 659, 675; Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 4 Rdnr. 15). Äußere Umstände der Sicherstellung - wie z.B. deren Anlaß - können zwar die Erwartungen des Sicherungsgebers beeinflussen und - wenn diese durch eine AGB-Klausel enttäuscht werden - zur Anwendung des § 3 AGBG führen; sie können aber nicht einseitige Zweckvorstellungen in den Rang einer (individual-)vertraglichen Vereinbarung erheben und dadurch eine AGB-Klausel unterlaufen, in der ausdrücklich etwas anderes geregelt wird.
2. Eine formularmäßige Bürgschaftserklärung, mit der die Haftung auf alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten des Hauptschuldners aus einer bankmäßigen Geschäftsbeziehung erweitert wird, kann überraschend sein - mit der Folge, daß sie nicht Vertragsbestandteil geworden ist (§ 3 AGBG) -, wenn die Bürgschaft aus Anlaß der Gewährung eines Kontokorrentkredits übernommen wird.
a) Dem Umstand, daß die Zweckerklärung die gesicherten Forderungen umschreibt - also, wenn man sie als Einheit begreift, nicht eine Nebenabrede, sondern einen wesentlichen Teil der Bürgschaftsvereinbarung darstellt (BGH, Urt. v. 14. November 1991 - IX ZR 20/91, WM 1992, 177, 178 m.w.N.; v. 30. März 1995 - IX ZR 98/94, z.V.b. - S. 5 des Umdrucks) - kommt für den Anwendungsbereich des § 3 AGBG keine Bedeutung zu. Dieser wird durch § 8 AGBG nicht eingeschränkt (BGHZ 109, 197, 200).
b) Überraschenden Charakter hat eine Regelung in allgemeinen Geschäftsbedingungen dann, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Die Erwartungen des Vertragspartners werden dabei von allgemeinen und von individuellen Begleitumständen des Vertragsschlusses bestimmt (BGHZ 102, 152, 158 f; 109, 197, 201; 126, 174, 176; BGH, Urt. v. 21. November 1991 - IX ZR 60/91, WM 1992, 135, 137; v. 17. März 1994 - IX ZR 102/93, WM 1994, 784, 785). Zu den allgemeinen Begleitumständen zählen der Grad der Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht und die für den Geschäftskreis übliche Gestaltung. Zu den besonderen Begleitumständen gehören der Gang und der Inhalt der Vertragsverhandlungen sowie der äußere Zuschnitt des Vertrages (BGH, Urt. v. 21. November 1991 - IX ZR 60/91, aaO.).
Nach der vom Senat bisher vertretenen Ansicht ist eine Klausel in Formularverträgen von Banken und Sparkassen nicht überraschend, durch die ein Bürge alle bestehenden und künftigen Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung gegen den Hauptschuldner absichert, obwohl Anlaß, die Bürgschaft zu übernehmen, nur ein bestimmter Anspruch des Kreditinstituts gegen den Hauptschuldner war. Nicht überraschend ist danach ferner eine Klausel, nach der für alle Verbindlichkeiten aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung ohne jede betragsmäßige Beschränkung gehaftet wird. Das galt insbesondere für Kontokorrentkreditbürgschaften (vgl. BGH, Urt. v. 6. Dezember 1984 - IX ZR 115/83, WM 1985, 155, 156 f; v. 7. November 1985 - IX ZR 40/85, WM 1986, 95, 96 f; v. 4. Juni 1987 - IX ZR 31/86, WM 1987, 924, 925; v. 22. September 1987 - IX ZR 220/86, WM 1987, 1430, 1431; v. 16. Januar 1992 - IX ZR 113/91, WM 1992, 391, 392; v. 17. März 1994 - IX ZR 102/93, WM 1994, 784). Zur Begründung hatte der Senat ausgeführt, es gehöre gemäß § 765 Abs. 2 BGB zu den Regelfällen des Gesetzes, daß eine Bürgschaft auch für künftige, der Höhe nach nicht feststehende Forderungen gegen den Hauptschuldner übernommen werden könne; keine der Vorschriften der §§ 765 ff BGB, insbesondere auch nicht § 767 BGB, sehe die Beschränkung der Bürgschaft auf einen bestimmten Höchstbetrag vor, wenn sie von vornherein für künftige, aus einer bestimmten Geschäftsverbindung entstehende Ansprüche übernommen worden sei; angesichts dieser gesetzlichen Regelung und des damit verfolgten Zwecks der einseitigen Sicherung des Gläubigers könne der Bürge nicht deshalb geschützt, befreit oder sonst entlastet werden, weil er die Globalbürgschaft aus Anlaß der Begründung oder Verlängerung einer bestimmten Verbindlichkeit des Hauptschuldners übernommen habe.
