Entscheidungsstichwort (Thema)
Untreue
Tenor
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 24. Juni 1998 werden verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten der Rechtsmittel und die durch die Revisionen entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten zu tragen.
– Von Rechts wegen –
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf der gemeinschaftlich begangenen Untreue in 297 Fällen (eigennützige Untreue in 166 Fällen und fremdnützige Untreue in 131 Fällen) freigesprochen. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft – die vom Generalbundesanwalt vertreten werden – haben keinen Erfolg.
I.
Eigennützige Untreue sollen die Angeklagten dadurch begangen haben, daß sie sich als Geschäftsführer mehrerer Nachfolgegesellschaften der Handelsorganisation (HO) der DDR aus dem Vermögen dieser Gesellschaften – zusätzlich zu ihrer Vergütung aus dem Arbeitsvertrag mit der Treuhandanstalt – für die Geschäftsführertätigkeit unberechtigt Honorare in Höhe von insgesamt über 1,5 Millionen DM bewilligt und zur Zahlung angewiesen haben.
Fremdnützige Untreue sollen sie dadurch begangen haben, daß sie Mitarbeitern der Treuhandanstalt bzw. der HO-Firmen für deren zusätzliche Beschäftigung bei HO-Firmen – neben deren bisherigem Gehalt – aus dem Vermögen der von ihnen geführten Gesellschaften unberechtigt Honorare von insgesamt über 800.000 DM bewilligt und ausbezahlt haben.
Das Landgericht hat zu den Anstellungsverträgen der Angeklagten bei der Treuhandanstalt festgestellt:
Der Angeklagte S schloß im Mai 1991 einen Anstellungsvertrag – ersichtlich einen Arbeitsvertrag – mit der Treuhandanstalt. Vorgesehen war eine Tätigkeit als Abteilungsleiter im Bereich Ordnungsmäßigkeit/Einhaltung Haushaltsvorschriften mit einem monatlichen Grundgehalt von zunächst 17.000 DM. Sein Anstellungsvertrag sah unter anderem vor, daß der Treuhandanstalt das Recht vorbehalten war, ihm innerhalb der Treuhandanstalt andere Aufgaben zu übertragen oder ihn in Niederlassungen zu versetzen.
Der Angeklagte F war aufgrund eines Vertrages – gleichfalls ersichtlich ein Arbeitsvertrag – mit der Treuhandanstalt vom 9. Februar 1991 als Leiter der Rechtsabteilung der Treuhand-Liegenschaften GmbH (TLG) abgeordnet. Sein monatliches Grundgehalt betrug – neben einer leistungsabhängigen jährlichen Prämie – zunächst 13.350 DM. Auch sein Anstellungsvertrag sah die Möglichkeit einer treuhandinternen Versetzung und einer entsprechenden Veränderung seines Arbeitsbereiches vor.
Ab Oktober 1992 übernahmen die Angeklagten zusätzlich die Geschäftsführung für mehrere Nachfolgegesellschaften der HO, die von der Treuhandanstalt in Einzelgesellschaften mit beschränkter Haftung umgewandelt worden war.
Weder bei der Geschäftsführerbestellung noch zu einem späteren Zeitpunkt wurden mit den Angeklagten schriftliche Geschäftsführerverträge abgeschlossen. Eine besondere Vereinbarung über die Vergütung der neuen Tätigkeit wurde nicht getroffen. Die in den ursprünglichen Verträgen mit der Treuhandanstalt festgelegten Bezüge wurden den Angeklagten jedoch von dieser weiterhin monatlich ausbezahlt.
II.
Die Verfahrensrügen genügen nicht den Anforderungen der Vorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Sachrügen sind unbegründet.
1. Die Freisprüche vom Vorwurf der eigennützigen Untreue lassen durchgreifende Rechtsfehler nicht erkennen.
Der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe macht deutlich, daß das Landgericht sich jedenfalls nicht vom Eintritt eines Vermögensschadens überzeugen konnte. Die Angeklagten hatten neben dem Arbeitsvertrag mit der Treuhandanstalt Geschäftsführer-Dienstverträge abgeschlossen. Weil das Landgericht nicht feststellen konnte, daß die aufgrund dieser Dienstverträge erbrachten Leistungen mit dem Arbeitsvertrags-Gehalt abgegolten sein sollten, stand den Angeklagten hierfür die übliche Vergütung zu. Eine solche hat das Landgericht rechtsfehlerfrei in den „Honorarzahlungen” gesehen; damit entfällt der Vermögensschaden.
