Leitsatz (amtlich)

Die Zuständigkeitsbestimmung des Art. 39 Abs. 2 CMR bezieht sich allein auf Regressansprüche im Innenverhältnis zwischen aufeinanderfolgenden Frachtführern i.S.v. Art. 34 CMR (Ergänzung zu BGH v. 25.10.1984 - I ZR 138/82, MDR 1985, 381 = TranspR 1985, 48, 50; BGH v. 10.5.1990 - I ZR 234/88, MDR 1991, 218 = TranspR 1990, 418, 419).

 

Normenkette

CMR Art. 39 Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Urteil vom 27.05.2004; Aktenzeichen 9 U 118/03)

LG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 16.05.2003; Aktenzeichen 10 O 166/02)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des OLG Karlsruhe vom 27.5.2004 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

[1] Die Klägerin, eine Speditionsgesellschaft österreichischen Rechts, nimmt die Beklagte, eine Speditionsgesellschaft spanischen Rechts, wegen der Beschädigung von Transportgut im Wege des Regresses auf Schadensersatz in Anspruch.

[2] Die R. AG mit Sitz in Freiburg beauftragte die Klägerin im April 1997, 32 Ballen Rohmaterial für Zigarettenfilter mit einem Gesamtgewicht von 20.039 kg zu festen Kosten von Freiburg nach Madrid zu befördern. Die Klägerin führte den Transport nicht selbst durch, sondern beauftragte die Beklagte mit der Beförderung, die ihrerseits einen portugiesischen Unterfrachtführer einsetzte. Dieser übernahm die Ware in Freiburg. Auf dem Transport nach Madrid wurde ein Teil der Ladung beschädigt.

[3] Der Transportversicherer der R. AG ersetzte dieser deren Schaden und nahm die Klägerin im Wege des Regresses aus übergegangenem Recht auf Zahlung von 36.154,05 DM nebst Zinsen in Anspruch. Die Beklagte trat diesem Rechtsstreit im zweiten Rechtszug auf Seiten der in erster Instanz zur Zahlung von 35.478,85 DM nebst Zinsen verurteilten Klägerin bei. Das Rechtsmittel der damals beklagten Klägerin hatte keinen Erfolg (OLG Karlsruhe TranspR 2002, 410).

[4] Die Klägerin will die in jenem Verfahren festgestellte Schadenssumme und die ihr dort entstandenen Kosten im vorliegenden Rechtsstreit von der Beklagten erstattet haben. Sie ist der Auffassung, dass die deutschen Gerichte zur Entscheidung des Rechtsstreits international zuständig seien.

[5] Die Beklagte ist dem entgegengetreten. In der Sache hat sie geltend gemacht, dass der Schaden durch einen Verladefehler der Absenderin verursacht worden sei; außerdem hat sie die Einrede der Verjährung erhoben.

[6] Das LG hat die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit abgewiesen.

[7] Das Berufungsgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 27.460,27 EUR nebst Zinsen und vorgerichtliche Kosten zu zahlen.

[8] Mit der (vom Senat zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

[9] I. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte zur Entscheidung des Rechtsstreits nach Art. 31 Abs. 1 lit. b CMR für gegeben und die Klage für begründet erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:

[10] Die für das Rückgriffsverfahren zwischen aufeinanderfolgenden Frachtführern geltende Zuständigkeitsbestimmung des Art. 39 Abs. 2 CMR, die im Streitfall keinen Gerichtsstand in Deutschland begründe, verdränge nicht die allgemeine Zuständigkeitsregelung des Art. 31 Abs. 1 CMR. Bereits der Wortlaut des Art. 39 Abs. 2 CMR spreche hiergegen. Es sei auch kein Grund ersichtlich, weshalb zwar der Sitz eines beliebigen nicht in die Regressklage einbezogenen weiteren Frachtführers i.S.v. Art. 39 Abs. 2 CMR, nicht aber der Ort der Übernahme des Gutes oder seiner Ablieferung Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit sein könne. Ebenso wenig sei es einzusehen, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung ausgeschlossen sein sollte.

[11] In der Sache habe die Klägerin gegen die Beklagte einen Rückgriffsanspruch aus Art. 37 lit. a CMR. Die Klägerin sei als Fixkostenspediteurin Hauptfrachtführerin und die Beklagte daher nachfolgende Frachtführerin. Deren Einwand, der Schaden beruhe auf einem Verladefehler der Versenderin, sei gem. Art. 39 Abs. 1 CMR ausgeschlossen. Der Anspruch sei auch nicht verjährt, weil die Klägerin vor Ablauf der in Art. 39 Abs. 4, Art. 32 Abs. 1 Satz 1 CMR bestimmten Frist Rückgriffsklage erhoben habe.

