Entscheidungsstichwort (Thema)
Höferecht
Leitsatz (amtlich)
Erwirbt der Miteigentümer einer landwirtschaftlichen Besitzung als Erbe das restliche Miteigentum, so wird - wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 1 HöfeO erfüllt sind - die Besitzung grundsätzlich auch dann Hof i. S. der Höfeordnung, wenn der Alleineigentümer hinsichtlich des ererbten Anteils nur Vorerbe ist. Er kann dann ohne Zustimmung des Nacherben die Hofeigenschaft aufheben.
Normenkette
HöfeO § 1
Gründe
I.
Das Rittergut N. stand im Eigentum des F. B.. Nach dessen Tod im Jahre 1920 war Alleineigentümerin die Ehefrau J. geb. A.. Aus der Ehe waren sieben Kinder (ein Sohn und sechs Töchter) hervorgegangen.
Durch notariellen Vertrag vom 13. September 1946 übertrug J. B. ihrem Sohn A. den Hälfteanteil am Hofgut.
J. B. verstarb am 9. Januar 1950. In ihrem "Haupttestament" bestimmte sie ihren Sohn A. zum Hoferben. In einem "Zusatztestament" ordnete sie an, daß das Erbe nach dem Tod des Hofbesitzers an dessen Geschwister zurückfallen solle, falls er nicht heirate, eine Ehe kinderlos bleibe oder keine leiblichen Erben vorhanden seien.
Durch notarielle Urkunde vom 15. Februar 1950, an deren Errichtung alle Geschwister sowie die drei minderjährigen Kinder der bereits 1948 verstorbenen A. K. geb. B. (die Beteiligten zu 3), vertreten durch ihren Vater, beteiligt waren, wurde der auf den Namen der Erblasserin eingetragene 1/2 Miteigentumsanteil am Hofgut auf A. B. zu Alleineigentum übertragen.
Am 15. Februar 1950 erklärte A. B. schriftlich und in notariell beglaubigter Form, daß der in seinem Alleineigentum stehende Grundbesitz nicht die Eigenschaft eines Hofes haben solle. Er bewilligte und beantragte zugleich die Löschung des Hofvermerkes im Grundbuch. Auf dem Deckblatt des Grundbuches wurde daraufhin folgende Eintragung vorgenommen:
"Hof gem. Höfeordnung. Eingetragen am 28. Februar 1950.
Hofvermerk gelöscht am 28. Februar 1950."
Durch notariellen Vertrag vom 5. August 1964 übertrugen die fünf noch lebenden Schwestern ihrem Bruder die aufgrund des "Zusatztestamentes" ihrer Mutter bestehenden Nacherbenrechte.
Am 16. Juni 1970 nahm A. B. den Beteiligten zu 2 an Kindes Statt an. Der Genehmigungsbeschluß des Amtsgerichts ist seit dem 16. August 1975 rechtskräftig.
Durch notariellen Vertrag vom 25. April 1979 übertrugen auch die Beteiligten zu 3 ihre Nacherbenrechte auf A. B.. Dieser erklärte zugleich die erneute Einführung der Hofeigenschaft bezüglich des Hofgutes.
Am 23. August 1983 verstarb A. B.. In seinem privatschriftlichen Testament bestimmte er den Beteiligten zu 2 zum Hoferben und setzte den Beteiligten zu 1 zum Testamentsvollstrecker ein. Inzwischen ist der Beteiligte zu 2 vorbehaltlich etwaiger Nacherbenrechte als Eigentümer des Hofes in das Grundbuch eingetragen worden.
Der Beteiligte zu 1 hat beantragt,
festzustellen, daß die landwirtschaftliche Besitzung Gut N. mit der Haus- und Hofstelle in G. -N. seit dem 16. August 1975 (dem Tag der Rechtskraft der Adoption) Hof im Sinne der höferechtlichen Bestimmungen sei.
Das Landwirtschaftsgericht hat den Feststellungsantrag abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, die Hofeigenschaft sei nicht im Zeitpunkt der Rechtskraft der Adoption entstanden, sie habe vielmehr nur durch Erklärung des A. B. begründet werden können. Diese Erklärung sei aber erst im Jahre 1979 abgegeben worden.
Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 ist erfolglos geblieben. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Beteiligten zu 1 und 2 das Feststellungsbegehren weiter. Die Beteiligte zu 3 beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Auffassung, Gut N. sei am 16. August 1975 kein Hof im Sinne der höferechtlichen Bestimmungen gewesen, u.a. ausgeführt:
1.
Bis zum Tode der Mutter J. B. am 9. Januar 1950 sei das Gut kein Hof gewesen, weil seit 1946 J. B. und A. B. Miteigentümer des Grundbesitzes gewesen seien. Es habe also bis dahin am Erfordernis des Alleineigentums gemäß § 1 Abs. 1 HöfeO a.F. gefehlt.
2.