c) An dieser Rechtsprechung - die in der Literatur teils Zustimmung (Bruchner WuB I F 1 a. - 6.86; Eyles WiB 1994, 523 f; Fischer EWiR 1985, 83, 84; Graf v. Lambsdorff/Skora, aaO. Rdnr. 43 ff; Graf v. Westphalen WM 1984, 1589, 1590 f; ders., in: Löwe/Graf v. Westphalen/Trinkner, aaO. Broschüre 36 Rdnr. 9; Scholz/Lwowski, aaO. Rdnr. 349; Rehbein, Festschrift für Werner 1984 S. 697, 702; ders. JR 1985, 506, 507; ders., Festschrift für Heinsius S. 659, 672; BuB/Schröter, Rdnr. 4/1029 ff; wohl auch Bülow, Recht der Kreditsicherheiten 3. Aufl. Rdnr. 92), teils Ablehnung (Bydlinski WM 1992, 1301, 1306; Derleder NJW 1986, 97, 100; Horn EWiR 1986, 671, 672; ders., in: Festschrift für Merz S. 217, 222; ders., in: Staudinger/Horn § 765 Rdnr. 10, 12; Lindacher, in: Wolf/Horn/Lindacher, § 3 Rdnr. 28; ders. JR 1984, 333, 334; Pecher, in: MünchKomm-BGB, § 765 Rdnr. 12; Reinicke/Tiedtke, Kreditsicherung 3. Aufl. S. 344 ff; dies. JZ 1985, 485, 486; dies. JZ 1986, 426, 429 ff; Rimmelspacher WuB I F 1 a. - 9.90; Thelen DB 1991, 741 ff; Tiedtke EWiR 1994, 761, 762; ders. ZIP 1994, 1237, 1241; ders. ZIP 1995, 521, 532; Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 3 Rdnr. 37; Hj. Weber, Kreditsicherheiten 4. Aufl. S. 76; nunmehr auch Rehhbein WuB I F 1 a. - 10.94) erfahren hat - hält der Senat nicht fest.
Anders als bisher entnimmt der Senat dem § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB das Erfordernis einer Begrenzung der Bürgschaft. Die Vorschrift bestimmt, daß die Bürgenverpflichtung nicht durch ein Rechtsgeschäft erweitert wird, das der Hauptschuldner nach Übernahme der Bürgschaft vornimmt. Diese Regelung ist nicht lediglich dann anzuwenden, wenn eine Begrenzung konkret vereinbart ist. Vielmehr setzt das Gesetz zum Schutze des Bürgen neben der Bestimmtheit der zu sichernden Forderungen eine summenmäßige Begrenzung der Bürgschaft als selbstverständlich voraus. Auf diese Weise soll verhindert werden, daß Hauptschuldner und Gläubiger den Umfang der Bürgschaft eigenmächtig ausweiten. Eine unbegrenzte Ausdehnung der Haftung durch rechtsgeschäftliches Handeln anderer widerspricht dem elementaren Schutz der Privatautonomie des Bürgen (Horn, Festschrift für Merz S. 217, 225; Wolf, in: Wolf/Horn/Lindacher, § 9 Rdnr. B 214). Mit einer derartigen Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht rechnet dieser im allgemeinen nicht. Da die Bankverbindung eine inhaltlich offene Geschäftsbeziehung darstellt, reicht die sachliche Beschränkung der Bürgenhaftung auf Forderungen aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung zum Schutz des Bürgen nicht aus (Staudinger/Horn, § 765 Rdnr. 10, 12; Pecher, in: MünchKomm-BGB, § 765 Rdnr. 12).
Soweit die Erwartungen des Bürgen nicht durch das gesetzliche Leitbild, sondern durch Gang und Inhalt der Vertragsverhandlungen bestimmt werden, schließt sich der Senat der Rechtsprechung des V. und XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes an. Diese Senate halten bei Sicherungsgrundschulden für Tilgungsdarlehen die formularmäßige Erweiterung der dinglichen Haftung auf alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten des Dritten grundsätzlich insoweit für überraschend, als sie über den Anlaß des Sicherungsvertrages hinausgehen (BGHZ 83, 56, 59 f; 100, 82, 85 f; 102, 152, 160 ff; 103, 72, 80; 106, 19, 23 f; 109, 197, 201; BGH, Urt. v. 18. Februar 1992 - XI ZR 126/91, NJW 1992, 1822; v. 14. Juli 1992 - XI ZR 256/91, WM 1992, 1648, 1649; v. 28. März 1995 - XI ZR 151/94, WM 1995, 790, 791). Dieser "Anlaßrechtsprechung" ist der XI. Zivilsenat auch für den Fall einer Bürgschaft zur Sicherung eines Tilgungskredits gefolgt (BGHZ 126, 174, 176 ff). Ihm ist darin recht zu geben, daß auch der Bürge, der sich aus Anlaß eines bestimmten, der Höhe nach begrenzten Kredits verbürgt, nicht mit einer Formularklausel zu rechnen braucht, wonach die Bürgschaft sich - ohne summenmäßige Beschränkung - auf alle bestehenden und künftigen Forderungen aus der Bankverbindung erstreckt (ebenso Horn, Festschrift für Merz S. 217, 222; Tiedtke, ZIP 1994, 1237, 1240 f).