a) Die Arbeitsverträge der Angeklagten mit der Treuhandanstalt wurden weder aufgehoben noch derart umgestaltet, daß die Angeklagten als Geschäftsführer aufgrund eines Dienstvertrages mit gleichbleibender Vergütung tätig wurden (vgl. zu dieser Problematik: BAG AP Nr. 2 zu § 611 BGB Gemischter Vertrag; BAG BB 1994, 287; NJW 1995, 675; NJW 1996, 1076; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG 16. Aufl. § 35 Rdn. 97a).
b) Eine Vereinbarung, daß das weiter gezahlte Gehalt aus dem Arbeitsvertrag auch alle Geschäftsführer-Vergütungen umfassen sollte, ist zur Überzeugung des Landgerichts nicht zustandegekommen. Damit war die Höhe der Geschäftsführer-Vergütung vertraglich nicht bestimmt (§ 612 Abs. 2 BGB). Die Dienstleistung als Geschäftsführer war dann aber den Umständen nach nur gegen eine – zusätzliche – Vergütung zu erwarten (§ 612 Abs. 1 BGB), denn die Angeklagten sollten zusätzliche und andersartige Dienstleistungen erbringen.
In Rechtsprechung (BAGE 19, 126; BAG 1982, 2139) und Literatur (Palandt/Putzo, BGB 58. Aufl. 1999 § 612 Anm. 4; Erman/Hanau, BGB 9. Aufl. 1993 § 612 Rdn. 2; Schaub in Münchener Kommentar BGB 3. Aufl. § 612 Rdn. 12; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG 16. Aufl. § 35 Rdn. 100) ist zudem anerkannt, daß § 612 BGB sogar dann entsprechend anwendbar ist, wenn ein Arbeitnehmer über den Rahmen des Arbeitsvertrages hinaus ohne zusätzlichen Dienstvertrag höherwertige Dienste geleistet hat, für die eine Vergütungsregelung fehlt, oder wenn eine in bestimmter Höhe gewährte Arbeitsvergütung nicht den vollen Gegenwert für die erbrachten Dienstleistungen darstellt, wenn etwa Mehrarbeit auf diese Weise vergütet werden soll.
Da den Angeklagten somit eine zusätzliche Vergütung für die Geschäftsführertätigkeit zustand, wurde den HO-Gesellschaften durch die vom Landgericht rechtsfehlerfrei als üblich angenommene Vergütung kein Nachteil zugefügt (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 33 m.w.N.; vgl. auch BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 36, 37).
2. Die Freisprüche vom Vorwurf der fremdnützigen Untreue haben ebenfalls Bestand.
a) Soweit das Landgericht angenommen hat, die Angeklagten seien zum Abschluß von Dienst- bzw. Beraterverträgen berechtigt gewesen, ist dies zumindest aus subjektiver Sicht nicht zu beanstanden.
Kr, Vorstandsmitglied der Treuhandanstalt, hatte gegenüber dem Angeklagten F sein Einverständnis mit der Anstellung von internen Mitarbeitern unter entsprechender Zusatzhonorierung erklärt. In einem weiteren Fall hatte ein für die betreffende HO-Nachfolgegesellschaft zuständiges Vorstandsmitglied, W, erklärt, er sei mit der Übernahme der Tätigkeit durch einen internen Mitarbeiter und auch mit einer zusätzlichen Vergütung einverstanden.
Aus dem in den Verträgen der Mitarbeiter enthaltenen Nebentätigkeitsverbot läßt sich keine Verpflichtung der Angeklagten herleiten, die Tätigkeit der Mitarbeiter von der Treuhandanstalt genehmigen zu lassen. Die Angeklagten konnten und durften deshalb davon ausgehen, daß die Treuhandanstalt – als Arbeitgeberin der von den Angeklagten zusätzlich beschäftigten Mitarbeiter – mit einer Nebenbeschäftigung ihrer Mitarbeiter bei den von den Angeklagten geführten HO-Nachfolgegesellschaften einverstanden war.
b) Daß das Landgericht die den Mitarbeitern gewährten Vergütungen angesichts der von ihnen geleisteten Arbeit als angemessen bewertet hat, nimmt der Senat hin.
Unterschriften
Harms, Häger, Nack, Tepperwien, Rothfuß
Fundstellen
Haufe-Index 541089 |
wistra 1999, 340 |
StV 2000, 485 |