Leitsatz (amtlich)

Ist ein in monatlichen Raten zu zahlender Pensionsanspruch mit einer kapitalisierten Vergleichsquote abgefunden worden, so kann der Berechtigte einen Bürgen für den im Vergleich ausgefallenen Rest in monatlichen Raten in Anspruch nehmen.

 

Normenkette

VerglO § 82 Abs. 2, § 34

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Urteil vom 24.03.1976)

LG Essen

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 24. März 1976 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der heute 78jährige Kläger war seit 1926 für die Firma We. AG (im folgenden: AG) tätig, und zwar seit 1930 als Vorstandsmitglied dieses Unternehmens. Er schied 1968 aus Altersgründen aus. Aufgrund von zwei Pensionsverträgen hat der Kläger nach Grund und Höhe unstreitige Pensionsansprüche gegen die AG.

Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin ihres Vaters, der Alleinaktionär der AG war. Dieser entschloß sich 1971, als die AG in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war, zum Zwecke der Liquidation das Vergleichsverfahren über das Vermögen der AG zu beantragen. Er berief in diesem Zusammenhang den Kläger erneut zum Vorstand der AG und schrieb ihm am 26. Oktober 1971 u.a.:

„Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Sie Ihre Pensionsforderungen in voller Höhe zum Vergleich anmelden müssen. Das hat nichts mit unserem Abkommen zu tun, das ich erfüllen werde und das ja auch voll gültig ist, da es vor Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens getroffen wurde.

Ich erhalte über Sie aus der Masse dasjenige von Ihrer Forderung zurück, was nach der Vergleichssumme, die an Sie ausgeschüttet wird, überbezahlt wird.

Ich bitte, mir den Empfang dieses Briefes zu bestätigen. Anderenfalls wäre ich genötigt, die Pensionszahlung an Sie selbstverständlich zum Vergleich anzumelden, was Ihnen wohl nicht angenehm sein würde.”

Am 16. November 1971 verbürgte sich der Vater der Beklaten in notarieller Urkunde dem Kläger für alle Verpflichtungen aus den Pensionsverträgen bis zum Höchstbetrage von 500.000 sfrs.

Die vom Kläger im Vergleichsverfahren der AG angemeldeten Pensionsansprüche wurden kapitalisiert und mit der Vergleichsquote von 35 % in Höhe von 161.662,20 DM ausbezahlt. Das ihm daraus nach Abzug der Einkommensteuer verbleibende Kapital zahlte der Kläger bei einer privaten Rentenversicherung ein, aus der er derzeit eine Rente bezieht, die unstreitig nicht 35 % seiner Pensionsansprüche abdeckt.

Noch vor Auszahlung der Vergleichsquote unterrichtete der Kläger den Vater der Beklagten am 8. Dezember 1972 davon, daß er noch bis März 1973 seine Pension von der AG erhalte. Er teilte ihm gleichzeitig mit, in welcher Höhe er im Vergleich abgefunden werde, welche Einkommensteuer dafür anfallen werde und wie hoch seine Rente bei Anlegung des ihm verbleibenden Kapitals in einer privaten Versichert sein werde. Er bat, dafür Sorge zu tragen, daß er weiterhin die volle Pension zur Verfügung habe. Darauf antwortete ihm der Vater der Beklagten am 15. Dezember 1972:

„Selbstverständlich stehe ich für die Pension von Ihnen und Ihrer Frau gerade, aber erst, wenn Ihre Aufgabe bei We. AG restlos erfüllt ist. Ich habe nicht die Absicht, den Betrag zu kapitalisieren, sondern zahle ihn Ihnen in Raten. Im übrigen möchte ich Sie noch einmal darauf aufmerksam machen, daß Ihre Ansprüche im Hinblick auf Pension notariell auf Ihren Wunsch von mir abgesichert sind. Damit dürfte sich Jede weitere Diskussion über dieses Thema erübrigen.”

Der Liquidationsvergleich der AG wurde unter Mitwirkung des Klägers abgewickelt.