Allerdings kann die in § 3 AGBG vorausgesetzte Überraschung nicht eintreten, wenn sich der Bürge bei der Übernahme der Bürgschaft die Höhe der Schulden, für die er einzustehen verspricht, nicht konkret vorstellt. Wenigstens der Größenordnung nach muß sich der Bürge insoweit Gedanken gemacht haben. Hat er es daran fehlen lassen, hat er sich z.B. blindlings für alle Verbindlichkeiten des Hauptschuldners verbürgen wollen, wird er schwerlich überrascht, wenn die Haftung durch eine Nebenabrede auch auf die künftigen Schulden erstreckt wird (dann kann freilich immer noch eine unangemessene Benachteiligung nach § 9 AGBG vorliegen). Anders ist es indessen, wenn sich der Bürge bei der Abgabe der Bürgschaftserklärung an der Gewährung eines bestimmten Kredits oder an der Erweiterung eines bestehenden Kredits um einen bestimmten Betrag oder an der Prolongierung eines bestimmten Kredits ausrichtet und dies auch darf.
An dieser Beurteilung ändert sich nichts Wesentliches, wenn der Kredit, der den konkreten Anlaß für die Verbürgung bildet, in laufender Rechnung (im Kontokorrent) gewährt wird. Es liegt zwar in der Natur eines Kontokorrentkredits, daß die künftige Höhe der Hauptschuld erst jeweils durch die Rechnungsabschlüsse bestimmt wird. Der Bürge, der einen derartigen Kredit besichert, weiß also, daß er für künftige Forderungen einstehen muß. Kontokorrentkredite sind in der Praxis immer durch das sogenannte Kreditlimit (auch Kreditlinie genannt) begrenzt. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte braucht der Bürge nicht damit zu rechnen, daß er über die im Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaft bestehende Kreditlinie hinaus für die Verbindlichkeiten des Hauptschuldners einzustehen hat. Denn durch diese Kreditlinie hat die kreditgebende Bank ihr Risiko - nicht anders als bei einem in gleicher Höhe ausgegebenen Tilgungskredit - auf einen bestimmten Betrag begrenzt. Über diesen Betrag hinaus hat der Kreditnehmer keinen Kreditgewährungsanspruch.
Allerdings hat der erkennende Senat in früheren Entscheidungen die Auffassung vertreten, der Bürge, der eine Bürgschaft für einen betragsmäßig begrenzten Kontokorrentkredit übernommen habe, müsse mit der Ausweitung des Kredits rechnen (Urt. v. 7. November 1985 - IX ZR 40/85, WM 1986, 95, 97), der Bürge hafte insbesondere für im Rahmen des Üblichen liegende Überschreitungen des Kreditlimits (Urt. v. 22. September 1987 - IX ZR 220/86, WM 1987, 1430, 1431). Diese Erwägungen schließen den überraschenden Charakter der weiten Zweckerklärung indes nicht aus. Es kann auch nicht argumentiert werden, wer sich für eine noch unsichere künftige Schuld verbürge, müsse damit rechnen, daß sich seine Haftung auch auf höhere Forderungen, als zunächst absehbar, erstrecken könne (so Fischer EWiR 1985, 83, 84; ähnlich Rehbein, Festschrift für Werner S. 697, 702; ders., Festschrift für Heinsius S. 659, 672; ders. JR 1985, 506, 507). "Unsicher" ist die Höhe der verbürgten Schuld nur innerhalb des durch das Kreditlimit gesetzten Rahmens. Wenn in der Bankpraxis Überschreitungen dieses Rahmens hingenommen werden, liegt darin die Gewährung eines weiteren Kredits. Dazu ist der Kreditgeber nicht verpflichtet. Gibt er den Kredit dennoch und verzichtet er dabei auf die Beschaffung einer neuen Zweckerklärung, die den zusätzlichen Kredit mit abdeckt, dann mag dies häufig seinen Grund mit darin haben, daß der Kreditgeber/Sicherungsnehmer auf die (scheinbare) Absicherung durch die weite Zweckerklärung des Sicherungsgebers vertraut. Dieses Vertrauen des Klauselverwenders zu Lasten des Vertragspartners wäre vielleicht schutzwürdig, wenn die großzügige Handhabung des Kreditlimits durch die Banken und der Zusammenhang mit der gerade bei der Besicherung von Kontokorrentkrediten verbreiteten Klausel allgemein bekannt wären. Das ist nicht der Fall. Die weite Zweckerklärung verliert ihre überraschende Wirkung deshalb allenfalls für diejenigen Personen, die mit der Bankpraxis vertraut sind, nicht aber für solche, die nicht laufend Kontokorrentkreditbürgschaften übernehmen (vgl. BGHZ 126, 174, 178; Lindacher, in: Wolf/Horn/Lindacher, § 3 Rdnr. 28; Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 3 Rdnr. 36).
