Entscheidungsstichwort (Thema)
ehemals volkseigenes Grundstück, Moratorium, rechtmäßiger Besitzer, Konsumgenossenschaft, Altbaugrundstücke
Leitsatz (amtlich)
Das Moratorium des Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 1 Buchst. b EGBGB steht auch einer Konsumgenossenschaft zu; es setzt nicht voraus, daß das Gebäude nach Gründung der DDR und mit Eigenmitteln der Genossenschaft errichtet wurde.
Normenkette
EGBGB 1986 Art. 233 § 2a Abs. 1 S. 1 Buchst. b
Verfahrensgang
OLG Naumburg |
LG Magdeburg |
Tatbestand
Der Klägerin (B. D.) wurde durch Bescheid vom 10. Januar 1994 gemäß Art. 22 Abs. 1 Einigungsvertrag ein ehedem volkseigenes Grundstück in H. zugeordnet. Rechtsträger des mit einem Kaufhaus bebauten Grundstücks war die Konsumgenossenschaft Kreis Q. gewesen. Die aus dieser hervorgegangene Beklagte setzte die Grundstücksnutzung bis zum 10. September 1994 fort.
Die auf Herausgabe der Nutzungen für das Jahr 1991 in Höhe von 33.720 DM gerichtete Klage ist in den Tatsacheninstanzen erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag fort. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, daß die Beklagte aufgrund des Moratoriums in Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 1 lit. b EGBGB im streitgegenständlichen Zeitraum zum Besitz des Grundstücks berechtigt gewesen sei. Die Bestimmung gelte auch für Konsumgenossenschaften. Daß die Genossenschaft das Gebäude auf dem Grundstück selbst errichtet hat, sei nicht erforderlich. Ebensowenig komme es darauf an, daß die Bebauung während des Bestehens der DDR erfolgt ist.
Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
Ein Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen nach den Vorschriften über das Verhältnis des Eigentümers zum nicht berechtigten Besitzer (§§ 987 ff BGB) steht der Klägerin nicht zu. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, daß die Beklagte im klagegegenständlichen Zeitraum ein Recht zum Besitz aufgrund des Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 1 lit. b EGBGB inne hatte. Danach waren zum Besitz eines im Beitrittsgebiet belegenen Grundstücks – unbeschadet bestehender Nutzungsrechte und qünstigerer Vereinbarungen und Regelungen – berechtigt:
„Genossenschaften und ehemals volkseigene Betriebe der Wohnungswirtschaft, denen vor dem 3. Oktober 1990 aufgrund einer bestandskräftigen Baugenehmigung oder sonst entsprechend den Rechtsvorschriften mit Billigung staatlicher oder gesellschaftlicher Organe errichtete Gebäude und dazugehörige Grundstücksflächen und -teilflächen zur Nutzung sowie selbständigen Bewirtschaftung und Verwaltung übertragen worden waren und von diesen oder ihren Rechtsnachfolgern genutzt wurden.”
Art. 233 § 2a Abs. 8 Satz 1 EGBGB schließt darüber hinaus für den klagegegenständlichen Zeitraum sonstige gesetzliche Ansprüche des Eigentümers gegen den durch ein Moratorium nach Abs. 1 der Vorschrift Begünstigten auf Herausgabe von Nutzungen aus. Vertragliche Ansprüche aufgrund einer nach dem Beitritt getroffenen Abrede sind nicht geltend gemacht; das Zustandekommen eines Miet- oder Pachtvertrags wird von der Klägerin nicht behauptet. Ob die nach der Anordnung für die Übertragung volkseigener unbeweglicher Grundmittel an sozialistische Genossenschaften vom 11. Oktober 1994 (GBl I 489, ber. GBl 1975 I 344, im folgenden: ÜbGrMAO) abgeschlossenen Nutzungsverträge – etwa im Wege der Vertragsanpassung – eine Grundlage für ein Nutzungsentgelt abgeben könnten und wer Inhaber eines solchen Anspruchs wäre, kann dahinstehen. Auch ein solcher Anspruch ist nicht Gegenstand der Klage.
1. a) Dem Wortlaut des Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 1 lit. b EGBGB läßt sich nicht eindeutig entnehmen, ob das Moratorium Genossenschaften schlechthin (OLG Naumburg, 9. Zivils., OLG-Report 1997, 209, 210 f; Purps, VIZ 1997, 201, 203) oder nur Genossenschaften der Wohnungswirtschaft, wie die Arbeiter-Wohnungsbaugenossenschaften oder die gemeinnützigen Wohnungs(bau)genossenschaften (OLG Naumburg, 4. Zivils., OLG-Report 1997, 160; LG Neuruppin VIZ 1997, 236) begünstigte.