[12] II. Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

[13] 1. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die deutschen Gerichte zur Entscheidung des Rechtsstreits gem. Art. 31 Abs. 1 lit. b CMR international zuständig sind. Die von ihm behandelte Frage, ob die internationale Zuständigkeit im Rückgriffsverfahren zwischen aufeinanderfolgenden Frachtführern ausschließlich aus Art. 39 Abs. 2 CMR folgt oder ob dort ergänzend auf Art. 31 Abs. 1 CMR zurückgegriffen werden kann, stellt sich im Streitfall allerdings nicht.

[14] a) Die Frage der internationalen Zuständigkeit ist auch unter der Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO n.F. in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGH v. 24.2.2005 - I ZR 101/02, BGHZ 162, 246, 249 = BGHReport 2005, 997 = MDR 2005, 1066 - Vitamin-Zell-Komplex, m.w.N.).

[15] b) Die Zuständigkeitsbestimmung des Art. 39 Abs. 2 CMR gilt - ebenso wie die Regelung des Art. 37 CMR - allein für das Innenverhältnis zwischen aufeinanderfolgenden Frachtführern i.S.v. Art. 34 CMR. Auf andere Regressansprüche ist sie weder direkt noch analog anwendbar. Dies folgt aus ihrer systematischen Stellung in Kapitel VI der CMR (Art. 34 bis 40), dessen Bestimmungen allein für aufeinanderfolgende Frachtführer gelten (vgl. zu Art. 37 CMR: BGH, Urt. v. 25.10.1984 - I ZR 138/82, MDR 1985, 381 = TranspR 1985, 48, 50 = NJW 1985, 555; Urt. v. 10.5.1990 - I ZR 234/88, MDR 1991, 218 = TranspR 1990, 418, 419 = VersR 1991, 238; österr. OGH TranspR 1988, 273, 276 f.; zu Art. 39 CMR: OGH TranspR 1986, 377, 378; Herber/Piper, CMR, Art. 39 Rz. 1; Koller, Transportrecht, 5. Aufl., Art. 39 CMR Rz. 1; Schmid in: Thume, CMR-Kommentar, Art. 39 Rz. 1, 2; Thume in Fremuth/Thume, Transportrecht, Art. 39 CMR Rz. 1; Huther in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Art. 39 CMR Rz. 1; MünchKomm/HGB/Basedow, Art. 39 CMR Rz. 2; Großkomm.HGB/Helm, 4. Aufl., Anh. VI nach § 452: CMR Art. 39 Rz. 1).

[16] c) Die Revisionserwiderung weist unter Bezugnahme auf den von der Klägerin vorgelegten CMR-Frachtbrief vom 15.4.1997 mit Recht darauf hin, dass die Parteien keine aufeinanderfolgenden Frachtführer i.S.v. Art. 34 CMR sind.

[17] aa) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die Vorschriften des Kapitels VI der CMR auch dann anwendbar sind, wenn der erste Auftragnehmer für die gesamte Strecke - wie hier die Klägerin - ein Fixkostenspediteur ist (BGH v. 25.10.1984 - I ZR 138/82, MDR 1985, 381 = TranspR 1985, 48, 49; Koller, a.a.O., Art. 34 CMR Rz. 5 m.w.N.; a.A. Neumann, TranspR 2006, 384, 386 f.).

[18] bb) Entgegen der vom Berufungsgericht vorgenommenen Beurteilung ist ein in die Beförderung eingeschalteter Unterfrachtführer nicht ohne Weiteres auch aufeinanderfolgender Straßenfrachtführer i.S.v. Art. 34 CMR. Eine bloß tatsächliche Aufeinanderfolge von Unterfrachtführern im Zusammenhang mit der Beförderung ein und desselben Transportguts reicht dafür nicht aus. Aufeinanderfolgender Frachtführer i.S.v. Art. 34 CMR ist vielmehr nur derjenige Unterfrachtführer, der durch die Annahme von Gut und Frachtbrief als sog. Samtfrachtführer gesamtschuldnerisch neben dem ihn beauftragenden Haupt- oder Unterfrachtführer Vertragspartei des Absenders wird (BGH v. 25.10.1984 - I ZR 138/82, MDR 1985, 381 = TranspR 1985, 48, 49; BGH v. 10.5.1990 - I ZR 234/88, MDR 1991, 218 = TranspR 1990, 418, 419; OGH TranspR 1991, 135, 137; Koller, a.a.O., Art. 34 CMR Rz. 3; Herber/Piper, a.a.O., Art. 34 Rz. 9 und 10; Schmid in: Thume, a.a.O., Art. 34 Rz. 4). Im Streitfall fehlt es hierfür zumindest an einem entsprechenden Frachtbrief, dem insoweit konstitutive Bedeutung zukommt.

