Entscheidungsstichwort (Thema)
unangemessene Klausel eines Architektenvertrages
Leitsatz (amtlich)
Die folgende Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Architektenvertrages benachteiligt den Klauselgegner unangemessen und ist daher wegen Verstoßes gegen das AGBG unwirksam:
„8.3 In allen anderen Fällen behält der Architekt den Anspruch auf das vertragliche Honorar, jedoch unter Abzug ersparter Aufwendungen. Sofern der Bauherr im Einzelfall keinen höheren Anteil an ersparten Aufwendungen nachweist, wird dieser mit 40% des Honorars für die vom Architekten noch nicht erbrachten Leistungen vereinbart.”
Normenkette
AGBG § 9
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 23. Mai 1996 aufgehoben, soweit der Beklagte zur Zahlung von mehr als 124.317,46 DM und von 9% Zinsen aus 29.543,09 DM seit dem 25. September 1995 verurteilt worden ist.
2. In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger, ein Architekt, macht gegen den Beklagten restliche Honoraransprüche für Architektenleistungen geltend.
Der Beklagte, der in Ch. ein größeres Wohn- und Geschäftshaus errichten wollte, schloß mit dem Kläger im Mai 1993 einen schriftlichen Architektenvertrag über sämtliche Leistungsphasen des § 15 Abs. 2 HOAI; der Kläger hatte zu diesem Zeitpunkt bereits Teilleistungen erbracht. Die „Allgemeinen Vertragsbestimmungen zum Einheits-Architektenvertrag (AVA) für Gebäude” in der damaligen Fassung wurden Vertragsbestandteil.
Nachdem der Kläger den Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung eingereicht hatte, stellte er eine zweite Abschlagsrechnung auf sein Honorar in Höhe von 92.345 DM brutto. Der Beklagte bezahlte diese Rechnung zunächst trotz mehrerer Mahnungen mit Androhung der Kündigung nicht und später nur etwa zur Hälfte. Daraufhin kündigte der Kläger den Architektenvertrag fristlos und erstellte eine Honorarschlußrechnung über den Betrag von 178.184,53 DM. Der Beklagte erklärte seinerseits die Kündigung des Architektenvertrages und vergab den Auftrag anderweitig.
Mit der Klage verfolgt der Kläger seine Honoraransprüche für erbrachte und nicht erbrachte Leistungen weiter, wobei er für letztere pauschal 60% des vertraglichen Honoraranteils geltend macht. Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage im wesentlichen stattgegeben.
Der Senat hat die Revision des Beklagten nur insoweit angenommen, als dieser zur Zahlung von Honorar für nicht erbrachte Leistungen (78.679,58 DM zzgl. bezifferte und unbezifferte Zinsen) verurteilt worden ist; die weitergehende Revision des Beklagten hat er nicht angenommen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat im Umfang der Annahme Erfolg. Sie führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Kläger könne auch Schadensersatz in Form von anteiligem Honorar für nicht erbrachte Leistungen beanspruchen. Der Beklagte habe sich mit der Bezahlung der zweiten Abschlagsrechnung in Verzug befunden, was die Kündigung des Architektenvertrages durch den Kläger aus wichtigem Grund rechtfertige. Die Höhe des Anspruchs ergebe sich aus § 8.3 der AVA, wonach der Architekt den Anspruch auf das vertragliche Honorar unter Abzug ersparter Aufwendungen behalte, die mit 40% des entsprechenden Honoraranteils vereinbart seien, sofern der Bauherr im Einzelfall keinen höheren Anteil an ersparten Aufwendungen nachweise.
II.
Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, daß der Kläger grundsätzlich auch für den nicht erbrachten Leistungsteil Honorar beanspruchen kann. Der Kläger war berechtigt, den Architektenvertrag aus wichtigem, vom Beklagten zu vertretenden Grund zu kündigen, da der Beklagte trotz Mahnung mit Fristsetzung und Ablehnungsandrohung einen erheblichen Teil des geschuldeten Honorars nicht entrichtet hatte (Senat, Urteil vom 29. Juni 1989 – VII ZR 330/87, ZfBR 1989, 248 = NJW-RR 1989, 1248). Ein entsprechendes Leistungsverweigerungsrecht stand dem Beklagten nicht zu. Bei den jetzt allein noch geltend gemachten angeblichen Planungsmängeln (Nichtberücksichtigung der Wünsche des Beklagten nach anderer Anböschung und anderer Anordnung der Fenster) handelte es sich um untergeordnete planerische Details, die ohne großen Aufwand geändert werden konnten, was der Kläger auch zugesagt hatte.
2. Zu Unrecht geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Kläger sein Honorar für nicht erbrachte Leistungen nach 8.3 der AVA berechnen kann. Die Klausel hält einer Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz nicht stand und ist unwirksam. Dabei ist nach dem bisherigen Vorbringen der Parteien davon auszugehen, daß der Kläger Verwender der Allgemeinen Vertragsbestimmungen zum Einheits-Architektenvertrag (AVA) ist.
8 AVA lautet:
„§ 8 Vorzeitige Auflösung des Vertrages
8.1. Der Vertrag kann von beiden Teilen nur aus wichtigem Grund gekündigt werden.
8.2. Wird aus einem Grund gekündigt, den der Architekt zu vertreten hat, so steht dem Architekten ein Honorar nur für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen zu.