Die Gesetzesmaterialien klären indessen darüber auf, daß eine Beschränkung auf Genossenschaften der Wohnungswirtschaft nicht beabsichtigt war, denn mit dem Moratorium sollten zwei Fallgruppen, einmal die „Wohnblocks und Miethäuser in den Städten”, zum anderen das „vagabundierende Gebäudeeigentum” ehemals volkseigener Betriebe aber auch der früheren landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften angesprochen werden (Begr. des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2695 i.V.m. BT-Drucks. 12/2480 S. 77, zu „Satz 1 Buchstabe b”; anders die Empfehlungen des BMJ zur Anlegung von Gebäudegrundbuchblättern für Gebäudeeigentum nach Art. 233 § 26 EGBGB – OV-spezial 1997, 376, 379 – unter allgemeinem Hinweis auf die Drucksache und im Zusammenhang und der hier nicht zu entscheidenden Frage des Entstehens von Gebäudeeigentum der Genossenschaften). Allerdings trat das Problem des „vagabundierenden Gebäudeeigentums”, nämlich des Wegfalls des gesetzlichen Nutzungsrechtes der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften am eingebrachten oder vom Staat übergebenen Boden (§ 18 LPGG, § 8 LPG-G/59), auf dem deren Gebäudeeigentum beruht hatte (§ 27 LPGG, § 13 LPG-G/59; Horn, Das Zivil- und Wirtschaftsrecht im neuen Bundesgebiet, 2. Aufl., S. 343), bei den Konsumgenossenschaften und bäuerlichen Handelsgenossenschaften nicht auf. Für Genossenschaften dieser Art war ein gesetzliches Nutzungsrecht an Gebäuden auf fremdem Boden nicht, vorgesehen: Nutzungsrechte an schon vorhandenen Gebäuden auf volkseigenen Grundstücken erwarben sie durch Vertrag (§§ 4, 5 ÜbGrMAO), für zu errichtende Gebäude war ihnen ein dingliches Nutzungsrecht zu verleihen (vgl. zuletzt § 1 des Gesetzes über die Verleihung von Nutzungsrechten an volkseigenen Grundstücken vom 14. Dezember 1970, GBl I 372, NutzungsRG), das zur Begründung von Gebäudeeigentum führte (§ 5 NutzungsRG). Diese Rechtsstellung teilten sie indessen im Grundsatz mit den Arbeiter-Wohnungsbaugenossenschaften und den gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaften, bei denen für den Fall der Erstellung von Gebäuden ebenfalls die Verleihung eines Nutzungsrechtes vorgesehen war (vgl. § 7 der Verordnung über die Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften vom 23. Februar 1973, GBl I 109, und § 14 der Verordnung; § 15 der Verordnung über die Umbildung gemeinnütziger und sonstiger Wohnungsbaugenossenschaften vom 14. März 1957, GBl S. 200). Eine restriktive Auslegung des mehrdeutigen Gesetzeswortlauts in dem Sinne, daß er einmal die Genossenschaften der Wohnungswirtschaft, von den übrigen Genossenschaften aber nur die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften erfasse, ist danach nicht gerechtfertigt. Sie widerspräche auch dem Verständnis des Bundesrates (BT-Drucks. 12/2695 S. 23), der um Prüfung gebeten hatte, ob das Lösungsrecht des Eigentümers nach Art. 233 § 2 a Abs. 6 EGBGB (nachstehend zu b) auch im Falle der Konsumgenossenschaften eine Einschränkung erfahren solle (Stellungnahme der Bundesregierung hierzu aaO S. 32). Dies setzt voraus, daß das zu lösende Recht, nämlich der Moratoriumsbesitz, in diesem Falle überhaupt bestand.
