Leitsatz (amtlich)
1. Der Inhaber eines Telefonanschlusses haftet nicht bereits deshalb für Patentverletzungen eines Dritten, weil dieser seine Telefonnummer in der Werbung als Anlaufadresse für die Anbahnung von Geschäften angegeben hat.
2. Die abhängige Erfindung bildet keinen eigenständigen Tatbestand der Patentverletzung.
Normenkette
PatG 1981 §§ 9, 14, 139
Verfahrensgang
OLG Dresden (Aktenzeichen 14 U 2732/96) |
LG Leipzig (Aktenzeichen 5 O 6723/94) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 9. September 1997 im Kostenpunkt mit Ausnahme der Kostenentscheidung zum dort für erledigt erklärten Teil des Verfahrens und hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten zu 4 zu Schadensersatz, Rechnungslegung und Vernichtung vollen Umfangs sowie hinsichtlich der Beklagten zu 1 bis 3 und 5 wegen der auf den Klageantrag zu 1 zurückbezogenen Verurteilungen nach den Klageanträgen zu 3, 5 und 6 (betreffend Verletzungsform II) (Urteilsformel des landgerichtlichen Urteils vom 25. Oktober 1996 zu 3, 5 und 6) aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird unter gleichzeitiger entsprechender Abänderung des landgerichtlichen Urteils die gegen die Beklagte zu 4 gerichtete Klage abgewiesen.
Im übrigen wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin war eingetragene Inhaberin des am 5. Februar 1979 angemeldeten deutschen Patents 29 54 134 (Klagepatent), das eine Räumleiste für den Räumschild eines Schneepfluges betrifft. Die erfindungsgemäße Räumleiste ist sandwichartig aufgebaut. Bei ihr findet sich zwischen zwei an den äußeren Seiten angeordneten Stahlplatten ein Zwischenstück aus einem elastischeren Material (Gummi oder Kunststoff), in das Körner eines härteren Materials eingelagert sind. Anspruch 1 des Klagepatents lautet:
„Räumleiste für den Räumschild eines Schneepfluges, bestehend aus einem beidseitig an der Oberfläche mit Stahlplatten verstärkten Gummi oder Kunststoffkörper, dessen Oberkante an der Unterkante des Räumschildes befestigt ist,
dadurch gekennzeichnet,
daß in den Gummi- oder Kunststoffkörper (4) Hartstoffkörner (10) aus hartem und sprödem Material eingebettet sind.”
Wegen der weiteren Patentansprüche wird auf die Klagepatentschrift Bezug genommen.
Der Aufbau des patentgemäßen Räumschildes ergibt sich aus der nachstehenden, der Patentschrift entnommenen Schemazeichnung, die einen Schnitt durch den Schild parallel zu seiner Schmalseite wiedergibt:
Die Klägerin ist ferner Inhaberin des deutschen Patents 34 04 030, das ebenfalls einen derartigen Räumschild zum Gegenstand hat. Bei diesem sind in der mittleren Schicht statt der Körner Stäbe aus härterem Material eingelagert. Der Aufbau eines diesem Patent entsprechenden Schildes ergibt sich aus der nachstehenden, der Patentschrift entnommenen Zeichnung, die ein Ausführungsbeispiel nach der Lehre dieses Schutzrechts wiedergibt.
Eine gegen das Klagepatent gerichtete Nichtigkeitsklage haben die dortigen Nichtigkeitskläger zurückgenommen; eine weitere, gegen das jüngere Patent gerichtete Klage ist durch Urteil des Bundespatentgerichts vom 20. März 1996 abgewiesen worden.
Die Beklagte zu 1, deren Gesellschafter die Beklagten zu 2 und 3 sind, vertreibt Schneeräumleisten, die sie von dem Beklagten zu 5 bezieht. In ihrer Werbung werden Räumleisten unter anderem durch eine Wiedergabe nach Art der nachstehenden Schemazeichnung beschrieben:
Räumrichtung Straßenoberfläche
Auch diese Räumleiste weist einen sandwichartigen Aufbau auf, bei der sich zwischen zwei Stahlplatten elastisches Material mit eingelagerten Körnern befindet (von den Parteien im vorliegenden Verfahren als Verletzungsform l bezeichnet). Daneben wurden von den Beklagten Räumschilde mit dem aus der nachstehenden Zeichnung ersichtlichen Aufbau angeboten (sog. Verletzungsform II):
Die Beklagte zu 4 ist die Mutter des Beklagten zu 5. Sie betreibt unter ihrem Namen in Österreich ein Unternehmen, das sich ebenfalls mit dem Vertrieb von Räumschilden befaßt. Für ihr Unternehmen benutzt sie das gleiche Logo wie der Beklagte zu 5. In dessen Werbung wird ihre Telefonnummer als eine Anlaufadresse für eilige Bestellungen bei dem Beklagten zu 5 angegeben.
Die Klägerin hat in Angebot und Vertrieb der von den Beklagten zu 1 bis 3 und 5 angebotenen Räumschilde eine Verletzung der ihr an ihrem Schutzrecht zustehenden Rechte gesehen und sämtliche Beklagten auf Unterlassung, Rechnungslegung, Schadensersatz und Vernichtung der ihrer Meinung nach patentverletzenden Gegenstände in Anspruch genommen. Hinsichtlich der sog. Verletzungsform I haben sich die Beklagten zu 1 bis 3 und 5 im Verlauf des nach einer erfolglosen Verwarnung der Beklagten zu 1 und 4 eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens strafbewehrt dem Unterlassungsbegehren der Klägerin unterworfen. Der Beklagte zu 5 hat darüber hinaus insoweit Angaben zum Umfang seiner Lieferungen und den damit erzielten Umsätzen gemacht. Die Beklagte zu 4 hat entsprechende Erklärungen mit der Begründung abgelehnt, sie habe das Schutzrecht nicht verletzt. Im Umfang der Unterwerfung haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Im übrigen hat die Klägerin ihre Anträge auf Schadensersatz, Rechnungslegung, Unterlassung und Vernichtung weiterverfolgt, wobei sie die seitens des Beklagten zu 5 erteilte Auskunft als unzureichend bezeichnet hat.
