Leitsatz (amtlich)
a) Ist ein Zahlungstitel nicht der materiellen Rechtskraft fähig, weil nicht erkennbar ist, über welchen Anspruch das Gericht entschieden hat, kann der Schuldner mit einer prozessualen Gestaltungsklage analog § 767 Abs. 1 ZPO beantragen, daß die Zwangsvollstreckung aus dem Titel für unzulässig erklärt wird.
b) Bei einer derartigen Klage ist § 767 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO nicht entsprechend anwendbar.
Normenkette
ZPO § 767
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 13. November 1992 sowie das Teilurteil und das Schlußurteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heidelberg vom 12. Dezember 1991 und 9. April 1992 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heidelberg vom 8. Dezember 1987 (1 O 173/87) für unzulässig erklärt.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin stand in bankmäßigen Geschäftsverbindungen zu der R. GmbH & Co. KG (im folgenden: R. KG) und der A. Immobilien und Bauträger GmbH (im folgenden: A.). Der Beklagte ist Geschäftsführer sowohl der Komplementär-GmbH der R. KG als auch der A.. Am 7. November 1984 verbürgte er sich selbstschuldnerisch gegenüber der Klägerin für die Verbindlichkeiten der R. KG bis zum Betrage vom 530.000 DM und der A. bis zum Betrage von 1.340.000 DM. Nach Kündigung sämtlicher Kredite nahm die Klägerin den Beklagten in drei Parallelprozessen (1 O … bis …/87) vor dem Landgericht H. als Bürgen für die R. KG auf Zahlung eines Teilbetrages von jeweils 100.000 DM nebst Zinsen in Anspruch. In den – gleichlautenden – Klagebegründungen beschrieb die Klägerin ihre Forderungen gegen die R. KG wie folgt:
Kto. nr.: |
Saldo per 22. April 1987: |
… |
91.789,04 DM |
… |
128.447,53 DM |
… |
99.574,59 DM |
… |
2.382,72 DM |
… |
177.640,00 DM |
… |
0,00 DM |
… |
300,00 DM |
… |
499.533,88 DM |
Eine Aufschlüsselung des jeweils geltend gemachten Teilbetrages enthielten die Klagebegründungen nicht.
Durch – rechtskräftige – Versäumnisurteile vom 8. Oktober 1987 wurde der Beklagte in jedem der drei Prozesse antragsgemäß verurteilt. Am 23. Dezember 1987 erwirkte die Klägerin aufgrund des Versäumnisurteils in der Sache 1 O…/87 die Eintragung einer Zwangshypothek in Höhe von 100.000 DM nebst Zinsen auf einem Grundstück des Beklagten in P….
Eine von dem Beklagten erhobene Vollstreckungsgegenklage gegen die Zwangsvollstreckung aus den drei Versäumnisurteilen wurde rechtskräftig abgewiesen.
Im vorliegenden Verfahren nimmt die Klägerin den Beklagten aus der am 23. Dezember 1987 auf dem Grundstück in P… eingetragenen Zwangshypothek auf Duldung der Zwangsvollstreckung in Anspruch. Der Beklagte begehrt im Wege der Widerklage die Feststellung, daß die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil des Landgerichts Heidelberg vom 8. Oktober 1987 (1 O…/87) unzulässig sei. Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seine bisherigen Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
A.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagte sei gemäß § 1147 BGB zur Duldung der Zwangsvollstreckung in sein Grundstück verpflichtet. Aufgrund des Versäumnisurteils des Landgerichts Heidelberg vom 8. Oktober 1987 in der Sache 1 O…/87 schulde der Beklagte den durch die Zwangshypothek gesicherten Betrag. Daß die Klage, die zu dem Versäumnisurteil geführt habe, entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht hinreichend bestimmt gewesen sei, schade nicht. Denn das Versäumnisurteil sei in Rechtskraft erwachsen.
B.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
I.
Das Berufungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.