Am 15. Mai 1973 wiederholte ein Beauftragter des Vaters der Beklagten gegenüber dem Kläger, daß dieser nicht bereit sei, den von der Vergleichsquote nicht gedeckten Teil der Pensionsansprüche ebenfalls zu kapitalisieren und in einer Summe auszuzahlen, sondern daß er „den vom Vergleich nicht gedeckten Teil der Pension jeweils in monatlichen Beträgen bezahlen” wolle.

Der Kläger hält sich in Höhe von 35 % seiner Pensionsansprüche durch den Vergleich für abgefunden. Er verlangt für die übrigen 65 % seiner Pension monatliche Raten von der Beklagten aufgrund der Bürgschaft ihres Vaters.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Berufung hiergegen ist erfolglos geblieben.

Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. 1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß der Kläger durch die Vergleichsquote für 35 % seiner Pensionsansprüche für die Zukunft abgefunden ist, daß aber wegen der restlichen 65 % seiner Pensionsansprüche seine Rechte aus der Bürgschaft durch den Vergleich nicht berührt worden sind (§ 82 Abs. 2 VerglO). Es meint, ebensowenig wie der Bürge durch die Umwandlung des Pensionsanspruchs in einen sofort fälligen Kapitalanspruch infolge des Vergleichs belastet werden könne, erwüchsen ihm hieraus Rechte. Der Bürge hafte vielmehr weiterhin für den erlassenen Teil jeder fälligen monatlichen Pensionsrate. Der Kläger müsse daher nicht zunächst das ganze ihm infolge des Vergleichs für 35 % seines Ansprüche ausbezahlte Kapital verbrauchen, während den Bürgen bin dahin keine Zahlungsverpflichtung treffe.

2. Schließlich sei den Schreiben des Bürgen vom 15. Dezember 1972 und vom 15. Mai 1973 die Übernahme einer über die Bürgschaft hinausgehenden Garantie für die Pension des Klägers zu entnehmen.

II. Die Revision meint, die Auszahlung der kapitalisierten Vergleichsquote an den Kläger komme wirtschaftlich einer Vorauszahlung auf dessen Pensionsansprüche durch die AG gleich; denn der Kläger habe vorübergehend weit mehr erhalten, als ihm ohne das Vergleichsverfahren zugestanden hätte. Es sei die Geschäftsgrundlage der Bürgschaft gewesen, daß der Kläger nicht gleichzeitig die Vergleichsquote behalte und Ergänzung seiner laufenden Pensionsansprüche verlangen könne.

III. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand.

1. Um im Falle des Konkurses wie des Vergleichs zu einer klaren Bestimmung und Abwicklung der Schuldenmasse kommen zu können, sieht das Gesetz vor (§ 69 KO, § 34 VerglO), daß Forderungen, deren Geldbetrag unbestimmt ist, nach ihrem für die Zeit der Verfahrenseröffnung zu schätzenden Wert Berücksichtigung finden (RGZ 170, 276, 280). Das besagt für den gerichtlich bestätigten Vergleich, daß der Forderungsberechtigte mit der Vergleichsquote in deren Höhe für seine Ansprüche endgültig abgefunden ist, ohne daß die Haftung des Bürgen für den im Vergleich erlassenen Teil berührt wird (§ 82 Abs. 2 Satz 1 VerglO; vgl. BGH Urteil vom 30. Oktober 1967 – VII ZR 31/65 – WM 1968, 39). Mit Recht geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Bürge durch die Kapitalisierung eines Teils eines Pensionsanspruchs im Vergleichsverfahren nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden darf, als er ohne diese Maßnahme stünde.