8.3. In allen anderen Fällen behält der Architekt den Anspruch auf das vertragliche Honorar, jedoch unter Abzug ersparter Aufwendungen. Sofern der Bauherr im Einzelfall keinen höheren Anteil an ersparten Aufwendungen nachweist, wird dieser mit 40% des Honorars für die vom Architekten noch nicht erbrachten Leistungen vereinbart.”
a) Es geht im vorliegenden Fall nicht um die „freie” Kündigung des Auftraggebers, sondern um eine Kündigung des Architekten aus wichtigem Grund. Es kann deshalb hier dahinstehen, ob der in Nr. 8.1 AVA geregelte Ausschluß der freien Kündigung einer Prüfung nach dem AGB-Gesetz standhalten würde. Nr. 8.3 AVA regelt keine Folgen für diesen, im Vertrag ausgeschlossenen und damit nicht vorgesehenen Fall einer solchen Kündigung. Die „freie” Kündigung ist keiner der dort genannten „anderen” Fälle.
b) Unter anderem für den Fall der Kündigung des Architekten aus wichtigem Grund regelt 8.3 AVA unter Ausschluß möglicher Schadensersatzansprüche, etwa aus § 326 BGB, eine mit Einschränkungen an § 649 Satz 2 BGB orientierte Abwicklung der vorzeitigen Auflösung des Vertrages. Da sie nicht den Fall der freien Kündigung betrifft, kann die Klausel nicht unmittelbar unter Zugrundelegung von § 9 Abs. 2 AGBG und § 649 Satz 2 BGB überprüft werden. Vielmehr ist sie gemäß § 9 Abs. 1 AGBG darauf zu untersuchen, ob sie einen angemessenen Interessenausgleich gewährleistet und den Klauselgegner nicht unangemessen benachteiligt.
(1.) Bei der Prüfung der Angemessenheit ist allerdings auch für die hier vorliegende Fallgestaltung der Ersetzung möglicher Schadensersatzansprüche durch eine dem § 649 Satz 2 BGB angenäherte Regelung zu bedenken, daß das Gesetz in § 649 Satz 2, § 324 BGB eine sachgerechte Abwicklungsregelung für vorzeitig abgebrochene Verträge auf der Basis der vereinbarten Vergütung enthält.
Der dem zugrundeliegende Gedanke ist auch bei der Kündigung aus wichtigem Grund anwendbar. Es gibt keinen vernünftigen Grund, den Auftraggeber durch Nichtberücksichtigung anderweitigen oder böswillig unterlassenen Erwerbs schlechter zu stellen. Diese Anrechnung ist Ausdruck des Gedankens, daß der Auftragnehmer nicht schlechter aber auch nicht besser gestellt werden soll als er bei Durchführung des Vertrages gestanden hätte. Dieser Gedanke findet sich in ähnlicher Weise unter dem Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs im Schadensersatzrecht. Es gibt deshalb auch für den hier vorliegenden Fall, daß die Abwicklungsregelung Schadensersatzansprüche ersetzt, keinen Grund, den Auftragnehmer durch Nichtberücksichtigung des anderweitigen Erwerbs zu begünstigen.
(2.) Der Senat hat in seinem Urteil vom 10. Oktober 1996 (VII ZR 250/94 = NJW 1997, 259 = BauR 1997, 156 = ZfBR 1997, 36 m.w.N.), daß das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung noch nicht berücksichtigen konnte, ausgeführt, daß die frühere Fassung von 8.3 AVA einer Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz nicht standhält. Auf der Grundlage dieser Entscheidung ist die hier vorliegende Klausel, in der zwar ersparte Aufwendungen berücksichtigt werden, die aber die Berücksichtigung anderweitigen Erwerbs des Architekten ausschließt, nicht anders zu beurteilen.
Auch sie verfehlt es, dem Architekten zwar einen angemessenen Ausgleich für die Folgen der Kündigung zu bieten, ihn aber nicht besser zu stellen, als er bei Durchführung des Vertrages stünde (vgl. Senat, Urteil vom 10. Oktober 1996 a.a.O.).
Die Klausel ist daher gemäß § 9 AGBG unwirksam. Eine teilweise Aufrechterhaltung der inhaltlich nicht trennbaren Bestimmungen ist nicht möglich.
III.
Das Urteil des Berufungsgerichts ist daher aufzuheben, soweit es dem Kläger eine Vergütung für nicht ausgeführte Leistungen (78.679,58 DM) zuzüglich Zinsen zugesprochen hat. Da weitere Feststellungen erforderlich sind, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Das gibt den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag. Zur Berechnung des dem Kläger für die nicht erbrachten Leistungen zustehenden Anspruchs, ist von der Vergütung auszugehen, die ihm für die Ausführung der Leistungen zugestanden hätte. Dabei ist der Mittelsatz der Honorarzone III aus den vereinbarten anrechenbaren Kosten zugrunde zu legen, ohne daß dem § 4 Abs. 4 HOAI entgegenstünde. Denn der Kläger hatte vor Abschluß des schriftlichen Vertrages vom 15. Mai 1993 jedenfalls noch keinen Auftrag über die hier in Frage stehenden Leistungsphasen erhalten (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 18. September 1997 – VII ZR 300/96 = BauR 1997, 1065 = ZfBR 1998, 25).
Fundstellen
BB 1998, 1710 |
DB 1998, 2160 |
BauR 1998, 866 |
NJW-RR 1998, 1391 |
WM 1998, 1977 |
ZAP 1998, 895 |
MDR 1998, 1093 |
ZfBR 1998, 163 |
ZfBR 1998, 236 |
FSt 1999, 633 |