b) Auch der Gesetzeszusammenhang spricht nicht für eine Einschränkung. Zwar greift Art. 232 § 2b EGBGB die Moratoriumstatbestände des § 2a Abs. 1 Satz 1 lit. a (Bebauung eines Grundstücks aufgrund einer bestandskräftigen Baugenehmigung oder sonst entsprechend den Rechtsvorschriften mit Billigung staatlicher oder gesellschaftlicher Organe sowie Eigennutzung) und lit. b EGBGB auf und zielt die Entstehung von Gebäudeeigentum an, wenn das Grundstück ehedem volkseigen war und eine landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft, eine Arbeiter-Wohnungsbaugenossenschaft oder eine gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft Begünstigter ist. Hieraus läßt sich aber nicht schließen, daß auch das Moratorium selbst auf diesen Begünstigtenkreis beschränkt sei. Dies gilt für § 2a Abs. 1 Satz 1 lit. a ohnehin, denn danach ist jedermann besitzberechtigt, der unter den gesetzlichen Voraussetzungen die Bebauung vorgenommen oder begonnen hat. Aber auch das Moratorium nach lit. b ist mit den Fällen der Entstehung von Gebäudeeigentum nach § 2b nicht deckungsgleich. Den landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften sollte wegen des Wegfalls des gesetzlichen Nutzungsrechtes, den Arbeiter-Wohnungsbaugenossenschaften und gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaften, weil ihnen vielfach die vorgesehene Verleihung eines Nutzungsrechts versagt worden war (vgl. bereits oben zu a) sowie Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/2944 S. 63), einstweilen Gebäudeeigentum ohne Rücksicht auf das Bestehen eines Nutzungsrechtes verschafft werden. Deshalb nahm sie Art. 233 § 2a Abs. 6 Satz 4 Buchst. c, 2. Halbs. EGBGB von dem sonst für den Fall der Nutzung eines ehedem volkseigenen Grundstücks aufgrund einer Rechtsträgerschaft bestehenden Lösungsrecht des Eigentümers aus. Die vom Gesetzgeber im Interesse ihrer Kreditfähigkeit angestrebte Privilegierung der Genossenschaften der Landwirtschaft und des Wohnungsbaus (für letztere vgl. auch die Zuweisung des Grundeigentums durch das Wohnungsgenossenschafts-Vermögensgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 26. Juni 1994, BGBl I 1438) hat damit eine in sich geschlossene Regelung gefunden. Ein Ausschluß anderer Genossenschaften, die sich vielfach in vergleichbarer Lage befanden, vom Moratorium selbst war von dieser Vorzugsbehandlung nicht gefordert. Ihre mindere Rechtsstellung kam dadurch zum Ausdruck, daß sie der jederzeitigen Lösung des Moratoriumsbesitzes am ehemaligen Volkseigentum durch Erklärung des Eigentümers nach Abs. 6 Satz 4 Buchst. c ausgesetzt waren (wegen des Bestandsschutzes ihres Besitzes im Falle der Bebauung mit Eigenmitteln vgl. Senatsurt. v. 2. Juni 1995, V ZR 304/93, WM 1995, 1589; v. 4. Juli 1997, V ZR 54/96, WM 1997, 2037, für BGHZ bestimmt).
c) Eine einschränkende Auslegung würde auch dem Gesetzeszweck, der vorläufigen Sicherung von Nutzungsverhältnissen im Hinblick auf eine künftige Bereinigung, nicht gerecht. Welche Fälle von der Bereinigung letztlich erfaßt würden, war seinerzeit noch nicht sicher, so daß der Schutz des Moratoriums auch in Zweifelsfällen eingreifen sollte (vgl. BT-Drucks. 12/2944, S. 46; Senatsurt. v. 4. Juli 1997, V ZR 54/96, aaO). Ob ein Nutzungsverhältnis am Ende in die Sachenrechtsbereinigung einbezogen wurde, ist nicht entscheidend (Senatsurt. v. 24. Januar 1997, V ZR 172/95, WM 1997, 779, 780 ff). Es kommt vielmehr darauf an, daß es sich aus damaliger Sicht um einen Sachverhalt handelte, dessen Einbeziehung in die sachenrechtliche Bereinigung oder anderweitige Anpassung an das Recht der Bundesrepublik Deutschland wenigstens in Betracht kam. Das war der Fall, wenn, wie hier, eine Konsumgenossenschaft oder bäuerliche Handelsgenossenschaft ein ehemals volkseigenes Grundstück als Rechtsträger genutzt hatte.
Die von den volkseigenen Wirtschaftseinheiten, insbesondere den volkseigenen Betrieben, als Rechtsträger genutzten volkseigenen Grundstücke waren den aus diesen hervorgegangenen Kapitalgesellschaften gemäß § 11 Abs. 2 TreuhG zu Eigentum übertragen worden. Für Konsumgenossenschaften und bäuerliche Handelsgenossenschaften, die als sozialistische Genossenschaften (vgl. Senatsurt. v. 11. Juli 1997, V ZR 313/95, WM 1997, 1858, 1859, 1864, für BGHZ bestimmt) gemäß § 2 der Anordnung über die Rechtsträgerschaft an volkseigenen Grundstücken, vom 7. Juli 1969 (GBl. II S. 433, RechtstrAO) gleichfalls Rechtsträger volkseigener Grundstücke sein konnten, gab es eine solche Bestimmung nicht. Diese Ungleichbehandlung war auf Kritik gestoßen (Habscheid, VIZ 1993, 198; Schmidt-Räntsch, Eigentumszuordnung, Rechtsträgerschaft und Nutzungsrechte an Grundstücken, 2. Aufl., S. 98) und als regelungsbedürftig angesehen worden (Leutheusser-Schnarrenberger, DtZ 1993, 34, 37). Daß eine Gleichstellung der Genossenschaften mit den ehemals volkseigenen Wirtschaftseinheiten nicht erfolgt, wurde endgültig erst im Gesetzgebungsverfahren zum Sachenrechtsbereinigungsgesetz entschieden (vgl. Czub in: Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, SachenRBerG, Stand Mai 1996, § 7 SachenRBerG Rdn. 97 ff).
