Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausscheiden eines Gesellschafters aus BGB-Gesellschaft. Auseinandersetzungsbilanz. Organschaftliche Vertretung der Gesellschaft durch alle Gesellschafter mit Geschäftsführungsbefugnis. Gesellschaftsvertrag. Vertretungsmangel vor Gericht. Heilung durch Eintritt in den Prozess und Genehmigung der Prozessführung des vollmachtlosen Vertreters
Leitsatz (amtlich)
a) Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts wird gerichtlich durch alle Gesellschafter vertreten, denen die Geschäftsführungsbefugnis zusteht, soweit der Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Regelungen enthält.
b) Die Gesellschafter können einen Vertretungsmangel durch Eintritt in den Prozess als gesetzliche Vertreter und Genehmigung der bisherigen Prozessführung heilen.
Normenkette
ZPO § 51; BGB § 714
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 08.01.2009; Aktenzeichen 51 S 128/08) |
AG Berlin-Charlottenburg (Entscheidung vom 05.05.2008; Aktenzeichen 212 C 113/07) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 51 des LG Berlin vom 8.1.2009 wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Beklagten waren Gesellschafter der Klägerin, eines geschlossenen Immobilienfonds in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, und kündigten den Gesellschaftsvertrag zum 31.12.2000. Nach dem Gesellschaftsvertrag wird bei Ausscheiden eines Gesellschafters die Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern fortgeführt. Zur Auseinandersetzung bestimmt § 17 des Gesellschaftsvertrages u.a.:
"1. Der Geschäftsbesorger hat bei Ausscheiden eines Gesellschafters eine Auseinandersetzungsbilanz aufzustellen, in der sämtliche Wirtschaftsgüter unter Auflösung stiller Reserven mit ihrem Verkehrswert einzustellen sind. Etwaige immaterielle Werte bleiben außer Betracht. ... 4. Die Auseinandersetzungsbilanz der Gesellschaft wird mit Ablauf von zwei Monaten seit Absendung an den ausscheidenden Gesellschafter verbindlich, es sei denn, der Gesellschafter verlangt binnen der Zweimonatsfrist die Einleitung des unter Abs. 3 vorgeschriebenen Verfahrens mittels eines an den Geschäftsbesorger gerichteten Briefes. 5. Das Auseinandersetzungsguthaben ist in fünf gleichen Jahresraten auszuzahlen. Die erste Rate ist zwölf Monate nach dem Ausscheiden fällig. ... 7. Bei negativem Abfindungsanspruch ist der ausscheidende Gesellschafter verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach seinem Ausscheiden den erforderlichen Betrag einzuzahlen. Erst mit erfolgter Zahlung wird der Gesellschafter von den Verbindlichkeiten freigestellt. ..."
Rz. 2
Mit Schreiben vom 27.12.2002 übersandte die Klägerin den Beklagten und anderen ausgeschiedenen Mitgliedern eine Auseinandersetzungsbilanz. Unter dem 21.7.2003 erstellte die Klägerin eine überarbeitete Auseinandersetzungsbilanz, die einen negativen anteiligen Verlust zum Zeitpunkt des Ausscheidens i.H.v. 7.566,46 EUR ergab. Diese Auseinandersetzungsbilanz wurde mit Schreiben vom 25.7.2003 den Beklagten übersandt. Ein ebenfalls ausgeschiedener Gesellschafter legte gegen die Auseinandersetzungsbilanz Widerspruch ein, den er am 6.1.2004 begründete und zusätzlich vermerkte, dass sich auch die Beklagten dem Widerspruch anschließen.
Rz. 3
Am 20.9.2004 beantragte die Klägerin, vertreten durch die Gesellschafterin J. B., für einen Teilbetrag i.H.v. 1.892,09 EUR aus der Auseinandersetzungsbilanz den Erlass eines Mahnbescheids, der den Beklagten am 2.10.2004 zugestellt wurde. Nach § 8 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags obliegt die Führung der Geschäfte den Gesellschaftern gemeinschaftlich. Das Mahngericht forderte nach Eingang ihres Widerspruchs die Klägerin am 14.10.2004 zur Einzahlung der weiteren Gerichtskosten auf. Die Klägerin zahlte diese am 4.1.2007 ein.
