Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 10.05.1988) |
LG München II (Urteil vom 05.08.1987) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 10. Mai 1988 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.
Die Berufung der Kläger gegen das Endurteil des Landgerichts München II vom 5. August 1987 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Tatbestand
Die Kläger verlangen als Testamentsvollstrecker über den Nachlaß des am 3. Januar 1984 verstorbenen Kaufmanns W. F. (Erblasser) die Erstattung von Beträgen, über welche die Beklagte im Jahre 1983 zu Lasten des Erblassers verfügt hat.
Die Beklagte lebte mehrere Jahre mit dem außergewöhnlich vermögenden Erblasser bis zu dessen Tode zusammen. Als der Erblasser 1982 erkrankte, bestellte er die Beklagte mit notarieller Urkunde vom 1. November 1982 zu seiner „Generalbevollmächtigten” für seinen „gesamten privaten Lebensbereich”. In der Vollmachtsurkunde heißt es u.a.:
Die Vollmacht umfaßt auch die Aufgaben und gesellschaftlichen Verpflichtungen meiner privaten Repräsentation, insbesondere in Verbindung mit und/oder über meinen geschäftlichen Bereich hinaus, so daß insoweit die Wahrnehmung durch Frau P. vorrangig ist. Zu dieser Art Repräsentation gehören alle meine freiwilligen Zuwendungen, Spenden, Beiträge und gelegentlichen Aufmerksamkeiten, mögen sie anhand früherer Aufzeichnungen, Listen und Belege erfaßt sein oder sich durch neue Gegebenheiten und veränderte Umstände ergeben. …
Die Vollmacht dient nach außen gegenüber jedwedem Dritten zur Legitimation der Bevollmächtigten, daß sie in meinem Namen und für meine Rechnung handelt und zu dieser Handlungsweise berechtigt ist. Die Bevollmächtigte ist außer mir höchstpersönlich niemand gegenüber Rechenschaft schuldig, und zwar gilt dies für ihre Handlungen in meinem Namen und meinem Auftrag, für ihre eigenen, freiwilligen Leistungen und meine eigenen Aufwendungen, Zuwendungen, Geschenke, Aufmerksamkeiten – gleich welcher Größenordnung, für die Vergangenheit und für die Zukunft.
Ich bestätige dies als meinen ausdrücklichen Willen, der nach meinem Ableben von meinen Erben und den Testamentsvollstreckern zu respektieren ist.
In der Zeit vom 23. Februar 1983 bis 15. Dezember 1983 verfügte die Beklagte in Höhe von 1.228.581,98 DM durch Schecks über Bankguthaben des Erblassers, für die sie besondere Bankvollmachten besaß.
Die Kläger haben die Rückzahlung dieses Betrages verlangt, da – wie sie meinen – die Verfügungen der Beklagten durch den in der Vollmachtsurkunde vom 1. November 1982 erteilten Auftrag nicht gedeckt seien.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Beklagte durch den Erblasser umfassend bevollmächtigt gewesen und den Klägern gegenüber nicht zur Rechenschaft verpflichtet sei. Das Berufungsgericht hat der Klage in Höhe von 540.440 DM stattgegeben.
Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
I.
1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, den Klägern stünden Herausgabeansprüche gegen die Beklagte zu, soweit diese ausschließlich zu ihren eigenen Gunsten Verfügungen getroffen hat. Es hat dazu u.a. ausgeführt:
Auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Erblasser und der Beklagten sei Auftragsrecht anzuwenden, weil sich die Beklagte zur selbständigen Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen verpflichtet habe. Bei den hier zu beurteilenden Verfügungen in Höhe von insgesamt 540.440 DM handele es sich jedoch um Schenkungen, welche im Auftragsvertrag keine Grundlage fänden. Zwar sei die Beklagte berechtigt gewesen, Schenkungen des Auftraggebers an sie zu erfüllen. Darum gehe es aber nicht, weil der Auftragsvertrag, so wie er in der Urkunde vom 1. November 1982 Ausdruck finde, keine Schenkungen ausspreche. Ihre Behauptung, das Geld sei ihr vom Erblasser geschenkt worden, habe die Beklagte nicht unter Beweis gestellt.
