Entscheidungsstichwort (Thema)
Auf das Ableben befristeter Grundstücksübergabevertrag. Bedingte Rückauflassungsvormerkung
Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch des Übergebers aus einem, auf den Tod des Übernehmers befristeten Grundstücksübergabevertrag ist vormerkbar; dies gilt nicht, wenn der Anspruch unter der Bedingung steht, daß das Grundstück sich beim Tode des Übernehmers noch in dessen Vermögen befindet.
Normenkette
BGB §§ 883, 2301
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG (Urteil vom 01.06.2001) |
LG Flensburg |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 1. Juni 2001 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte war Alleineigentümerin einer im Wohnungsgrundbuch von W. eingetragenen Doppelhaushälfte. Mit notariellem Überlassungsvertrag vom 21. Oktober 1995 übertrug sie einen Miteigentumsanteil von einem Drittel an dem Wohnungseigentum an die (frühere) Widerbeklagte und ließ ihn an diese auf. Als Gegenleistung war ein Überlassungspreis von 250.000 DM zu entrichten. Im Anschluß an die Auflassung ist beurkundet:
„Die Parteien sind sich darüber einig, daß der übertragene 1/3-Miteigentumsanteil von der Übernehmerin (scil.: Widerbeklagte) auf die Überlasserin oder deren Erben rückübertragen wird für den Fall des Ablebens der Übernehmerin. Die Parteien bewilligen und beantragen schon jetzt die Eintragung einer Rückauflassungsvormerkung im Wohnungsgrundbuch von W. …. Für die Durchführung der Rückauflassung soll die Vorlage der Sterbeurkunde der Übernehmerin genügen.”
Anschließend ließen die Vertragsparteien von demselben Notar einen „Erbvertrag und Nutzungsvertrag” beurkunden. Er enthält folgendes:
„Die Parteien vereinbaren im Wege des Erbvertrages, daß mit Ableben der Erschienenen zu 2 (scil.: Widerbeklagte) ihr 1/3-Miteigentumsanteil auf die Erschienene zu 1 (scil.: Beklagte) oder deren Erben rückübertragen wird, die Erschienene zu 1 insoweit also Erbin dieses 1/3-Miteigentums wird.”
Bei Abschluß der Verträge war die Beklagte 60, die Widerbeklagte 70 Jahre alt. Am 15. Januar 1996 wurde „zur Sicherung des bedingten Anspruchs auf Eigentumsübertragung … gemäß Bewilligung vom 21.10.1995” zugunsten der Beklagten eine Vormerkung in das Wohnungsgrundbuch eingetragen. Am 20. November 1998 schloß die Widerbeklagte mit dem Kläger einen Überlassungsvertrag über den erworbenen Miteigentumsanteil gegen Zahlung von 100.000 DM. Für den Kläger wurde eine „Eigentumsübertragungsvormerkung” in das Wohnungsgrundbuch eingetragen.
Der Kläger hat von der Beklagten die Zustimmung zur Löschung der zu ihren Gunsten eingetragenen Vormerkung verlangt. Diese hat widerklagend den Kläger auf Zustimmung zur Löschung der für ihn eingetragenen Vormerkung und die Widerbeklagte auf die Feststellung in Anspruch genommen, daß sie nicht berechtigt ist, über den Miteigentumsanteil zu verfügen. Das Landgericht hat Klage und Widerklage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.
Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht verneint einen Grundbuchberichtigungsanspruch (§ 894 BGB) des Klägers. Der Überlassungsvertrag enthalte eine stillschweigend getroffene, schuldrechtliche Verpflichtung zur Rückübertragung des Miteigentumsanteils im Falle des Ablebens der Widerbeklagten. Sollte der Notar eine bedingte oder befristete Rückauflassung auf die Beklagte beurkundet haben, sei sie in eine solche Verpflichtung umzudeuten. Sie sei vormerkungsfähig. Dies hält den Angriffen der Revision stand.
II.
