Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderjährigenunterhalt
Leitsatz (redaktionell)
Sind aus der neuen Ehe keine betreuungsbedürftigen Kinder hervorgegangen, so kann sich der unterhaltspflichtige Elternteil gegenüber den minderjährigen Kindern aus der früheren Ehe regelmäßig nicht auf eine Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit durch die Haushaltsführung berufen mit der Folge, dass er sich ggf. fiktive Einkünfte zurechnen lassen muss, aus denen die Unterhaltspflicht gegenüber seinem Kind zu erfüllen ist. Hierbei muss der Unterhaltspflichtige nach seinem Gesundheitszustand und unter Berücksichtigung der Lage auf dem Arbeitsmarkt imstande sein, einer (Teil-) Erwerbstätigkeit nachzugehen und auch eine entsprechende Stellung zu finden.
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 1-2, §§ 1609, 1360 S. 2
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Familiensenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 3. Juni 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch.
Der am 5. November 1984 geborene Kläger ist der Sohn der Beklagten aus ihrer im Jahre 1991 geschiedenen Ehe. Der Kläger lebt bei dem sorgeberechtigten Vater. Dieser ist kinderlos wieder verheiratet und verdiente bis Anfang April 1998 monatlich ca. 2.200 DM netto; danach wurde er arbeitslos. Seine zweite Ehefrau hat zwei Kinder mit in die Ehe gebracht; sie ist teilzeitbeschäftigt mit Einkünften von ca. 950 DM netto monatlich.
Die im Jahre 1962 geborene Beklagte ist ebenfalls – seit 1992 – wieder verheiratet. Aus ihrer zweiten Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Die Beklagte war bis 1989 als Textilfacharbeiterin in der früheren DDR tätig. Seither geht sie keiner Erwerbstätigkeit mehr nach. Den früheren Beruf kann sie aus gesundheitlichen Gründen, insbesondere wegen einer Augenerkrankung, nicht mehr ausüben. Der zweite Ehemann der Beklagten erzielte 1997 monatliche Erwerbseinkünfte in Höhe von rund 3.270 DM netto. Im Haushalt der Beklagten lebt noch ihre 1981 geborene voreheliche Tochter, die sich seit Mitte 1997 einer Ausbildung unterzieht und daraus eigene Einkünfte hat.
Mit der im April 1997 eingereichten Klage hat der Kläger Unterhalt in Höhe von monatlich 341 DM ab 1. März 1997 von der Beklagten begehrt. Diese hat sich auf Leistungsunfähigkeit berufen, da sie Hausfrau ohne eigenes Einkommen sei und aus Gesundheitsgründen sowie wegen der Arbeitsplatzsituation in ihrer Region keiner Erwerbstätigkeit nachgehen könne.
Das Amtsgericht – Familiengericht – hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage zu Unterhaltszahlungen von monatlich 200 DM ab 1. Juli 1997 verurteilt. Auf die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der zugelassenen Revision, mit der er die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erstrebt.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat eine Unterhaltsverpflichtung der Beklagten gegenüber dem Beklagten verneint, da die Beklagte nicht leistungsfähig sei und sich auch nicht als leistungsfähig behandeln lassen müsse. Hierzu hat das Gericht im einzelnen ausgeführt:
a) Es könne allerdings nicht davon ausgegangen werden, daß der Vater des Klägers dessen notwendigen Unterhalt allein sicherstellen könne, ohne seinen eigenen angemessenen Unterhalt (von mindestens 1.620 DM monatlich) zu gefährden. Denn der Vater sei auch seiner jetzigen Ehefrau zum Unterhalt verpflichtet, da deren Eigeneinkünfte nicht ausreichten, um ihren Mindestbedarf (von 1.350 DM monatlich) zu decken. Im übrigen müsse der Vater neben dem vom Familiengericht ausgeurteilten Unterhaltsbetrag von monatlich 200 DM, der nicht für den notwendigen Mindestbedarf des Klägers ausreiche, ohnehin zu dessen Unterhalt beitragen.
