Leitsatz (amtlich)
Zur Darlegungs- und Beweislast im Schadensersatzprozeß des Mieters wegen unberechtigter Eigenbedarfskündigung.
Normenkette
BGB § 564b Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 2 a.F., § 573 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2; ZPO § 286
Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 21.11.2003) |
AG Mannheim |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim vom 21. November 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger waren seit dem Jahre 1985 Mieter der Erdgeschoßwohnung im Hause W. in M., das im Eigentum der Eltern der Klägerin zu 2 und des Beklagten stand. Der damals noch ledige Beklagte bewohnte die im selben Haus gelegene Souterrainwohnung. Im Herbst 1998 übertrugen die Eltern das Eigentum an dem Hausgrundstück auf den Beklagten. Mit Schreiben vom 28. Dezember 1998 kündigte der Beklagte das mit den Klägern bestehende Mietverhältnis zum 31. Dezember 1999 mit der Begründung, er wolle „in die größere, hellere und trockenere Wohnung im Erdgeschoß einziehen”. Die Kläger räumten die Wohnung und mieteten ab 1. September 1999 eine andere Wohnung zu einer höheren Miete.
In der folgenden Zeit nahm der Beklagte, der weiterhin im Souterrain des Hauses wohnte, in der Erdgeschoßwohnung – teils in Eigenarbeit, teils durch einen beauftragten Unternehmer – Sanierungsarbeiten vor, die sich bis in das Jahr 2002 hinzogen. Der Beklagte, der Mitte des Jahres 2002 heiratete, vermietete die Erdgeschoßwohnung zu dieser Zeit anderweitig. Er hatte seit Anfang des Jahres 2002 damit begonnen, seine Souterrainwohnung auszubauen und lebt mit seiner Ehefrau in dieser durch Umbau vergrößerten Wohnung.
Die Kläger haben Schadensersatz wegen Umzugskosten und der Differenz zwischen der ursprünglich und der in der neuen Wohnung gezahlten Miete verlangt, insgesamt 15.619,97 EUR nebst Zinsen. Des weiteren haben sie die Feststellung begehrt, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihnen auch den zukünftig infolge der Kündigung entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Kläger haben vorgetragen, der Beklagte habe den im Kündigungsschreiben angegebenen Eigenbedarf vorgetäuscht; er habe zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt, die Erdgeschoßwohnung selbst zu nutzen. Der Beklagte hat vorgetragen, er habe sich erst zu Beginn des Jahres 2002 – noch vor Abschluß der Sanierungsarbeiten im Erdgeschoß, die sich infolge der Insolvenz des beauftragten Unternehmers unvorhersehbar verzögert hätten – entschlossen, seine Lebensgefährtin zu heiraten und die Souterrainwohnung zur gemeinsamen Ehewohnung auszubauen, weil die Erdgeschoßwohnung als Familienwohnung zu klein sei.
Das Amtsgericht hat der Klage überwiegend – hinsichtlich des Zahlungsanspruchs in Höhe von 13.822,26 EUR nebst Zinsen und hinsichtlich des Feststellungsanspruchs befristet bis zum 29. November 2007 – stattgegeben; im übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Aufrechung des Beklagten mit Gegenforderungen nicht durchgreifen lassen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht die Zahlungsklage insoweit abgewiesen, als der Beklagte zur Zahlung eines 10.795,42 EUR nebst Zinsen übersteigenden Betrags verurteilt worden ist; im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag weiter, die Klage insgesamt abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Den Klägern stehe der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen einer Vertragsverletzung gegen den Beklagten in der zuerkannten Höhe zu, weil dieser das Wohnungsmietverhältnis unter Angabe von unzutreffenden Gründen gekündigt habe. Die Absicht zur Eigennutzung müsse in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Kündigungserklärung stehen; insbesondere seien sogenannte Vorratskündigungen unzulässig. Nach dem Vortrag des Beklagten sei davon auszugehen, daß er für die Sanierung der Wohnung circa 2 ½ Jahre benötigt habe. Im Allgemeinen seien Sanierungsarbeiten in dem vom Beklagten beschriebenen Umfang in höchstens sechs Monaten abgeschlossen. Wer die Wohnung vor dem Selbstbezug sanieren wolle, dürfe sich damit nicht beliebig Zeit lassen. Hätte der Beklagte in dem Kündigungsschreiben mitgeteilt, daß er eine Sanierungszeit von 2 ½ Jahren in Anspruch nehme und einen Bezug der Wohnung erst im Jahre 2002 plane, so hätten die Kläger erkannt, daß die Kündigung verfrüht und damit unzulässig sei. Ein Vermieter dürfe nicht kündigen, wenn er nicht sicher wisse, ob er die gekündigte Wohnung selbst nutzen könne oder wolle. Sei streitig, ob der Nutzungswille ursprünglich bestanden habe, treffe den Vermieter die Beweislast. Beweis dafür, daß er die Wohnung ursprünglich selbst habe nutzen wollen, habe der Beklagte nicht angetreten.
