Leitsatz (amtlich)

›Zum Diebstahl einer durch ein verschlossenes Behältnis gegen Wegnahme besonders gesicherten Sache gehört nicht, daß das Behältnis am Tatort geöffnet wird.‹

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld

 

Gründe

Der jugendliche Angeklagte ist von der Jugendkammer gemeinsam mit mehreren Mittätern wegen Diebstahls in sechs Fällen , versuchten Diebstahls in vier Fällen sowie wegen Sachbeschädigung zu einer Jugendstrafe von sieben Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist.

Die Revision des Angeklagten und seines gesetzlichen Vertreters rügt die Verletzung sachlichen Rechts. sie hat zum Teil Erfolg.

1. Soweit das Rechtsmittel sich gegen den Schuldspruch richtet, ist es offensichtlich unbegründet.

2. Zu Recht hat das Landgericht auch die strafschärfenden Voraussetzungen des § 243 Nr. 2 StGB in den Fällen 21, 26, 28, 32 bis 35 und 38 bejaht. Die Urteilsgründe lassen eindeutig erkennen, daß in allen diesen Fällen fest montierte Zigaretten- oder Kaugummiautomaten aufgebrochen wurden oder dies jedenfalls versucht worden ist. Es genügte unter diesen Umständen der einmalige Hinweis der Strafkammer in den Fällen 21 (Zigarettenautomat) und 26 (Kaugummiautomat), daß die in den Automaten befindlichen Waren sowie das Geld durch ein verschlossenes Behältnis gegen Wegnahme besonders gesichert waren.

Ebenso begegnet im Fall 27 die Annahme eines schweren Falles des Diebstahls keinen rechtlichen Bedenken. Es kann dabei dahinstehen, ob die entwendete Nußglocke tatsächlich an der Diskothek in der Weise "angebracht" war, daß eine besondere Schutzvorrichtung sie gegen eine Wegnahme sicherte, oder wie die Revision behauptet, in der Diskothek frei auf dem Tisch stand. Denn in den gebräuchlichen Nußglocken wird das für die Nußentnahme verwendete Münzgeld in einem unter der Glocke befindlichen verschlossenen Hohlraum aufgefangen und bis zur Leerung durch den Berechtigten aufbewahrt und damit auch gegen Wegnahme gesichert. Da es den Tätern auf das in diesem verschlossenen Behältnis (-teil) befindliche Münzgeld ankam, haben sie die Voraussetzungen des § 243 Nr. 2 StGB auch dann erfüllt, wenn sie die Nußglocke als ganze mitnahmen.

Nach der Neufassung dieser Bestimmung ist es nämlich nicht mehr entscheidend, daß die Nußglocke erst im Anschluß an ihre Wegnahme an einem anderen Ort aufgebrochen und das Geld dort entnommen worden ist (so LK 9. Aufl. § 243 Rdn. 24; Dreher 32. Aufl. § 243 Anm. 3 D; Lackner-Maassen 6. Aufl. § 243 Anm. 4 b cc). Dies folgt zwar nicht zwingend aus dem jetzigen Wortlaut der Bestimmung, wohl aber aus den kriminalpolitischen Motiven des Gesetzgebers während der Gesetzesberatung, der den Fall, "daß der Dieb die verschlossene Kassette aus einem Haus stiehlt und erst an einem anderen Ort aufbricht" § 243 StGB zuordnen wollte (E 1962 S. 403; vgl. Prot. V 2461, 2469; ebenso Corves JZ 1970, 156, 158). Daß das Behältnis als solches bis zur Tatvollendung möglicherweise keine den Gewahrsam des Berechtigten schützende Funktion mehr erfüllt, ist nunmehr von untergeordneter Bedeutung (a.A. Schönke/Schröder 15. Aufl. § 243 Rdn. 25). Diesem Umstand kann allenfalls bei der Strafzumessung Rechnung getragen werden, in Ausnahmefällen bei Vorliegen weiterer gewichtiger, hier nicht ersichtlicher, Faktoren sogar derart, daß die Zuordnung der Tat, die ein Regelbeispiel des § 243 StGB erfüllt, zu der Strafrahmenstufe dieser Bestimmung als unangemessen erscheint (vgl. Dreher aaO. Anm. 1).

3. Die Strafkammer hat mit einer für alle Angeklagten - mit Ausnahme des Mitangeklagten D.W. gegebenen Begründung das Vorliegen schädlicher Neigungen bejaht und deshalb nach § 17 Abs. 2 JGG auf Jugendstrafe erkannt. Sie hat im Rahmen dieser pauschalen Begründung übersehen, daß allein die Vielzahl der innerhalb eines kurzen Zeitraums begangenen gleichartigen Straftaten und die Tatsache, daß erst die Überführung der Angeklagten ihrem intensiven strafbaren Tun ein Ende setzte, jedenfalls in Bezug auf den bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getretenen Beschwerdeführer die Annahme schädlicher Neigungen nicht rechtfertigt. Gerade bei erstmaliger Bestrafung bisher noch nicht nachteilig aufgefallener Jugendlicher, die sich wie hier typischer Jugendverfehlungen (Automatenaufbrüche) schuldig gemacht haben, erfordert die Bejahung schädlicher Neigungen die Feststellung, daß erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel die Gefahr begründen, der Jugendliche oder Heranwachsende werde durch weitere Straftaten die Gemeinschaftsordnung stören (vgl. BGHSt 16, 261; BGH, Urteile vom 5. Mai 1970 - 1 StR 580/69 - und vom 24. Juni 1971 - 4 StR 168/71). Dazu ist in dem Urteil nur wenig gesagt. Der mitgeteilte Lebenslauf des Beschwerdeführers, der in zerrütteten Familienverhältnissen aufgewachsen, von seiner Mutter jedoch so erzogen worden ist, daß er bisher nicht auffällig wurde und sich in seiner Malerlehre bewährt, könnte für ein einmaliges Versagen sprechen. Es wird in diesem Zusammenhang zu prüfen sein, inwieweit die von dem zur Tatzeit erst 15 Jahre alten Angeklagten innerhalb eines Zeitraums von nur 6 Tagen (5. bis 10. April 1970) gemeinsam mit älteren Mittätern begangenen Verfehlungen bei ihm noch der Gelegenheits- oder Konfliktskriminalität für die Verhängung von Jugendstrafe wegen schädlicher Neigungen ausscheidet (BGHSt 18, 207, 210).

Mit der Aufhebung des Strafausspruchs kommt der Beschluß über die Bewährungsauflagen in Wegfall, so daß die hiergegen eingelegte Beschwerde gegenstandslos ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2992678

BGHSt 24, 248

BGHSt, 248

NJW 1972, 167

NJW 1972, 648

NJW 1972, 778

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