Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen der Verkauf einer Anwaltspraxis gegen die guten Sitten verstößt.
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Entscheidung vom 18.12.1962) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 1962 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Ehemann der Klägerin (Dr. B.) war bis 1945 Landgerichtsrat in Frankenthal und erhielt im Jahre 1946 seine Zulassung als Rechtsanwalt in Tübingen. Der Beklagte W. sen. war bis 1946 Rechtsanwalt in Halle a.d. Saale, übersiedelte 1949 in die Bundesrepublik und ließ sich ebenfalls in Tübingen als Rechtsanwalt nieder. Sein Sohn, der Beklagte W. jun., war im Jahre 1955 als Referendar auf dem Büro des Dr. B. tätig. Dieser bemühte sich, weil er herzkrank war und eine ruhigere Berufstätigkeit anstrebte, seit dem Jahre 1956 um eine Wiederverwendung im Justizdienst. Im März 1957 verhandelte er mit den Beklagten, die im selben Hause Büroräume innehatten - Wo jun. war inzwischen ebenfalls als Rechtsanwalt zugelassen -, wegen einer Übernahme der Praxis durch die Beklagten. Ab. 1. April 1957 machte Dr. B. für 7 Wochen eine Kur in Krozingen. Während dieser Zeit verwalteten die Beklagten seine Praxis. Von seinem Kurort aus übersandte er ihnen einen Vertragsentwurf (Krozinger Entwurf), nach dem die Beklagten sich zur Übernahme der Sachwerte zum vollen Preis verpflichten sollten, "den sie bei Anschaffung auch bezahlen mußten", ferner zur kostenlosen Beitreibung seiner Außenstände; außerdem behielt Dr. B. sich das Recht vor, jederzeit als Sozius wieder in die Kanzlei einzutreten, wobei jeder Sozius das Recht haben sollte, die Sozietät mit einjähriger Frist zu kündigen. Die Beklagten erklärten sich mit dem Vertragsentwurf im wesentlichen einverstanden. Am 13. Juni 1957 erhielt Dr. B. die Nachricht, daß er schon zum 1. Juli 1957 seinen Dienst als Landgerichtsrat in Kaiserslautern anzutreten hatte. Am 29. Juni 1957 schlossen die Parteien nach längerem Verhandeln einen schriftlichen Vertrag, in dem es heißt:
"(Dr. B.) übergibt zum 1. Juli 1957 seine Kanzlei mit allen Rechtssachen an die (Beklagten) zur Weiterbearbeitung. ...
Die (Beklagten) verpflichten sich, die Außenstände von (Dr. B.) kostenlos beizutreiben ...
Für die Eigentumsverschaffung an dem Inventar lt. Anlage zahlen die (Beklagten) eine Gesamtabfindung von DM 10.000,-.
...
Erreichen die (Beklagten) vom 1. Juli 1957 bis zum 30. Juni 1959 einen Umsatz von DM 60.000,-, so zahlen sie am 1. Juli 1959 6.000 DM nach; bei 50.000 DM Umsatz 3.000 DM. ...
(Dr. B.), der herzleidend und nicht voll arbeitsfähig ist, behält sich das Recht des jederzeitigen Wiedereintritts in die Kanzlei vor. Er erhält alsdann von der vollen Sozietät die Hälfte der Einnahmen und trägt die Hälfte der Ausgaben. Die Sozietät kann von jedem Beteiligten ... unter Einhaltung einer einjährigen Frist gekündigt werden ..."
Die Vertragsparteien waren darüber einig, daß in dem (überhöhten) Inventarpreis eine Entschädigung für den Goodwill der Praxis enthalten war.
Wie vereinbart übernahmen die Beklagten am 1. Juli 1957 die Praxis des Dr. B. Hauptklient waren die von den Gebrüdern Maisch (Brüdern der Klägerin) geleiteten M.-Werke in Pfäffingen und Herrenberg und die Brüder M. selbst. Schon wenige Wochen nach der Übernahme der Praxis entstanden mischen den Vertragsparteien Differenzen. Die Beklagten beanstandeten, daß die Firma M. auch andere Anwälte für sich arbeiten lasse und sie (Beklagte) nicht die Hausanwälte von M. geworden seien. Durch Schreiben vom 26. August 1957 machten sie geltend, die Geschäftsgrundlage des Vertrages vom 29. Juni 1957 sei entfallen, und fochten vorsorglich den Vertrag an. Im März 1958 brach die M.-Firma Pfäffingen zusammen. Gegen die Gebrüder M., die zeitweise in Untersuchungshaft waren, wurde ein Strafverfahren durchgeführt, in dem sie zunächst von den Beklagten verteidigt wurden. Im Jahre 1959 legten diese wegen schwerer Differenzen mit ihren Mandanten die Verteidigung nieder. Ab Oktober 1959 vertraten die Beklagten die Gebrüder M. und Ma. auch nicht mehr in Zivilsachen.
Die Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres am 1. Juni 1961 verstorbenen Ehemannes verlangt den im Vertrag vom 29. Juni 1957 vereinbarten Barkaufpreis von 16.000 DM abzüglich einer von den Beklagten im Jahre 1958 gezahlten Rate von 1.000 DM. Dabei ist zwischen den Parteien unstreitig, daß die Beklagten in der Zeit vom 1. Juli 1957 bis zum 30. Juni 1959 in der von ihnen übernommenen Praxis einen höheren Umsatz als 60.000 DM erzielt haben. Die Beklagten wenden gegenüber der Klage ein, der Vertrag vom 29. Juni 1957 sei als Standes- und sittenwidrig nichtig jedenfalls hätten sie ihn wegen Irrtums, Drohung und arglistiger Täuschung rechtswirksam angefochten. Auch sei seine Geschäftsgrundlage nicht vorhanden gewesen oder entfallen. Die Beklagten berufen sich ferner auf Gewährleistungsansprüche und rechnen evtl. mit einer Gegenforderung wegen der Urlaubsvertretung Dr. B.s im Jahre 1957 auf.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision erstreben die Beklagten Klagabweisung. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Nichtigkeit des Vertrages vom 29. Juni 1957 wegen Sittemwidrigkeit?