d) Die formularmäßige Erweiterung der Bürgenhaftung für alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten einer Gesellschaft wird regelmäßig den Bürgen nicht überraschen, der als Geschäftsführer, Allein- oder Mehrheitsgesellschafter der Hauptschuldnerin Art und Höhe ihrer Verbindlichkeiten bestimmen kann. Er bedarf des Schutzes des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht (vgl. BGHZ 100, 82, 85; 126, 174, 177; BGH, Urt. v. 20. Februar 1987 - V ZR 249/85, WM 1987, 586, 587; Horn, Festschrift für Merz S. 217, 225; Pecher, in: MünchKomm-BGB, § 765 Rdnr. 12; Reinicke/Tiedtke JZ 1985, 485, 486; dies. JZ 1986, 426, 430). Für einen Kommanditisten, dessen Stellung innerhalb der Gesellschaft dem gesetzlichen Leitbild entspricht, gilt etwas anderes. Er hat keine Möglichkeit, das Risiko einer Krediterweiterung durch die Geschäftsführung so rechtzeitig zu erkennen, daß er die Bürgschaft noch kündigen und damit seine Haftung für den zusätzlichen Kredit ausschließen kann (vgl. auch Lindacher, in: Wolf/Horn/Lindacher, § 3 Rdnr. 28). Er darf deshalb darauf vertrauen, durch § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB geschützt zu sein und für keine anderen und höheren (gegenwärtigen und zukünftigen) Verbindlichkeiten der Gesellschaft einstehen zu müssen als die, die ihn zur Übernahme der Bürgschaft veranlaßt haben.
Die Möglichkeit, den Kredit zu kündigen, kann zwar bei einem Individualvertrag zu einer interessengerechten Lösung führen (s.o. 1 b); bei einer überindividuell-generalisierenden Betrachtungsweise - wie sie bei der Prüfung von AGB-Klauseln geboten ist (BGHZ 83, 169, 177; 105, 24, 31; BGH, Urt. v. 11. Mai 1995 - IX ZR 170/94, z.V.b. - S. 8 des Umdrucks; Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 1 Rdnr. 78) - vermag die Kündigungsmöglichkeit jedoch die unangemessenen Folgen einer überraschenden Zweckerweiterungsklausel nicht zu verhindern. Zum einen müßten Bürgen regelmäßig die Möglichkeit der Kündigung kennen. Das ist bei Rechtsunkundigen häufig nicht der Fall. Zum anderen kommt eine Kündigung oft zu spät, weil die Kreditausweitung bereits vollzogen ist, ehe der Bürge darauf aufmerksam wird (Horn EWiR 1986, 671, 672; Pecher, in: MünchKomm-BGB, § 765 Rdnr. 12).
e) Im vorliegenden Fall kann die überraschende Wirkung der weiten Zweckerklärung nicht abschließend beurteilt werden. Was die Beklagte bewogen hat, sich für die KG zu verbürgen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Es heißt zwar im Tatbestand des Berufungsurteils, die Bürgschaftserklärung sei "im Rahmen dieser Firmenumwandlung (nach dem Tode des persönlich haftenden Gesellschafters war die KG in eine GmbH & Co. KG umgewandelt worden; die Kinder des früheren persönlich haftenden Gesellschafters, darunter die Beklagte, waren neben ihrer Mutter, die schon bisher Kommanditistin gewesen war, Kommanditisten geworden) und der dazu mit der Klägerin geführten Finanzierungsgespräche" unterzeichnet worden. Ob aber nun die Umwandlung der Gesellschaft oder die Gewährung, Erweiterung oder Prolongierung eines bestimmten Kredits für die Klägerin der Anlaß gewesen ist, von der Beklagten (wie auch von ihren Geschwistern) eine Bürgschaft zu verlangen, steht damit nicht fest. Nach dem Vortrag der Beklagten hat die Klägerin anläßlich der Umstrukturierung der Kommanditgesellschaft die Kommanditisten einbestellt; diese hätten dann routinemäßig vorbereitete und gleichlautende Bürgschaftsurkunden unterschrieben, ohne daß irgendwelche Erläuterungen und Erklärungen abgegeben worden seien. Das könnte gegebenenfalls dafür sprechen, daß die Beklagte sich hinsichtlich des Umfanges der gesicherten Forderungen keine konkreten Vorstellungen gemacht hat, daß ihr Art, Anzahl und Höhe der Verbindlichkeiten, für die sie sich verbürgte, gleichgültig waren. Eine solche Einstellung wäre für einen Gesellschafter, der sich für die Schulden der Gesellschaft verbürgt, nicht untypisch. Den Vorstellungen der Beklagten braucht jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden.
