Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 10.04.2014) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Verden vom 10. April 2014 wird
- die Strafverfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 21 Fällen beschränkt,
- das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 21 Fällen verurteilt ist.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
4. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Anbau von Betäubungsmitteln in 21 Fällen” zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 104.000 EUR angeordnet. Vom Vorwurf weiterer zehn Taten des Handeltreibens hat es den Angeklagten freigesprochen.
Rz. 2
Gegen das Urteil richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft erhebt die allgemeine Sachrüge und erstrebt die vollständige Aufhebung des Urteils. Mit Einzelausführungen wendet sie sich zudem zum einen zu Gunsten des Angeklagten gegen dessen Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen Anbaus von Betäubungsmitteln. Zum anderen rügt sie zum Nachteil des Angeklagten die Strafzumessung. Der Angeklagte wendet sich mit sachlichrechtlichen Beanstandungen gegen den Schuld- und den Strafausspruch. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat weitgehenden Erfolg, das des Angeklagten führt lediglich zu einer Korrektur des Schuldspruchs.
Rz. 3
Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der Angeklagte von August 2009 bis zum 18. November 2011 auf seinem Grundstück in einem ehemaligen Schweinestall eine Cannabisindoorplantage, in der er im Erdgeschoss bis Ende März 2011 in speziellen Schränken 264 Pflanzen und von da an in solchen Schränken und zusätzlich in Feldern 300 Pflanzen sowie im Obergeschoss ab Januar 2011 in Feldern weiter 492 Pflanzen kultivierte. Unterstützt von dem Nichtrevidenten P., den das Landgericht wegen Beihilfe zu den Taten des Angeklagten zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt hat, erntete der Angeklagte von den reifen Pflanzen die Blütenstände (Wirkstoffgehalt von mindestens 10 % THC), trocknete und verpackte sie in Vakuumtüten. Jeweils nach Erlangung von 2 Kilogramm verkaufte er die getrockneten Blütenstände an einen Abnehmer für 2.600 EUR pro Kilogramm. Insgesamt konnte der Angeklagte zwanzigmal jeweils 2 Kilogramm Blütenstände ernten und verkaufen. Am 18. November 2011 wurde bei einer Durchsuchung des Anwesens die Plantage mit 872 Cannabispflanzen unterschiedlichen Reifegrads, 742 Cannabissetzlingen und -stecklingen sowie mit 1.018,10 g abgeerntetem Blütenmaterial sichergestellt. Aus den im Wachstum begriffenen Pflanzen hätte der Angeklagte Blütenmaterial von insgesamt mehr als 11 Kilogramm mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 10 % THC erzielen können. Auch sie waren, wie das bereits abgeerntete Blütenmaterial, vom Angeklagten zum Verkauf an seinen Abnehmer zu den bisherigen Bedingungen bestimmt.
Rz. 4
Soweit die Anklage von kürzeren Reifungsperioden der Pflanzen und damit von insgesamt 30 Verkäufen während der Tatzeit ausgegangen ist, konnte das Landgericht dies nicht feststellen und hat den Angeklagten insoweit aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
I. Verfahrensbeschränkung |
Rz. 5
Nach den Feststellungen des Landgerichts entfernte der Angeklagte bei Erntereife die übrigen Bestandteile der Pflanzen (Stängel und Blätter) und „entsorgte” sie. Teilweise fertigte er aus ihnen und Brennnesseln „einen Sud, der dann in dem Garten des Angeklagten verwendet wurde” (UA S. 9). Soweit das Landgericht den Angeklagten deshalb wegen in Tateinheit zum Handeltreiben mit Betäubungsmittel stehendem Anbau von Betäubungsmitteln verurteilt hat, ist mit Zustimmung des Generalbundesanwalts dieser Vorwurf nach § 154a Abs. 2 StPO ausgeschieden und die Verfolgung auf den Vorwurf des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 21 Fällen beschränkt und der Schuldspruch entsprechend geändert worden.
II. Die Revision des Angeklagten |
Rz. 6
Das Rechtsmittel bleibt – von der mit der Verfahrensbeschränkung verbundenen Änderung des Schuldspruchs abgesehen – ohne Erfolg.
Rz. 7
1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung (zum Maßstab vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2006 – 3 StR 139/06, NJW 2007, 384, 387) stand. Die Strafkammer hat sich aufgrund einer Mehrzahl von Indizien von den Zeitpunkten, zu denen die Plantage erstmals in vollem Betrieb stand bzw. durch den Ausbau der Produktionsflächen jeweils erweitert wurde, sowie von den Vegetationszyklen der Pflanzen und dem Mindestwirkstoffgehalt der Blütenstände überzeugt. Die Erkenntnisse über die Qualität der sichergestellten Pflanzen zeigen, dass sie dabei von den festgestellten Wirkstoffgehalten (THC-Gehalt der Blütenstände bis zu 15,9%) eher vorsichtig auf den Gehalt der verkauften Betäubungsmittel zurückgeschlossen hat. Rechtsfehler sind dabei nicht zutage getreten. Auch dem Vorbringen der Revision sind solche nicht zu entnehmen.
