Entscheidungsstichwort (Thema)
Betrug
Tenor
I. 1. Auf die Revision des Angeklagten Ulrich G. wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 29. März 2000 im Ausspruch über das ihn betreffende Berufsverbot mit den Feststellungen aufgehoben; der Ausspruch entfällt.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
II. 1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
2. Die Kosten des Rechtsmittels und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten G. und P. wegen Betruges verurteilt, und zwar den Angeklagten G. zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und die Angeklagte P. zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Ferner hat es dem Angeklagten G. „für die Dauer von drei Jahren untersagt, im Bereich der Schuldensanierung, -regulierung, Vermittlung hierzu und Kreditvermittlung gewerblich tätig zu werden oder ein solches Gewerbe für einen anderen auszuüben oder für sich ausüben zu lassen”. Gegen dieses Urteil wenden sich der Angeklagte G. und – zu Ungunsten beider Angeklagten – die Staatsanwaltschaft mit ihren Revisonen, mit denen sie die Verletzung sachlichen Rechts rügen; der Angeklagte G. beanstandet darüber hinaus auch das Verfahren; er wendet sich gegen seine Verurteilung insgesamt. Die Staatsanwaltschaft beanstandet, daß das Landgericht die Angeklagten nureiner Tat des Betruges für schuldig befunden hat. Das Rechtsmittel des Angeklagten G. führt nur zum Wegfall des Ausspruchs über das Berufsverbot; die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt erfolglos.
I.
Das Landgericht hat festgestellt:
In Verfolgung ihrer betrügerischen Absicht beschlossen beide Angeklagten im Frühjahr 1995, gewerblich eine sog. „Schuldenregulierung” anzubieten. Das „Konzept” der Angeklagten bestand darin, „durch Zeitungsanzeigen und den nachfolgenden, in allen Fällen gleichen Schriftverkehr mit den sich auf die Anzeigen meldenden Interessenten bei diesen den Eindruck zu erwecken, sie könnten einen Kredit bekommen. Auf diese Weise sollten die Kunden dazu veranlaßt werden, einen per Nachnahme erhobenen Betrag zu zahlen in der Erwartung, die Nachnahmesendung enthalte einen … Kreditvertrag”. Den Angeklagten kam es dabei darauf an, die Kunden glauben zu machen, der erhobene und bezahlte Betrag sei die Vergütung für die Vermittlung eines Kredits. Tatsächlich fand aber weder eine Kreditvermittlung statt, noch beabsichtigten die Angeklagten, überhaupt eine vermögenswerte Leistung zu erbringen. Um ihr „Konzept” durchzuführen, übernahm der Angeklagte G. unter der eigens hierfür gegründeten Firma N. – im folgenden NF – die Anwerbung und vermeintliche Vermittlung der Kunden, während die Angeklagte unter der ebenfalls eigens hierfür gegründeten Firma H. Vermögensberatung – im folgenden HVB – die „Schuldenregulierung” betrieb.
Von April 1995 bis Januar 1996 erhielten insgesamt 2.166 Kunden die Nachnahmesendung, „wobei die Mehrheit hiervon … die Nachnahmegebühr entrichtete und die Sendung in Empfang nahm. Von diesen Kunden wurden insgesamt mindestens 550.000 DM an NF gezahlt. 295.000 DM davon reichte der Angeklagte G. als ‚Provision’ an die Angeklagte P. weiter”. Den Angeklagten war bei ihrem Vorgehen „bewußt, daß die Kunden zur Zahlung der per Nachnahme erhobenen ‚Vermittlungsvergütung’ durch die Annahme veranlaßt wurden, die NF habe ihnen einen Kredit vermittelt und die Nachnahmesendung enthalte den entsprechenden Vertrag mit dem Kreditgeber”. Aus diesem Grunde erfolgte der Hinweis, daß der Vertrag „nicht als Bankkreditvertrag abgewickelt” werde, erst nach Bezahlung der Nachnahme, „denn die Angeklagten rechneten damit, daß im Falle einer früheren Aufklärung über den wirklichen Geschäftsgegenstand kaum ein Kunde zur Zahlung bereit gewesen wäre”.
II.
Revision des Angeklagten G.
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung des Angeklagten G. deckt zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf.
1. Die Verfahrensbeschwerden dringen nicht durch. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 6. März 2001.
2. Der Angeklagte hat auch mit der Sachrüge keinen Erfolg. Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat das Landgericht den Angeklagten zu Recht wegen Betruges verurteilt.
a) Näherer Erörterung bedarf lediglich das Merkmal der Täuschung. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht dies zu Recht bejaht.
Die Täuschungshandlung besteht nach dem Wortlaut des Gesetzes in der Vorspiegelung falscher oder in der Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen. Täuschung ist danach jedes Verhalten, das objektiv irreführt oder einen Irrtum unterhält und damit auf die Vorstellung eines anderen einwirkt. Dabei ist in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt, daß außer der ausdrücklichen Begehung, namentlich durch bewußt unwahre Behauptungen, die Täuschung auch konkludent erfolgen kann, nämlich durch irreführendes Verhalten.