Das Landgericht hat alle Beklagten im wesentlichen antragsgemäß verurteilt und ihnen die Kosten des gesamten Verfahrens einschließlich des für erledigt erklärten Teils auferlegt. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg. Mit ihrer Revision haben sie ihren Antrag auf Abweisung der nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung verbliebenen Anträge weiterverfolgt und im übrigen die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts angegriffen. Das Rechtsmittel der Beklagten zu 4 hat der Senat angenommen, soweit es sich nicht gegen die Entscheidung über die Kosten des für erledigt erklärten Teils richtet. Die Revision der Beklagten zu 1 bis 3 und 5 ist hinsichtlich der Verurteilung wegen der Verletzungsform II angenommen worden; im übrigen hat der Senat die Annahme der Revision abgelehnt. Im Umfang der Annahme haben die Beklagten ihr Rechtsmittel weiterverfolgt. Die Klägerin tritt der Revision entgegen. In der mündlichen Verhandlung haben die Parteien die Unterlassungsanträge mit Rücksicht auf den Ablauf des Klagepatents für erledigt erklärt und jeweils beantragt, der Gegenseite insoweit die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Im übrigen haben sie die bis dahin gestellten Anträge weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist, soweit der Senat das Rechtsmittel angenommen hat und dieses nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien in der Sache noch zur Entscheidung ansteht, zulässig und begründet. In diesem Umfang führt sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Abweisung der Klage, soweit diese gegen die Beklagte zu 4 noch zur Hauptsache anhängig ist und die gegen sie gerichteten Anträge betrifft, und im übrigen zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens einschließlich des in der Revisionsinstanz für erledigt erklärten Teils des Verfahrens übertragen wird.
I. 1. Die Verurteilung der Beklagten zu 4 kann in dem noch zur Entscheidung stehenden Umfang keinen Bestand haben. Seine Entscheidung hat das Berufungsgericht insoweit darauf gestützt, daß diese Beklagte zumindest als Gehilfe an den Patentverletzungen der übrigen Beklagten mitgewirkt habe, indem sie auf ihren Briefbögen angegeben habe, daß in dringenden Fällen eilige Bestellungen telefonisch auch über sie abgewickelt werden könnten.
2. Diese Würdigung greift die Revision mit Erfolg an.
a) Mit Recht beanstandet sie zunächst die der Entscheidung zugrundeliegende tatsächliche Feststellung des Berufungsgerichts, die Beklagte zu 4 habe in ihren Briefbögen ihre Telefonnummer für an den Beklagten zu 5 gerichtete Eilbestellungen zur Verfügung gestellt. Zwar handelt es sich insoweit um eine Tatsachenwürdigung zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts, die in der Revisionsinstanz nur beschränkt, nämlich auf Rechtsfehler überprüft werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 14.1.1993 - IX ZR 238/91, NJW 1993, 935, 937). Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt insbesondere, ob der Tatrichter sich mit dem Prozeßstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH, Urt. v. 11.2.1987 - IVb ZR 23/86, NJW 1987, 1557, 1558 = MDR 1987, 566, 567). Um diese Prüfung zu ermöglichen, muß der Tatrichter – wie bei der Beweiswürdigung – auch bei der Tatsachenfeststellung im übrigen die wesentlichen Gesichtspunkte für seine Überzeugungsbildung nachvollziehbar darlegen (vgl. BGH, Urt. v. 22.1.1991 - VI ZR 97/90, NJW 1991, 1894, 1895 = MDR 1991, 933), das heißt, es müssen in dem Urteil die Gründe bezeichnet werden, die für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen sind (vgl. BGH, Urt. v. 24.6.1993 - IX ZR 96/92, NJW-RR 1993, 1379 = MDR 1993, 1119, 1120). Dem genügt die angefochtene Entscheidung nicht.
Soweit sich das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung auf den Inhalt der Werbematerialien der Beklagten zu 4 stützt, findet seine Annahme, diese habe sich zur Entgegennahme von Aufträgen an den Beklagten zu 5 bereit erklärt, im Vorbringen der Parteien keine Grundlage. Werbematerial der Beklagten zu 4, in dem diese ihrerseits ihre Telefonnummer als mögliche Anlaufadresse für den Beklagten zu 5 bezeichnet, ist von den Parteien nicht vorgelegt worden. Zu Recht weist die Revision darauf hin, daß sich ein entsprechender Vermerk lediglich in den Briefbögen des Beklagten zu 5 findet. Eine darüber hinausgehende Aufnahme auch in das Briefpapier der Beklagten zu 4 ist, wie die Revision weiter mit Recht geltend macht, auch dem Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen.
b) Die angefochtene Entscheidung stellt sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Tatsächliche Feststellungen, aus denen über den Hinweis in den Briefbögen des Beklagten zu 5 hinaus eine Teilnahme der Beklagten zu 4 an den behaupteten Verletzungen der Klageschutzrechte herzuleiten wäre, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Für eine solche Beteiligung finden sich, wie die Revision ebenfalls mit Recht geltend macht, auch im weiteren Vorbringen der Klägerin keine tragfähigen Anhaltspunkte. Daß die Beklagte zu 4 an dem Vertrieb der Räumschilde durch den Beklagten zu 5 im Inland beteiligt gewesen ist, diese Schilde hier selbst angeboten oder selbst vertrieben hat, ist durch die Klägerin nicht vorgetragen worden; Gegenteiliges wird auch von der Revisionserwiderung nicht behauptet. Die Verwendung ihrer Telefonnummer durch den Beklagten zu 5 begründet als solche noch keine Mitwirkung an den behaupteten Verletzungshandlungen.