Rz. 8
2. Ebenfalls ohne Rechtsfehler hat das Landgericht die Handlungen des Angeklagten als insgesamt 21 Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angesehen. Die Tatsache, dass der Angeklagte aus seiner Plantage, in der sich stets Pflanzen in den verschiedensten Wachstumsstadien befanden, jeweils die reifen Pflanzen aberntete, die Blütenstände abschnitt und erst verkaufte, wenn er eine Menge von 2 Kilogramm erzielt hatte, und währenddessen auch die Kultivierung der noch unreifen Pflanzen weiter betrieb, und sich somit die Tätigkeit des Anbaus stets auf mehrere unterschiedliche Ernten bezog, steht dem nicht entgegen. Hierzu im Einzelnen:
Rz. 9
a) Der Anbau von Cannabis-Pflanzen, der auf die gewinnbringende Veräußerung der herzustellenden Betäubungsmittel zielt, erfüllt den Tatbestand des Handeltreibens (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2005 – 1 StR 476/04, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Handeltreiben 4). Der Verbrechenstatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist dabei verwirklicht, wenn mit der Aufzucht der Pflanzen eine nicht geringe Menge des Betäubungsmittels erzielt werden soll (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 – 3 StR 407/12, BGHSt 58, 99). Werden mehrfach hintereinander die abgeernteten Pflanzen aus einem Anbauvorgang jeweils verkauft, so sind mehrere selbständige Taten des Handeltreibens gegeben (BGH, Beschlüsse vom 20. April 2005 – 3 StR 106/05, NStZ 2005, 650, und vom 28. Juni 2011 – 3 StR 485/10, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 11; Urteil vom 20. Dezember 2012 – 3 StR 407/12, juris Rn. 14, insoweit in BGHSt 58, 99 nicht abgedruckt). Werden andererseits mehrere der durch die einzelnen Anbauvorgänge erzielten Erträge in einem einheitlichen Umsatzgeschäft veräußert, so führt dies jedenfalls zu einer Teilidentität der jeweiligen tatbestandlichen Ausführungshandlungen und verknüpft so die einzelnen Fälle des Handeltreibens zu einer Tat des Handeltreibens (BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011 – 3 StR 485/10, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 11; Urteil vom 20. Dezember 2012 – 3 StR 407/12, juris Rn. 31, insoweit in BGHSt 58, 99 nicht abgedruckt). Dafür ist es ohne Belang, ob in verschiedenen Plantagen gleichzeitig gewonnene Ernten oder in einer Plantage hintereinander gewonnene Ernten in einem Verkauf zusammengefasst werden.
Rz. 10
b) Nichts anderes gilt für den Verkauf von Betäubungsmitteln aus einer Plantage mit Pflanzen unterschiedlicher Reifungsgrade, die sukzessiv nach ihrer Reife geerntet werden (aA Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., § 29 Teil 2 Rn. 101). Auch hier stellt der einzelne Verkauf die Zäsur des Anbaus dar. Mit ihm konkretisiert sich die Tat des Handeltreibens und trennt die zur Erzeugung des verkauften Betäubungsmittels notwendigen Anbauvorgänge von denen ab, die der Herstellung der nächsten Lieferung und damit der nächsten Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln dienen. Es ist dabei unerheblich, dass die einzelnen Pflanzen nicht – wie vorwiegend anzutreffen – innerhalb einer Plantage gleichzeitig angebaut und von anderen Pflanzungen räumlich getrennt sind. Es kommt allein auf den jeweiligen Verkaufsvorgang an. Auch der bloße gleichzeitige Besitz der bereits abgeernteten, zum Verkauf bei Erreichen einer entsprechenden Menge bereitliegenden Blüten einerseits und der noch auf dem Halm befindlichen Blüten hat nicht die Kraft, die getrennten Handelstätigkeiten zur Tateinheit zu verbinden (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 1994 – 3 StR 261/94, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 45).
Rz. 11
c) Damit liegen aufgrund der 20 festgestellten Verkäufe ebenso viele Taten des Handeltreibens vor. Die einundzwanzigste Tat des vollendeten Handeltreibens hat das Landgericht zutreffend in dem Betreiben der Plantage (bestehend aus dem Abernten von Blütenständen und der Aufzucht der übrigen Pflanzen) seit dem letzten Verkauf mit dem Ziel des gewinnbringenden Verkaufs nach Erreichen von zwei Kilogramm Blütenständen gesehen. Es reicht für ein vollendetes Handeltreiben aus, dass Cannabissetzlinge mit dem Ziel einer späteren Ernte und des gewinnbringenden Weiterverkaufs angepflanzt werden, auch wenn es dazu letztlich nicht mehr kommt. Der Begriff des Handeltreibens ist umfassend dahin zu verstehen, dass er jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit umfasst, soweit es sich nicht lediglich um typische Vorbereitungen handelt, die weit im Vorfeld des beabsichtigten Güterumsatzes liegen (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256, 265 f.). Demgemäß geht der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bereits die Aufzucht von Cannabispflanzen den Tatbestand des Handeltreibens erfüllen kann, wenn der Anbau – wie hier – auf die gewinnbringende Veräußerung der herzustellenden Betäubungsmittel zielt (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 – 3 StR 407/12, BGHSt 58, 99).