Dem Beklagten sei der Einwand verwehrt, er sei auch wegen „permanenter Pflichtverletzungen” der Kläger zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt gewesen; ihm stünden auch die aufrechnungsweise geltend gemachten Gegenforderungen nicht zu.
II.
Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte sei den Klägern zum Schadensersatz verpflichtet, weil er das Mietverhältnis unter Angabe von unzutreffenden Gründen gekündigt habe, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß ein Vermieter, der schuldhaft eine Kündigung ausspricht, die wegen fehlenden Kündigungsgrundes unwirksam ist, dem Mieter nach den hier noch anzuwendenden gewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung – das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 findet auf das bereits im Jahr 1999 beendete Mietverhältnis keine Anwendung (vgl. Art. 229 § 5 EGBGB) – zum Schadensersatz verpflichtet ist (Senatsurteil BGHZ 89, 296, 302; BGH, Urteil vom 8. Juli 1998 – XII ZR 64/96, NZM 1998, 718, unter 2 a m.w.Nachw.). Dies gilt auch dann, wenn ein vom Vermieter mit der Kündigung geltend gemachter Eigenbedarf, wie die Kläger vorgetragen haben, in Wahrheit nicht besteht (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 1982, 54; LG Bochum, NJWE-MietR 1997, 50, jew.m.w.Nachw.; Grapentin in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., IV Rdnr. 27, 102; MünchKommBGB/Häublein, 4. Aufl., § 573 Rdnr. 104 f.; Staudinger/Rolfs, BGB (2003), § 573 Rdnr. 165 ff.).
Gemäß den für die Kündigung vom 28. Dezember 1998 maßgeblichen Bestimmungen in § 564 b Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB a.F. (jetzt § 573 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB) kann der Vermieter ein Mietverhältnis über Wohnraum nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat; als ein berechtigtes Interesse ist es insbesondere anzusehen, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, die zu seinem Hausstand gehörenden Personen oder seine Familienangehörigen benötigt. Hierfür ist es ausreichend, daß der Vermieter vernünftige, nachvollziehbare Gründe für die Inanspruchnahme des Wohnraums für sich oder eine der im Gesetz genannten Personen hat (BGHZ 103, 91, 100; vgl. BVerfGE 79, 292, 293 f.; BVerfG, Beschluß vom 23. Dezember 1993 – 1 BvR 853/93, NJW-RR 1994, 333 = WM 1994, 1041, unter III 1).
Solche Gründe hat der Beklagte in seinem Kündigungsschreiben vom 28. Dezember 1998 geltend gemacht. An einem berechtigten Interesse des Beklagten zur Kündigung würde es allerdings fehlen, wenn diese Gründe nicht zutrafen, weil der Beklagte bereits damals nicht beabsichtigte, die Wohnung selbst zu nutzen. Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, der Beklagte habe das Mietverhältnis unter Angabe unzutreffender Gründe gekündigt, sind seine Ausführungen nicht frei von Rechtsfehlern.
2. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht der Auffassung, bereits aus der Dauer der vom Beklagten vorgenommenen Sanierung der Wohnung von circa 2 ½ Jahren sei zu schließen, daß die Kündigung „verfrüht” und deswegen unzulässig gewesen sei.