1.
Ob und unter welchen Voraussetzungen der Verkauf einer Anwaltspraxis Standes- und deshalb in der Kegel auch sittenwidrig sei, ist von jeher umstritten gewesen. Das Reichsgericht und der Ehrengerichtshof der Reichsrechtsanwaltskammer haben insoweit durchweg eine strenge Standesauffassung vertreten und den Verkauf einer Anwaltspraxis grundsätzlich als nach § 138 BGB nichtig angesehen, von diesem Grundsatz allerdings, in mehr oder weniger engen Grenzen, Ausnahmen zugelassen (vgl. RGZ 153, 280 ff; 161, 153 ff; EGH 27, 153; 31, 41). Zur Begründung der grundsätzlichen Unzulässigkeit eines Praxisverkaufs wird angeführt:
Der Beruf des Rechtsanwalts sei kein Gewerbe. Der Anwalt erfülle vielmehr eine wichtige öffentliche Aufgabe im Dienst des Allgemeinwohls, er dürfe deshalb seinen Beruf weder als reine Gelderwerbsquelle betrachten, noch die Praxis zum Gegenstand eines Handelsgeschäfts machen. Das verbiete sich auch deshalb, weil das dem Anwalt entgegengebrachte Vertrauen seiner Klientel eng mit seiner Person verbunden sei.
In neuerer Zeit gewinnt demgegenüber im Schrifttum die Auffassung Boden, der Verkauf einer Anwaltspraxis sei nicht grundsätzlich Standes- und sittenwidrig, könne es allerdings unter besonderen Umständen sein (vgl. Kalsbach, Standesrecht des Rechtsanwalts, Köln 1956, S. 180 ff; Tiefenbach in BB 1959, 473 f; Müller in NJW 1957, 1270; Schmitz in NJW 1963, 1284 ff). Für den Wandel der Auffassungen ist auch bezeichnend, in welcher Weise die "Richtlinien für die Ausübung des Anwaltsberufs" zum Praxisverkauf Stellung nehmen. Die Richtlinien vom 11. Mai 1957 bestimmten (§ 73):
"Die Sicherstellung der Hinterbliebenen eines Rechtsanwalts, die Unterstützung eines arbeitsunfähig gewordenen Kollegen, oder ein anderer zu billigender Beweggrund können die Zahlung eines Entgelts für die Übertragung einer Praxis rechtfertigen."
Demgegenüber heißt es in den von der Bundesrechtsanwaltskammer aufgrund des § 177 Abs. 2 Nr. 2 BRAO vom 1. August 1959 (BGBl I 565) erlassenen "Grundsätzen des anwaltlichen Standesrechts" vom 2./3. Mai 1963:
"§ 71
(1)
Die entgeltliche Übernahme einer Praxis ist zulässig.
(2)
Die Bedingungen für den Praxiserwerb müssen angemessen sein ..."
Der erkennende Senat hat schon in seiner Entscheidung VIII ZR 190/57 vom 11. April 1958 (BB 1958, 496) (beiläufig) ausgesprochen, die Meinung des Reichsgerichts (RGZ 161, 153, 155), der Verkauf einer Anwaltspraxis sei regelmäßig nichtig und nur ausnahmsweise zulässig, sei als überholt anzusehen An dieser Auffassung wird festgehalten.
Die Grunde, die früher für den entgegengesetzten Standpunkt geltend gemacht wurden, behalten für sich ihre volle Bedeutung: Auch nach § 2 BRAO übt der Rechtsanwalt einen freien Beruf aus; seine Tätigkeit ist kein Gewerbe. Nach § 1 BRAO ist der Rechtsanwalt vielmehr ein unabhängiges Organ der Rechtspflege. Er hat deshalb seinen Beruf nicht vornehmlich unter dem Gesichtspunkt des Erwerbs, sondern unter dem gewissenhafter Erfüllung seiner Berufspflichten auszuüben. Auch ist es nach wie vor richtig, daß das aufgrund gewissenhafter und erfolgreicher Berufsarbeit erworbene Vertrauen der Klientel eng mit der Person des Anwalts verbunden ist. Aus alledem lassen sich aber keine durchschlagenden Gründe dafür herleiten, die Übertragung einer Anwaltspraxis gegen Entgelt als Standes- und sittenwidrig anzusehen.
Eine lebensnahe Betrachtung kann nicht daran vorbeigehen, daß ein Anwalt seine Praxis auch unter dem Gesichtspunkt betreibt, in seinem Beruf eine Existenzgrundlage zu finden. Ebensowenig kann übersehen werden, daß ein erfolgreicher Anwalt in dem Vertrauen seiner Klientel einen Vermögenswert schafft, der zwar wesentlich an seine Person gebunden ist, aber in gewissen Grenzen auch einem Nachfolger zugänglich gemacht vier den kann. Diese Grenzen ergeben sich aus der Sache selbst. Gibt ein Anwalt seine Praxis auf, so sind seine Klienten nicht gehalten, die noch nicht abgewickelten Aufträge durch seinen Nachfolger in der Praxis weiterbearbeiten zu lassen, erst recht brauchen sie diesem keine neuen Mandate zu erteilen, die sie sonst dem bisherigen Inhaber erteilt hätten. Darin, daß sie dies (häufig oder in der Regel) tun, liegt der auf einen Praxisnachfolger übertragbare Wert einer Klientel. Der bisherige Praxisinhaber kann diesen noch dadurch festigen, daß er seinen Nachfolger bei seinen wichtigsten Klienten einführt oder ihn diesen besonders empfiehlt. Darin ist in der Regel nichts Anstößiges zu sehen, weil die Klienten sich frei entscheiden können, und davon auszugehen ist, daß als Praxisnachfolger schon deshalb eine geeignete Persönlichkeit infrage kommt, weil es sich immer um einen zur Rechtsanwaltschaft zugelassenen Anwalt handelt, dessen fachliche und persönliche Eignung in den Grenzen des § 7 BRAO überprüft worden ist. Aus dem an sich zutreffenden Gesichtspunkt, daß das Vertrauen der Klientel dem Praxisinhaber persönlich und nicht ohne weiteres auch seinem Nachfolger in der Praxis gilt, ist deshalb nichts gegen die Zulässigkeit eines Praxisverkaufs herzuleiten Der Erwerb einer Praxis gibt dem Nachfolger im Grunde nur die Chance, das von seinem Vorgänger erworbene Vertrauen der Klientel auch für seine Person zu rechtfertigen.