Allerdings setzt die Verantwortlichkeit für eine Patentverletzung nicht voraus, daß der in Anspruch Genommene das Recht unmittelbar durch eigene Handlungen beeinträchtigt. Schuldner der Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz, Auskunft und Vernichtung der verletzenden Gegenstände kann auch derjenige sein, der lediglich eine weitere Ursache für die Rechtsverletzung gesetzt hat. Entsprechend der zum Wettbewerbsrecht ergangenen Rechtsprechung (vgl. dazu OLG Frankfurt WRP 1987, 115; OLG Hamm GRUR 1992, 126; OLG München MDR 1994, 1106; OLG Stuttgart ZIP 1993, 1494) kann danach auch derjenige haftbar sein, der seinen Telefon-, Fax- oder Telexanschluß einem Dritten überläßt, der dann seinerseits von diesem Anschluß aus das Schutzrecht verletzende Handlungen begeht. Ihren Grund findet diese Haftung jedoch nicht schon in der Überlassung des Anschlusses als solcher. Die Verantwortlichkeit des Dritten folgt vielmehr daraus, daß er die auf diese Weise ermöglichten Rechtsverletzungen nicht unterbunden hat, obwohl er dazu als Inhaber des Anschlusses die Möglichkeit gehabt hätte und ein derartiges Einschreiten von ihm mit Blick auf die aus dieser Stellung resultierenden Befugnisse und die Überlassung des Anschlusses zu erwarten war (vgl. BGH, Urt. v. 2.3.1994 - I ZR 321/91, GRUR 1994, 441, 443 - Kosmetikstudio; siehe auch Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kapitel 14 Rdn. 4, 8). Voraussetzung der Haftung ist damit ein von dem Anschluß ausgehender oder unter seiner Benutzung begangener Rechtsverstoß. Die bloße Bereitstellung des Anschlusses als solche genügt demgegenüber zur Begründung einer Haftung grundsätzlich nicht.
c) Die Benutzung des gleichen Logos wie der Beklagte zu 5 und die von der Klägerin geltend gemachten wirtschaftlichen Verbindungen zu diesem sind ebenfalls nicht geeignet, eine eigene Haftung der Beklagten zu 4 für Rechtsverletzungen des Beklagten zu 5 auszulösen. Ansprüche aus der Verletzung eines Patentrechts sind – wie deliktische Ansprüche im allgemeinen – gegen den Verletzer des Rechts gerichtet. Dritte werden in diese Haftung nur dann einbezogen, wenn sie – wie der Gehilfe – selbst einen Haftungsgrund setzen. Wirtschaftliche Verbindungen oder Verflechtungen begründen als solche die Voraussetzungen einer solchen Zurechnung nicht.
Ebensowenig läßt sich eine Haftung der Beklagten zu 4 daraus herleiten, daß sie die Abgabe der von der Klägerin verlangten Unterwerfungserklärung abgelehnt hat (vgl. BGHZ 117, 264, 271 - Nicola; BGH, Urt. v. 18.12.1969 - X ZR 52/67, GRUR 1970, 358, 360 - Heißläuferdetektor). Ist – wie hier – nicht zu erkennen, daß Grund für eine Verwarnung und die Aufforderung zur Unterwerfung bestand, kann aus der Ablehnung einer solchen Erklärung eine Begehungsgefahr nicht hergeleitet werden. Der Inhaber von Schutzrechten kann die Abgabe unnötiger Unterwerfungserklärungen nicht dadurch erzwingen, daß er – ohne daß eine Begehungsgefahr besteht – grundlos Abmahnungen ausspricht.
d) Danach kann die Verurteilung der Beklagten zu 4 hinsichtlich beider Verletzungsformen keinen Bestand haben: Die Klage ist daher abzuweisen, da von der Klägerin weitere Haftungsgründe nicht vorgetragen worden sind und demgemäß weitere tatrichterliche Feststellungen weder erforderlich noch zu erwarten sind. Zusätzliche Haftungsgründe werden auch von der Revisionserwiderung nicht geltend gemacht.
II. Mit Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Verurteilung der Beklagten zu 1 bis 3 und 5 im Zusammenhang mit Angebot oder Vertrieb der Verletzungsform II.