3. Denn die Erstreckung der Bürgschaft auf alle - auch die zukünftigen - Forderungen aus der Bankverbindung ohne summenmäßige Beschränkung ist wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam.
a) Die weite Zweckerklärung unterliegt der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz.
Allerdings hat der Senat das früher verneint, weil § 8 AGBG entgegenstehe (Urt. v. 6. Dezember 1984 - IX ZR 115/83, WM 1985, 155, 156; v. 7. November 1985 - IX ZR 40/85, WM 1986, 95, 96; v. 4. Juni 1987 - IX ZR 31/86, WM 1987, 924). Danach gilt § 9 AGBG nur für Allgemeine Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Nach der damaligen Auffassung des Senats haben die Parteien mit der Vereinbarung der weiten Zweckerklärung nur von einer Möglichkeit Gebrauch gemacht, die § 765 BGB zuläßt; sie sind von dieser Vorschrift weder abgewichen, noch haben sie sie ergänzt. Daran hält der Senat nicht fest. Wie oben bereits ausgeführt, wird vom gesetzlichen Leitbild des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB abgewichen, wenn sich jemand ohne Beschränkung für die künftigen Verbindlichkeiten eines anderen verbürgt. Die weite Bürgschaftsverpflichtung beschreibt nicht lediglich eine Hauptleistungspflicht (vgl. BGHZ 106, 42, 46; 116, 117, 119). Dies träfe nur dann zu, wenn die Zweckerklärung unteilbar wäre. Angesichts der verschiedenen Forderungen, für die danach gebürgt wird, kann davon nicht ausgegangen werden. Die Hauptleistung des Bürgen besteht in der Übernahme der Bürgschaft für die Forderung, deren Sicherung den Anlaß für die Eingehung der Bürgschaftsverpflichtung gebildet hat. Die Abrede, daß die Bürgschaft sich auch auf andere - bereits bestehende und künftig noch entstehende - Verbindlichkeiten des Hauptschuldners erstrecke, stellt eine formularmäßig getroffene Nebenabrede dar, welche die Hauptverpflichtung des Bürgen erweitert. Ob die Haupt- und die Nebenverpflichtung in dem Bürgschaftsvertrag zusammengefaßt oder getrennt ausgewiesen werden, ist Zufall. Davon darf nicht abhängen, ob eine Inhaltskontrolle zulässig ist oder nicht (ähnlich: Berninghaus DB 1986, 206, 211; Brandner, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 8 Rdnr. 10; Derleder NJW 1986, 97, 100; Tiedtke ZIP 1994, 1237, 1242; ders. ZIP 1995, 521, 532; Wolf, in: Wolf/Horn/Lindacher, § 8 Rdnr. 26 und § 9 Rdnr. S 96).
b) Die formularmäßige Ausdehnung der Bürgenhaftung über die Forderung hinaus, die Anlaß der Verbürgung war, auf alle gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten des Hauptschuldners ist mit der gesetzlichen Leitentscheidung des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB (s.o. 2 c) nicht zu vereinbaren (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG); zugleich schränkt sie wesentliche Rechte des Bürgen, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so ein, daß die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG). Aus beiden Gründen ist eine unangemessene Benachteiligung des Bürgen anzunehmen (Derleder NJW 1986, 97, 100; Horn, Festschrift für Merz S. 217, 225; Tiedtke ZIP 1994, 1237, 1242; ders. ZIP 1995, 521, 532; Wolf, in: Wolf/Horn/Lindacher, § 9 Rdnr. B 214 und S 96).
aa) Mit der weiten Zweckerklärung wird dem Bürgen zugemutet, ein unkalkulierbares Risiko zu übernehmen. Die Entstehung und ordnungsgemäße Tilgung neuer Schulden kann der Bürge nicht beeinflussen. Hat er dafür einzustehen, kann sich seine Haftung unversehens auf ein Vielfaches dessen belaufen, womit er schlimmstenfalls gerechnet hat. Dadurch droht ihm unter Umständen der Ruin. Vor diesen Folgen soll er durch § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB gerade bewahrt werden. Ohne sein Einverständnis soll er nicht Gefahr laufen, durch unkontrollierbare Maßnahmen Dritter - des Hauptschuldners und des Gläubigers - in eine unübersehbare Haftung zu geraten.
