Leitsatz (amtlich)
Der Anwendbarkeit des § 31 Nr. 1 BtMG steht nicht entgegen, daß der Aufklärungserfolg nicht im Inland, sondern in einem anderen Vertragsstaat des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) eingetreten ist.
Normenkette
BtMG 1981 § 31 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Urteil vom 12.03.2002) |
Tenor
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 12. März 2002 werden verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten dieser Rechtsmittel und die den Angeklagten durch sie entstandenen notwendigen Auslagen.
Tatbestand
Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten C. hat es wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verhängt. Außerdem wurde C. die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist für deren Neuerteilung von 18 Monaten festgesetzt.
Mit ihren Revisionen wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen die Strafaussprüche. Sie vertritt die Ansicht, beim Angeklagten A. habe die Strafkammer rechtsfehlerhaft eine Strafmilderung nach § 31 Nr. 1 BtMG, § 49 Abs. 2 StGB vorgenommen; die gegen den Angeklagten C. … verhängte Strafe sei unvertretbar milde.
Die wirksam auf die Strafaussprüche beschränkten Rechtsmittel, die der Generalbundesanwalt nicht vertritt, haben keinen Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen fuhr der Angeklagte A. am 18. Mai 2001 nach Rotterdam, erwarb dort von … Y. 2574 Gramm Heroingemisch (Wirkstoffanteil 997,62 Gramm) sowie von … L. 561 Gramm Kokaingemisch (Wirkstoffanteil 399 Gramm) zum gewinnbringenden Weiterverkauf im Raum Freiburg. Das Rauschgift wurde absprachegemäß per PKW zunächst über die niederländisch/deutsche Grenze gebracht und dann von den gesondert verfolgten B. und Be. übernommen. Diese wurden aufgrund der polizeilich durchgeführten Observationsmaßnahmen kurz vor Erreichen ihres Fahrtziels in Freiburg gestoppt. Das Rauschgift wurde sichergestellt.
Um den Verlust aus diesem gescheiterten Geschäft zu kompensieren, beabsichtigte A., erneut eine größere Menge Rauschgift zu besorgen. Da er selbst über kein eigenes Fahrzeug verfügte, bat er den Mitangeklagten C., ihn nach Rotterdam zu fahren, ohne diesem den Grund für die Fahrt näher mitzuteilen. Am 11. Juni 2001 trafen beide dort ein und bezogen ein Hotelzimmer. Während C. in der Nähe des Hotels zurückblieb, traf sich A. mit … Y. und … L.. Von ihnen erwarb er 957 Gramm Heroingemisch (344,23 Gramm Wirkstoffanteil) bzw. 98 Gramm Kokaingemisch (Wirkstoffanteil 75,27 Gramm). Anschließend kehrte er zu C. zurück, der kurz die Plastiktüte mit dem darin befindlichen Rauschgift in den Händen hielt, bevor A. diese im Kofferraum des PKW verstaute. Im Verlauf des Abends erhielt C. von A. ein Briefchen mit 0,5 Gramm Kokaingemisch zum Eigenverbrauch, das dieser zuvor von der Gesamtmenge abgezweigt hatte. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hielt C. es für möglich, daß sich in der Plastiktüte eine größere Menge Rauschgift befand. Ihm war klar, daß er die Betäubungsmittel in seinem PKW nach Freiburg bringen sollte, womit er sich abfand. Am nächsten Tag traten beide die Heimfahrt von Rotterdam nach Freiburg an. Kurz vor Erreichen ihres Fahrtziels wurden sie von den Ermittlungsbehörden, die das Geschehen observiert hatten, festgenommen.
Der Angeklagte A. war weitgehend geständig. Seine Angaben deckten sich im wesentlichen mit den Erkenntnissen, die die deutschen und niederländischen Ermittlungsbeamten aufgrund der durchgeführten Observations- und Telefonüberwachungsmaßnahmen gewonnen hatten. A. wurde zweimal im Wege der Rechtshilfe durch die niederländischen Ermittlungsbehörden befragt. Seine Angaben wurden im Rahmen der von der dortigen Staatsanwaltschaft gegen Y. und L. erhobenen Anklage als Beweismittel berücksichtigt.
Entscheidungsgründe
II.
Die von der Strafkammer vorgenommene Milderung der Strafe des Angeklagten A. nach § 31 Nr. 1 BtMG, § 49 Abs. 2 StGB begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Indem A. die Drogenlieferanten Y. und L. benannte, deckte er die Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus auf. Für die Anwendung des § 31 Nr. 1 BtMG reichte es aus, daß bei den Strafverfolgungsbehörden aufgrund der durchgeführten Observations- und Telefonüberwachungsmaßnahmen über Y. und L. bereits vorhandenes Wissen auf eine sicherere Grundlage gestellt und dadurch die Möglichkeit der Strafverfolgung verbessert wurde (BGH StV 2002, 254; StV 2000, 623; BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 18 und 27).