1. Es hat zwar – im Ausgangspunkt zutreffend – erkannt, daß der Gläubiger einer aufgrund eines rechtskräftigen Titels erwirkten Zwangshypothek der Verpflichtung enthoben ist, im Prozeß gegen den auf Duldung der Zwangsvollstreckung (§ 1147 BGB) in Anspruch genommenen Hypothekenschuldner wenigstens die Entstehung der gesicherten Forderung darzulegen und zu beweisen (vgl. BGH, Urt. v. 19. November 1987 – IX ZR 251/86, NJW 1988, 828, 829). Das gilt jedoch nicht, wenn dem Titel, auf dem die Zwangshypothek beruht, die materielle Rechtskraft fehlt. So verhält es sich – was das Berufungsgericht verkannt hat – mit dem Versäumnisurteil vom 8. Oktober 1987.
a) Gemäß § 322 Abs. 1 ZPO sind gerichtliche Entscheidungen insoweit der materiellen Rechtskraft fähig, als über den – durch Klage oder Widerklage – erhobenen Anspruch entschieden ist. Dieser prozessuale Anspruch, der den Gegenstand des Rechtsstreits bildet, wird bestimmt durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (BGHZ 117, 1, 5 m. w. N.).
Der Umfang der Rechtskraft ist der Entscheidung im ganzen zu entnehmen. Auszugehen ist von der Urteilsformel. Sofern diese allein nicht ausreicht, um Rechtsfolge und Lebenssachverhalt zu erfassen, sind Tatbestand und Entscheidungsgründe ergänzend heranzuziehen (BGHZ 34, 337, 339). Auch ein sachlich entscheidendes Versäumnisurteil ist der materiellen Rechtskraft fähig. Da es regelmäßig weder einen Tatbestand noch Entscheidungsgründe enthält, ist bei einem Versäumnisurteil gegen den Beklagten neben der Urteilsformel ergänzend auf das Klagevorbringen abzustellen (BGH, Urt. v. 25. September 1972 – VIII ZR 81/71, NJW 1972, 2268, 2269; v. 12. Januar 1987 – II ZR 154/86, WM 1987, 579).
Ist bei einer Teilklage nicht erkennbar, welcher Teil des Gesamtanspruchs Gegenstand der Klage sein soll, so läßt sich dem Urteil nicht entnehmen, über welche der Einzelforderungen oder welche Teilbeträge das Gericht entschieden hat. Das Urteil ist deshalb nicht der materiellen Rechtskraft fähig (vgl. BGH, Urt. v. 8. Juni 1988 – VIII ZR 105/87, BGHR ZPO § 300 „Teilurteil/Grundurteil 1”; v. 8. Dezember 1989 – V ZR 174/88, NJW 1990, 2068; Götz, Urteilsmängel und innerprozessuale Bindungswirkung 1956 S. 43, 55; Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil 1958 S. 190; Blomeyer, Zivilprozeßrecht 2. Aufl. § 81 III 2 b; MünchKomm-ZPO/Musielak, vor § 300 Rdnr. 5).
b) So verhält es sich bei dem Versäumnisurteil vom 8. Oktober 1987. Auch unter Berücksichtigung der Klagebegründung nebst Anlagen und des Terminsprotokolls bleibt unklar, welcher tatsächliche Sachverhalt (Klagegrund) den Gegenstand der Entscheidung bildet.