1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts enthalten Angebot und Vertrieb der unter Verwendung von Hartstoffstäben hergestellten Räumschilde im Inland zwar keine identische (wortsinngemäße) Benutzung des Klagepatents 29 54 134, da sich die hier verwendeten Stäbe nicht unter den in diesem Patent verwendeten Begriff der „Hartstoffkörner” subsumieren ließen. Die angegriffene Benutzung beruhe auf einem erfinderischen Schritt und sei daher nicht mehr als äquivalente Abwandlung der Lehre des Klagepatents anzusehen; sie falle jedoch gleichwohl noch in den Schutzbereich des Klagepatents, der auch abhängige Erfindungen einschließe. Als solche hat das Berufungsgericht auch Ausführungsformen angesehen, die eine erfinderische weitere Ausgestaltung verwirklichten, aber gleichwohl von der unter Schutz gestellten Lehre Gebrauch machten. Für sie sei kennzeichnend, daß sie auf der patentgemäßen Erfindung aufbauten und durch diese ermöglicht würden. Das sei bei dem Gegenstand des jüngeren Patents 34 04 030 der Fall, weil sich der dort gelehrte Austausch der Hartstoffkörner durch stift- oder stabförmige Aggregate als eine bloße Weiterentwicklung der in dem alten Schutzrecht vorgeschlagenen Lösung für die beiden Patenten gleichermaßen zugrundeliegende Aufgabe darstelle. Demgemäß sei entgegen der Auffassung der Beklagten auch unerheblich, daß auf diese Ausgestaltung ein weiteres Patent erteilt, die Verwendung der Stäbe also als erfinderische Weiterentwicklung der ursprünglichen Lehre angesehen worden sei. Diese Weiterentwicklung halte sich im Rahmen des in dem alten Patent vorgeschlagenen Lösungsweges, der durch die Härte der verwendeten Kunststoffe, eine elastische und nachgiebige Einbettung und in den Schutz des Einbettungsbereichs durch Stahlplatten gekennzeichnet sei. Da die Verletzungsform im wesentlichen dem jüngeren Patent entspreche und sich die in ihm offenbarte Lehre zunutze mache, sei auch ein Eingriff in den Schutzbereich des Klagepatents gegeben. Mit der Verwirklichung der Lehre des jüngeren Patents sei den Beklagten zugleich die Berufung auf den Formstein-Einwand verwehrt, der hier schon deshalb ausscheide, weil die angegriffene Ausführungsform ebenso wie das jüngere Patent eine erfinderische Abwandlung des Standes der Technik enthalte.
2. Auch das greift die Revision mit Erfolg an. Die Überlegungen, mit denen das Berufungsgericht eine Verletzung der der Klägerin an dem Klagepatent zustehenden Rechte begründet, sind nicht frei von Rechtsfehlern und können die angefochtene Entscheidung nicht stützen.
a) Keinen Bedenken begegnet allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, daß eine Verletzung des Klagepatents nach dem – sinnvoll verstandenen – Wortlaut des Klagepatents zu verneinen ist, weil die von der Beklagten eingesetzten langen stabförmigen Stifte nicht als Hartstoff-Körner im Sinne des Klagepatents angesehen werden können.
aa) Gegenstand des Klagepatents ist eine Räumleiste für den Räumschild eines Schneepfluges. Derartige Schilde bestehen nach den einleitenden Ausführungen der Klagepatentschrift in der Regel aus einem Gummi- oder Kunststoffkörper, dessen Oberfläche auf den beiden Seiten, die im Betrieb in Fahrtrichtung und nach hinten zeigen, mit Stahlplatten verstärkt ist, um ihn gegen mechanische Verletzungen durch scharfkantige Hindernisse auf der Straßenoberfläche zu schützen. Aufgrund dieses sandwichartigen Aufbaus sind derartige Räumleisten in der Lage, Eis oder festgefahrenen Schnee von der Fahrbahnoberfläche abzulösen, wobei der durch die Stahlplatten geschützte Gummi- oder Kunststoffkörper nur dem normalen, gegenüber Stahl geringeren Verschleiß durch die von dem Belag der Straße ausgehende Reibung ausgesetzt ist. Der hohe Reibungskoeffizient zwischen dem Gummi- oder Kunststoffkörper und der Straßenoberfläche verursache jedoch, wie die Klagepatentschrift weiter ausführt, beim Betrieb relativ hohe Reibungskräfte und damit neben einem hohen Kraftstoffverbrauch einen starken Verschleiß des Gummi- oder Kunststoffkörpers. Ausgehend von diesen Nachteilen bezeichnet es die Klagepatentschrift als das zu lösende Problem, die im Stand der Technik bekannten Räumleisten so weiterzuentwickeln, daß Fahrwiderstand und Abriebgeschwindigkeit reduziert werden, ohne daß beim Betrieb des Schildes Schäden an der Straßenoberfläche eintreten.
bb) Zur Lösung dieses Problems schlägt die Klagepatentschrift vor, in dem Gummi- oder Kunststoffkörper Körner aus hartem und sprödem Material wie etwa Korund einzubetten, die Fahrtwiderstand und Abrieb günstig beeinflussen könnten. Demgemäß läßt sich die Lehre des Klagepatents als Kombination der folgenden Merkmale beschreiben:
- Räumleiste für den Räumschild eines Schneepfluges, bestehend aus
- einem Gummi- oder Kunststoffkörper,
- dessen beidseitige Oberfläche mit Stahlplatten verstärkt sind,
- dessen Oberkante an der Unterkante des Räumschildes befestigt ist und
- in dem Hartstoffkörner aus hartem oder sprödem Material eingebettet sind.