Ebensowenig ist es anstößig, daß dem Nachfolger diese Chance nicht unentgeltlich gewährt wird, worin anscheinend das Hauptbedenken der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Ehrengerichtshofs der Reichsrechtsanwaltskammer lag. Die Chance, die Klientel eines Anwalts zu übernehmen, stellt einen echten Vermögenswert dar. Ein solcher wird in der Regel nur gegen Entgelt hingegeben. Das Besondere des Goodwill einer Anwaltspraxis liegt allerdings darin, daß die Anwaltspraxis nicht ein gewerbliches Unternehmen ist (§ 2 Abs. 2 BRAO), sondern der Rechtsanwalt in Ausübung eines freien Berufs als unabhängiges Organ der Rechtspflege tätig wird (§§ 2 Abs. 1, 1 BRAO). Dies bestimmt zwar Inhalt und Schranken seiner Tätigkeit, es hindert aber den Anwalt nicht daran, die durch die Ausübung seines freien Berufs geschaffenen Werte gegen Entgelt auf einen Anderen zu übertragen, soweit dadurch nur nicht die Berufstätigkeit des Anwalts als Mitwirkung an der Rechtspflege in ihrem Wesen verfälscht oder gefährdet wird. Es ist deshalb bei der Gestaltung eines Vertrages, der den Verkauf einer Anwaltspraxis zum Gegenstand hat, darauf Bedacht zu nehmen, daß der Erwerber die Praxis so weiter fuhren kann, daß die Belange der Rechtspflege gewahrt bleiben. Auch und vor allem unter diesem Gesichtspunkt ist das Erfordernis des § 71 (2) der Grundsätze des anwaltlichen Standesrechts zu sehen, daß "die Bedingungen für den Praxiserwerb angemessen sein müssen". Sie dürfen deshalb insbesondere nicht für den Übernehmer so drückend sein, daß er gedrängt wird, unter Verletzung seiner Standespflichten die Praxis vorwiegend unter dem Gesichtspunkt des Geldverdienens auszuüben.
Demnach ist der Vertrag, durch den ein Rechtsanwalt einem anderen seine Praxis verkauft, nicht schon deshalb sittenwidrig und nichtig, weil Gegenstand des Kaufvertrages eine Anwaltspraxis ist. Er kann es aber wie jeder andere Vertrag, gemäß § 138 Abs. 1 BGB sein, wenn er im Einzelfall wegen seines Inhalts, der Beweggründe der Beteiligten und der von ihnen verfolgten Zwecke gegen die guten Sitten verstößt. Dabei kann die Sitten Widrigkeit eines Praxisverkaufs auch darin begründet sein, daß die Vertragsbedingungen die Gefahr begründen, daß der Übernehmer die Praxis in einer die Belange der Rechtspflege beeinträchtigenden Weise weiterführt. Auch kann ein Praxisverkauf die Voraussetzungen des Wuchers erfüllen und deshalb gemäß § 138 Abs. 2 BGB nichtig sein.
2.
Das Berufungsgericht verneint, daß der Vertrag vom 29. Juni 1957 gegen die guten Sitten verstoße, mit folgender Begründung:
Dr. B. habe in 11-jähriger Berufstätigkeit eine existenzfähige Praxis aufgebaut, wie sich schon aus den von ihm in den letzten Jahren erzielten Umsätzen (Unkosten in Klammern) ergebe:
1954: |
24.482,00 DM |
(8.882,00 DM) |
1955: |
26.133,00 DM |
(15.589,00 DM) |
1956: |
34.522,00 DM |
(15.913,00 DM) |
Allerdings habe die Praxis Dr. B.s, sich im wesentlichen auf seine Beziehungen zu den Gebrüdern M. (seinen Schwägern) und den von diesen geleiteten M. Werken gestützte In diese Beziehungen habe Dr. B. die Beklagten aber eintreten lassen, indem er sie bei den Gebrüdern M. eingeführt und empfohlen habe. Die Beklagten hätten auch in den ersten 2 Jahren nach der Praxisübernahme einen Umsatz von rd. 75.000 DM erzielt; weitere 45.000 DM und 6.000 DM Zinsen bezahlten die Gebrüder M. aufgrund eines mit den Beklagten am 11. Mai 1962 geschlossenen Vergleichs in monatlichen Raten von 3.000 DM seit Mai 1962. Daß Dr. B. für den Goodwill der Praxis - trotz gewisser standesrechtlicher Bedenken - eine Entschädigung habe verlangen wollen, sei schon in dem Krozinger Entwurf zum Ausdruck gekommen, nach dem die Beklagten das Praxisinventar zum Neuanschaffungswert hätten bezahlen sollen. Insoweit seien sie also bei den Verhandlungen am 28. und 29. Juni 1957 nicht vor eine grundsätzlich neue Situation gestellt worden. Wenn im Vertrage die Entschädigung für den Goodwill (teilweise) als Kaufpreis für das Inventar getarnt worden sei, so möge das zwar standesrechtlich bedenklich sein, mache aber den Vertrag nicht wegen Sittenverstoßes nichtig. Die für die Praxisüberlassung vereinbarte Gegenleistung sei angemessen. Von den als Inventarpreis deklarierten 10.000 DM seien 3.000 DM echter Kaufpreis; es verblieben danach noch 7.000 DM Entgelt für den Goodwill, zusätzlich weiterer 6.000 DM bei Erreichung eines Umsatzes von 60.000 DM in den ersten zwei Jahren nach der Übernahme. Eine echte Gegenleistung der Beklagten stelle ferner ihre Verpflichtung dar, die bei der Praxisübergabe für Dr. B. bereits entstandenen Gebührenforderungen unentgeltlich - aber bei Erstattung ihrer Barauslagen - für Dr. B. einzuziehen (die Beklagten haben bis Ende 1959 für Dr. B. rd. 40.000 DM Honorare eingezogen). Die Beklagten selbst hätten aber den Geldwert des dafür erforderlichen Arbeitsaufwandes zuletzt nur noch mit 1.000 DM angegeben. Der Sozietätsvorbehalt, der gegebenenfalls die Beklagten gezwungen hätte, Dr. B. bei verminderter Arbeitskraft für 1 Jahr noch an der Hälfte der Reineinnahmen der Praxis zu beteiligen, sei wegen des vorzeitigen Ablebens Dr. B.s nicht mehr zum Tragen gekommen. Er sei ebenfalls schon in dem Krozinger Entwurf enthalten gewesen und von den Beklagten in voller Kenntnis seiner Tragweite schon in ihrem Schreiben vom 14. Mai 1957 als "bestimmt kein unbilliges Verlangen" bezeichnet worden.