Gegen diese Ausführungen, die erkennbar an der Rechtsprechung des Senats ausgerichtet sind, nach der der betreuende Elternteil ausnahmsweise, bei besonders günstigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen, auch zur Barunterhaltsleistung herangezogen werden kann (vgl. Senatsurteile vom 8. April 1981 – IVb ZR 587/80 = FamRZ 1981, 543 ff. und vom 26. Oktober 1983 – IVb ZR 13/82 = FamRZ 1984, 39 ff., jeweils m.N.), sind angesichts der festgestellten tatsächlichen Verhältnisse aus Rechtsgründen keine Einwendungen zu erheben. Auch die Revision greift sie nicht an.
b) Das Berufungsgericht hat ferner die Auffassung der Beklagten als unzutreffend abgelehnt, daß sie etwa von ihr erzielte Eigeneinkünfte zur Deckung des eigenen Mindestbedarfs und des Bedarfs ihrer vorehelichen Tochter verwenden müsse, da die Einkünfte ihres Ehemannes dafür nicht ausreichten. Dem hat das Oberlandesgericht entgegengehalten: Selbst wenn nach der angewandten Unterhaltstabelle für den Ehemann als angemessener Mindestbedarf ein Betrag von 1.800 DM und für die Beklagte ein Mindestbedarf von 1.200 DM monatlich (1.500 DM abzüglich 20 % Abschlag wegen des Zusammenlebens mit dem Ehemann) angesetzt würden, reichten die Einkünfte des Ehemannes zur Deckung dieser Beträge aus. Jedenfalls sei nicht vorgetragen, daß unterhaltsrechtlich beachtliche Positionen (über pauschale 5 % Werbungskosten hinaus) die Einkünfte des Ehemannes belasteten. Der Tochter der Beklagten sei der Ehemann nicht zum Unterhalt verpflichtet. Im übrigen beziehe diese in der hier streitigen Zeit eigene Einkünfte, so daß davon auszugehen sei, daß ihr Mindestbedarf gedeckt sei.
Auch diese – der Revision günstigen – Ausführungen des Berufungsgerichts sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Sie stehen in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats, wonach ein wiederverheirateter Elternteil, der in der neuen Ehe die Rolle des Hausmannes/der Hausfrau übernommen hat, Eigeneinkünfte – aus einer neben der Tätigkeit im Haushalt ausgeübten Erwerbstätigkeit – im Verhältnis zu einem unterhaltsberechtigten minderjährigen Kind aus der früheren Ehe nicht für den eigenen Unterhalt einsetzen kann, soweit er sein Auskommen in der neuen Ehe durch Unterhaltsleistungen seines Ehegatten findet (vgl. Senatsurteil vom 19. März 1986 – IVb ZR 18/85 = FamRZ 1986, 668, 669; auch Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 7. Aufl. Rdn. 659; Wendl/Scholz, Unterhaltsrecht 5. Aufl. § 2 Rdn. 175).
c) Zur Begründung der Entscheidung, daß die Beklagte dem Kläger gleichwohl keinen Unterhalt schulde, auch nicht aus Einkünften einer zumutbaren Erwerbstätigkeit, hat das Berufungsgericht sodann ausgeführt: Es könne dahinstehen, ob die Beklagte hinreichende Bemühungen um eine Arbeitsstelle belegt habe, bei der sie jedenfalls den hier in Frage stehenden Unterhalt von monatlich 200 DM für den Kläger verdienen könnte. Hierauf komme es nicht an, da der von der Beklagten angeführte Gesichtspunkt durchgreife, daß der Kläger unterhaltsrechtlich nicht allein dadurch bessergestellt werden dürfe, daß die Beklagte wieder verheiratet sei und aus der Ehe einen Unterhaltsanspruch gegen ihren jetzigen Ehemann habe. Ohne die Wiederheirat wäre die Beklagte im Hinblick auf ihre gesundheitlichen Einschränkungen und die allgemeine Lage auf dem Arbeitsmarkt, auch bei hypothetischer Beurteilung, nicht in der Lage, durch eigene Erwerbstätigkeit so viel zu verdienen, daß sie neben der Deckung ihres eigenen Mindestbedarfs (von pauschal 1.500 DM monatlich) noch monatlich 200 DM zum Unterhalt des Klägers beitragen könnte. Eine allein durch die Wiederheirat verursachte Besserstellung des unterhaltsberechtigten Klägers lasse sich nicht rechtfertigen. Das führe dazu, daß sich die Beklagte auch bei hypothetischer Betrachtung nicht als leistungsfähig zur Zahlung von Unterhalt an den Kläger behandeln lassen müsse.