bb) Übernimmt eine Privatperson eine Bürgschaft, folgt die begrenzte Haftung zudem regelmäßig aus dem Vertragszweck. Das in § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG enthaltene Verbot soll verhindern, daß vertragswesentliche Rechte und Pflichten durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ausgehöhlt werden (BGHZ 89, 363, 367; BGH, Urt. v. 11. November 1992 - VIII ZR 238/91, NJW 1993, 335). Welche Rechtspositionen vertragswesentlich sind, richtet sich bei gesetzlich ausgeformten Verträgen nach dem gesetzlichen Typus. Der subjektive Erwartungshorizont der Vertragsparteien tritt daneben in den Hintergrund. Bei der Bürgschaft ist wegen § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB das Verbot der Fremddisposition vertragswesentlich.
c) Im Rahmen des § 9 AGBG ist der Anlaß der Verbürgung - anders als bei § 3 AGBG, der vorwiegend auf die subjektiven Zweckvorstellungen der Parteien abstellt - in erster Linie objektiv zu verstehen. Die unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 9 AGBG setzt deshalb nicht voraus, daß der Bürge bei der Abgabe seiner Erklärung einen - auch der Höhe nach - bestimmten Kredit vor Augen gehabt hat. Sogar ein Bürge, der pauschal und unreflektiert für "die Verbindlichkeiten" des Hauptschuldners einstehen will, wird unangemessen benachteiligt, wenn ihm formularmäßig angesonnen wird, für andere Schulden als jene, die objektiv Anlaß der Verbürgung waren, mitzuhaften.
Objektiver Anlaß ist das aktuelle Sicherungsbedürfnis des Gläubigers unter Wahrung des Verbots der Fremddisposition. Sichert die Bürgschaft einen Tilgungskredit, bildet dieser - soweit er im Zeitpunkt der Verbürgung (noch) besteht - den objektiven Anlaß. Wird ein Kontokorrentkredit besichert, tritt an die Stelle der Kreditschuld das im Zeitpunkt der Verbürgung geltende Kreditlimit. Es ist mit dem gesetzlichen Leitbild des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB und dem Vertragszweck nicht zu vereinbaren, daß der Bürge aufgrund formularmäßiger Haftungserweiterung für neue Kredite einstehen soll, die der Kreditgeber unter Überschreitung der im Zeitpunkt der Verbürgung abgesprochenen Kreditlinie ohne Zutun des Bürgen ausreicht. Das gleiche gilt, falls die bisherige Kontobeziehung zwischen Gläubiger und Hauptschuldner endet und eine neue begründet wird, für Verbindlichkeiten aus der neuen Kontobeziehung; für sie haftet der Bürge nicht. Das betrifft insbesondere den Fall der Umschuldung. Daß diese sich innerhalb derselben bankmäßigen Geschäftsverbindung vollzieht, ändert daran nichts.
Da es - wie im vorstehenden dargelegt - für die Anwendung des § 9 AGBG nicht auf die konkreten Vorstellungen des Bürgen ankommt, gelangt der Senat bereits aufgrund des festgestellten Sachverhalts zu dem Ergebnis, daß die weite Zweckerklärung die Beklagte unangemessen benachteiligt.
4. Daß die formularmäßige Ausdehnung der Bürgenhaftung auf alle Forderungen aus der Bankverbindung nicht Bestandteil des Vertrages geworden ist, hat im vorliegenden Fall nicht dessen Unwirksamkeit zur Folge. Die Zweckerklärung ist vielmehr in der Form aufrechtzuerhalten, daß die Bürgschaft alle bestehenden und künftigen, auch bedingten und befristeten Forderungen der Beklagten gegen die Hauptschuldnerin aus dem Kreditverhältnis sichert, wie es bei Abgabe der Bürgschaftserklärung bestand. Entscheidend ist somit grundsätzlich das damalige Kreditlimit.
a) Der Gesetzgeber hat sich in § 6 Abs. 1 AGBG im Grundsatz dafür entschieden, daß sich - abweichend von § 139 BGB - die Rechtsfolgen der AGB-Kontrolle auf die jeweils betroffenen Klauseln oder Klauselteile beschränken. Zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel oder gar des ganzen Vertrages unter Einschluß auch der durch die AGB-Kontrolle nicht unmittelbar betroffenen Teile soll es - ausnahmsweise - nur dann kommen, wenn das Festhalten an der - eventuell nach § 6 Abs. 2 AGBG ergänzten - Regelung für einen der Vertragspartner unzumutbar ist (§ 6 Abs. 3 AGBG).