cc) Nach den mit zulässigen Rügen von Revision und Revisionserwiderung nicht angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen, die ihrerseits auf dem unstreitigen Vorbringen der Parteien beruhen, erfüllt die angegriffene Ausführungsform zwar die Merkmale 1 bis 4. Einen wesentlichen Unterschied zu der patentgemäßen Lehre hat das Berufungsgericht jedoch darin gesehen, daß bei der angegriffenen Ausführungsform über die gesamte Verschleißfläche Hartstoffstäbe in den Gummi- oder Kunststoffkörper eingebettet sind, die sich im wesentlichen auch über dessen gesamte Höhe erstrecken. Seine daran anschließende Feststellung, diese Stäbe könnten nicht unmittelbar als Körner im Sinne der patentgemäßen Lehre angesprochen werden, greift die Revisionserwiderung ohne Erfolg an. Nach den tatrichterlichen Feststellungen wird der Begriff der Hartstoffkörner, wie er in der Patentschrift Verwendung gefunden hat, aus der Sicht des Fachmanns durch seine äußere Form geprägt. Diesem Begriffsverständnis entspreche die angegriffene Ausführungsform mit „Hartstoffstäben” nicht. Ein Stab werde vom Fachmann auch im weiteren Sinn nicht als Korn angesehen. Von diesem Verständnis des Begriffes ist auch im Revisionsverfahren auszugehen.
Zwar ist das Revisionsgericht nicht an die Auslegung des Klagepatents durch das Berufungsgericht gebunden. Es kann das Schutzrecht vielmehr selbst auslegen und insbesondere überprüfen, ob es richtig erkannt und in seinem Inhalt verstanden worden ist (st. Rspr. vgl. u.a. Sen.Urt. v. 26.9.1996 - X ZR 72/94, GRUR 1997, 116 - Prospekthalter und vom 27.10.1998 - X ZR 56/96, NJW-RR 1999, 546 - Sammelförderer). Für das Revisionsgericht bindend sind jedoch die Grundlagen dieser Auslegung, die im Bereich der Tatsachenfeststellung liegen und im Revisionsverfahren hinzunehmen sind, falls in bezug auf das Verfahren kein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben wurde. In diesen Tatsachenbereich gehört es, wenn im Rahmen der Ermittlung des in der Patentschrift offenbarten Erfindungsgegenstandes festgestellt wird, wie der Durchschnittsfachmann die in den Patentansprüchen verwendeten Begriffe unter Berücksichtigung der Beschreibung und der Zeichnungen versteht und welche konkreten Vorstellungen er mit ihnen und mit dem geschilderten Erfindungsgedanken verbindet (vgl. Sen.Urt. v. 22.3.1983 - X ZR 9/82, GRUR 1983, 497, 498 - Absetzvorrichtung; Urt. v. 26.9.1996 - X ZR 72/94, GRUR 1997, 116 - Prospekthalter; Urt. v. 5.6.1997 - X ZR 73/95, NJW 1997, 3377 - Weichvorrichtung II). Die Feststellung des Berufungsgerichtes wird zudem bestätigt durch die Verwendung des Begriffs in der Beschreibung des jüngeren Patents der Klägerin. Nach der Beschreibung der dort offenbarten Lehre wird die Verwendung stab- oder plattenförmiger Körper als ein Gegensatz zu den im Stand der Technik, insbesondere in dem früheren Patent der Klägerin verwendeten Körnern dargestellt (vgl. Sp. 2 Z. 25 f.).
b) Es ist anerkannt, daß eine Patentverletzung auch dann in Betracht kommt, wenn eines oder mehrere Merkmale der angegriffenen Ausführung zwar nicht entsprechend dem Wortsinn des Patents, wohl aber in einer als äquivalent anzusehenden Abwandlung verwirklicht sind. Die Voraussetzungen einer Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln hat das Berufungsgericht jedoch nicht feststellen können. Auf die von der Revisionsbeklagten gegenüber dieser Würdigung erhobenen Rügen wird später zurückzukommen sein.
c) Trotz der Verneinung einer Benutzung der aus den Ansprüchen des Klagepatents ersichtlichen Lehre mit äquivalenten Mitteln hat das Berufungsgericht eine Verletzung des Klagepatents mit der Begründung bejaht, die nach seiner Meinung bei der angegriffenen Ausführungsform verwirklichte erfinderische Ausgestaltung der patentgemäßen Lehre falle in den Schutzbereich des Patents. Dafür genüge, daß die jüngere Erfindung auf der älteren Erfindung aufbaue und sich deren Ergebnisse zunutze mache. Hierfür hat es nach seinen weiteren Ausführungen als ausreichend angesehen, daß sich die jüngere Ausgestaltung „im Rahmen” der Ausgangserfindung halte. Für die Feststellung eines derartigen Sachverhalts hat das Berufungsgericht maßgeblich nur auf die Übereinstimmung in einigen als wesentlich angesehenen Merkmalen abgehoben und ohne weitere Erörterung unberücksichtigt gelassen, daß der Hartstoff nach dem Patentanspruch des Klagepatents in die elastische Zwischenschicht in Form von „Körnern” eingebettet sein soll. Eine solche Sicht ist mit den durch § 14 PatG und die entsprechende Bestimmung in Art. 69 EPÜ gezogenen und in der jüngeren Rechtsprechung des Senats erläuterten Grenzen für die Auslegung eines Patents nicht vereinbar.
aa) Keinen durchgreifenden Bedenken begegnet insoweit allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, die der angegriffenen Ausführungsform zugrundeliegende Lehre könne auch dann, wenn sie auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, in den Schutzbereich des älteren Klagepatents fallen. Das entspricht der Rechtsprechung des Senats (vgl. BGHZ 112, 140, 150 - Befestigungsvorrichtung II). Eine Erfindung, die auf einer anderen aufbaut und durch diese erst ermöglicht wird, kann die grundlegende Lehre auch dann nutzen, wenn sie ihrerseits patentfähig ist. In dem Umfang, in dem sie durch eine ältere Lehre erst ermöglicht wurde, gebührt deren Inhaber ein Anteil an dem mit ihrer Verwertung verbundenen wirtschaftlichen Erfolg.