[19] (1) Frachtbrief i.S.d. Art. 34 CMR ist der über den Frachtvertrag zwischen dem Absender und dem Hauptfrachtführer ausgestellte durchgehende, auf die gesamte Beförderungsstrecke lautende und dem Hauptfrachtführer vom Absender ausgehändigte Frachtbrief. Wenn ein solcher Frachtbrief nicht ausgestellt oder vom Unterfrachtführer nicht angenommen oder an diesen nicht weitergegeben worden ist, ist der Unterfrachtführer kein aufeinanderfolgender Frachtführer i.S.v. Art. 34 CMR (BGH, Urt. v. 9.2.1984 - I ZR 18/82, MDR 1984, 910 = TranspR 1984, 146, 148 = VersR 1984, 578; BGH v. 25.10.1984 - I ZR 138/82, MDR 1985, 381 = TranspR 1985, 48, 49; OGH TranspR 1991, 135, 137). Der über die gesamte Strecke ausgestellte Frachtbrief muss vom Absender und vom Hauptfrachtführer unterzeichnet sein (Koller, a.a.O., Art. 34 CMR Rz. 4; Großkomm.HGB/Helm, a.a.O., CMR Art. 34 Rz. 11; Trappe/Gierke, TranspR 1996, 260, 261; Neumann, TranspR 2006, 384, 386).

[20] (2) Dem Berufungsurteil lassen sich keine entsprechenden Feststellungen über den Inhalt des Frachtbriefs entnehmen. Der von der Klägerin mit der Klage vorgelegte Frachtbrief entspricht den in dieser Hinsicht bestehenden Anforderungen schon deshalb nicht, weil er nicht über den Frachtvertrag zwischen der Absenderin und der Klägerin als Hauptfrachtführerin ausgestellt und von der Klägerin auch nicht unterschrieben worden ist.

[21] d) Das Berufungsgericht hat seine internationale Zuständigkeit jedoch im Ergebnis zutreffend aus Art. 31 Abs. 1 lit. b CMR abgeleitet.

[22] Die Klägerin macht einen Regressanspruch gegen die Beklagte geltend. Das Berufungsgericht hat dabei mit Recht und von der Revision unangegriffen angenommen, dass die CMR auch für das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten gilt. Da die Parteien keine aufeinanderfolgenden Frachtführer i.S.v. Art. 34 CMR sind, kommt eine Haftung der Beklagten ggü. der Klägerin als ihrer Auftraggeberin allein gemäß den Bestimmungen der Art. 17 ff. i.V.m. Art. 3 CMR in Betracht (BGH v. 25.10.1984 - I ZR 138/82, MDR 1985, 381 = TranspR 1985, 48, 50; OGH TranspR 1991, 135, 137; TranspR 2001, 79, 80; Thume in Fremuth/Thume, a.a.O., vor Art. 34 CMR Rz. 2; Großkomm.HGB/Helm, a.a.O., CMR Art. 34 Rz. 27). Für einen derartigen Anspruch ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus Art. 31 Abs. 1 lit. b CMR.

[23] 2. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber dagegen, dass das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte gem. Art. 37 lit. a CMR bejaht hat. Die genannte Bestimmung ist im Streitfall nicht anwendbar, weil die Parteien hier keine aufeinanderfolgenden Frachtführer i.S.v. Art. 34 CMR sind (vgl. oben unter II 1b und c).

[24] 3. Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung der Sache verwehrt. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu dem angesichts der Nichtanwendbarkeit der Art. 34 bis 40 CMR allein in Betracht kommenden Anspruch aus Art. 17 i.V.m. Art. 3 CMR getroffen. Da im Streitfall namentlich Art. 39 Abs. 1 und 4 CMR nicht einschlägig sind (vgl. Koller, a.a.O., Art. 39 CMR Rz. 1 und 5), fehlt es bislang insb. an Feststellungen zu der von der Klägerin im Vorprozess mit der R. AG ggü. der Beklagten vorgenommenen Streitverkündung, zur Reichweite einer sich daraus möglicherweise ergebenden Bindungswirkung gem. § 68 ZPO sowie auch zu der von der Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung.

[25] III. Nach alledem ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1807403

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