2. Diese Entscheidung hält, wie die Revision zu Recht geltend macht, rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie steht im Widerspruch zu der ständigen „Hausmann”-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auch des erkennenden Senats, von der abzugehen kein Grund besteht.
a) Nach der durch die Entscheidung BGHZ 75, 272 ff. (= FamRZ 1980, 43) begründeten und vom Senat fortgesetzten Rechtsprechung, die nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 68, 256 ff. (= FamRZ 1985, 143) verfassungsrechtlich unbedenklich ist, trifft den wiederverheirateten Ehegatten ungeachtet seiner Pflichten aus der neuen Ehe die Obliegenheit, durch Aufnahme zumindest eines Nebenerwerbs zum Unterhalt von minderjährigen, unverheirateten Kindern aus früheren Ehen beizutragen. Der neue Ehepartner hat die Erfüllung dieser Obliegenheit nach dem Rechtsgedanken des § 1356 Abs. 2 BGB zu ermöglichen, zumal bei der Aufgabenverteilung in der neuen Ehe die beiderseits bekannte Unterhaltslast gegenüber Kindern aus früheren Ehen berücksichtigt werden muß (vgl. Senatsurteile vom 19. März 1986 aaO S. 668; vom 13. März 1996 – XII ZR 2/95 = FamRZ 1996, 796 ff.). Die Leistungsfähigkeit des wiederverheirateten Elternteils wird insoweit – neben vorhandenen Einkünften – durch seine Erwerbsfähigkeit bestimmt (vgl. Senatsurteil vom 26. September 1984 – IVb ZR 17/83 = FamRZ 1985, 158, 159). Dabei richtet sich der Umfang der Erwerbsobliegenheit maßgeblich nach den bestehenden Unterhaltspflichten ohne Berücksichtigung des eigenen Unterhaltsbedarfs, da (und soweit) der Eigenbedarf des haushaltführenden Ehegatten durch den Unterhalt gesichert ist, den ihm sein Ehegatte nach Maßgabe der §§ 1360, 1360 a BGB schuldet (vgl. auch Wendl/Scholz aaO § 2 Rdn. 175). Wenn der wiederverheiratete Elternteil auch in der neuen Ehe die ihn hier treffende Verpflichtung, durch Arbeit zum Familienunterhalt beizutragen, grundsätzlich durch die Führung des Haushalts erfüllt (vgl. § 1360 Satz 2 BGB), ist er doch gehalten, die häusliche Tätigkeit auf ein Maß zu beschränken, welches es ihm erlaubt, eine Nebentätigkeit aufzunehmen, um seiner Barunterhaltspflicht gegenüber den minderjährigen Kindern aus der früheren Ehe nachkommen zu können (vgl. Senatsurteil vom 13. März 1996 aaO S. 797).
Sind aus der neuen Ehe, wie im vorliegenden Fall, keine betreuungsbedürftigen Kinder hervorgegangen, so kann sich der unterhaltspflichtige Elternteil gegenüber den minderjährigen Kindern aus der früheren Ehe regelmäßig nicht auf eine Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit durch die Haushaltsführung berufen (vgl. BGHZ aaO S. 274 m.w.N.; Kalthoener/Büttner/Niepmann aaO Rdn. 658; Wendl/Scholz aaO § 2 Rdn. 180). Das hat zur Folge, daß er sich ggf. fiktive Einkünfte zurechnen lassen muß, aus denen die Unterhaltspflicht gegenüber dem unterhaltsberechtigten, minderjährigen Kind zu erfüllen ist. Allerdings können fiktive Einkünfte grundsätzlich nur insoweit zugerechnet werden, als der Unterhaltspflichtige sie bei einem Verhalten, das seinen unterhaltsrechtlichen Obliegenheiten entspricht, tatsächlich erzielen könnte (vgl. Senatsurteil vom 19. März 1986 aaO S. 668). Der Unterhaltspflichtige muß also nach seinem Gesundheitszustand und unter Berücksichtigung der Lage auf dem Arbeitsmarkt imstande sein, einer (Teil-)Erwerbstätigkeit nachzugehen und auch eine entsprechende Stellung zu finden (vgl. hierzu Senatsurteil vom 19. März 1986 aaO S. 669 unter 3).
Hierzu bedarf es tatsächlicher Feststellungen, die bisher nicht getroffen sind.