Dieser Schutz gegenüber Abwandlungen einer patentgemäßen Lehre besteht jedoch, was das Berufungsgericht nicht hinreichend beachtet hat, nur in den durch den Schutzbereich des Patents gezogenen Grenzen. Wie der Senat bereits entschieden hat, fällt der Austausch von dort unter Schutz gestellten technischen Merkmalen durch andere grundsätzlich nur dann in den Schutzbereich, wenn die Gleichwirkung von einem Fachmann aufgrund seines Fachwissens erkannt werden konnte (sog. Äquivalenz; vgl. dazu auch BGHZ 112, 140, 151 - Befestigungsvorrichtung II; 125, 303, 312 - Zerlegvorrichtung für Baumstämme).
Der Schutzbereich eines – wie hier – nach dem 1. Januar 1978 angemeldeten Patents bemißt sich hinsichtlich der Benutzung der Erfindung durch Abwandlungen der patentgemäßen Lehre nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt der Patentansprüche (BGHZ 98, 12, 19 - Formstein). In den Schutzbereich eines Patents fallen demnach grundsätzlich auch solche alternativen Lösungsmittel, die im Rahmen eines einheitlichen Lösungsgedankens die gleiche oder im wesentlichen gleiche Wirkung wie die Mittel nach dem Patent haben und die in ihrer Ausgestaltung vom Fachmann mit Hilfe seiner Fachkenntnisse aufgrund von Überlegungen aufgefunden werden können, die sich an der in den Patentansprüchen umschriebenen Erfindung orientieren (BGHZ 98, 12, 19 - Formstein; 105, 1, 10 - lonenanalyse; 112, 140, 148 - Befestigungsvorrichtung II). Darin liegt die patentrechtliche Gleichwertigkeit der anderen Mittel, die ihre Einbeziehung in den Schutzbereich des Patents rechtfertigt (Benkard/Ullmann, PatG GebrMG, 9. Aufl., § 14 Rdn. 128). Die Verwendung von gleichwirkenden Mitteln, die den geschützten Lösungsgedanken wesentlich verändern oder dem Grundgedanken der Erfindung widersprechen (BGHZ 113, 1, 9 - Autowaschvorrichtung) oder den im Anspruch als erfindungswesentlich herausgestellten Mitteln schroff entgegengesetzt sind, fällt demgegenüber regelmäßig nicht in den Schutzbereich (vgl. BGHZ 115, 204, 207 - Beheizbarer Atemluftschlauch).
Diese Grundsätze gelten auch bei solchen Abwandlungen der patentgemäßen Lehre, die ihrerseits auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen. Insoweit ist in der Rechtsprechung zwar anerkannt, daß die Annahme einer Patentverletzung nicht notwendig daran scheitert, daß die angegriffene Ausführung ihrerseits Gegenstand eines Patents ist. Auch ihre Annahme setzt jedoch voraus, daß zunächst eine Verwirklichung der Lehre des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform festgestellt wird. Der Tatbestand der abhängigen Erfindung ist keine eigenständige Form der Patentbenutzung, sondern lediglich die Beschreibung eines Sachverhalts, bei dem zugleich ein älteres Patent und ein speziell auf die angegriffene Ausführungsform erteiltes weiteres Patent benutzt wird (so auch im Ergebnis Kraßer, Festschrift Fikentscher (1998), S. 516, 530 ff. (537)). Eine Benutzung der patentgemäßen Lehre in Form der abhängigen Erfindung kommt damit ebenfalls nur in Betracht, wenn die Merkmale des Patentanspruchs wörtlich oder äquivalent zumindest in der Form verwirklicht sind, daß mit der angegriffenen Ausführungsform eine Lehre verwirklicht wird, die ein Durchschnittsfachmann aufgrund seines allgemeinen Könnens dem Klagepatent als gleichwirkend entnehmen kann. Dafür genügt es, daß diese Voraussetzungen für eine die angegriffene Ausführungsform erfassende allgemeine Lehre zutrifft. Es ist dann nicht mehr erheblich, ob bei der angegriffenen Ausführung zugleich zusätzliche (konkretisierende oder ergänzende) Merkmale verwirklicht sind, die möglicherweise erfinderischen Charakter haben (BGHZ 112, 140, 151 - Befestigungsvorrichtung II). In jedem Falle setzt eine Patentverletzung daher eine Verwirklichung der Lehre des Klagepatents voraus, die nach den auch sonst geltenden allgemeinen Grundsätzen festzustellen ist. Es besteht keine Veranlassung, insoweit allein deshalb großzügigere Maßstäbe anzulegen, weil es sich um eine erfinderische Weiterentwicklung wesentlicher Überlegungen der im Klagepatent unter Schutz gestellten Lehre handelt. Aus dem Gedanken der erfinderischen Weiterentwicklung heraus ist es daher nicht zu rechtfertigen, das im Klagepatent aufgeführte Merkmal der Einlagerung fester Stoffe in Gestalt von Körnern außer Betracht zu lassen. Die Begründung des Berufungsurteils vermag daher das gefundene Ergebnis nicht zu tragen.