Rz. 4
Das AG hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten wegen Verjährung abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision hat im Ergebnis keinen Erfolg. Die Klage ist bereits als unzulässig abzuweisen, weil die Klägerin nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten ist (§ 547 Nr. 4 ZPO).
Rz. 6
1. Die Klägerin muss organschaftlich von allen ihren Gesellschaftern vertreten werden. Gemäß § 51 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 714 BGB wird eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch die Gesellschafter gerichtlich und außergerichtlich vertreten, denen die Geschäftsführungsbefugnis zusteht, soweit der Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Regelungen enthält (vgl. BGH, Urt. v. 14.2.2005 - II ZR 11/03, ZIP 2005, 524, 525). Nach § 8 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin obliegt die Führung der Geschäfte den Gesellschaftern gemeinschaftlich, so dass sie die Gesellschaft als Gesamtvertreter vertreten. Die Klägerin ist im Verfahren nicht von allen Gesellschaftern, sondern nur von der Gesellschafterin J. B. vertreten. Auf dem Mahnbescheidsantrag, dessen Vertreterbezeichnung alle folgenden gerichtlichen Entscheidungen übernommen haben, hat die Klägerin sie als einzige organschaftliche Vertreterin der Gesellschaft aufgeführt. Sie ist weder ausdrücklich noch konkludent mit der alleinigen Vertretung der Gesellschaft beauftragt worden.
Rz. 7
2. Das Rubrum ist nicht, wie die Klägerin beantragt, dahin zu berichtigen, dass sie durch alle Gesellschafter vertreten wird. Die Angabe des Vertreters kann berichtigt werden, wenn er irrtümlich falsch bezeichnet ist (BGH, Urt. v. 16.2.2009 - II ZR 282/07, ZIP 2009, 717 Rz. 10). Dafür, dass J. B. irrtümlich aufgeführt wurde und alle Gesellschafter als gesetzliche Vertreter bezeichnet werden sollten, bestehen keine Anhaltspunkte. Die Benennung von J. B. als gesetzlicher Vertreterin beruht auf den Angaben im Mahnbescheidsantrag. Die Klägerin hat ihren Berichtigungsantrag nicht begründet.
Rz. 8
3. Der in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu berücksichtigende Vertretungsmangel wurde nicht geheilt. Eine Heilung ist dadurch möglich, dass die gesetzlichen Vertreter der Klägerin als solche in den Prozess eintreten und die Prozessführung des vollmachtlosen Vertreters genehmigen (BGH, Urt. v. 16.2.2009 - II ZR 282/07, ZIP 2009, 717 Rz. 10; v. 21.6.1999 - II ZR 27/98, ZIP 1999, 1669, 1670; v. 8.9.1997 - II ZR 55/96, WM 1998, 308, 309). Die Gesellschafter sind - trotz des Hinweises des Senats auf den Vertretungsmangel in der Terminsbestimmung - nicht in den Prozess eingetreten und haben die Prozessführung ihrer Gesellschafterin nicht genehmigt. Die Erklärung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, er erkläre in Vollmacht der Gesellschafter, dass sämtliche Gesellschafter der Klägerin die Prozessführung genehmigen und als gesetzliche Vertreter in den Prozess eintreten, führt nicht zu ihrem Eintritt oder zur Genehmigung der Prozessführung. Er hat seine - bestrittene - Vollmacht, für die Gesellschafter Erklärungen abgeben zu können, nicht nachgewiesen. Die Prozessvollmacht, die die vollmachtlose Vertreterin der Gesellschaft oder die Geschäftsbesorgerin, die keine geschäftsführungsberechtigte Gesellschafterin ist, erteilt hat, umfasst Erklärungen der Gesellschafter nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 2377084 |
BB 2010, 2121 |
DB 2010, 1873 |
DStR 2010, 2044 |
WPg 2010, 996 |
NJW 2010, 2886 |
NWB 2010, 2768 |
EBE/BGH 2010 |
NZG 2010, 1021 |
NZM 2010, 719 |
WM 2010, 1654 |
ZIP 2010, 1639 |
DZWir 2010, 511 |
JuS 2011, 73 |
MDR 2010, 1269 |
GuT 2010, 371 |
NJW-Spezial 2010, 720 |
NWB direkt 2010, 916 |
RÜ 2010, 631 |
StX 2010, 622 |
ZBB 2010, 432 |
Mitt. 2010, 493 |