Rz. 12
3. Der Strafausspruch weist keinen Fehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Das Landgericht hat die in Tat und Täter liegenden Umstände umfassend gewürdigt.
Rz. 13
a) Die Einzelbeanstandungen der Revision bleiben erfolglos:
Rz. 14
Der Verfall von Wertersatz dient allein der Abschöpfung des durch die Straftat Erlangten. Die mit ihm verbundene Vermögenseinbuße stellt keinen Strafmilderungsgrund dar (BGH, Urteil vom 28. Januar 2015 – 5 StR 486/14, juris Rn. 6). Dass der Angeklagte aus dem Verkaufserlös seines Anwesens der Staatsanwaltschaft 133.279,56 EUR überwiesen hat, beruht nur auf der Tatsache, dass es ohne diese Zahlung nicht zur Löschung der Sicherungshypothek und zum Verkauf des Anwesens gekommen wäre.
Rz. 15
Auch die Formulierung, es zeige sich „über den Tatzeitraum von über zwei Jahren ein sich steigerndes kriminelles Gewicht” der Tat, weil das Gewinnstreben neben dem Begehren, sich eine neue Beschäftigung und einen neuen Lebensinhalt zu schaffen, zuerst nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben mag, sodann aber „zunehmend die Gewinnerzielungsabsicht im Vordergrund” gestanden habe, „was durch entsprechende Erweiterungen und Optimierungen der Plantage umgesetzt wurde” (UA S. 46), stellt keinen durchgreifenden Rechtsfehler dar. Es liegt bereits nahe, dass das Landgericht mit der – im Hinblick auf § 46 Abs. 3 StGB allerdings bedenklichen – Formulierung lediglich die deutliche Ausweitung (Verdoppelung) der Anbaufläche im Verlauf des Tatzeitraums werten wollte. In jedem Fall kann der Senat ausschließend, dass das Landgericht ohne diese Erwägung eine noch mildere Strafzumessung vorgenommen hätte.
Rz. 16
b) Der Strafausspruch wird auch von der Änderung des Schuldspruchs nicht berührt, da das Landgericht die angenommene Verwirklichung eines weiteren Tatbestands nicht zu Lasten des Angeklagten gewürdigt hat.
Rz. 17
4. Angesichts des nur geringen Teilerfolgs des Rechtsmittels ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten und seinen eigenen Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
III. Die Revision der Staatsanwaltschaft
Rz. 18
Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.
Rz. 19
1. Die Verfahrensbeschränkung führt zu der von der Staatsanwaltschaft erstrebten Änderung des Schuldspruchs.
Rz. 20
2. Der Strafausspruch des Landgerichts hält – auch in Ansehung der insoweit nur eingeschränkten Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts (vgl. BGH, Urteil vom 2. August 2012 – 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337 mwN) – rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Er ist sowohl bei der Festsetzung der Einzelstrafen als auch bei der Bildung der Gesamtstrafe zu Gunsten des Angeklagten rechtsfehlerhaft.
Rz. 21
Bei der Bildung der Gesamtstrafe hat das Landgericht „dem Umstand, dass die Vollziehung von Freiheitsstrafe … eine besondere Härte darstellen würde, entscheidende Bedeutung zukommen lassen, so dass auf eine Gesamtstrafe erkannt worden ist, deren Vollstreckung noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann” (UA S. 47). Damit hat die Strafkammer in unzulässiger Weise Gesichtspunkte der Strafbemessung im Sinne der Ermittlung einer schuldangemessenen Strafe mit solchen der Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung vermischt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Mai 1992 – 4 StR 154/92, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 29; vgl. für den umgekehrten Fall BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2013 – 2 StR 355/13, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Zumessungsfehler 3). Der Senat besorgt, dass sich das erkennbare Bemühen des Landgerichts, dem Angeklagten in jedem Fall eine zur Bewährung auszusetzende Freiheitsstrafe zuzubilligen, auch auf die Festsetzung der bereits für sich genommen sehr milden Einzelstrafen ausgewirkt hat.
Rz. 22
3. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils auf die allgemeine Sachrüge der Staatsanwaltschaft keinen Rechtsfehler zu Gunsten oder zu Lasten (vgl. § 301 StPO) des Angeklagten ergeben. Insoweit ist das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft unbegründet.
Unterschriften
Schäfer, Pfister, Hubert, RiBGH Gericke befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben. Schäfer, Spaniol
Fundstellen