2. Das angefochtene Urteil hält, soweit der Klage stattgegeben worden ist, den Revisionsangriffen nicht stand. Es wird den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB nicht gerecht; denn das Berufungsgericht hat nicht hinlänglich beachtet, was der Erblasser und die Beklagte hinsichtlich der Rechenschaftspflicht der Beklagten gegenüber den Erben des Erblassers über die von ihr getroffenen Verfügungen erkennbar geregelt haben. Dadurch ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, die Beklagte müsse beweisen, daß der Erblasser ihr die hier streitigen Beträge schenkungsweise zugewendet hat. Das ist rechtsfehlerhaft.
Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß zwischen dem Erblasser und der Beklagten ein Auftragsverhältnis bestand. Daraus folgt, daß die Beklagte dem Erblasser als Auftraggeber Rechenschaft schuldig war (§ 666 BGB), wie in der Urkunde vom 1. November 1982 ausdrücklich hervorgehoben wurde, und im Streitfall den Verbleib oder den ordnungsgemäßen Verbrauch zu beweisen und sich gegebenenfalls zu entlasten hatte (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1986 – IV a ZR 79/85, WM 1987, 79, 80 m.w.Nachw.; Steffen in BGB-RGRK 12. Aufl. § 667 Rdn. 31). Dieser dem Erblasser zustehende Anspruch ist jedoch im vorliegenden Fall nicht nach § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben übergegangen und unterliegt deshalb nicht der Verwaltung der klagenden Testamentsvollstrecker. Das ergibt sich aus folgendem:
Wie das Auftragsverhältnis zwischen dem Erblasser und der Beklagten im einzelnen ausgestaltet war, steht zwar nicht fest, auch wenn die für das Außenverhältnis zwischen bevollmächtigter Beklagten und Dritten maßgebliche notarielle Generalvollmacht vom 1. November 1982 hierfür wesentliche Anhaltspunkte bietet. Diese Frage bedarf indessen keiner abschließenden Klärung. Entscheidend ist, daß nach dem Willen des Erblassers, wie er in der Vollmachtsurkunde seinen deutlichen Ausdruck gefunden hat, die Rechenschaftspflichten der Beklagten hinsichtlich sämtlicher Verfügungen, zu denen sie nach den vom Erblasser erteilten Vollmachten befugt war, ausschließlich gegenüber dem Erblasser persönlich bestehen sollten. Die Beklagte sollte als dessen Lebensgefährtin von der Verpflichtung befreit sein, von ihr getroffene Verfügungen den Erben oder den Testamentsvollstreckern gegenüber näher darlegen und rechtfertigen zu müssen, und zwar unabhängig davon, ob die Beklagte namens und im Auftrag des Erblassers handelte oder eigene freiwillige Leistungen erbrachte. Die ausdrückliche Anordnung des Erblassers, daß dies nach seinem Ableben von den Erben und den Testamentsvollstreckern zu respektieren sei, bringt seinen Willen zum Ausdruck, daß sämtliche Beanstandungen hinsichtlich der von der Beklagten getroffenen Verfügungen seinen Rechtsnachfolgern entzogen sein sollten. Das bedeutet rechtlich, daß der Erblasser im Einverständnis mit der Beklagten die ihm zustehenden Rechte nach § 666, 667 BGB auf seine Person beschränkt hatte, sie bei seinem Tode erloschen und aus dem der Vererbung unterliegenden Vermögen ausschieden (vgl. Kregel in BGB-RGRK 12. Aufl. § 1922 Rdn. 11; MünchKomm/Leipold, BGB 2. Aufl. § 1922 Rdn. 20; Staudinger/Marotzke, BGB 12. Aufl. § 1922 Rdn. 302; Lange/Kuchinke, Lehrbuch des Erbrechts 3. Aufl. S. 76).
Damit scheiden Ansprüche der Erben gegen die Beklagte auf Rückgewähr der empfangenen Gelder aus, ohne daß es einer Entscheidung darüber bedarf, ob die Beklagte völlig freie Hand hatte und ob und in welchem Rahmen sie sich selbst beschenken durfte.
3. Für Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB), an deren Geltendmachung die Kläger nicht gehindert wären, für deren Voraussetzungen sie aber die Beweislast tragen (vgl. BGHZ 100, 190, 195), haben die Kläger keinen Beweis angetreten.
II.
Die Ansprüche der Kläger erweisen sich damit als unbegründet. Das Berufungsurteil mußte daher, soweit es zum Nachteil der Beklagten entschieden hat, aufgehoben werden. Da es weiterer tatsächlicher Feststellungen nicht bedurfte, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
Unterschriften
Schimansky, Dr. v. Ungern-Sternberg, Dr. Schramm, Dr. Siol, Dr. Bungeroth
Fundstellen