Klagegrund war die Bürgschaft. Wegen deren Akzessorietät (§§ 767, 768, 770 BGB) kommt es darauf an, ob es sich bei der gesicherten Hauptverbindlichkeit um eine Forderung oder mehrere selbständige Forderungen handelte. Jedes der in der Klagebegründung aufgeführten Konten stellte ein selbständiges Kontokorrent dar und begründete damit einen selbständigen Anspruch im prozessualen Sinne (vgl. Großkommentar zum HGB/Canaris, 4. Aufl. § 355 Anm. 52; Baumbach/Duden/Hopt, HGB 28. Aufl. AGB-Banken Nr. 2 Anm. 2; vgl. auch Nr. 7 Abs. 1 AGB-Banken 1993). Anhaltspunkte dafür, daß die Konten nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien nur einheitlich erfüllt oder abgewickelt oder sonst als Einheit behandelt werden sollten (vgl. dazu BGH, Urt. v. 14. Dezember 1951 – I ZR 93/50, LM § 355 HGB Nr. 3; v. 9. Dezember 1971 – III ZR 58/69, WM 1972, 283, 286; v. 25. Januar 1982 – VIII ZR 324/80, WM 1982, 329 f.), gab es nicht. Deshalb mußte im Vorprozeß LG H. 1 O…/87 abgegrenzt werden (vgl. zu diesem Erfordernis BGHZ 11, 192, 194; BGH, Urt. v. 15. Dezember 1952 – III ZR 102/52, LM § 253 ZPO Nr. 7; v. 8. Dezember 1989 – V ZR 174/88, NJW 1990, 2068, 2069), welche Teile der auf die selbständigen Kontokorrentforderungen bezogenen Bürgschaftsforderung Gegenstand der Klage sein sollten. Das hat die Klägerin nicht getan. Sie hat lediglich die Salden aller Konten der KG mitgeteilt und erklärt, „aus Gründen der Zwangsvollstreckung” drei Teilbeträge von je 100.000 DM in drei getrennten Verfahren geltend machen zu wollen. Jegliche weitere Spezifizierung fehlt.
Eine Bestimmung des Klagegrundes im Wege der Auslegung der dem Versäumnisurteil zugrundeliegenden Klageschrift ist nicht möglich. Hätte es nur den Vorprozeß 1 O…/87 gegeben, so käme in Betracht, daß das Gericht an die Reihenfolge der in der Klagebegründung enthaltenen Aufstellung gebunden war. Gegebenenfalls wäre in erster Linie die Forderung aus dem Konto mit der Nr. … in Höhe von 91.789,04 DM sowie ein erstrangiger Teilbetrag aus dem Konto mit der Nr. … in Höhe von (100.000 DM – 91.789,04 DM =) 8.210,96 DM und hilfsweise der Restbetrag des Kontos Nr. … und die Forderungen aus den übrigen Konten in der Reihenfolge, in der sie aufgelistet worden sind, zur Entscheidung des Gerichts gestellt gewesen. Die Klägerin hat jedoch drei Prozesse gegen den Beklagten mit jeweils gleichlautenden Klagebegründungen geführt. Jedes der drei Versäumnisurteile müßte deshalb gegebenenfalls in gleicher Weise ausgelegt werden. Zu einer Bestimmung der Reichweite der drei gleichlautenden Versäumnisurteile müßten diese also zusätzlich noch in ein Rangverhältnis untereinander gesetzt werden. Das ist nicht möglich.
2. Die fehlende Bestimmtheit des Anspruchsgrundes der titulierten Forderung hat hier darüber hinaus zur Folge, daß keine (Fremd-) Hypothek, sondern nur eine Eigentümergrundschuld entstanden ist. Gemäß § 1113 BGB ist eine Hypothek die Belastung eines Grundstücks mit dem Inhalt, daß eine bestimmte Geldsumme zur Befriedigung wegen einer Forderung aus dem Grundstück zu zahlen ist. Die Forderung muß nach Grund und Höhe bestimmt oder bestimmbar sein (BGH, Urt. v. 21. April 1972 – V ZR 178/69, WM 1972, 786, 787; MünchKomm-BGB/Eickmann, 2. Aufl. § 1113 Rdnr. 34; Soergel/Konzen, BGB 12. Aufl. § 1113 Rdnr. 14; Westermann JZ 1962, 302, 303).
Diesen Anforderungen genügt der der Eintragung der Zwangshypothek zugrundeliegende Titel nicht, weil nicht feststeht, welcher Teil der Bürgschaftsforderung von dem Urteil vom 8. Oktober 1987 erfaßt wird.
Gemäß § 1163 BGB steht „die Hypothek” damit dem Beklagten als dem Eigentümer des Grundstücks zu. Ein Anspruch der Klägerin aus § 1147 BGB entfällt, gleichgültig ob und in welcher Höhe die Klägerin noch Forderungen gegen den Beklagten hat.
II.
Der Widerklage hat das Berufungsgericht zu Unrecht den Erfolg versagt.