Nach Beanstandung einer AGB-Klausel oder eines Klauselteils setzt die Aufrechterhaltung des Vertrages im übrigen allerdings grundsätzlich voraus, daß das Klauselwerk in einen zulässigen und einen unzulässigen Teil aufgespalten werden kann. Dafür wurde verlangt, daß eine Zerlegung in jeweils für sich verständliche und sinnvoll voneinander trennbare Bestandteile möglich ist (vgl. BGHZ 93, 29, 37, 48 ff; 106, 19, 25 ff).
b) Inhaltlich und gegenständlich ist die vorliegende Zweckerklärung ohne weiteres teilbar (s.o. 3 a). Demgegenüber ist eine vollständige sprachliche Teilung nicht möglich. Eine Beschränkung der Bürgenhaftung auf den Kontokorrentkredit mit dem Limit, wie es bei Übernahme der Bürgschaft bestand, läßt sich insbesondere nicht durch Streichung des Wortes "zukünftige" bewerkstelligen. Denn dadurch bliebe die Haftung für gegenwärtige Forderungen, die nicht den "Anlaß" für die Bürgschaftsübernahme gebildet haben, aufrechterhalten; ferner entfiele die Haftung für künftige Forderungen aus dem Kontokorrentverhältnis, selbst wenn das Kreditlimit nicht überschritten würde. Einerseits ginge die Streichung also nicht weit genug, andererseits zu weit.
Obwohl eine einwandfreie Fassung der Klausel nicht durch Weglassen einzelner Teile, sondern nur durch eine Umformulierung erreicht werden kann, handelt es sich um keine unzulässige geltungserhaltende Reduktion (vgl. aber BGHZ 106, 19, 26 m.w.N.; BGH, Urt. v. 6. April 1989 - III ZR 281/87, NJW 1989, 1796, 1798; Beschl. v. 24. März 1992 - XI ZR 205/91, BGHR AGBG § 6 Abs. 1 - Teilunwirksamkeit 4; vgl. ferner Lindacher, in: Wolf/Horn/Lindacher, § 6 Rdnr. 34, H. Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 6 Rdnr. 13). Eine solche hat der Bundesgerichtshof bisher nur in bezug auf einzelne Klauseln für unzulässig gehalten, wenn deren Wegfall den Bestand des Vertrages, insbesondere der Hauptleistungspflichten, unberührt ließ (vgl. BGHZ 84, 109, 114 f; 90, 69, 73; 92, 312, 314 f; 106, 259, 267; 115, 324, 327). Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion hat er dabei mit dem Zweck des AGB-Gesetzes gerechtfertigt. Dieses soll den Vertragspartner des Verwenders vor unbilligen Klauseln schützen und darauf hinwirken, daß der Inhalt Allgemeiner Geschäftsbedingungen den beiderseitigen Interessen gerecht wird. Dem würde es zuwiderlaufen, wenn es zugelassen würde, daß der Verwender bei der Aufstellung seiner Konditionen unbedenklich über die Grenze des Zulässigen hinausgehen dürfte, ohne mehr befürchten zu müssen, als daß das Gericht die Benachteiligung seines Geschäftspartners auf ein gerade noch zulässiges Maß zurückführt. Darum geht es hier nicht. Die Umformulierung der Klausel soll im Gegenteil dazu dienen, daß der Vertrag einen Leistungsinhalt behält, und zwar genau denjenigen, der den Vorstellungen des Bürgen bei der Abgabe der Bürgschaftserklärung entspricht, so daß seine berechtigten Interessen voll berücksichtigt werden. Die Totalnichtigkeit der Bürgschaft wäre - gemessen am Schutzzweck des AGB-Gesetzes - eine überschießende Rechtsfolge (so auch Bydlinski WM 1992, 1301, 1306).
Wenn eine gegenständliche Teilbarkeit der Klausel ausreicht, um § 8 AGBG auszuschalten und so eine Inhaltskontrolle überhaupt erst zu ermöglichen (s.o. 3 a), ist es nur folgerichtig, diese Art der Teilbarkeit auch für die Anwendung von § 6 Abs. 1 AGBG ausreichen zu lassen. Insoweit kommt es ebenfalls nicht auf die - oft genug zufällige - sprachliche Gestaltung an. Um die Übernahme der Bürgschaft für die Forderung, deren Sicherung den Anlaß für die Verbürgung gebildet hat, und die Erstreckung der Bürgschaft auf alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten des Hauptschuldners sprachlich auseinanderzuhalten, hätte es genügt, die Zweckerklärung dementsprechend in zwei Sätze zu gliedern. In dem Falle stünde außer Frage, daß der die Hauptverpflichtung betreffende Teil der Zweckerklärung nach Ausscheiden des anderen Teils bestehen und die Bürgschaft als solche wirksam bleiben kann. Deshalb ist es auch nicht zum Schutze des Bürgen verboten, dasselbe Ergebnis durch Umformulierung einer einheitlichen Klausel zu bewirken. Die Umformulierung reduziert nicht eine unzulässige Regelung auf das gerade noch zulässige Maß; sie macht nur deutlich, welcher Teil zulässig ist und welcher nicht. Selbst bei formalem, sprachlichem Zusammenhang liegen in diesen Fällen aus materieller, auf den selbständigen Regelungsinhalt abstellender Sicht mehrere Bestimmungen vor, die jeweils einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung zugänglich sind. Deren Rechtsfolgen erfassen dann nur die zu beanstandende Bestimmung (H. Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 6 Rdnr. 12; vgl. auch Lindacher, in: Wolf/Horn/Lindacher, § 6 Rdnr. 34). Demgemäß hat der Bundesgerichtshof auch bisher schon Klauseln teilweise aufrechterhalten, obwohl diese nicht durch Streichung des beanstandeten Teiles aufgespalten werden konnten (vgl. BGHZ 106, 19, 25; 109, 197, 203; BGH, Urt. v. 18. Januar 1989 - VIII ZR 142/88, WM 1989, 538, 540).