Zwar ist richtig, daß ein Eigenbedarf des Vermieters nach § 564 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 BGB a.F. (jetzt § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) nur besteht, wenn der Vermieter die Wohnung gegenwärtig oder in absehbarer Zeit benötigt. Eine sogenannte „Vorratskündigung”, der ein gegenwärtig noch nicht absehbarer Nutzungswunsch zugrunde liegt, ist unzulässig (vgl. BVerfG, Beschluß vom 23. August 1990 – 1 BvR 440/90, NJW 1990, 3259; Beschluß vom 26. September 2001 – 1 BvR 1185/01, WuM 2002, 21, unter II 2 b; Grapentin, aaO, IV Rdnr. 74; Häublein, aaO, Rdnr. 68, jew.m.w.Nachw.). Eine solche Vorratskündigung ist nach dem vom Berufungsgericht zugrundegelegten Vorbringen des Beklagten nicht gegeben. Der Beklagte hat seinen Eigenbedarf auf einen gegenwärtigen und nicht auf einen Nutzungswunsch für eine ungewisse Zukunft gestützt.
Der Umstand, daß der Beklagte die Wohnung nach dem Auszug der Kläger zunächst saniert hat, um sie nach seinen Vorstellungen herzurichten, steht einem Eigenbedarf nicht entgegen (vgl. BVerfG, Beschluß vom 26. September 2001, aaO m.w.Nachw.; OLG Frankfurt/Main, NJW 1992, 2300; Grapentin, aaO, Rdnr. 71). Dies gilt auch im Hinblick auf die vom Berufungsgericht beanstandete Dauer der Sanierung. Die berechtigte Eigenbedarfskündigung wird nicht schon dadurch unzulässig, daß die im Anschluß an die Räumung der Wohnung ausgeführten Renovierungsarbeiten sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, der die dafür normalerweise erforderliche Dauer überschreitet. Dem Vermieter steht es aufgrund seines durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentumsrechts frei, die Wohnung nach seinen Vorstellungen umzugestalten. Ob der Eigentümer die von ihm für notwendig erachteten Arbeiten beschleunigt durchführt oder sich die Arbeiten – etwa aufgrund begrenzter finanzieller Mittel oder wegen der Vornahme von Eigenleistungen – über einen längeren Zeitraum erstrecken, berührt die Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung nicht.
Hiervon zu trennen ist die Frage, ob aus der Dauer der Sanierungsarbeiten – gegebenenfalls in Verbindung mit weiteren Umständen – im Rahmen der richterlichen Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) auf eine von vorneherein fehlende Ernsthaftigkeit der behaupteten Nutzungsabsicht geschlossen werden kann (vgl. dazu BVerfG, Beschluß vom 26. September 2001, aaO). Darauf hat das Berufungsgericht jedoch nicht abgestellt.
3. Des weiteren hat das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen, der Beklagte trage für das Vorliegen seines ursprünglichen Selbstnutzungswillens die Darlegungs- und Beweislast.
a) Grundsätzlich hat derjenige, der aus einer ihm günstigen Norm Rechte herleitet, deren tatsächliche Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen (BGHZ 113, 222, 224 f.; Senatsurteil BGHZ 116, 278, 288; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 16. Aufl., § 114 Rdnr. 7 ff.; Stein/Jonas/Leipold, Zivilprozeßordnung, 21. Aufl., § 286 Rdnr. 38 ff.). Dementsprechend ist anerkannt, daß ein Anspruchsteller, der einen Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung geltend macht, die Tatsachen, welche die Pflichtverletzung begründen, als Voraussetzung des Schadensersatzanspruchs darzulegen und im Bestreitensfalle zu beweisen hat (st.Rspr., Senatsurteil vom 20. Juni 1990 – VIII ZR 182/89, NJW-RR 1990, 1422 = WM 1990, 1977, unter II 2 a m.w.Nachw.; Baumgärtel/Laumen, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Band 1, 2. Aufl., Anh. § 282 Rdnr. 4 ff., 19 ff., 25).