1. Eine unmittelbare Anwendung des § 767 ZPO scheidet zwar aus.
Mit der Vollstreckungsgegenklage des § 767 ZPO können nur Einwendungen des Schuldners geltend gemacht werden, „die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen”. Ziel der Klage ist es, die Vollstreckungsfähigkeit des titulierten Anspruchs zu beseitigen. Angriffe gegen die Wirksamkeit des Vollstreckungstitels sind zur Begründung der Klage aus § 767 ZPO nach ganz herrschender Meinung nicht geeignet (vgl. BGH, Urt. v. 21. Mai 1987 – VII ZR 210/86, WM 1987, 1232, 1233; v. 3. Dezember 1987 – III ZR 261/86, WM 1988, 109; Beschl. v. 6. Oktober 1988 – III ZR 4/87, BGHR ZPO § 732 Abs. 1 „Vollstreckungsabwehrklage 1”; v. 23. November 1989 – III ZR 40/89, WM 1990, 304; Urt. v. 14. Mai 1992 – VII ZR 204/90, NJW 1992, 2160, 2162; zustimmend: Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht 10. Aufl. § 40 IV 2; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 20. Aufl. § 767 Rdnr. 24; Zöller/Herget, ZPO 18. Aufl. § 767 Rdnr. 13). Auch im vorliegenden Fall beruft sich der Beklagte darauf, daß der Titel wegen der Unbestimmtheit der eingeklagten Forderung nicht der materiellen Rechtskraft fähig und somit wirkungsgemindert sei (vgl. hierzu Jauernig, a.a.O. S. 4, 190; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht 15. Aufl. § 62 IV 1; Stein/Jonas/Grunsky, a.a.O. vor § 578 Rdnr. 3; MünchKomm-ZPO/Musielak, a.a.O. vor § 300 Rdnr. 5; Zöller/Vollkommer, a.a.O. vor § 300 Rdnr. 19; Thomas/Putzo, ZPO 18. Aufl. Vorbem. § 300 Rdnr. 19; AK-ZPO/Fenge, vor § 300 Rdnr. 19).
Wegen der Unbestimmtheit des Anspruchsgrundes der titulierten Forderung kann der Beklagte keine (materiellen) Einwendungen gegen den titulierten Anspruch geltend machen. Um etwa zu prüfen, ob dieser Anspruch erfüllt ist, müßte vorab feststehen, um welchen Anspruch es sich überhaupt handelt (vgl. RG HRR 1933, 961). Das läßt sich im vorliegenden Fall nicht klären. Dieser Fehler ist nicht behebbar. Es ist nicht möglich, einer der Parteien nachträglich, nämlich im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage, die Bestimmung des Gegenstands des Versäumnisurteils nachzulassen. Ein derartiges Vorgehen verbietet sich ebenso wie das nachträgliche Unterlegen eines anderen als des titulierten Anspruchs bei einem Urteil (vgl. BGHZ 109, 275, 276; OLG Hamburg DR 1940, 2116, 2119 m. Anm. Schönke) oder einer vollstreckbaren Urkunde (vgl. BGH, Urt. v. 14. November 1969 – V ZR 97/66, NJW 1970, 240, 241; v. 23. November 1979 – V ZR 123/76, NJW 1980, 1050, 1051; anders für einen Sonderfall Urt. v. 26. November 1980 – V ZR 153/79, ZIP 1981, 151, 153).
2. Die Widerklage ist aber als prozessuale Gestaltungsklage analog § 767 Abs. 1 ZPO statthaft.
a) Auch wenn die Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung abgewiesen wird, besteht für den Beklagten ein Bedürfnis nach weitergehendem Rechtsschutz. Das Versäumnisurteil vom 8. Oktober 1987 (LG H. 1 O…/87) stellt weder ein Nichturteil noch ein nichtiges (wirkungsloses) Urteil dar. Es wurde von einem Gericht im Rahmen eines Urteilsverfahrens ordnungsgemäß verkündet, richtet sich gegen eine der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegende Partei und spricht keine als solche gesetz- oder sittenwidrige oder dem Recht unbekannte Rechtsfolge aus. Das Urteil ist auch vollstreckungsfähig, denn der Tenor ist – für sich genommen – klar und widerspruchsfrei, und die Zwangsvollstreckung setzt materielle Rechtskraft nicht voraus (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, a.a.O. vor § 704 Rdnr. 21 f.).