2. a) Mit der Kapitalisierung von 35 % seines Pensionsanspruchs nach versicherungsmathematischen Grundsätzen hat der Kläger hier ein Risiko übernehmen müssen, das den Bürgen nicht trifft. Überlebt der Kläger nämlich den für die Kapitalisierung zugrunde gelegten Zeitpunkt seiner Lebenserwartung, dann hat er kein Nachforderungsrecht für den kapitalisierten Teil der Pension, auch nicht gegen den Bürgen (§ 767 Abs. 1 Satz 1 BGB) mit der Folge, daß seine Abfindung für 35 % seiner Ansprüche unter diesen Prozentsatz absinkt. Die Auszahlung des Kapitalbetrags beinhaltet vielmehr, daß der Kläger in Höhe der Vergleichsquote endgültig mit seiner monatlich zu zahlenden Pension abgefunden ist, wobei seinem geschilderten Risiko Als Ausgleich gegenübersteht, daß er möglicherweise mehr als 35 % erhält, wenn die endgültige Laufzeit der Pensionszahlungen geringer war, als sie versicherungsmathematisch angenommen werden mußte. Es erscheint angemessen, daß der Bürge, der an dem Risiko des Klägers nicht teilnimmt, auch nicht an dem Risikoausgleich beteiligt wird, sondern für den von der Vergleichsquote nicht gedeckten monatlichen Teil des Pensionsanspruchs einzustehen hat.

b) Zu Unrecht beruft sich die Revision in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Amtsgerichts Hannover MDR 1968, 850 und die hierauf Bezug nehmende Anmerkung in Bley/Mohrbutter, VerglO 3. Aufl. § 34 Rdn. 4 und § 82 Rdn. 20. In dem vom AG Hannover entschiedenen Fall wurde dem Rentenberechtigten seine Rente in der vollen vertraglichen Höhe monatlich weiter ausbezahlt mit der Maßgabe, daß die Zahlungen nach Verbrauch der Vergleichsquote enden sollten. Ein bei vorzeitigem Ende der Pensionszahlungen nicht verbrauchter Teil der Quote wäre der Vergleichsmasse verblieben. In diesem Falle wurde dem Rentenberechtigten kein Risiko hinsichtlich der Höhe seiner monatlichen Rente, die immer gleichblieb, sondern nur hinsichtlich der Laufzeit aufgebürdet. Wäre in einem solchen Falle der Bürge verpflichtet, sofort für den im Vergleich erlassenen Teil des Rentenanspruchs einzutreten, dann bekäme der Anspruchsberechtigte tatsächlich einen seine monatlichen Pensionsraten erheblich übersteigenden Rentenbetrag und damit zu Lasten des Bürgen eine Kapitalabfindung, die dort bei der Abwicklung des Vergleichsverfahrens nicht gewollt war. Würde der Rentenbezug vor dem Verbrauch der Vergleichsquote durch Tod des Berechtigten enden, dann verbliebe der nicht verbrauchte Teil der Quote der Vergleichsmasse zu Lasten des Bürgen. Eine solche – hier nicht gegebene – Fallgestaltung mag, worüber in diesem Fall aber nicht zu befinden ist, die Beurteilung der Rechtslage durch das Amtsgericht Hannover rechtfertigen.

3. Hier ist der Kläger für 35 % seines monatlich zu zahlenden Pensionsanspruchs nach versicherungsmathematischen Grundsätzen unter Berücksichtigung der Abzinsung für die ganze Laufzeit abgefunden worden. Insoweit kann er Ansprüche nicht mehr erheben, ohne daß es darauf ankommt, in welcher Weise er das ihm ausbezahlte Kapital verwendet hat. Für den nicht abgefundenen Rest seines Pensionsanspruches in Höhe von 65 % hat die Beklagte als Rechtsnachfolgerin des Bürgen in monatlichen Raten gemäß § 82 Abs. 2 VerglO bis zum Höchstbetrag der Bürgschaft einzustehen. Insoweit besteht auch die verbürgte Hauptverbindlichkeit weiter (§ 767 Abs. 1 Satz 1 BGB; BGH Urt. vom 30. Oktober 1967 a.a.O.). Die Verurteilung der Beklagten in den Tatsacheninstanzen aufgrund der Bürgschaft ist daher zu Recht erfolgt.

4. Auf die Frage, ob hier auch ein Garantievertrag angenommen werden könnte, braucht nicht mehr eingegangen zu werden.

IV. Da die Revision erfolglos geblieben ist, hat die Beklagte auch die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

 

Unterschriften

Braxmaier, Hoffmann, Wolf, Merz, Dr. Brunotte

 

Fundstellen

Haufe-Index 1502286

BGHZ

BGHZ, 369

NJW 1978, 107

Nachschlagewerk BGH

JZ 1978, 196

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