Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozessführungsbefugnis eines Wettbewerbsvereins
Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen an einen Verband zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG.
Normenkette
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2, §§ 3, 1
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 13. Dezember 1985 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verein, der nach seiner Satzung die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder insbesondere durch die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs zu wahren hat.
Die Beklagte, eine Buchgemeinschaft, versandte im Mai 1984 "Einladungszertifikate für ehemalige Mitglieder", in denen blickfangmäßig der zehntägige kostenlose Test eines Radio-Recorders angeboten wurde und nach dem kleingedruckten Fließtext im Falle des Behaltens des Gerätes die Mitgliedschaft bei der Beklagten wieder beginnen sollte.
Der Kläger sieht darin eine irreführende Werbung; er hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Die Beklagte macht in erster Linie geltend, daß dem Kläger die Prozeßführungsbefugnis fehle, da er sich auf die Abmahntätigkeit beschränke und sich im wesentlichen aus überhöhten Abmahngebühren finanziere.
Das Landgericht hat die Prozeßführungsbefugnis des Klägers verneint und die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die Prozeßführungsbefugnis des Klägers könne noch nicht bereits im gegenwärtigen Zeitpunkt verneint werden; denn es lasse sich nicht feststellen, daß dieser sich im wesentlichen aus den eingehenden Abmahngebühren, nicht aber aus Eigenmitteln, finanziere. Selbst wenn der Kläger im Jahre 1984 zu hohe Abmahn-Pauschalbeträge eingefordert habe, führe dies derzeit noch nicht zur Aberkennung seiner Prozeßführungsbefugnis. Vielmehr müsse er zumindest ein weiteres Geschäftsjahr Gelegenheit erhalten, um dies abzustellen.
Die Klage sei auch begründet, da die beanstandete Werbung irreführend im Sinne von § 3 UWG sei.
II.
Die hiergegen gerichtete Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht; denn die Bejahung der Prozeßführungsbefugnis des Klägers nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist nach den bisherigen Feststellungen nicht gerechtfertigt.
Die Prozeßführungsbefugnis ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Prozeßvoraussetzung. Es ist also auch im Revisionsverfahren zu klären, ob der Kläger nach der derzeitigen Sach- und Rechtslage die maßgeblichen Voraussetzungen erfüllt.
Nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG können die Unterlassungsansprüche aus den §§ 1 und 3 UWG auch von rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen geltend gemacht werden. Dabei reicht es nicht aus, wenn ein Verband der Form und dem Wortlaut der Satzung nach diese Voraussetzungen erfüllt. Erforderlich ist vielmehr, daß er tatsächlich bestimmte gewerbliche Interessen seiner Mitglieder zusammenfaßt und verfolgt (vgl. BGH GRUR 1986, 320, 321 - Wettbewerbsverein I). Seine Tätigkeit darf daher nicht ausschließlich oder überwiegend ein Mittel zur Verfolgung anderweiter Zwecke sein, sondern muß wirkliche, gemeinsame, gewerbliche Interessen seiner Mitglieder berühren (vgl. OLG Hamm GRUR 1987, 541, 542). Insbesondere darf, wie die Regelung des § 13 Abs. 5 UWG zeigt, der Vereinszweck nicht als Vorwand benutzt werden, um Wettbewerbsverstöße verfolgen und dabei im Interesse der für den Verein tätigen Mitarbeiter und Rechtsanwälte Gebühren und Vertragsstrafen einziehen zu können.