Dies schließt eine Täuschungshandlung nicht deshalb aus, weil sich der Täter hierzu – insoliert betrachtet – wahrer Tatsachenbehauptungen bedient. Wie der Senat in seinem Urteil vom 26. April 2001 – 4 StR 439/00 – (NJW 2001, 2187 f.; zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) näher ausgeführt hat, wird ein Verhalten in diesen Fällen zur tatbestandlichen Täuschung dann, wenn der Täter die Eignung der – inhaltlich richtigen – Erklärung, einen Irrtum hervorzurufen, planmäßig einsetzt und damit unter dem Anschein „äußerlich verkehrsgerechten Verhaltens” gezielt die Schädigung des Adressaten verfolgt, wenn also die Irrtumserregung nicht die bloße Folge, sondern der Zweck der Handlung ist.
b) Die Feststellungen belegen die hiernach vorausgesetzte objektive und subjektive Tatseite; denn danach war das von den Angeklagten verfolgte „Konzept” gerade darauf angelegt, „die Interessenten durch das Vortäuschen einer Kreditvermittlung zur Zahlung ≪des Nachnahmebetrages≫ zu veranlassen”. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, das sich die Überzeugung verschafft hat, die Angeklagten hätten den Kunden der NF „vorgespiegelt, ihnen solle ein Kredit vermittelt werden, während in Wahrheit weder eine Vermittlung erfolgte, noch ein Kredit gewährt wurde”, weist keinen Rechtsfehler auf. Daß die Interessenten bzw. Kunden bei sorgfältiger Prüfung der telefonischen Auskünfte sowie des Schriftverkehrs hätten erkennen können, daß ihnen keine Gewährung oder zumindest Vermittlung eines Kredits zugesichert wurde, beseitigt unter den gegebenen Umständen die tatbestandliche Täuschungshandlung nicht (Senatsurteil aaO).
c) Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht den Angeklagten – ohne dies allerdings näher auszuführen – eine tatbestandliche Täuschung durch positives Tun, nämlich durch aktive Irreführung und nicht lediglich durch Unterlassen einer an sich gebotenen Aufklärung angenommen. Dem steht die – insoweit mißverständliche – Erwägung nicht entgegen, „die Anrufer (seien) in keinem Fall darüber aufgeklärt (worden), daß die ‚Problemlösung’ … kein Kredit sei”. Denn die Angeklagten beschränkten sich bei Verfolgung ihres „Konzepts” nicht darauf, gezielt gegenüber den Interessenten das Wort „Kredit” nicht zu erwähnen. Vielmehr haben sie durch eine Vielzahl von Wendungen (etwa „Regulierungssumme”, „Tilgungsrate”, „Laufzeit”, „Vermittlung einer Finanzsanierung”, „Vertragsannahme und Genehmigung über obige Schuldsumme über eine private Finanzsanierungsgesellschaft”) bewußt auf die Herbeiführung, jedenfalls aber auf die Aufrechterhaltung der fehlerhaften Annahme, die NF gewähre oder zumindest vermittle einen Kredit, hingewirkt. Deshalb kommt es hier auf die Abgrenzung zur Täuschung durch Unterlassen und auf die Frage einer Garantenpflicht zur Aufklärung (vgl. Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 263 Rdn. 12 ff.) nicht an.
d) Auch der von den Angeklagten angestrebte irrtumsbedingte Vermögensschaden ist im Ergebnis rechtsfehlerfrei festgestellt. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob die „Vergütungsvereinbarung” nichtig oder nur wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB anfechtbar war. Denn für die Prüfung eines Vermögensschadens im Sinne des Betrugstatbestandes ist entscheidend allein der nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bestimmende Wertvergleich von Leistung und Gegenleistung (BGHSt 22, 88, 89). Hierzu ergeben die vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, daß – was im übrigen auf der Hand liegt – die von den Angeklagten so bezeichnete „Finanzsanierung”, nämlich die bloße Weiterleitung von Zahlungen des Kunden an dessen Gläubiger, „völlig ohne Belang”, d.h. nicht nur nach deren persönlicher Einschätzung, sondern auch nach Auffassung eines objektiven Beurteilers praktisch wertlos waren. Dies genügt unter den gegebenen Umständen für die Annahme eines Vermögensschadens (vgl. BGHSt 23, 300, 301; ebenso Senatsurteil vom 26. April 2001). Soweit die Revision demgegenüber einwendet, der „Vermögensverwaltungsvertrag” sei für die Kunden schon deshalb nicht „absolut wertlos” gewesen, weil die vertraglich zugesagte Leistung, nämlich auf die Gläubiger dahin einzuwirken, daß diese Ratenzahlungsvereinbarungen zustimmen, „für kreditunwürdige Personen das einzige probate Mittel dar(stellt), aus der Schuldensituation herauszukommen”, hat das Landgericht nicht festgestellt, daß die Angeklagten auch nur in diesem Umfang eine „Leistung” erbracht haben bzw. zu erbringen beabsichtigen. Dem steht nämlich schon entgegen, daß die „Interessent(en) (ihre) Gläubiger der NF gar nicht genannt hatte(n)”.