Seine Annahme einer abhängigen Erfindung hat das Berufungsgericht im wesentlichen nur darauf gestützt, daß mit der Einlagerung von Hartstoffteilen in einen Gummi- oder Kunststoffkörper eines Räumschildes die Lehre des Streitpatents verwirklicht werde. Mit dieser Überlegung hat es den durch § 14 PatG vorgegebenen Auslegungsrahmen überschritten, indem es das in Patentanspruch 1 des Klagepatents beschriebene Merkmal der Hartstoffkörner durch den allgemeineren Begriff einer Einlagerung aus Hartstoff ersetzt hat. Darin liegt eine Abstraktion des Patentanspruchs im Sinne der Rückführung auf einen allgemeinen Gedanken, die den der Auslegung gesetzten Rahmen überschreitet und daher patentrechtlich unzulässig ist. Eine im Schutzbereich angesiedelte Gleichwirkung scheidet daher regelmäßig dann aus, wenn die Schutzfähigkeit des – insoweit mit der an gegriffenen Ausführungsform übereinstimmenden – jüngeren Patents der Klägerin allein aus dem Übergang von Hartstoffkörnern auf (als bekannt vorausgesetzte) Hartstoffstäbe zu sehen ist, wie das Berufungsgericht meint.
d) Der Senat hat es allerdings bisher nicht als ausgeschlossen angesehen, daß unter besonderen Umständen auch eine Ausführungsform unter den Schutzbereich eines Patents fallen könnte, bei der zwar von der Mehrzahl der Ansprüche Gebrauch gemacht wird, von einem bestimmten, als unwesentlich erkennbaren Merkmal jedoch nicht. Ob es solche Fälle überhaupt gibt, kann auch hier offen bleiben. Bisher hat sich ein solcher nicht ergeben. Es könnte sich auch nur um einen Ausnahmefall handeln. Und es bedürfte einer besonders eingehenden Begründung, warum es im Einzelfall auf die Verwirklichung eines durch Aufnahme in den Patentanspruch als wesentlich herausgehobenen Merkmals gleichwohl nicht ankommen soll, und wieso dies mit dem stets zu beachtenden Grundsatz der Rechtssicherheit zu vereinen ist (vgl. auch Krasser, aaO). Das angefochtene Urteil enthält insoweit keine Feststellungen und es ist auch nicht ohne weiteres ersichtlich, daß die Form der eingebetteten Körper für die Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens belanglos sein könnte.
III. Nach alledem kann auch die Verurteilung der Beklagten zu 1 bis 3 und zu 5 durch das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Klage könnte sich nach erneuter Prüfung durch das Oberlandesgericht gleichwohl als begründet erweisen, weil auch diejenigen Überlegungen nicht frei von Rechtsfehlern sind, mit denen das Berufungsgericht den Tatbestand einer Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln verneint.
1. Voraussetzung einer Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln ist zunächst, daß auch mit den verwendeten, teilweise abgewandelten Mitteln im wesentlichen der patentgemäße Erfolg erreicht wird. Insoweit sieht das angefochtene Urteil keine durchgreifenden Bedenken. Diese Würdigung läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Zutreffend ist das Berufungsgericht insbesondere davon ausgegangen, daß sich die mit der Einbettung der Hartstoffkörner angestrebte Wirkung in vergleichbarer Weise auch durch stabförmige Hartstoffkörper erzielen läßt. Die Einlagerung von – im Verhältnis zu der Zwischenlage aus elastischem Material – hartem und – gegenüber dem von dem Belag der Straße ausgehenden Abrieb – widerstandsfähigerem Material dient dazu, den mit diesem Abrieb verbundenen Verschleiß zu verringern. Darüber hinaus soll sie – wie die Beklagte geltend macht – auf der Unterseite des Räumschildes zur Entstehung einer weitgehend glatten Oberfläche beitragen, bei der der Schild auf von den nach unten weisenden Seiten der Einlagerungen gebildeten abgerundeten Vorsprüngen gleitet. Diese Wirkungen sind nach den tatrichterlichen Feststellungen in gleicher Weise wie bei der Einlagerung von Hartstoffkörnern auch bei der Verwendung stabförmiger Elemente zu erzielen. Mögliche Unterschiede bei der Art der Einlagerung von Körnern einerseits und stabförmigen Körpern andererseits betreffen allein die Art der Realisierung, nicht jedoch die von ihnen ausgehende Wirkung.
2. Das Berufungsgericht verneint das Vorliegen einer Äquivalenz allein mit der Begründung, die im konkreten Fall vorgenommene Abwandlung (Ersatz der Körner durch stabförmigen Elemente gleichen Materials) beinhalte einen erfinderischen Schritt und habe daher nicht nahegelegen. Diese Beurteilung ist nicht frei von Rechtsfehlern; ihr liegen im übrigen keine ausreichenden tatrichterlichen Feststellungen zugrunde, wie die Revisionsbeklagte zu Recht rügt.
a) Eine eigene Begründung für die seiner Wertung zugrundeliegende Annahme eines erfinderischen Schrittes enthält das angefochtene Urteil nicht. Es stützt sich im wesentlichen nur auf eine Entscheidung des Bundespatentgerichts zur Schutzfähigkeit des jüngeren Patents 34 04 030 der Klägerin, ohne deutlich zu machen, daß es sich diese Entscheidung nach der erforderlichen kritischen Prüfung inhaltlich zu eigen gemacht hat.