Mit dem Tod der Mutter am 9. Januar 1950 hätten sich die hälftigen Miteigentumsanteile der Erblasserin und des A. B. - der testamentarisch zum befreiten Vorerben eingesetzt gewesen sei - in dessen Person zu Alleineigentum vereinigt. Dadurch sei nach § 1 Abs. 1 und Abs. 2 HöfeO a.F. kraft Gesetzes ein Hof entstanden. Das sogenannte Vorerbschaftseigentum habe die Hofentstehung nicht ausgeschlossen.
3.
Die Hofeigenschaft habe A. B. durch die Erklärung vom 15. Februar 1950 wirksam aufgehoben. Die in § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Aufhebung der Hofeigenschaft vom 4. März 1949 (vgl. Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, HöfeO, 8. Aufl. S. 466) geregelte Möglichkeit der Aufhebung der Hofeigenschaft durch Erklärung des Hofeigentümers habe auch dem A. B. als Vorerbschaftseigentümer zugestanden.
4.
Die Hofeigenschaft habe nach §§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 2 der VO vom 4. März 1949 nur durch einen neuen Antrag auf Eintragung des Hofvermerkes in das Grundbuch wieder hergestellt werden können. Ein derartiger Antrag sei aber erst 1979 gestellt worden. Gut N. sei daher am 16. August 1975 kein Hof im Sinne des Höferechtes gewesen.
III.
Hiergegen wendet sich die nach § 24 Abs. 1 LwVG zulässige Rechtsbeschwerde ohne Erfolg:
1.
Fehlerfrei ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, daß Gut N. bis zum Tode von J. B. geb. A. am 9. Januar 1950 kein Hof im Sinne von § 1 Abs. 1 HöfeO a.F. war, da es an dem gesetzlichen Erfordernis des Alleineigentums mangelte. J. und A. B. waren nämlich seit 1946 Miteigentümer des Gutes.
Nicht zu beanstanden ist auch die Feststellung des Beschwerdegerichts, die Hofeigenschaft könne auch nicht aus § 19 Abs. 1 Satz 1 HöfeO a.F. hergeleitet werden, da weder dargetan noch aus den Unterlagen ersichtlich sei, daß Gut N. im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Höfeordnung a.F. als Erbhof in die Erbhöferolle eingetragen gewesen sei. Die in diesem Zusammenhang von den Rechtsbeschwerdeführern erhobene Verfahrensrüge mangelnder Amtsermittlung ist schon deshalb unbeachtlich, weil sie erst nach Ablauf der Rechtsmittelbegründungspflicht mit Schriftsatz vom 30. November 1990 geltend gemacht worden ist. Im übrigen wird zum Inhalt des Amtsermittlungsgrundsatzes auf die Senatsentscheidung vom 4. Juli 1979, V BLw 9/79, RdL 1980, 109 hingewiesen.
2.
Zutreffend ist auch die Annahme des Beschwerdegerichtes, mit dem Tod von J. B. sei A. B. nur Vorerbe bezüglich des von seiner Mutter ererbten Miteigentumsanteils geworden.
3.
Gut N. stand also seit dem Tode von J. B. im Alleineigentum des A. B.. Er war bereits seit 1946 Miteigentümer zu 1/2; die andere Hälfte erwarb er als Vorerbe nach J. B.
Eine im Alleineigentum stehende land- oder forstwirtschaftliche Besitzung, die - wie Gut N. - einen 10.000 DM übersteigenden Einheitswert hat, war nach § 1 Abs. 1 und Abs. 2 HöfeO a.F. kraft Gesetzes Hof im Sinne des Höferechts. Das Eigentum des Vorerben ist nach dem bürgerlichen Recht echtes Eigentum. Es ist nur durch den künftigen Wegfall des Erbrechtes - und damit des Eigentums - beschränkt. Bis dahin steht es vollwertig neben sonstigem Eigentum. Eine im alleinigen Vorerbschaftseigentum stehende landwirtschaftliche Besitzung konnte daher - wenn die sonstigen höferechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren - Hof im Sinne der Höfeordnung sein. Davon gehen z.B. selbstverständlich die §§ 6 Abs. 2 und 8 Abs. 1 HöfeO a.F. aus. Hätte J. B. ihrem Sohn A. im Jahre 1946 nicht einen Hälfteanteil am Gut N. übertragen, sondern ihn nur testamentarisch zum Vorerben des gesamten Gutes eingesetzt, so wäre die Besitzung mit dem Erbfall insgesamt in das Vorerbeneigentum des A. B. gefallen und gemäß § 1 Abs. 1 und 2 HöfeO a.F. Hof im Sinne des Höferechtes geworden.