b) Wegen der Unbestimmtheit des titulierten Anspruchs hat der Schuldner ein schutzwürdiges Interesse daran, daß die Vollstreckungsfähigkeit eines solchen Titels beseitigt wird. Wie oben dargelegt, kann der Schuldner etwa bestehende materielle Einwendungen nicht erfolgreich geltend machen, weil nicht feststeht und auch nicht feststellbar ist, welche Forderung tituliert ist. Gleichwohl ergehende Entscheidungen über solche Einwendungen wären ihrerseits nicht der materiellen Rechtskraft fähig, so daß keiner Partei damit geholfen wäre. Der Schuldner kann überdies auch keine sinnvollen Zahlungsbestimmungen gemäß § 366 BGB treffen. Der Gläubiger könnte den Titel deshalb fast beliebig „in Reserve” halten.
Besondere Rechtsbehelfe für diese Situation sieht die Zivilprozeßordnung nicht vor. Mit der Klauselerinnerung (§ 732 ZPO) kann der Schuldner keine rechtskräftige Entscheidung über die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung wegen der geminderten Wirksamkeit des Titels erlangen. Die Voraussetzungen einer Nichtigkeits- oder Restitutionsklage sind nicht gegeben. Leistungsklagen (auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung analog § 1004 BGB, auf Herausgabe des Titels analog § 371 BGB oder gemäß § 812 BGB, auf Auskehrung etwa schon beigetriebener Beträge) oder Klagen auf Feststellung (daß die Forderungen des Gläubigers nicht oder nur in bestimmter Höhe bestehen) sind ebenfalls untauglich, weil kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der materiellen Rechtslage und dem Titel hergestellt werden kann. Auf derartige Klagen ergehende Urteile wären im übrigen auch keine gerichtlichen Entscheidungen im Sinne der §§ 775 Nr. 1, 776 Satz 1 ZPO, weil sie das frühere Urteil oder dessen Vollstreckbarkeit unberührt ließen. Gegenüber Vollstreckungsorganen, die zu einer materiellen Überprüfung des ursprünglichen Titels nicht befugt sind, wären sie deshalb wirkungslos. Denkbar bliebe allenfalls eine Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines prozessualen Rechtsverhältnisses (vgl. BGHZ 29, 223, 229 f.; Stein/Jonas/Schumann, a.a.O. § 256 Rdnr. 35; Rosenberg/Schwab/Gottwald, a.a.O. § 62 IV 1; Rosenberg/Gaul/Schilken, a.a.O. § 40 IV 2; a. A. Jauernig, a.a.O. S. 92 f., 188; Blomeyer, a.a.O. § 81 III 2 a Fußn. 55), die hier jedoch unbegründet wäre, weil das Urteil nicht völlig wirkungslos, sondern jedenfalls vollstreckungsfähig ist.
Da es der Sache nach um die Vollstreckungsfähigkeit geht, die nach der Systematik der Zivilprozeßordnung nur im Wege einer Vollstreckungsgegenklage beseitigt werden kann, und die Interessenlage vergleichbar ist, rechtfertigt sich die analoge Anwendung des § 767 ZPO (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, a.a.O. § 797 Rdnr. 18 Fußn. 49; Rieble/Rumler MDR 1989, 499, 500; Hager ZZP 97 (1984), 174, 192; Wolf Anm. zu LM § 767 ZPO Nr. 87; wohl auch Zöller/Stöber, a.a.O. § 797 Rdnr. 7; Windel ZZP 102 (1989), 175, 203 ff.; offengelassen von BGH, Urt. v. 14. Mai 1992 – VII ZR 204/90, NJW 1992, 2160, 2162 = LM § 767 ZPO Nr. 87).