b) Diese Verteilung der Beweislast gilt entgegen einer in der Rechtsprechung und im Schrifttum zum Teil vertretenen Auffassung (LG Bochum, aaO, m.w.Nachw.; LG Freiburg, WuM 1979, 215; LG Hamburg, NJW-RR 1993, 333; LG Köln, WuM 1993, 195; Barthelmess, 2. WKSchG, 5. Aufl., § 564 b BGB Rdnr. 243; Palandt/Weidenkaff, BGB, 64. Aufl., § 573 Rdnr. 58) auch für den Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung, den der Mieter gegen den früheren Vermieter wegen einer auf vorgeschobene Eigenbedarfsgründe gestützten Kündigung geltend macht. Eine sachliche Rechtfertigung dafür, bei diesem Anspruch von dem allgemeinen Grundsatz der Beweislastverteilung abzuweichen, ist nicht gegeben. Der Mieter muß mithin beweisen, daß die vom Vermieter zur Begründung des Eigenbedarfs angegebenen Tatsachen nicht zutreffen, wenn er aus diesem Grund Schadensersatz begehrt.
aa) Für eine Umkehr der Beweislast dahingehend, daß der Vermieter im Schadensersatzprozeß des Mieters den mit der Kündigung behaupteten Eigenbedarf zu beweisen hätte, spricht nicht, daß der Vermieter im Räumungsprozeß gegen den Mieter die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen des geltend gemachten Eigenbedarfs trägt (so aber LG Freiburg, aaO). Die unterschiedliche Beweislastverteilung ist die Folge der jeweiligen Ansprüche, die im Räumungsprozeß des Vermieters einerseits und im Schadensersatzprozeß des Mieters andererseits geltend gemacht werden. In Übereinstimmung mit dem allgemeinen Beweislastgrundsatz muß der Vermieter das Vorliegen des behaupteten Eigenbedarfs und damit seine Kündigungsberechtigung als Voraussetzung für seinen Räumungsanspruch beweisen, während der Mieter für den von ihm erhobenen Schadensersatzanspruch als dessen Voraussetzung zu beweisen hat, daß der Eigenbedarf vorgeschoben und die Kündigung deshalb unberechtigt war.
bb) Ferner ist eine Umkehr der Beweislast auch nicht aufgrund des Umstands geboten, daß es sich bei dem fehlenden Selbstnutzungswillen des Vermieters um eine innere, negative Tatsache handelt, deren Nachweis dem Mieter im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten kann (so aber LG Bochum und Barthelmess, jeweils aaO; wohl auch LG Freiburg, aaO). Die Beweislast für auf innere Tatsachen bezogene Voraussetzungen einer Rechtsfolge wird auch im Rahmen anderer materieller Vorschriften des bürgerlichen Rechts der Partei auferlegt, die daraus eine ihr günstige Rechtsfolge herleitet. Dies gilt etwa für den Nachweis der Arglist gemäß § 123 BGB (BGH, Urteil vom 13. Mai 1957 – II ZR 56/56, NJW 1957, 988; Baumgärtel/Laumen, aaO, § 123 Rdnr. 1, 3 m.w.Nachw.), der subjektiven Voraussetzungen des § 138 BGB (BGHZ 95, 81, 85; Baumgärtel/Laumen, aaO, § 138 Rdnr. 1 m.w.Nachw.), der Kenntnis des Geschäftsgegners vom Fehlen der Vertretungsmacht nach § 179 Abs. 3 BGB (Staudinger/Schilken, BGB (2004), § 179 Rdnr. 27 m.w.Nachw.) und der Gläubigerbenachteiligungsabsicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG a.F. (BGH, Urteil vom 3. März 1988 – IX ZR 11/87, NJW-RR 1988, 827 = WM 1988, 799, unter III 3 a). Ebenso trägt der Anspruchsteller grundsätzlich auch die Beweislast für negative Tatsachen (vgl. für das Nichtbestehen eines rechtlichen Grundes gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB: BGHZ 128, 167, 171 m.w.Nachw.; allgemein Baumgärtel, Beweislastpraxis im Privatrecht, Rdnr. 331 ff., 344 m.w.Nachw.).