Im vorliegenden Fall bestehen Anhaltspunkte dafür, daß es sich bei dem Kläger um einen solchen Verein handelt, der in erster Linie nicht auf die Verfolgung wirklicher Mitgliederinteressen ausgerichtet ist, sondern seinen Satzungszweck vorschiebt, um aus der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen Gebühren und Vertragsstrafen zu erzielen. Dafür, daß es dem Kläger vor allem um Einnahmen aus der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen geht, spricht zunächst der Umstand, daß er nach den vorgelegten Berechnungen auf derartige Einnahmen angewiesen ist und sich weitgehend daraus finanziert hat; seine Eigenmittel (Mitgliedsbeiträge, Spenden) reichen nicht einmal zur Deckung der fixen Kosten aus und stehen in einem krassen Mißverhältnis zu den Einnahmen aus Abmahngebühren und Vertragsstrafen. Ein weiteres Indiz ist der Umstand, daß der Kläger überhöhte Abmahngebühren von 140,- DM und dann 160,- DM zu fordern pflegte und von dieser Praxis erst aufgrund des vorliegenden Rechtsstreits abgegangen ist. Ferner hat er bisher keine sonstige Vereinstätigkeit entfaltet, sondern lediglich Wettbewerbsverstöße verfolgt. Dabei hat er sich, wie das Landgericht festgestellt hat, weitgehend auf das routinemäßige Abmahnen leicht erkennbarer Verstöße beschränkt und hat die Abmahnschreiben formularmäßig mit Schreibautomaten gefertigt. Die verfolgten Verstöße soll er unabhängig von wirklichen Mitgliederinteressen durch systematisches Beobachten der Zeitungswerbung ermittelt haben.
Insgesamt begründen diese Umstände Zweifel an der Klagebefugnis des Klägers, so daß es der Aufklärung bedarf, ob dieser die obengenannten Voraussetzungen für einen Verband zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG erfüllt. Zur Ausräumung dieser Zweifel wäre insbesondere die Feststellung erforderlich, daß der Kläger tatsächlich bestimmte gemeinsame gewerbliche Interessen seiner Mitglieder zusammenfaßt und verfolgt. Die überreichte Mitgliederliste deutet nicht darauf hin, daß hier eine echte Interessenbündelung vorliegt. Es bedarf daher noch der Klärung, ob und welche gemeinsamen gewerblichen Interessen die Mitglieder ernsthaft verfolgt haben wollen. Erforderlich für die Klagebefugnis des Klägers wäre ferner, daß seine bisherige Abmahntätigkeit den gemeinsamen gewerblichen Interessen seiner Mitglieder wirklich gedient hat. Dazu müßten die verfolgten Wettbewerbsverstöße die gewerblichen Belange der Mitglieder tatsächlich berühren; es muß also ein gewisser sachlicher und örtlicher Bezug zu bestimmten Mitgliederinteressen bestanden haben.
Bei diesem Sachverhalt durfte sich das Berufungsgericht nicht auf die Prüfung der Gewinn- und Verlustrechnung des Klägers mit der abschließenden Aussage beschränken, es sei allenfalls als erstattungsfähig ein Betrag von 105,- DM als Pauschale festzustellen, doch rechtfertige selbst eine künftige teilweise Finanzierung des Klägers aus derart überhöhten Abmahn-Pauschalbeträgen nicht, den Kläger bereits jetzt im Hinblick auf Mißstände seiner Finanzierung als nicht mehr prozeßführungs- und aktivlegitimiert anzusehen, ohne daß er zunächst für wenigstens ein weiteres Geschäftsjahr Gelegenheit erhalten hätte, Abhilfe herbeizuführen. Es bedarf vielmehr einer umfassenden Aufklärung und Würdigung nach Maßgabe der aufgeführten Gesichtspunkte.
III.
Da die noch offenen tatsächlichen Fragen zweckmäßigerweise von dem Berufungsgericht geklärt werden, ist - ohne sachliche Prüfung der beanstandeten Werbung - das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dem Berufungsgericht ist auch die Entscheidung über die Kosten der Revision aufzuerlegen.
Unterschriften
v. Gamm,
Piper,
Erdmann,
Teplitzky,
Scholz-Hoppe
Fundstellen
Haufe-Index 1456386 |
GRUR 1988, 918 |
JZ 1988, 981 |