3.
Die Revision greift die Feststellungen des Berufungsgerichts mit Verfahrensrügen an und rügt Verletzung des § 138 BGB.
a)
Das Berufungsgericht hatte durch Beweisbeschluß vom 1. August 1961 beschlossen, einen vom Vorstand der Rechtsanwaltskammer Karlsruhe zu benennenden Sachverständigen über die Vereinbarkeit des Vertrages vom 29. Juni 1957 mit dem Standesrecht zu hören. Nachdem inzwischen ein Wechsel im Senatsvorsitz eingetreten war, beraumte der neue Vorsitzende "nach Beratung im Senat unter Aufhebung des Beweisbeschlusses" am 10. August 1962 Termin zur mündlichen Verhandlung an. Aufgrund dieser Verhandlung erging das angefochtene Urteil.
Die Revision rügt, den Beklagten sei insoweit kein rechtliches Gehör gewährt worden, auch sei § 138 ZPO verletzt. Die Rügen sind nicht begründet.
Das Gericht braucht einen Beweisbeschluß nicht auszuführen, sondern kann, wenn es bei erneuter Prüfung die angeordnete Beweisaufnahme nicht für erforderlich hält, von einer Beweisaufnahme absehen. Die von der Revision beanstandete Verfügung des Vorsitzenden war nicht mehr als die Verlautbarung dieser Ansicht des Senats in seiner neuen Zusammensetzung. Die Beklagten hatten Gelegenheit, in der mündlichen Verhandlung ihre Bedenken gegen diese Ansicht und die nach ihrer Meinung für eine Begutachtung durch einen Berufsgenossen sprechenden Gründe darzulegen. Von einer Versagung des rechtlichen Gehörs kann danach nicht die Rede sein. Ob das Gericht einen Sachverständigen zuziehen wollte, lag in seinem Ermessen. Die Revision hat nicht dargetan, daß das Berufungsgericht von seinem Ermessen einen fehlerhaften Gebrauch gemacht hat. Wegen der nahen Verwandtschaft des richterlichen und des Anwaltsberufs konnte das Berufungsgericht ausreichende Sachkunde hinsichtlich des anwaltlichen Standesrechts für sich in Anspruch nehmen. Zudem handelte es sich im vorliegenden Fall weniger um spezifische Standesfragen, sondern um die wirtschaftliche Frage, ob Dr. B. sich unangemessen hohe und für die Beklagten untragbare Gegenleistungen für die Überlassung der Praxis hatte versprechen lassen. Dies konnte das Gericht aufgrund eigener Sachkunde entscheiden.
b)
Die Revision rügt weiter, das Berufungsgericht habe bei dieser Entscheidung nicht hinreichend berücksichtigt, daß die Beklagten neben dem Barkaufpreis noch andere drückenden Verpflichtungen übernommen hätten. Es habe insbesondere außer Betracht gelassen, daß die Klientel Dr. B.s derart überwiegend in der Betreuung der schwägerlichen M.-Klientel bestanden habe, daß von einer "Einmann-Klientel" gesprochen werden müsse. Der Verkauf einer "Einmann-Klientel" sei aber schlechthin nichtig, weil er den Rechtsanwalt unabwendbar in ein Abhängigkeitsverhältnis zum Klienten bringe, das mit der Stellung des Rechtsanwalts, der ein unabhängiges Organ der Rechtspflege sein solle, nicht vereinbar sei. Der Revision kann insoweit nicht beigepflichtet werden.
Zwar trifft es zu, daß ein Rechtsanwalt, dessen Praxis sich im wesentlichen auf die Aufträge einer einzigen größeren Firma stützt, leichter in die Gefahr einer standeswidrigen Abhängigkeit von einem Mandanten gerät als ein Anwalt mit breit gestreuter Praxis. Eine solche standeswidrige Abhängigkeit ist aber auch im Falle einer "Einmann-Klientel" nicht unabwendbar. Wäre es andersrum so wäre überhaupt die Ausübung einer Praxis mit einer "Einmann-Klientel" Standeswidrig. Davon kann nicht die Rede sein. Es hängt vielmehr soweit von der Persönlichkeit des Anwalts wie von den Qualitäten des Klienten ab, ob sich der Anwalt in eine standeswidrige Abhängigkeit von seinem Klienten verstrickt. Der Verkauf einer "Einmann-Klientel" mag deshalb standesrechtlich - und damit in der Regel auch unter dem Gesichtspunkt des § 138 BGB - bedenklich sein, wenn der die Praxis veräußernde Anwalt sich schon in einer ständeswidrigen Abhängigkeit von seinem Klienten befand oder sich jedenfalls entsprechenden Zumutungen seines Klienten ausgesetzt sah. In dieser Hinsicht haben aber die Beklagten nichts vorgetragen. Daß später - beim Zusammenbruch der M. und im Strafverfahren gegen die Gebrüder M. - nach der Behauptung der Beklagten solche Zumutungen an sie gestellt worden sind, kann nicht die Sittenwidrigkeit eines Vertrages begründen, bei dessen Abschluß mit solchen Zumutungen noch nicht zu rechnen war.
c)
Die Revision rügt ferner als vom Berufungsgericht übergangen oder vernachlässigt, daß die Beklagten das von Dr. B. mit M. geschlossene Beitreibungsabkommen weiter ausführen mußten. Dabei handelt es sich um folgendes:
Dr. B. hatte am 21. September 1954 mit der Firma M. Werk GmbH. Pfäffingen folgenden Vertrag geschlossen:
"1.