5. Ob - wie die Revision vorbringt - neben der weiten Zweckerklärung noch andere Teile des Klauselwerks aufgrund einer AGB-rechtlichen Überprüfung zu beanstanden sind, kann dahinstehen. Gegebenenfalls wären nur diese Teile, nicht aber der Vertrag insgesamt unwirksam. Der Meinung der Revision, Klauselwerke, die in mehreren Teilen einseitige und überzogene Regelungen zugunsten des Verwenders enthielten und gleichzeitig Schutzinteressen des anderen Vertragsteils verletzten, deuteten auf ein besonders starkes vertragliches Ungleichgewicht hin, damit sei eine teilweise Aufrechterhaltung des Vertrages gemäß § 6 Abs. 1 AGBG nicht möglich, vermag der Senat nicht zu folgen. Solange der Vertrag gegenständlich teilbar ist, die Ausgrenzung der zu beanstandenden Teile den für den Vertragsschluß objektiv wesentlichen Kernbestand unberührt läßt und nicht § 6 Abs. 3 AGBG eingreift, ist dem Anliegen des AGB-Gesetzes genügt. Für weitergehende Sanktionen besteht kein Anlaß.
III. Für ein Grundurteil ist es ausreichend, aber auch erforderlich, daß der geltend gemachte Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit wenigstens teilweise besteht (BGHZ 53, 17, 23; BGH, Urt. v. 5. Dezember 1978 - VI ZR 185/77, VersR 1979, 281, 282). Infolge der mit diesem Urteil vollzogenen Änderung der Rechtsprechung müssen die Parteien noch Gelegenheit haben, dazu vorzutragen. Es ist nicht auszuschließen, daß die Beklagte geltend machen wird, die von der Klägerin behaupteten Schuldsalden gingen in vollem Umfang auf die Kreditgewährung vom Januar 1986 oder eine Umschuldung zurück. Da nicht festgestellt ist, wie hoch sich das der Hauptschuldnerin eingeräumte Kreditlimit zum Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme belief und ob Verbindlichkeiten, für welche die Beklagte einzustehen hatte, heute noch offen sind, kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben (§ 564 Abs. 1 ZPO).
C. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie weiterer Aufklärung bedarf (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Falls die Beklagte entsprechend vortragen sollte (s.o. B III), wird das Berufungsgericht zunächst festzustellen haben, welches Kreditlimit am 18. Januar 1984 für das Kontokorrentkonto der KG bestand. Sollte das Kreditlimit niedriger gewesen sein, als die Beklagte die Bürgschaft kündigte, ist das niedrigere Limit entscheidend. Falls die KG bei Beendigung des Kontokorrents (spätestens mit Konkurseröffnung, vgl. BGHZ 70, 86, 93; 74, 253 ff) das maßgebliche Limit voll ausgeschöpft hatte, richtet sich die Bürgenverpflichtung danach, andernfalls nach der geringeren Hauptschuld. Weiter wird das Berufungsgericht aufklären müssen, ob die Hauptschuld, die bei Beendigung des Kontokorrents dem maßgeblichen Kreditlimit zugeordnet werden kann, heute mit großer Wahrscheinlichkeit wenigstens teilweise noch besteht oder ob sie - sei es durch Umschuldung, sei es durch Tilgung - erloschen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 2993340 |
BGHZ 130, 19 |
BGHZ, 19 |
BB 1995, 1708 |
DB 1995, 1855 |
NJW 1995, 2553 |
BGHR AGBG § 3 Bürgschaft 4 |
BGHR AGBG § 6 Abs. 1 Teilunwirksamkeit 5 |
BGHR AGBG § 9 Abs. 2 Nrn. 1 u. 2 Bürgschaft 1 |
BGHR BGB § 765 Sicherungsabrede 3 |
DRsp I(138)734a-c |
NJW-RR 1995, 1450 |
KTS 1995, 680 |
WM 1995, 1397 |
ZIP 1995, 1244 |
DNotZ 1996, 273 |
JuS 1997, 501 |
MDR 1996, 133 |
ZfBR 1995, 292 |
ZBB 1995, 298 |