2. Auch der Strafausspruch gegen den Angeklagten G. hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Landgericht hat alle „bestimmenden” Strafzumessungsgründe (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) gegeneinander abgewogen. Die Revison zeigt insoweit einen Rechtsfehler auch nicht auf.
3. Dagegen kann der Ausspruch über das Berufsverbot nicht bestehen bleiben. Die Verhängung der Maßregel nach § 70 StGB setzt voraus, daß der Täter den Beruf oder das Gewerbe, bei dem ihm Mißbrauch oder grobe Pflichtverletzung vorgeworfen wird, bei Begehung der Straftat tatsächlich ausübt (BGHSt 22, 144, 145 f.). Nach der Rechtsprechung reicht es demgemäß nicht aus, daß die vom Angeklagten begangenen Betrugstaten nur im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder vorgetäuschten Berufs- oder Gewerbetätigkeit standen (BGHR StGB § 70 Abs. 1 Pflichtverletzung 4; Senatsbeschluß vom 16. März 1999 – 4 StR 26/99; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 70 Rdn. 3 m.w.N.). So liegt es hier: Die Feststellungen ergeben nicht, daß sich der Angeklagte überhaupt ernsthaft im Bereich der „Schuldenregulierung” und Vermögensverwaltung betätigte. Vielmehr diente – wie das Landgericht ausdrücklich feststellt – die Gründung der NF – ebenso wie die Gründung der HVB durch die Mitangeklagte P. – der Begehung des abgeurteilten Betruges. Danach hat der Angeklagte die Vermittlungstätigkeit der NF aber nur vorgetäuscht, um die Geschädigten zu Zahlungen an ihn zu veranlassen. Das genügt für die Anordnung des Berufsverbots nicht. Der Senat läßt deshalb den Maßregelausspruch entfallen.
Es besteht kein Anlaß, den Angeklagten aus Billigkeitsgründen teilweise von den Kosten seines Rechtsmittels freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
III.
Revision der Staatsanwaltschaft
Die Revision der Staatsanwaltschaft erweist sich als unbegründet. Ohne Erfolg rügt die Beschwerdeführerin, daß das Landgericht die beiden Angeklagten jeweils nureiner Tat des Betruges für schuldig befunden hat. Einen durchgreifenden Rechtsfehler weist das Urteil insoweit nicht auf:
Zwar sind die Angeklagten als mittelbare Täter rechtlich so zu behandeln, als hätten sie die Betrugstaten gegenüber den 2.166 Interessenten eigenhändig verwirklicht (§ 25 Abs. 1 StGB). Für die Frage des Vorliegens einer oder mehrerer Handlungen im Sinne der §§ 52, 53 StGB ist nach ständiger Rechtsprechung aber der jeweilige Tatbeitrag entscheidend (BGH NJW 1995, 2933, 2934; StV 2000, 196). Das hat das Landgericht auch beachtet; denn es begründet seine Rechtsauffassung damit, „der Tatbeitrag beider Angeklagten (habe) in der Etablierung und Leitung des betrügerischen Geschäftsbetriebes (bestanden), in dessen Rahmen sie die Täuschung der Geschädigten jeweils von ihren Angestellten regelhaft ausführen ließen, denen sie entsprechende, generelle Weisungen erteilt hatten”. Demgegenüber hat das Landgericht allerdings – worauf die Beschwerdeführerin verweist – festgestellt, „die Telefonanrufe der Interessenten (habe) in den ersten zwei Wochen des Geschäftsbetriebs neben der Angeklagten P. auch der Angeklagte G. selbst entgegen(genommen), danach zunächst nur die Angeklagte P.”. Doch ergibt sich daraus noch nichts, was die Beurteilung der Konkurrenzfrage durch das Landgericht im Ergebnis in Zweifel zieht. Denn in der bloßen Entgegennahme der Telefonanrufe der Interessenten kann für sich allein noch nicht der Beginn der Ausführungshandlung des Betruges gesehen werden, zumal nicht festgestellt ist, daß einer der beiden Angeklagten die Anrufer hierbei schon getäuscht hat. Den anschließenden Schriftverkehr, durch den die Täuschung bewirkt wurde, erledigten jedoch nicht die Angeklagten, sondern ihre Angestellten nach den von ihnen erteilten Arbeitsanweisungen. Hiermit in Übereinstimmung steht deshalb auch die Feststellung im Rahmen der rechtlichen Würdigung, die Angeklagten hätten „die Täuschung der einzelnen Geschädigten jeweils nicht in eigener Person” vorgenommen. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hätten nur mit der Verfahrensbeschwerde angegriffen werden können. Eine Formalrüge hat die Beschwerdeführerin aber nicht erhoben.
Unterschriften
Meyer-Goßner, Maatz, Kuckein, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 614755 |
wistra 2001, 386 |
NJ 2001, 604 |