Die Firma M. überträgt ihre sämtlichen Beitreibungssachen dem Rechtsanwalt (Dr. B.).
2.
Der Rechtsanwalt erhebt in diesen Beitreibungssachen keine Vorschüsse auf seine Gebühren.
3.
Der Rechtsanwalt macht der Firma M. gegenüber, falls die Forderung nebst Kosten nicht eingegangen ist, die gesetzlichen Anwaltsgebühren nicht geltend, er macht lediglich die baren Auslagen für Porto, Ferngespräche, Gerichts- und Gerichtsvollziehergebühren sowie Schreibgebühren für gewünschte Abschriften geltend. Der Pauschbetrag gemäß Ziff. 3 Abs. 2 der Beitreibungsrichtlinien wird auf DM 2,- für jede Beitreibungssache festgesetzt. Dieser Pauschbetrag kommt nicht in Ansatz, wenn die Kosten vom Schuldner beigetrieben werden."
In dem Vertrage vom 29. Juni 1957 hatten sich die Beklagten verpflichtet, "die ihnen übergebenen Rechtsangelegenheiten weiter zu bearbeiten". Soweit in den Beitreibungssachen für Dr. B. bereits Gebührenansprüche entstanden waren, mußten sie diese für Dr. B. einziehen.
Die Revision beanstandet, das Berufungsgericht habe zu unrecht die von den Beklagten insoweit übernommenen Verpflichtungen nur mit 1.000 DM bewertet. Die von beiden Parteien übereinstimmend gemachte Wertangabe von 1.000 DM habe sich nur auf die kostenlose Abrechnung und Einziehung der Forderungen Dr. B.s in den wenigen Sachen bezogen, die am 30. Juli 1957 bereits abgeschlossen gewesen seien. Zusätzlich hätten die Beklagten Dr. B. von den Verpflichtungen aus dem Beitreibungsabkommen mit M. freistellen müssen. Dies sei eine besonders zeitraubende Tätigkeit schon deshalb gewesen, weil Dr. B.s Akten nicht in Ordnung gewesen seien, und eine besonders unergiebige, weil es sich großenteils um hoffnungslose Vollstreckungsfälle gehandelt habe.
Auch diese Rüge schlägt nicht durch. Allerdings haben die Parteien bei ihrer Erklärung im Termin vom 26. Oktober 1960 unterschieden zwischen den am 30. Juni 1957 erledigten Sachen, für die sie übereinstimmend den erforderlichen Arbeitsaufwand der Beklagten mit 1.000 DM bewertet haben, und den M.-Beitreibungssachen nach Maßgabe des Beitreibungsabkommens. Das Berufungsgericht hat jedoch insoweit nicht das Vorbringen der Beklagten übersehen, die Fortsetzung der Beitreibungstätigkeit sei besonders mühevoll und unergiebig gewesen. Es hält aber für entscheidend, daß die Beklagten das Beitreibungsabkommen Dr. B.s mit M. und seine Handhabung aus ihrer Urlaubsvertretung genau gekannt hatten, gleichwohl aber von Anfang an (vgl. ihr Schreiben vom 14. Mai 1957) zu seiner Fortführung bereit gewesen seien und daß sie im Ergebnis, wie der von ihnen mit M. erzielte Umsatz von rd. 75.000 + 45.000 DM ergebe, voll auf ihre Kosten gekommen seien. Diese im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegende Wertung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
d)
Die Revision rügt ferner, das Berufungsgericht habe bei der Bewertung der von den Beklagten übernommenen Gegenleistungen das Recht Dr. B.s nicht berücksichtigt, jederzeit mindestens für 1 Jahr als hälftig beteiligter Sozius in die Praxis einzutreten. Das Berufungsgericht führt dazu aus:
Da die Beklagten den bereits im Krozinger Entwurf vorgesehenen Sozietätsvorbehalt schon in ihrem Schreiben vom 14. Mai 1957 selbst bei verminderter Arbeitsfähigkeit Dr. B.s als billiges Verlangen bezeichnet hätten, müßten sie sich den Einwand unzulässiger Rechtsausübung gefallen lassen, wenn sie jetzt die Übernahme des Vorbehalts in den endgültigen Vertrag als besonders drückende Verpflichtung darstellten. Auf jeden Fall sei aber dieser Einwand den Beklagten gemäß § 242 BGB verschlossen, nachdem Dr. B. am 1. Juni 1961 verstorben und damit der Sozietätsvorbehalt endgültig gegenstandslos geworden sei.