1. Zutreffend und unter den Parteien auch nicht umstritten ist der Ausgangspunkt des Berufungsurteils, wonach Rechtsgeschäfte unter Lebenden auf den Todesfall künftige oder bedingte Ansprüche begründen können, die nach § 883 Abs. 1 Satz 2 BGB vormerkungsfähig sind, letztwillige Verfügungen dagegen nicht. Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch das Ergebnis seiner Vertragsauslegung, wonach der zugunsten der Beklagten eingetragenen Auflassungsvormerkung ein Rechtsgeschäft unter Lebenden zugrunde liegt (§§ 133, 157 BGB).
a) Nach dem Text des Überlassungsvertrags kann es allerdings bereits zweifelhaft sein, ob die unmittelbar an die Auflassung des Miteigentumsanteils an die Widerbeklagte anschließende Bestimmung über dessen Rückübertragung überhaupt eine Verpflichtung zum Gegenstand hat. Der Notar, der im Erbvertrag die Beklagte als Erbin des ihr zugedachten Einzelgegenstandes, des Miteigentumsanteils, bezeichnet, hat im Überlassungsvertrag die gesetzliche Bezeichnung für das dingliche Geschäft, Einigung (§ 873 BGB), in verbaler Form gebraucht; nach dem weiteren Urkundstext ist er möglicherweise davon ausgegangen, der Vollzug der Erklärung im Grundbuch könne nach dem Tode der Widerbeklagten berichtigend durch Vorlage einer öffentlichen Urkunde (Sterbeurkunde) herbeigeführt werden. Dem Berufungsgericht war es indessen nicht verwehrt, in einer nach § 925 Abs. 2 BGB unwirksamen Auflassung auf den Todesfall zugleich den Ausdruck des ihr zugrundeliegenden Verpflichtungsgeschäfts zu erblicken oder das unwirksame Geschäft in eine solche Verpflichtung umzudeuten (§ 140 BGB). Der Verpflichtungswille kommt in der Urkunde jedenfalls andeutungsweise zum Ausdruck, so daß die Wirksamkeit der Verpflichtung keinen Bedenken unter dem Gesichtspunkt des § 313 Satz 1 BGB unterliegt (Senat, BGHZ 87, 150, 154).
b) Die Regelung im Überlassungsvertrag ist auch nicht wegen inhaltlicher Identität mit dem im Erbvertrag zugunsten der Beklagten angeordneten Vermächtnis (§ 2087 Abs. 2 BGB) gleichzusetzen. Zwar ist das in beiden Verträgen angestrebte Ergebnis insoweit übereinstimmend, als mit dem Tode der Widerbeklagten die Beklagte oder deren Erben befugt sein sollen, die Rückübertragung des Miteigentums zu verlangen. Die hierzu rechtlich möglichen Wege sind indessen verschieden. Der Vertrag unter Lebenden auf den Todesfall begründet eine wirksame, allerdings auf den Tod des Verpflichteten befristete Pflicht zur Rückübertragung, die der Erbe als eine vom Erblasser herrührende Schuld (§ 1967 Abs. 2, 1. Alt. BGB) zu erfüllen hat. Das Vermächtnis begründet, auch wenn es seine Grundlage in einem Erbvertrag hat, keine Verpflichtung des (künftigen) Erblassers gegenüber dem Beschenkten, sich einer Verfügung über den vermachten Gegenstand zu enthalten (§ 2286 BGB); die Verpflichtung zur Übereignung entsteht zum Zeitpunkt des Erbfalls in der Person des Erben (§§ 2174, 2176, 1967 Abs. 2, 2. Alt. BGB). Das Berufungsgericht konnte mithin der in dem Überlassungsvertrag enthaltenen Regelung gegenüber dem Erbvertrag eine eigenständige Bedeutung zumessen.
c) Die Rüge der Revision, dem Berufungsgericht seien gleichwohl Auslegungsfehler unterlaufen, greift nicht durch. Das Berufungsgericht hat es nicht unterlassen, die beiden Verträge, was die Revision zu Recht fordert, in ihrem Zusammenhang zu betrachten. Es hat nur, soweit es die Würdigung der tatsächlichen Auslegungsgrundlagen angeht (§ 286 ZPO), andere tatsächliche Schlüsse gezogen, als die Revision für angezeigt hält, und die gesetzlichen Auslegungsregeln (§ 133 BGB) anders, jedoch fehlerfrei angewandt. Entgegen der Auffassung der Revision ist es nicht von einer Vermutung ausgegangen, die Partner eines Erbvertrages ergänzten diesen, um dem Bedachten eine vormerkungsfähige Position zu verschaffen, regelmäßig um eine schuldrechtliche Abrede (z.B. ein schuldrechtliches Verfügungsverbot, § 137 Satz 2 BGB, mit Rückauflassungsanspruch im Falle der Zuwiderhandlung). Das Berufungsgericht hat vielmehr, was möglich und sogar naheliegend war, in der Bestimmung des Überlassungsvertrags eine eigenständige, gegenüber dem Erbvertrag gleichrangige Regelung gesehen. Die unzulängliche textliche Fassung der Rückübertragungsverpflichtung hinderte es nicht, nach Sinn und Zweck des Beurkundeten auf eine solche zu schließen. Die Frage nach der gegenüber der Verpflichtung unter Lebenden auf den Todesfall verbleibenden Funktion des zusätzlichen Vermächtnisses konnte es, wie geschehen, angesichts der zutage getretenen Grenzen der fachlichen Möglichkeiten des Notars, zurückstellen. Zu Unrecht rügt die Revision auch das Übergehen eines Beweisantritts. Ungeachtet der Frage der Beweislast hat die Beklagte die Widerbeklagte nicht zum Beweis dafür benannt, daß diese eine schuldrechtliche Rückübertragungspflicht nicht habe begründen wollen und dies auch zum Ausdruck gebracht habe. Davon, daß sie die Beklagte letztwillig bedenken wollte, geht auch das Berufungsgericht aus. Wegen der weiteren Verfahrensrügen macht der Senat von der Möglichkeit des § 565a ZPO a.F. (§ 564 ZPO) Gebrauch.