cc) Der Mieter wird dadurch, daß ihm der Beweis des fehlenden Selbstnutzungswillens des Vermieters auferlegt wird, nicht in unbilliger Weise belastet. Denn der Vermieter darf sich als Anspruchsgegner zur Vermeidung prozessualer Nachteile nicht darauf beschränken, die Behauptung des Mieters, der Vermieter habe im Zeitpunkt der Kündigung die Nutzung der Wohnung nicht ernsthaft beabsichtigt, schlicht zu bestreiten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs obliegt dem Prozeßgegner eine sogenannte sekundäre Behauptungslast, wenn die primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine Kenntnisse von den maßgeblichen Tatsachen besitzt, während der Prozeßgegner zumutbar nähere Angaben machen kann (BGHZ 145, 170, 184 f.; Senatsurteil vom 3. Februar 1999 – VIII ZR 14/98, NJW 1999, 1404 = WM 1999, 1034, unter II 2 b aa, jew.m.w.Nachw.). Im Rahmen des Zumutbaren kann vom Prozeßgegner insbesondere das substantiierte Bestreiten einer negativen Tatsache unter Darlegung der für das Positivum sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden (BGH, Urteil vom 18. Mai 1999 – X ZR 158/97, NJW 1999, 2887 = WM 1999, 2175, unter 2 c m.w.Nachw.).
Dies gilt auch im Falle des vom Vermieter mit der Kündigung behaupteten, anschließend aber nicht realisierten Eigenbedarfs (so auch LG Frankfurt/Main, WuM 1995, 165). Der Mieter hat in die für den Eigenbedarf geltend gemachten Tatsachen regelmäßig keinen Einblick und kann ohne nähere Darlegung seitens des Vermieters nicht beurteilen, ob dessen Kündigung wegen Eigenbedarfs, die den Mieter zum Auszug veranlaßt hat, berechtigt war. Setzt der Vermieter den behaupteten Selbstnutzungswillen nach dem Auszug des Mieters nicht in die Tat um, so liegt der Verdacht nahe, daß der Eigenbedarf nur vorgeschoben gewesen ist (so auch BVerfG, Beschluß vom 26. September 2001, aaO). Unter diesen Umständen ist es dem Vermieter zuzumuten, substantiiert und plausibel „stimmig”, BVerfG, Beschluß vom 30. Mai 1997 – 1 BvR 1797/95, NJW 1997, 2377 = WM 1997, 1293, unter II 1 a zu LG Frankfurt/Main, aaO) darzulegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll (ebenso LG Frankfurt/Main, aaO). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es unter dem Blickwinkel des Art. 14 GG nicht zu beanstanden, im Falle des nicht verwirklichten Eigenbedarfs dem Vermieter die Darlegungslast für die in seinem Kenntnisbereich liegenden Umstände, die den Sinneswandel bewirkt haben sollen, aufzuerlegen und insoweit strenge Anforderungen zu stellen (BVerfG, Beschluß vom 30. Mai 1997, aaO). Erst wenn der Vortrag des Vermieters dem genügt, obliegt dem Mieter der Beweis für seine Behauptung, daß ein Selbstnutzungswille des Vermieters schon vorher nicht bestanden hatte.
dd) Für das Revisionsverfahren ist zu unterstellen, daß der Beklagte seinen ursprünglichen Selbstnutzungswillen und insbesondere die tatsächlichen Gründe, die nach dem Auszug der Kläger dazu geführt haben sollen, daß er seinen Selbstnutzungswillen aufgegeben habe, substantiiert und plausibel dargelegt hat. Denn das Berufungsgericht hat seine Entscheidung lediglich mit fehlenden Beweisangeboten des Beklagten für das Vorliegen der ursprünglichen Nutzungsabsicht begründet. Die Beweislast dafür liegt jedoch – wie dargelegt – im Rahmen der vorliegenden Schadensersatzklage nicht beim Beklagten. Vielmehr ist es nun Sache der Kläger, ihre Behauptung, der Beklagte habe bereits vor ihrem Auszug nicht beabsichtigt, in die von ihnen gemietete Erdgeschoßwohnung einzuziehen, zu beweisen. Die Kläger haben für ihr Vorbringen auch Beweis angetreten.
4. Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Entgegen der in der Revisionsinstanz vertretenen Auffassung der Kläger ist ihr Vorbringen nicht bereits deshalb als erwiesen anzusehen, weil dafür der Beweis des ersten Anscheins spräche.