b) Die Begründung, mit der das Berufungsgericht hat dahinstehen lassen, ob sich die Beklagte ausreichend um eine ihr zumutbare Nebenerwerbstätigkeit bemüht habe, vermag die angefochtene Entscheidung nicht zu rechtfertigen. Das Oberlandesgericht hat sich insoweit auf sein früheres Urteil vom 27. August 1986 bezogen (2 UF 252/85 = NJW 1987, 1560 = FamRZ 1987, 188). In diesem Urteil hat sich das Gericht mit der Entscheidung des erkennenden Senats vom 31. März 1982 (IVb ZR 667/80 = FamRZ 1982, 590 ff.) – zur Nebenerwerbsobliegenheit des barunterhaltspflichtigen Elternteils, der in seiner neuen Ehe die Haushaltsführung und die Betreuung des aus dieser Ehe hervorgegangen minderjährigen Kindes übernommen hat – auseinandergesetzt. Dabei hat sich das Oberlandesgericht darauf gestützt, daß der Senat in dem genannten Urteil ausgeführt habe,
die Nebenerwerbsobliegenheit des wiederverheirateten Elternteils könne nur so weit reichen, daß die unterhaltsberechtigten Kinder aus der früheren Ehe nicht schlechter gestellt würden als sie stünden, wenn der ihnen gegenüber zum Unterhalt Verpflichtete sich in seiner neuen Ehe nicht auf die Rolle des Hausmanns (der Hausfrau) zurückgezogen hätte, sondern erwerbstätig geblieben wäre. Von diesen Grundsätzen sei der Bundesgerichtshof auch in einer weiteren Entscheidung vom 26. September 1984 (IVb ZR 17/83 = FamRZ 1985, 158 ff.) ausgegangen.
Der hier zu entscheidende Sachverhalt unterscheide sich zwar von den genannten Fällen insoweit, als im Haushalt der Beklagten kein Kind mehr zu betreuen sei. Gleichwohl sei eine Anwendung der von dem Bundesgerichtshof dargelegten Grundsätze auch im vorliegenden Fall geboten: Ebenso wie die erstehelichen Kinder grundsätzlich durch die neue Ehe des barunterhaltspflichtigen Elternteils und die in dieser Ehe praktizierte Rollenverteilung nicht schlechtergestellt werden dürften, gebe es keine Rechtfertigung dafür, daß die Kinder durch die neue Eheschließung wirtschaftlich bessergestellt würden als sie stünden, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil nicht wiederverheiratet wäre. Denn eine solche Besserstellung würde nicht durch finanzielle Mittel des unterhaltspflichtigen Elternteils bewirkt, sondern – letztlich mittelbar – durch die wirtschaftlichen Verhältnisse des neuen Ehegatten.
Dem ist nicht zu folgen.
Abgesehen davon, daß die Darlegungen des Oberlandesgerichts dem Grundsatz des § 1360 Satz 2 BGB nicht angemessen Rechnung tragen und den wirtschaftlichen Wert des „Unterhaltsbeitrags”, den der haushaltführende Ehegatte in seiner neuen Ehe leistet, außer Betracht lassen, rechtfertigen die Ausführungen des erkennenden Senats aus dem Urteil vom 31. März 1982 (aaO) nicht die hieraus von dem Oberlandesgericht gezogenen Schlüsse.
Die Senatsentscheidung vom 31. März 1982 (aaO) betraf einen Fall, in dem zu den minderjährigen Kindern aus der früheren Ehe des Beklagten ein weiteres minderjähriges Kind aus seiner zweiten Ehe hinzugekommen war, für das der Beklagte als „Hausmann” die Betreuung übernommen hatte. Bei der Bestimmung des Umfangs der Nebenerwerbsobliegenheit, die den Beklagten unter diesen Umständen im Hinblick auf seine Unterhaltspflichten gegenüber allen minderjährigen Kindern traf, hat sich der Senat ausdrücklich auf die Gleichrangigkeit der Kindesunterhaltsansprüche gestützt und die getroffene Entscheidung mit dem Grundgedanken der §§ 1603 Abs. 1, 1609 BGB begründet (vgl. auch Senatsurteil vom 11. Februar 1987 – IVb ZR 81/85 = FamRZ 1987, 472). (Nur) In diesem Sinn hat der Senat dabei die obere Grenze der Nebenerwerbsobliegenheit des Unterhaltspflichtigen so bestimmt, daß die Kinder aus der früheren Ehe nicht schlechtergestellt werden dürften, als sie bei fortbestehender Erwerbstätigkeit des Verpflichteten stehen würden. In dem Urteil vom 13. März 1996 (aaO S. 798 unter 3) hat der Senat den entsprechenden Gedanken dahin formuliert, daß sich der Unterhaltspflichtige durch die Übernahme der Rolle des Hausmanns nicht schlechterstellen dürfte, als wenn er erwerbstätig geblieben wäre. Das bedeutet zugleich, daß sich die minderjährigen, unterhaltsberechtigten Kinder aus der früheren Ehe unter den genannten Voraussetzungen nicht besserstehen dürften als bei einer Fortführung der Erwerbstätigkeit des Unterhaltspflichtigen. Die beiden unterschiedlichen Sichtweisen zeigen den Grundgedanken der getroffenen Regelung auf: Wie sich aus § 1609 BGB ergibt, ist der wiederverheiratete unterhaltspflichtige Elternteil bei Hinzutritt weiterer minderjähriger Kinder aus der neuen Ehe allen Kindern – gleichrangig – zum Unterhalt verpflichtet, und die Kinder aus der früheren Ehe sind ungeachtet der Rolle, die der Verpflichtete in seiner neuen Ehe übernimmt, nicht vor einer sich aus dem Hinzutritt weiterer Unterhaltsberechtigter ergebenden Schmälerung ihres Barunterhalts geschützt (vgl. auch Senatsurteil vom 11. Februar 1987 – IVb ZR 81/85 = FamRZ 1987, 472, 474 m.w.N.).