Mindestens gegen die Hilfsbegründung des Berufungsurteils sind aus Rechtsgründen Bedenken nicht herzuleiten.
e)
Da es für die Frage, ob der Vertrag vom 29. Juni 1957 wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig war, nur auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommen kann, hat das Berufungsgericht zu Recht grundsätzlich Vorgänge unberücksichtigt gelassen, die sich nach diesem Zeitpunkt ereignet haben. Das gilt insbesondere von einem weiteren Rechtsstreit unter den Parteien, in dem die Klägerin von den Beklagten Schadensersatz - unter Bezifferung eines Teilbetrages von 20.000 DM - verlangt, weil sie Forderungen Dr. B.s gegen M. nicht rechtzeitig eingezogen hätten. Die Revision hält es für einen Widerspruch in sich, daß einerseits Dr. B. den Beklagten durch den Vertrag vom 29. Juni 1957 auferlegt habe, die Beziehungen zu M. pfleglich zu behandeln, die Klägerin ihnen in dem Schadensersatzprozeß aber vorwerfe, sie hätten die Gebührenforderungen Dr. B.s gegen M. mit Vorrang beitreiben sollen. Ob das Vorbringen der Klägerin in den beiden Prozessen sich in dieser Weise zuspitzen und gegenüberstellen läßt, kann dahinstehen. Jedenfalls könnte ein unbegründetes Vorbringen der Klägerin im Schadensersatzprozeß nur die Klage dort, nicht aber den Vertrag vom 29. Juni 1957, die Grundlage für die vorliegende Klage, zu Fall bringen.
f)
Die Revision bemängelt schließlich, für die Sittenwidrigkeit des Vertrages vom 29. Juni 1957 müsse den Ausschlag geben, daß Dr. B. die Beklagten bei den Verhandlungen vom 28. und 29. Juni 1957 in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt habe. Er habe - für sie unerwartet (vgl. den Krozinger Entwurf) - plötzlich ein beträchtliches Entgelt für den Goodwill der Praxis in ultimativer Weise verlangt; sie hätten sich diesem Druck nicht entziehen können, weil sie sich schon seit Monaten auf die Übernahme der Praxis eingerichtet hätten und schon als "mutmaßliche" Nachfolger in der Praxis des Dr. B. bekannt worden seien.
Die Revision setzt sich mit ihren Angriffen in Widerspruch zu der Feststellung des Berufungsgerichts, die Beklagten hätten trotz der Eile, mit der Dr. B. die Verhandlungen geführt habe, ihre Entscheidung aufgrund freier Entschließung und genügender Überlegung getroffen. Daß Dr. B. auch für den Goodwill der Praxis ein gewisses Entgelt forderte, ergab sich schon aus dem Krozinger Entwurf nach dem die Beklagten den Neuanschaffungspreis für das Inventar, und damit einen gegenüber dem Zeitwert überhöhten Preis zahlen sollten Unter Zeitdruck gerieten die Verhandlungen deshalb, weil Dr. B. unerwartet kurzfristig wie der zum Staatsdienst einberufen wurde. Die Beklagten waren aber nicht gehindert, das - nach ihrer Meinung zu hohe - Entgelt für den Geschäftswert abzulehnen Der Druck, unter den sie durch die Forderung Dr. B.s gerieten, wäre unzulässig nur gewesen, wenn die Forderung Dr. B.s objektiv unangemessen gewesen wäre oder Dr. B. die Beklagten geflissentlich in eine Zwangslage hineinmanövriert hätte. Beides war nach den ohne Rechtsfehler getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall.
II.
Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung
Die Beklagten haben den Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten,
1.
weil Dr. B. ihnen der Wahrheit zuwider vorgespiegelt habe, er sei der Hausanwalt der Gebrüder M. und der Firmen M.,
2.
weil Dr. B. ihnen die katastrophale wirtschaftliche Lage von M. verschwiegen habe, die schon 8 Monate später zum Zusammenbruch führte.
1.
Das Berufungsgericht verneint, daß Dr. B. den Beklagten falsche Angaben bezüglich seines Verhältnisses zu. M. gemacht habe. Er habe die Beklagten vor dem Vertragsabschluß darüber unterrichtet, daß M. in Hameln und Essen in Beitreibungssachen zwei sog. vollstreckungsnähere Anwälte einsetze. Hiervon seien die Beklagten auch aus der Zeit der Urlaubsvertretung Dr. B.s unterrichtet gewesen. Im übrigen seien sie durch die Kenntnis der Struktur und des Betriebs der Praxis Dr. B.s vor ihrer Übernahme, durch die seitens M. erklärte Bereitschaft, mit ihnen wie mit Dr. B. zusammenzuarbeiten und durch den an sich überflüssigen Hinweis Dr. B.s, er könne für M. nicht garantieren, hinreichend aufgeklärt worden.
Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe unter Verletzung des § 286 ZPO nicht begründet, worauf es seine Feststellung stütze, die Beklagten hätten von der regionalen Aufteilung der Beitreibungssachen gewußt. Die Revision übersieht, daß das Berufungsgericht dies als von den Beklagten selbst zugestanden feststellt. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe nicht beachtet, daß M. auch in der Spiegel-Sache andere Anwälte beauftragt habe, ist schon deshalb unbeachtlich, weil die Auseinandersetzung mit dem Spiegel erst im August 1957, also nach der Praxisübernahme stattfand. Insoweit kann Dr. B. sich schon aus zeitlichen Gründen nicht einer arglistigen Täuschung der Beklagten schuldig gemacht haben.
2.
Unter Bezugnahme auf die Akten des Strafverfahrens gegen die Gebrüder M. hatten die Beklagten in der Berufungsbegründung vorgetragen: Bereits die Bilanz (Gewinn- und Verlustrechnung?) per 31.12.1955 habe einen Verlust des M.-Werks von rd. 1,5 Millionen DM ausgewiesen einen Verlust in wiederum gleicher Höhe auch die Bilanz per 31.12.1956. Schon bei den Vorarbeiten für diese Bilanz sei eine Überschuldung der Firma M. festgestellt worden. Die Liquidität des Unternehmens sei schlecht gewesen, weil 8,3 Milionen DM Fremdmitteln nur 4,4 Millionen DM Forderungen und flüssige Mittel gegenübergestanden hätten. Schon 1955 seien bedenkliche Stockungen bei der Regulierung von Verbindlichkeiten auf getreten. 1956 sei die Zweiradfertigung auf 50 % der Produktion von 1955 zurückgegangen. Die Umstellung auf den Bau von Kleinwagen habe erhebliche Investierungen erfordert und sei deshalb für das kapitalschwache Unternehmen besonders riskant gewesen, habe auch keinen Erfolg gezeitigt. Dr. B. sei die seit langem sich anbahnende Zuspitzung der Situation aufgrund seiner verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Gebrüdern M., mit denen er fast täglich beruflich und familiär zusammengekommen sei, nicht verborgen geblieben. Deshalb habe er sich noch rechtzeitig in den Staatsdienst gerettet.