2. Rechtsfehlerfrei verneint das Berufungsgericht auch ein Schenkungsversprechen von Todes wegen, auf das nach § 2301 Abs. 1 Satz 1 BGB die Vorschriften über Verfügungen von Todes wegen Anwendung finden. Die Vorschrift erfaßt nur einen Teil der Rechtsgeschäfte unter Lebenden auf den Todesfall, nämlich nur solche, die unter der Bedingung geschlossen werden, daß der Beschenkte den Schenker überlebt. Sollte die Verpflichtung der Widerbeklagten zur Rückauflassung als Schenkung zu werten sein, so enthielte sie, wovon das Berufungsgericht zu Recht ausgeht, doch keine solche Bedingung. Die – allerdings auf den Tod der Widerbeklagten befristete – Rückübertragungspflicht besteht unabhängig davon, ob die Beklagte zu diesem Zeitpunkt noch lebt. Ist sie vorverstorben, sind ihre Erben nach § 1922 BGB berechtigt, die Eigentumsübertragung zu fordern. In diesem Punkte läßt die Urkunde keinen Zweifel. Daß auch in dem Erbvertrag eine Rückübertragung auf die Erben der Beklagten vorgesehen ist, steht dem nicht entgegen. Hierbei handelt es sich um eine Bestellung von Ersatzvermächtnisnehmern nach § 2190 BGB.
3. Die Rückübertragungsverpflichtung wäre allerdings, obwohl unter Lebenden begründet, nicht vormerkungsfähig, wenn sie unter der Bedingung stünde, daß sich der Miteigentumsanteil beim Tode der Widerbeklagten noch in deren Vermögen befindet. In diesem Falle würde die Verpflichtung keine weitergehende Bindung der Widerbeklagten bewirken als das zusätzlich beurkundete Vermächtnis. Die Widerbeklagte hätte in diesem Falle, wie ein Erblasser gegenüber dem Bedachten, keine Verpflichtung auf sich genommen, von einer anderweiten Verfügung über das Eigentum unter Lebenden abzusehen. Rechtsfehlerfrei gelangt das Berufungsgericht indes zu dem Ergebnis, daß die Rechtsstellung der Beklagten aus dem Überlassungsvertrag einer solchen Beschränkung nicht unterliegt. Es mißt dem Überlassungsvertrag eine obligatorische Bindung unter Lebenden bei, die der Widerbeklagten die Verfügung über den Gegenstand „praktisch” verbietet. Der Umstand, daß es der Widerbeklagten nicht nur „praktisch”, sondern, gegenüber der Beklagten, auch vertraglich verboten ist, von ihrer weiterbestehenden Verfügungsbefugnis als Eigentümerin gegenüber Dritten Gebrauch zu machen, ändert an der Sache nichts. Gerade für solche Fälle ist die Vormerkung geschaffen (§ 883 Abs. 2 BGB).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Wenzel, Tropf, Klein, Lemke, Gaier
Fundstellen
Haufe-Index 781771 |
DB 2002, 2433 |
NJW 2002, 2874 |
BGHR 2002, 911 |
BGHR |
DNotI-Report 2002, 140 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2003, 153 |
ZAP 2002, 1101 |
ZEV 2002, 512 |
ZfIR 2002, 725 |
DNotZ 2002, 793 |
JuS 2002, 1229 |
MDR 2002, 1185 |
Rpfleger 2002, 561 |
ZNotP 2002, 395 |