Aber auch eine Einbeziehung der Konsumgenossenschaften und der bäuerlichen Handelsgenossenschaften in die Sachenrechtsbereinigung ohne Anknüpfung an ein in der DDR verliehenes Nutzungsrecht oder an eine bauliche Eigeninvestition (vgl. demgegenüber § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nrn. 1. und 2 SachenRBerG) war nicht von vornherein ausgeschlossen. Daß sie während des Moratoriums an der Privilegierung der landwirtschaftlichen und wohnungswirtschaftlichen Genossenschaften nicht teilnahmen, schloß ihre spätere gleichberechtigte Berücksichtigung nicht aus (Senatsurt. v. 4. Juli 199-,1, V ZR 54/96, aaO).
Schließlich kam es seinerzeit jedenfalls in Betracht, daß den betroffenen Genossenschaften durch die Klägerin auf vertraglicher Grundlage die Möglichkeit eingeräumt werde, die ehemals volkseigenen Grundstücke zu günstigeren als den marktüblichen Bedingungen zu nutzen oder zu erwerben (vgl. BT-Drucks. 13/7455, zit. nach OV spezial 1997, 200 f; LeutheusserSchnarrenberger, aaO). Auch für diesen Fall war die in Art. 233 § 2a EGBGB getroffene Regelung sachgerecht. Wäre es im Einzelfall nicht zu einer Übereinkunft gekommen, hätte die Klägerin von ihrem Lösungsrecht nach Art. 233 § 2a Abs. 6 Satz 4 lit. c EGBGB Gebrauch machen können. Die Bereitschaft der Genossenschaften zu vertraglichen Vereinbarungen konnte durch die Unentgeltlichkeit der Grundstücksnutzung aufgrund des Moratoriums nicht beeinträchtigt werden, da diese damals gem. Art. 233 § 2a Abs. 8 EGBGB a.F. noch unter dem Vorbehalt einer rückwirkend abweichenden gesetzlichen Regelung stand (BT-Drucks. 12/2695 S. 23, 32) .
2. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es nicht darauf an, ob die Konsumgenossenschaft oder die bäuerliche Handelsgenossenschaft als Rechtsträger eines volkseigenen Grundstücks das Gebäude (mit Eigenmitteln) errichtet hatte (ebenso OLG Naumburg, 9. Zivils., OLG-Report 1997, 209, 210 f; vgl. auch KG VIZ 1994, 619, 620; Staudinger/Rauscher, BGB, 13. Bearb., Art. 233 § 2a EGBGB Rdn. 46). Der Gesetzeswortlaut stellt darauf ab, daß Gebäude und dazugehörige Grundstücksfläche zu den dort genannten Zwecken „übertragen” worden waren. Dies knüpft an § 3 RechtstrAO, §§ 4, 5 GbGrMAO an, wonach sozialistischen Genossenschaften zusammen mit der Rechtsträgerschaft am Grundstück die volkseigenen unbeweglichen Grundmittel, wozu die Gebäude zählten, zu übertragen waren. Sollte die Genossenschaft dagegen mit Eigenmitteln eine bauliche Investition vornehmen, war, wie ausgeführt (oben 1 a), die Verleihung eines dinglichen Nutzungsrechtes vorgesehen. Eine einschränkende Gesetzesinterpretation würde diesen Zusammenhang unterbrechen und träte zudem in Widerspruch mit der Fassung des Lösungsrechtes in Art. 233 § 2a Abs. 6 Satz 4 lit. c EGBGB, die von einem Moratorium aufgrund der Rechtsträgerschaft ausgeht.