Die Beklagten hatten die Gebrüder M. als Zeugen dafür benannt, daß Dr. B. die schweren Krisenerscheinungen des M.-Werks in den Jahren 1955 bis 1956 - wenn auch nicht in allen Einzelheiten - gekannt habe. Die Revision rügt Übergehung dieses Beweisantrages (§ 286 ZPO). Die Rüge ist begründet.
Das Berufungsgericht stellt gegenüber den Behauptungen der Beklagten fest:
Dr. B. habe bei seiner Parteivernehmung ausgesagt, er habe sich mit seinen Schwägern über die Vermögenslage von M. nie unterhalten; der Zusammenbruch von M. sei für ihn ebenso überraschend gekommen wie für die Beklagten. Diese Darstellung Dr. B.s sei in sich geschlossen und glaubhaft. Auch die Beklagten selbst hätten sie für wahr erachtet, wie sich aus der von ihnen selbst vorgelegten Aktennotiz vom 28. Januar 1959 ergebe. Die anders lautende Behauptung im Parteivortrag der Beklagten könne daher auch nach der Überzeugung der Beklagten nicht als wahr hingenommen werden. Die Beweisanträge der Beklagten (Beiziehung der Konkurs- und Strafakten Maisch, Vernehmung der Brüder M.), seien "bedeutungslos".
Bei der Aktennotiz vom 28. Januar 1959 handelt es sich um folgendes:
An diesem Tage fand im Hause M. eine Besprechung statt, an der außer den Beklagten die Brüder Otto und Wilhelm M. und Dr. B. teilnahmen. Zwischen den Beteiligten wurde erörtert, ob es möglich sei, den vorliegenden Rechtsstreit bis zur Erledigung des gegen die Gebrüder M. laufenden Strafverfahrens auszusetzen, was diese für wünschenswert hielten. Über diese Besprechung fertigte der Beklagte W. sen. einen Vermerk, der den Gang der Besprechungen im einzelnen festhielt. Er lautet in dem hier interessierenden Teil:
"... Nunmehr erklärt (Dr. B.), er könne in eine Aussetzung nur einwilligen, nachdem der gegen ihn erhobene Vorwurf des Betruges zurückgenommen und seine Ehre wieder hergestellt sei.
(Der Beklagte W. sen.) weist darauf hin, daß ihm ein ähnlicher Vorwurf gemacht worden sei: Er habe von vornherein gar nicht die Absicht gehabt, sich an den Vertrag zu halten.
Nachdem (die Gebrüder M.) bestätigt haben, daß sie mit (Dr. B.) niemals über die finanzielle Lage von M. gesprochen haben, erklärt (W. sen.) sich bereit, dies dem Gericht mitzuteilen, mit dem Hinzufügen, daß diese Erklärungen für ihn maßgebend seien.
Darauf verlangt (Dr. B.) weitere Erklärungen dahingehend daß (der Beklagte W. sen.) auch sonst keine Anhaltspunkte für seinen Verdacht gehabt habe. Er befürchtet, daß sonst der Vorwurf in anderer Form erneuert werde.
(Dr. B.) befürchtet, daß (der Beklagte W. sen.) Hintergedanken habe. Es müsse auch noch die Verpflichtung übernommen werden, mündlich keine ähnlichen Behauptungen auf zu stellen.
(W. sen.) lehnt jede weitere Erklärung über die von ihm angebotene hinaus ab.
(Dr. B.) besteht darauf.
Hieran scheitert die Verständigung. ..."
Diesen Vermerk übergaben die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 1961 zusammen mit anderen Unterlagen zu den Akten.
Aufgrund dieses Sachverhalts hätte das Berufungsgericht den Antrag der Beklagten, die Brüder M. als Zeugen zu hören, unberücksichtigt lassen dürfen, wenn aus dem Vermerk zu folgern wäre, die Beklagten hätten in der Besprechung vom 28. Januar 1959 die (zutreffende) Überzeugung erlangt, Dr. B. habe vor dem 29. Juni 1957 mit den Brüdern M. niemals über die finanzielle Lage von Maico gesprochen und deshalb von der Krise, in der sich das Unternehmen befand, nichts gewußt. Dann war der entgegengesetzte Prozeßvortrag der Beklagten auch subjektiv unwahr und ihr Beweisantrag rechtsmißbräuchlich und deshalb unbeachtlich. Aus dem Berufungsurteil ist jedoch schon nicht mit Sicherheit zu entnehmen, ob das Berufungsgericht in der Tat den Beklagten vorwerfen will, sie hätten Beweis für eine Behauptung angetreten, die sie selbst für unwahr hielten. Wäre das Urteil so zu verstehen, so fehlt es jedenfalls an einer ausreichenden Begründung. Der Vermerk vom 29. Januar 1959 genügt dafür nicht. Die in der Besprechung in Aussicht genommene Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits sollte einer von den Gebrüdern M. befürchteten Gefährdung ihrer Interessen entgegenwirken. Die Gebrüder M. waren damals noch die Mandanten der Beklagten. Wenn die Beklagten sich bereit erklärten, um das Einverständnis Dr. B.s zu einer Aussetzung zu erlangen, gegen ihn den Vorwurf des Betruges fallen zu lassen, so lag darin nicht - jedenfalls nicht ohne weiteres - die Erklärung, sie hätten sich vom Gegenteil ihrer bisherigen Behauptungen überzeugt, sondern nur das Vergleichsangebot, im Interesse ihrer Mandanten ihre bisherige Behauptung im Prozeß gegen Dr. B. fallenzulassen. Für diese Auslegung spricht auch, daß die Beklagten sich strikte weigerten, eine umfassendere Ehrenerklärung für Dr. B. abzugeben. Da hieran der in Aussicht genommene Zwischenvergleich scheiterte, sind die Beklagten an ihre damalige Erklärung nicht mehr gebunden.