Diese ausschließlich aus § 1609 BGB abgeleitete Argumentation läßt sich nicht übertragen und läßt auch keine Rückschlüsse zu auf Fälle, in denen sich, wie hier, keine Gleich-Rangfragen stellen, weil keine minderjährigen Kinder aus der neuen Ehe des Unterhaltspflichtigen hervorgegangen sind. Soweit das Berufungsgericht – im Vergleich mit der dargelegten Rechtsprechung des erkennenden Senats – für den hier zu entscheidenden Fall eine Rechtfertigung dafür vermißt, daß die minderjährigen erstehelichen Kinder durch die neue Eheschließung ihres unterhaltspflichtigen Elternteils „bessergestellt” würden, als wenn dieser keine neue Ehe eingegangen wäre, überträgt es ohne rechtfertigenden Grund die zu § 1609 BGB aufgestellten Grundsätze auf eine hiermit nicht vergleichbare Fallgestaltung.
Den erwähnten Senatsentscheidungen zu § 1609 BGB ist allerdings zu entnehmen, daß die Tatsache der Wiederverheiratung des unterhaltspflichtigen Elternteils unterhaltsrechtlich zu beachten ist. Ebenso wie die Wiederheirat dazu führen kann, daß sich das ersteheliche Kind eine Schmälerung seines Unterhaltsanspruchs als Folge des Hinzutritts weiterer minderjähriger Kinder aus der neuen Ehe des Unterhaltspflichtigen entgegenhalten lassen muß, kann sich die Wiederverheiratung auch, wie im vorliegenden Fall, zum Vorteil des erstehelichen Kindes auswirken. Da das Gesetz in § 1603 BGB auf die tatsächlichen Verhältnisse des Unterhaltsverpflichteten abstellt und seine Unterhaltspflicht danach bemißt, ob (und inwieweit) er imstande ist, den begehrten Unterhalt ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts zu gewähren, ist hier die Sicherstellung des eigenen Unterhalts der Beklagten in der neuen Ehe als Folge ihrer Wiederheirat unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen. Es besteht daher kein Anlaß und auch kein rechtfertigender Grund, eine fortdauernde Erwerbstätigkeit der Beklagten zu unterstellen.
c) Ihre Unterhaltspflicht bestimmt sich, wie oben unter a) dargelegt, allein nach § 1603 Abs. 2 BGB mit der Folge, daß sie gehalten ist, durch zumutbare Nebenerwerbstätigkeit die erforderlichen Mittel für den hier noch streitigen Unterhalt des Klägers von monatlich 200 DM aufzubringen. Da das Berufungsgericht der Frage, ob sich die Beklagte – die sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht selbst für nicht voll erwerbsunfähig erklärt hat – ausreichend um eine entsprechende, ihr auch unter gesundheitlichen Gesichtspunkten zumutbare Erwerbstätigkeit (vgl. dazu etwa Senatsurteil vom 19. März 1986 aaO S. 669) bemüht hat, bisher nicht nachgegangen ist, kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben. Der Rechtsstreit ist vielmehr zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen und zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
In der neuen Verhandlung wird das Oberlandesgericht auch Gelegenheit zu der Prüfung haben, ob und ggf. in welcher Höhe die Beklagte ein ihr zustehendes Taschengeld für den Unterhalt des Klägers einsetzen muß (vgl. dazu Senatsurteil vom 19. März 1986 aaO S. 669).
Ferner wird die neue Verhandlung dem Kläger Gelegenheit bieten, seinen Vortrag über den der Beklagten aus Anlaß der Ehescheidung zur Verfügung gestellten Betrag von 50.000 DM zu wiederholen und auf eine Klärung der Verwendung dieses Betrages durch die Beklagte hinzuwirken.
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Hahne, Gerber, Wagenitz
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 18.10.2000 durch Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 556504 |
FamRZ 2001, 1065 |
FamRZ 2001, 544 |
FamRZ 2007, 422 |
FuR 2001, 225 |
NJW-RR 2001, 361 |
JurBüro 2001, 275 |