b) Das Berufungsgericht geht ohne kritische Prüfung davon aus, daß die angegriffene Ausführungsform dem entspricht, was Gegenstand des jüngeren Patents und der Beurteilung durch das Bundespatentgericht gewesen ist. Dabei läßt es unberücksichtigt, daß das jüngere Patent neben der Gestalt der Hartstoffkörper noch weitere Merkmale enthält, die nicht Gegenstand des älteren Klagepatents sind. Über die verschiedenartige Gestalt der eingelagerten Hartstoffkörper hinaus unterscheidet sich die Lehre nach dem jüngeren Patent der Klägerin von der des älteren Schutzrechts weiter durch die senkrechte Anordnung der Formkörper zur Verschleißfläche, ihre Erstreckung mindestens über die gesamte Verschleißhöhe und den ihnen zugewiesene Flächenanteil von mehr als 50 % der Verschleißfläche zwischen den Stahlplatten über die gesamte Verschleißhöhe. Da nicht festgestellt ist, daß die angegriffene Ausführung auch diese zusätzlichen Merkmale verwirklicht, kann die auf das jüngere Patent bezogene Bewertung als erfinderischer Schritt nicht ohne weiteres auf die angegriffene Ausführung übertragen werden. Dem Oberlandesgericht hätte insoweit auch auffallen müssen, daß die Klägerin die Klage nur auf ihr älteres und nicht auf ihr jüngeres Patent gestützt hat. Das wäre insbesondere auch im Hinblick auf § 145 PatG unverständlich, wenn die angegriffene Ausführung voll dem jüngeren Patent entsprechen und schon deswegen die geltend gemachten Ansprüche auslösen könnte.
c) Darüber hinaus hat das Berufungsgericht den Inhalt der im Nichtigkeitsverfahren ergangenen Entscheidung des Bundespatentgerichts verkannt. Dieses hat die dem jüngeren Patent der Klägerin zugrundeliegende technische Lehre nicht allein wegen des Übergangs von Hartstoffkörnern auf stabförmige Körper als schutzfähig angesehen. Es hatte nicht darüber zu entscheiden und hat auch nicht darüber befunden, ob eine erfinderische Tätigkeit schon allein hierdurch begründet ist, sondern sich nur mit der Schutzfähigkeit einer aus der Gesamtheit aller Merkmale des jüngeren Patents bestehenden Lehre befaßt und auch nur diese bejaht. Ausweislich der Entscheidungsgründe hat es insbesondere auch auf die Anordnung der Hartstoffkörper in dem Gummi- oder Kunststoffkörper abgestellt und weiter deren Umfang und die Art ihrer Einbettung in seine Beurteilung einbezogen. In den Entscheidungsgründen heißt es hierzu, daß der Stand der Technik keine Anregung dafür gegeben habe, anstelle der aus dem älteren Patent der Klägerin bekannten Hartstoffkörner Hartstoffkörper zu verwenden, die als gegossene oder gesinterte stab- oder plattenförmige Körper ausgebildet seien und diese gerade in der im Anspruch beschriebenen Weise in den Kunststoffkörper einzubetten. Danach ist als erfinderisch gerade nicht allein der Übergang von Körnern auf stabförmige Körper angesehen worden, so daß diese Entscheidung die durch das Berufungsgericht gezogenen Schlüsse nicht trägt.
IV. Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das Berufungsgericht daher, gegebenenfalls unter Inanspruchnahme sachverständiger Hilfe erneut zu prüfen haben, ob die angegriffene Ausführungsform von der Gesamtheit der Lösungsmittel Gebrauch macht, und dabei die einzelnen Mittel wortsinngemäß oder in einer angewandelten Form verwendet, die für den Fachmann erkennbar unwesentlich die gleiche Wirkung wie die Lösungsmittel des Klagepatents erzielen. Dabei wird auch zu klären sein, ob – wie das Berufungsgericht meint – bereits der Übergang von Hartstoffkörnern auf die Verwendung entsprechender Stäbe einen das Erkenntnisvermögen des Durchschnittsfachmanns übersteigender Aufwand verlangte. Dabei wird auch auf die Überlegungen der Beklagten und des von ihr eingereichten Privatgutachtens einzugehen sein, nach dem dem Fachmann im Prioritätszeitpunkt der Übergang auf Hartstoffstäbe wegen der Befürchtung, daß Stäbe aus hartem oder sprödem Material leicht zerbrechen, der Schwierigkeiten, diese Stäbe in den Gummikörper einzubringen und der Notwendigkeit einer Anpassung des Sandwichaufbaus etwa durch Auskröpfung der vorderen Stahlplatte zur Vermeidung eines Herausstoßens der Stäbe bei Stoßbeanspruchungen von unten davon abgehalten werden konnte, zu der angegriffenen Ausführungsform überzugehen.
Soweit das Berufungsgericht bei der erneuten Befassung mit der Sache eine unbefugte Benutzung der zugunsten der Klägerin unter Schutz gestellten Lehre feststellt, wird es bei der Formulierung des Tenors ferner zu bedenken haben, daß dieser die angegriffene Ausführungsform beschreiben muß. Dazu ist der Begriff der Hartstoffkörner ungeeignet, der nach seinen Feststellungen aus der Sicht des Fachmanns eine bestimmte Form voraussetzt und stabförmige Körper nicht bezeichnen kann, wie sie bei der angegriffenen Ausführungsform Verwendung finden.
Unterschriften
Rogge, Maltzahn, Melullis Richter am Bundesgerichtshof Keukenschrijver Scharen ist wegen Urlaubs verhindert, zu unterschreiben. Rogge
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 18.05.1999 durch Schanz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539424 |
BGHZ |
BGHZ, 7 |
DB 1999, 2635 |
NJW 2000, 213 |
CR 2000, 303 |
GRUR 1999, 977 |
Nachschlagewerk BGH |
WRP 1999, 1045 |
K&R 1999, 465 |