3. War, wie hier, das Grundstück durch eine Genossenschaft als Rechtsträger genutzt worden, ist es auch unschädlich, wenn das Gebäude bereits vor Gründung der DDR bzw. vor dem 8. Mai 1945 errichtet worden war (ebenso: OLG Naumburg 9. Zivils., aaO; Purps, VIZ 1997, 201, 203).
a) Der Tatbestand des Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 1 lit. b EGBGB enthält zwar auch in diesem Punkt keine ausdrücklichen Voraussetzungen. Notwendig ist danach aber, daß das übertragene Gebäude aufgrund einer bestandskräftigen Baugenehmigung oder sonst entsprechend den Rechtsvorschriften mit Billigung staatlicher Stellen oder gesellschaftlicher Organe errichtet worden war. Diese, nunmehr in § 10 SachenRBerG geregelte Voraussetzung erfaßt nur die Billigung staatlicher Stellen der DDR (vgl. Senatsurt. v. 22. Dezember 1995, V ZR 334/94, BGHZ 131, 368, 373). Danach greift Art. 2233 § 2a Abs. 1 Satz 1 lit. b EGBGB nicht ein, wenn das Gebäude vor Gründung der DDR bzw. dem 8. Mai 1945 (vgl. § 8 SachenRBerG) errichtet worden ist (künftig: Altgebäude).
b) Das Gesetz ist jedoch lückenhaft. Es erfaßt nicht alle Fälle, in denen nach dem Regelungsplan des Gesetzgebers ein Besitzrecht geboten war. Diese Lücke ist durch analoge Anwendung des Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 1 lit. b EGBGB zu schließen, wenn einer Genossenschaft die Rechtsträgerschaft an einem mit einem Altgebäude bebauten ehemals volkseigenen Grundstück übertragen worden war. Bei der genannten Bestimmung stellt die Bebauung mit Billigung staatlicher Stellen, anders als in den Fällen des Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 1 lit. a EGBGB, neben der Nutzung des Grundstücks nicht das alleinige Tatbestandsmerkmal dar, aufgrund dessen der Besitzschutz des Moratoriums eingreifen sollte. Erforderlich war vielmehr auch und vor allem eine Übertragung des Grundstücks an den Nutzer (oben 2). Erfolgte diese durch Einsetzung einer sozialistischen Genossenschaft als Rechtsträger eines volkseigenen Grundstücks, war stets eine staatliche Mitwirkung durch den Rat des Kreises notwendig (§§ 6 Abs. 3 Satz 1, 14 Abs. 1 Satz 2 RechtstrAO). Diese staatliche Beteiligung und das damit begründete Vertrauen in die Möglichkeit einer zweckentsprechenden Grundstücksnutzung schließen die Annahme aus, daß ein Altgebäude auf dem übertragenen Grundstück staatlicherseits nicht gebilligt worden sei. Nur in dieser Legalität im weitesten Sinne besteht aber das Anliegen des Tatbestandsmerkmals der Bebauung mit Billigung staatlicher Stellen in Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 1 lit. b EGBGB (vgl. Staudinger/Rauscher, aaO, Art. 233 § 2a EGBGB, Rnrn. 43 ff), so daß hier eine analoge Anwendung der Vorschrift geboten ist.
Rechtsträgerschaften sozialistischer Genossenschaften an Altbaugrundstücken waren ebenso schutzbedürftig und können daher nicht anders behandelt werden als solche an Neubaugrundstücken, die Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 1 lit. b EGBGB bereits seinem Wortlaut nach unterfallen. Für eine unterschiedliche Behandlung besteht auch deshalb kein Anlaß, weil das Institut der Rechtsträgerschaft und die angrenzenden Vorschriften des DDR-Rechts insoweit ebenfalls keine Unterscheidung trafen.
4. Den Voraussetzungen des Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 1 lit. b EGBGB ist auch insoweit genügt, als die Beklagte das seinerzeit der Konsumgenossenschaft Kreis Q. als Rechtsträger übertragene Grundstück über den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift hinaus selbst als Kaufhaus genutzt hat. Zwar ist das Moratorium des Art. 233 § 2a EGBGB erst am 22. Juli 1992 in Kraft getreten. Es bezieht indes auch den vorhergehenden Zeitraum mit ein (Senatsurt. v. 7. Juli 1995, V ZR 46/94, WM 1995, 1848, 1853 f; Senatsurt. v. 13. Oktober 1995, V ZR 254/94, WM 1996, 91), so daß einer Besitzberechtigung der Beklagten für das hier streitgegenständliche Jahr 1991 auch in diesem Punkt nichts entgegensteht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 604934 |
BGHZ, 369 |
NJW 1998, 1713 |
VIZ 1998, 227 |
WM 1998, 1069 |
ZAP-Ost 1998, 133 |
ZIP 1998, 441 |
MDR 1998, 463 |
NJ 1998, 373 |
WuM 1998, 250 |