Sie haben auch im Rechtsstreit klar zu erkennen gegeben, daß sie sich an sie nicht mehr gebunden hielten. Sie haben ihren vom Berufungsgericht nicht berücksichtigten Beweisantrag erst in der Berufungsbegründung vom 24. Oktober 1959, also nach der Besprechung vom 28. Januar 1959, gestellt. Sie haben auch den Vermerk über diese Besprechung nicht im Zusammenhang mit ihrem Sachvortrag über die (angebliche) arglistige Täuschung Dr. B.s eingereicht, sondern in einer mündlichen Verhandlung, in der auch Vergleichsmöglichkeiten erörtert wurden, offenbar zu dem Zweck, das Verhalten Dr. B.s. bei früheren Vergleichsverhandlungen negativ zu charakterisieren. Nach Übergabe des Vermerks haben die Beklagten dann noch in einer mit Schriftsatz vom 17. Juli 1961 übergebenen Erklärung des Beklagten zu 1 S. 5, 6 ausdrücklich begründet, warum sie sich an ihre Erklärung vom 28. Januar 1959 nicht mehr gebunden hielten. Demnach konnte das Berufungsgericht auch nicht annehmen, die Beklagten hielten den in der Berufungsbegründung gestellten Beweisantrag nicht mehr aufrecht.
Unter diesen Umständen ist kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigen könnte, daß das Berufungsgericht den Beweisantrag der Beklagten unberücksichtigt gelassen hat.
III.
Erschütterung der Geschäftsgrundlage.
Das Berufungsgericht verneint, daß die Beklagten sich unter diesem Gesichtspunkt vom Vertrage lösen oder der Klagforderung Einwendungen entgegensetzen könnten. Es stellt fest, Dr. B. habe eine so eng vertrauliche Zusammenarbeit, wie sie die Beklagten den M.-Werken gegenüber gefordert hätten, selbst nie praktiziert. Die Beklagten hatten ferner gewußt, daß auch andere Anwälte für Maico tätig seien und Dr. B. habe ihnen auf ihre Frage, wie es sei, wenn M. abspringe, erklärt, selbstverständlich könne er für M. nicht garantieren. Das Berufungsgericht konnte daraus ohne Rechtsfehler folgern, es sei nicht Geschäftsgrundlage des Vertrages vom 29. Juni 1957 geworden, daß die Beklagten die "Hausanwälte" von M. in dem von ihnen verstandenen Sinne würden. Es konnte ferner ohne Rechtsirrtum davon ausgehen, nach dem Willen der Parteien hätten das Risiko, daß die M.-Firmen Klienten der Praxis blieben, in jedem Falle die Beklagten tragen sollen, also auch insoweit, als die Fortdauer der wirtschaftlichen Existenz der M.-Firmen in Frage stand. Im übrigen kann nach der im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegenden Wertung des Berufungsgerichts eine Abänderung des Vertrages unter dem Gesichtspunkt der Erschütterung der Geschäftsgrundlage schon deshalb nicht in Betracht kommen, weil die Beklagten trotz des Zusammenbruchs der M.-Firmen in der Praxis Dr. B.s, einen angemessenen Gegenwert für das vereinbarte und von ihnen großenteils erst noch zu entrichtende Entgelt gefunden haben.
IV.
Vergütung für die Urlaubsvertretung im Jahre 1957
Das Berufungsgericht erkennt den Beklagten eine Vergütung nicht zu. Es führt dazu aus:
Eine Vergütung sei nicht ausdrücklich vereinbart worden. Die Beklagten hätten selbst erklärt, sie würden für die Vertretungstätigkeit nichts verlangt haben, wenn Dr. B. ihnen seine Praxis zu maßvollen Bedingungen abgegeben hätte. Das sei aber - entgegen der Ansicht der Beklagten - geschehen. Die Vertragsbedingungen seien gerecht und billig. Dem Anspruch der Beklagten stehe im übrigen die Einrede der Arglist (Verwirkung, Rechtsmißbrauch) entgegen.
Die Revision rügt demgegenüber, die den Beklagten aufgezwungenen Vertragsbedingungen seien nicht maßvoll gewesen. Die Beklagten treffe auch nicht der Vorwurf der Arglist, weil nicht sie Dr. B., sondern dieser sie hintergangen habe. Sie konnten deshalb Vergütung für ihre Urlaubsvertretung verlangen. Die Revisionsrüge greift nicht durch.
Auch nach dem Vortrag der Beklagten haben die Parteien zunächst Unentgeltlichkeit der Urlaubsvertretung vereinbart. Vertragsgrundlage dafür war allerdings, daß die Beklagten später die Praxis Dr. B.s übernahmen. Von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage könnte danach überhaupt nur die Rede sein, wenn ein Übernahmevertrag nicht rechtswirksam zustandegekommen oder wenn er später durch Anfechtung rückwirkend vernichtet worden wäre. Das ist hinsichtlich der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung noch offen (II 2). Einer Entscheidung über den Vergütungsanspruch der Beklagten bedarf es aber im vorliegenden Rechtsstreit auf keinen Fall: Sollte der Übernahmevertrag wegen arglistiger Täuschung rechtswirksam angefochten und deshalb nichtig sein, so entfiele damit die Klageforderung und damit auch die Notwendigkeit, über die Gegenforderung der Beklagten zu entscheiden. Ist aber der Übernahmevertrag rechtsbeständig und die Klageforderung deshalb begründet, so ist die Geschäftsgrundlage des Vertrages über die unentgeltliche Urlaubsvertretung nicht entfallen und deshalb die Gegenforderung der Beklagten unbegründet.
Wegen des zu II erörterten Verfahrensfehlers war das angefochtene Urteil gemäß § 564 ZPO aufzuheben. Gemäß § 565 ZPO war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben wird.
Fundstellen
Haufe-Index 3018603 |
BGHZ 43, 46 - 51 |
BGHZ, 46 |
DB 1965, 285 (Volltext) |
NJW 1965, 580 |
NJW 1965, 580-581 (Volltext mit amtl. LS) |
MDR 1965, 375 (Volltext mit amtl. LS) |