Entgegen der Ansicht der Revision steht Art. 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) der Annahme eines Aufklärungserfolges im Sinne von § 31 Nr. 1 BtMG nicht entgegen. Für die Anwendung des § 31 BtMG zugunsten des Angeklagten im hiesigen Verfahren ist ohne Bedeutung, daß die von ihm belasteten Y. und L. im Falle ihrer Verurteilung in den Niederlanden im Hinblick auf Art. 54 SDÜ wegen dieser Taten in Deutschland nicht mehr verfolgt werden könnten. Die Auffassung der Revision, für die Anwendung des § 31 Nr. 1 BtMG sei ein voraussichtlich erfolgreicher Abschluß des Strafverfahrens im Inland erforderlich, findet im Gesetz keine Stütze. Sie widerspricht einem wesentlichen Anliegen des Schengener Übereinkommens, das die Vertragsstaaten zur Zusammenarbeit gerade auch bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Rauschgiftkriminalität verpflichtet (vgl. Art. 40 Abs. 2 und 7; Art. 41 Abs. 4 und 7; Art. 70 ff. SDÜ). Die Bekämpfung des Rauschgifthandels ist ein internationales Anliegen (§ 6 Nr. 5 StGB). Das hat der Bundesgerichtshof wiederholt hervorgehoben und es deshalb als rechtsfehlerhaft angesehen, wenn durch Instanzgerichte strafmildernd berücksichtigt wurde, daß das Rauschgift „nicht für den deutschen Markt bestimmt” gewesen sei (vgl. BGH Urt. v. 31. Januar 1996 – 2 StR 643/95 –; BGHR BtMG § 30 Strafzumessung 1). Kriminalpolitisches Ziel des § 31 BtMG ist, über die Aufklärungshilfe von in Rauschgiftdelikte verstrickten Tätern und Beteiligten in den illegalen Rauschgiftmarkt einzudringen und die Möglichkeiten der strafrechtlichen Verfolgung zu verbessern. Dabei hatte der Gesetzgeber gerade schwerwiegende Betäubungsmittelstraftaten im Auge (vgl. Senat, NJW 2002, 908). Dazu gehört insbesondere die unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wie die hohe Strafdrohung des § 30 Abs.1 Nr. 4 BtMG zeigt. Solchen Taten wohnt ein Auslandsbezug inne. Für diesen Deliktsbereich liefe es – jedenfalls unter der Voraussetzung, daß die Strafverfolgung in einem der Vertragsstaaten des Schengener Durchführungsübereinkommens erfolgreich abgeschlossen werden kann –, dem Zweck des § 31 Nr. 1 BtMG zuwider, wenn dessen Anwendung von der Möglichkeit einer Verurteilung im Inland abhinge. Art. 54 SDÜ zeigt zudem gerade, daß Verurteilungen in den einzelnen Vertragsstaaten grundsätzlich einander gleichstehen sollen.
Etwas anderes läßt sich auch nicht aus den von der Revision zitierten Entscheidungen BGH StV 1986, 435 und BGH StV 1990, 455 entnehmen. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof die Nichtanwendung von § 31 Nr. 1 BtMG mit der Begründung des Tatrichters, die im Wege der Rechtshilfe gegenüber den niederländischen Behörden über den Heroinlieferanten erfolgten Angaben könnten nur in einem dort zu erwartenden Verfahren zum Tragen kommen, ausdrücklich beanstandet (BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Tat 2; vgl. auch BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 10). Er hat hingegen die Anwendung von § 31 Nr. 1 BtMG in einer Fallgestaltung unbeanstandet gelassen, bei der der Angeklagte einen Aufklärungsbeitrag geleistet hatte, der erfolgreiche Abschluß der Strafverfolgung gegen die im Ausland untergetauchte belastete Person aber von weiteren Maßnahmen der niederländischen Ermittlungsbehörden abhing (BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 10; vgl. auch BGH StV 2000, 318). Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr allein, daß der Tatrichter zu der Überzeugung gelangt, der Angeklagte habe durch seine Angaben einen Aufklärungsbeitrag im Sinne des § 31 Nr. 1 BtMG geleistet.
Die nach § 301 StPO gebotene Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
III.
Hinsichtlich des Angeklagten C. ist die Revision unbegründet. Die Strafzumessung ist frei von Rechtsfehlern.
Unterschriften
Nack, Boetticher, Schluckebier, Hebenstreit, Elf
Fundstellen
Haufe-Index 2559426 |
NJW 2003, 1131 |
EBE/BGH 2003, 10 |
JR 2003, 470 |
NStZ 2003, 270 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2003, 171 |
StV 2003, 286 |
StraFo 2003, 146 |