c) Allerdings hat der Beklagte einen Antrag „gemäß § 767 Abs. 1 ZPO” gestellt. Die Vollstreckungsgegenklage und die prozessuale Gestaltungsklage analog § 767 ZPO haben einen verschiedenen Streitgegenstand (BGH, Urt. v. 14. Mai 1992 – VII ZR 204/90, a.a.O.). Es mag sein, daß die fehlende oder geminderte Wirksamkeit des Titels im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage deshalb nicht geprüft werden kann (großzügiger für den Fall einer vollstreckbaren Urkunde: Wolf Anm. zu LM § 767 ZPO Nr. 87). Dem Vorbringen des Beklagten kann aber entnommen werden, daß wegen der Unbestimmtheit des Titels die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung ausgesprochen werden soll. Das Widerklagebegehren ist damit nicht als Vollstreckungsgegenklage, sondern als Klage analog § 767 Abs. 1 ZPO auszulegen.
d) Eine analoge Anwendung auch des § 767 Abs. 2 ZPO kommt nicht in Betracht.
Gemäß § 767 Abs. 2 ZPO darf eine Vollstreckungsgegenklage nur auf Gründe gestützt werden, die nach Schluß der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz des den Titel herbeiführenden Leistungsprozesses entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden konnten. Der Beklagte durfte sich im Vorprozeß zwar zunächst darauf verlassen, daß die – unschlüssige – Klage erfolglos bleiben werde. Nach Zustellung des wider Erwarten ergangenen Versäumnisurteils hätte er den Verstoß gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO jedoch durch Einspruch geltend machen müssen. Indessen bezweckt § 767 Abs. 2 ZPO, die Rechtskraftwirkung unanfechtbar gewordener Entscheidungen zu sichern (BGHZ 85, 64, 73 f.; BGH, Urt. v. 27. November 1952 – IV ZR 57/52, NJW 1953, 345; MünchKomm-ZPO/K. Schmidt, a.a.O. § 767 Rdnr. 73; Rosenberg/Gaul/Schilken, a.a.O. § 40 V 2 a; einschränkend Otto, Die Präklusion 1970 S. 67 ff.) und gilt folglich nicht gegenüber Vollstreckungstiteln, die nicht der materiellen Rechtskraft fähig sind (so ausdrücklich § 797 Abs. 4 ZPO für vollstreckbare Urkunden; zum Prozeßvergleich siehe BGH, Urt. v. 27. November 1952 – IV ZR 57/52, a.a.O.; v. 4. November 1976 – VII ZR 6/76, NJW 1977, 583, 584).
e) Daß eine frühere Vollstreckungsgegenklage rechtskräftig abgewiesen worden ist, läßt ebensowenig die Widerklage als unstatthaft erscheinen. Dies ergibt sich aus der Verschiedenheit der Streitgegenstände. Die jetzt geltend gemachte Einwendung des wirkungsgeminderten Urteils hätte der Beklagte im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage nicht vorbringen können. Im übrigen bezweckt § 767 Abs. 3 ZPO eine Verfahrenskonzentration. Die Häufung von Vollstreckungsgegenklagen soll ausgeschlossen werden. Dieser Zweck ist nach dem System der Zivilprozeßordnung ebenfalls an eine der materiellen Rechtskraft fähige Gerichtsentscheidung geknüpft (BGH, Urt. v. 28. Mai 1991 – IX ZR 181/90, NJW 1991, 2280, 2281).
3. Die Widerklage ist darüber hinaus zulässig und begründet. Dies ergibt sich spiegelbildlich aus den Ausführungen zur Unbegründetheit der Klage. Der in der Revisionsverhandlung geäußerten Meinung der Klägerin, sie verdiene „prozessualen Vertrauensschutz”, vermag der Senat nicht beizupflichten. Der beanspruchte Schutz wäre nur angebracht, wenn das Versäumnisurteil vom 8. Oktober 1987 der materiellen Rechtskraft fähig wäre, woran es gerade fehlt. Dafür ist die Klägerin selbst verantwortlich, weil sie eine prozessual nicht ordnungsgemäße Klage erhoben hat.
III.
Gemäß § 564 Abs. 1 ZPO ist das angefochtene Urteil somit aufzuheben. Da weitere Feststellungen nicht in Betracht kommen, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 609778 |
BGHZ, 164 |
NJW 1994, 460 |
ZIP 1994, 67 |