Es kann offenbleiben, ob unter bestimmten tatsächlichen Voraussetzungen ein Anscheinsbeweis zugunsten des Mieters dafür sprechen kann, daß der vom Vermieter mit der Kündigung behauptete Eigenbedarf nicht bestand, wenn dieser später nicht verwirklicht wird (dazu LG Berlin, GE 1996, 1487; AG Gießen, WuM 1991, 271; Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, aaO, § 564 b BGB Rdnr. 6 m.w.Nachw.; MünchKommBGB/Häublein, aaO, Rdnr. 111; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 8. Aufl., § 573 Rdnr. 84; Staudinger/Rolfs, aaO, § 573 Rdnr. 176 m.w.Nachw.; zweifelnd OLG Celle, WuM 1984, 5, 6; a.A. LG Frankfurt/Main, aaO). Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für einen Beweis des ersten Anscheins jedenfalls nicht erfüllt.
Die Frage, ob ein Anscheinsbeweis eingreift, unterliegt der Prüfung durch das Revisionsgericht (BGHZ 100, 31, 33; BGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 – XI ZR 210/03, NJW 2004, 3623 = WM 2004, 2309, zur Veröffentlichung in BGHZ 160, 308 bestimmt, unter II 2 b aa). Bedenken bestehen bereits, ob ein Anscheinsbeweis im Bereich individueller Willensentschlüsse überhaupt in Betracht kommt (BGHZ 104, 256, 259 ff.; Musielak/Foerste, ZPO, 4. Aufl., § 286 Rdnr. 30 m.w.Nachw.; vgl. aber auch BGHZ 123, 311, 315 ff.). Die Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins sind jedenfalls nur bei typischen Geschehensabläufen anwendbar, das heißt in Fällen, in denen ein Sachverhalt feststeht, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist (st.Rspr.; BGH, Urteil vom 5. Oktober 2004, aaO, m.w.Nachw.). Ein solcher typischer Geschehensablauf liegt hier nicht vor. Nach der Lebenserfahrung kann nicht allgemein davon ausgegangen werden, daß ein Vermieter, der – wie der Beklagte – nach einer Kündigung wegen Eigenbedarfs in seiner Wohnung über einen Zeitraum von circa 2 ½ Jahren hinweg Sanierungsarbeiten vornimmt und die Wohnung erst dann neu vermietet, diese anderweitige Nutzung typischerweise bereits vor dem Auszug des Mieters beabsichtigt hatte. Allein der große zeitliche Abstand zwischen der Räumung der Wohnung und deren erneuter Vermietung läßt es nicht, wie es der Anscheinsbeweis voraussetzt, als hinreichend naheliegend erscheinen, daß sich der Beklagte zur Neuvermietung der Wohnung bereits vor dem Auszug der Kläger entschlossen hatte. Ein Vermieter, der von vorneherein eine anderweitige Vermietung beabsichtigt, wird im allgemeinen die notwendigen Sanierungsarbeiten eher zügig durchführen, um einen unnötigen Leerstand der Wohnung zu vermeiden.
III.
Auf die Revision des Beklagten ist das Berufungsurteil aufzuheben, und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da es weiterer Feststellungen dazu bedarf, ob der vom Beklagten mit der Kündigung geltend gemachte Eigenbedarf vorgeschoben war (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Unterschriften
Dr. Deppert, Dr. Beyer, Ball, Dr. Leimert, Dr. Frellesen
Fundstellen
Haufe-Index 1444727 |
NJW 2005, 2395 |
NWB 2005, 1910 |
BGHR |
DWW 2007, 227 |
EBE/BGH 2005, 230 |
NZM 2005, 580 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2005, 878 |
ZMR 2005, 702 |
AnwBl 2005, 132 |
JA 2005, 757 |
JZ 2006, 153 |
JuS 2005, 1038 |
MDR 2005, 1218 |
WuM 2005, 521 |
GV/RP 2006, 214 |
Info M 2005, 233 |
Info M 2005, 266 |
Info M 2005, 267 |
MietRB 2006, 2 |
NJW-Spezial 2005, 434 |
RdW 2005, 642 |
ZGS 2005, 203 |
FuBW 2006, 204 |
MK 2005, 158 |