Eine abweichende Beurteilung ist nicht geboten, wenn der Erbe eines Miteigentumsanteils bereits aus einem anderen Rechtsgrund im Zeitpunkt des Erbfalles Eigentümer des weiteren Miteigentumsanteils war. Besondere schutzwürdige Interessen der Nacherben würden durch die gesetzliche Unterstellung der gesamten Besitzung unter das Höferecht nicht verletzt. Müssen die Nacherben im Falle des nur auf dem Anfall der Vorerbschaft beruhenden Alleineigentums die gesetzlichen Konsequenzen der Unterstellung unter das Höferecht hinnehmen und gilt dies auch für jeden alleinigen Vollerben, der Miteigentum (gleich welcher Art) erbt, so ist kein Grund ersichtlich, entgegen dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 HöfeO a.F. bei einem aus Vorerben- und sonstigem Eigentum zusammengesetzten Alleineigentum anders zu verfahren. Die Unterstellung des gesamten Besitzes unter das Höferecht gewährleistet im übrigen, daß sich auch die Erbfolge nach dem nicht durch Nacherbschaft beschränkten Anteil am Gesamtvermögen nach dem Höferecht richtet. Anderenfalls wäre bei einem einheitlichen landwirtschaftlichen Betrieb hinsichtlich eines Miteigentumanteils die gesetzliche oder gewillkürte Erbfolge unabhängig von den Beschränkungen des Höferechtes möglich.
Ob ausnahmsweise eine andere Beurteilung angezeigt ist, wenn Nacherben nach dem Vorerbschaftseigentum und gesetzliche Erben nach dem sonstigen Eigentum nicht identisch sind, weil dann die vom Höferecht bezweckte geschlossene Vererbung nicht gewährleistet ist (vgl. Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, HöfeO, 8. Aufl. § 1 Rdn. 35 m.w.N.), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Nach den zutreffenden Ausführungen des Beschwerdegerichts war im Zeitpunkt des Todes der J. B. eine solche Konstellation nicht gegeben. Rechtsnachfolger des A. B. hinsichtlich seines früheren Miteigentumsanteils wären vielmehr nur diejenigen Personen geworden, die auch zum Nacherben bestimmt waren.
4.
War also das Gut N. nach dem Tod der J. B. kraft Gesetzes Hof im Sinne des damaligen Höferechts in der Hand des A. B. geworden, so stand diesem auch das Recht zu, gemäß § 1 der VO vom 4. März 1949 die Aufhebung der Hofeigenschaft herbeizuführen. Hierzu bedurfte es nicht der Zustimmung der Nacherben. Der Senat schließt sich auch insoweit den überzeugenden Ausführungen des Beschwerdegerichts an. Für die durch die Unterstellung unter das Höferecht gegenüber dem normalen Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches benachteiligten Nacherben stellt die Löschung des Hofvermerkes wieder die günstigere Rechtslage nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch her. Sie werden also in ihrer Rechtsposition nicht nachteilig berührt. Ihre Zustimmung ist daher nicht erforderlich. Für den durch die Unterstellung unter das Höferecht bevorzugten Hofnacherben, welcher nach der Löschung des Hofvermerkes wieder voll mit den Mit-Nacherben konkurrieren muß, ist zwar im Verhältnis zu den sonstigen Miterben seine günstigere Rechtsposition betroffen. Auf ihre Erhaltung hatte er jedoch als Erbe nach dem Erblasser keinen Anspruch. Zu Lebzeiten der Erblasserin war das Gut N. kein Hof im Sinne des Höferechts. Die Löschung des Hofvermerks stellt also im Verhältnis Erblasser Vorerbe - Nacherbe wieder die Situation her, die erbrechtlich gegeben war. Die Unterstellung des gesamten Gutes unter das Höferecht aufgrund des schon in der Hand des A. B. befindlichen Miteigentumsanteils verschaffte dem Hofnacherben folglich mehr, als er bloß kraft Erbrechtes hätte erlangen können. Berücksichtigt man im übrigen, daß A. B. hinsichtlich des nicht von der Nacherbschaft betroffenen Anteils am Grundstückseigentum keiner Verfügungsbeschränkung als Vorerbe unterworfen war und er daher durch Abveräußerung eines Miteigentumsanteils jederzeit die Aufhebung der Hofeigenschaft hätte herbeiführen können (die Besitzung hätte dann nämlich nicht mehr in Alleineigentum gestanden, wie § 1 Abs. 1 HöfeO a.F. erfordert), so ist nicht einzusehen, daß die Herbeiführung der Löschung des Hofvermerkes der Mitwirkung oder Zustimmung eines Nacherben der vorliegenden Art bedürfen soll.
5.
Da der durch Löschung des Hofvermerkes herbeigeführte Verlust der Hofeigenschaft nur durch Neueintragung des Hofvermerkes nach § 1 Abs. 2 der VO vom 4. März 1949 rückgängig gemacht werden konnte, diese Eintragung aber erst nach dem im Feststellungsbegehren genannten Stichtag erfolgt ist, mußte der Feststellungsantrag abgewiesen werden.
Die Rechtsbeschwerde ist folglich unbegründet. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 44, 45 LwVG.
Fundstellen