Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, welchen Beschränkungen der Apotheker in seiner Warenwerbung unterliegt.

 

Orientierungssatz

1. Der Betrieb einer Apotheke ist Betrieb eines Handelsgewerbes im Sinne des HGB § 1 Abs 2 Nr 1. Besonderheiten gegenüber sonstigen privaten Gewerbebetrieben ergeben sich aus der gestellten öffentlichen Aufgabe und aus dem sondergesetzlich geregelten Apothekenbetrieb: Nach ApoG § 1 Abs 1 obliegt den Apotheken die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung; nach ApoG § 21 ist die Apotheke nach den Vorschriften der Apothekenbetriebsordnung zu betreiben.

2. Weder das Apothekengesetz noch die Apothekenbetriebsordnung enthalten Vorschriften, die grundsätzlich eine Werbung der Apotheker schlechthin verbieten. Auch Apotheker dürfen werben. Gewisse Beschränkungen ergeben sich aus der Hauptaufgabe der Apotheker, die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zuverlässig zu gewährleisten. Davon ist die Werbung für apothekenübliche Waren im Sinne der ApoBetrO § 12 nicht ausgenommen. Auch eine solche Werbung muß im Blick auf die Sicherung der Hauptfunktion des Apothekers gestaltet werden.

3. Bei Berücksichtigung der zur Sicherung der Hauptaufgabe des Apothekers erforderlichen Beschränkungen können insbesondere übertreibende, anreißerische, die Individualsphäre verletzende (marktschreierische) werbliche Maßnahmen sich störend auf das Verhältnis des Apothekers zum Kunden und damit die ordnungsgemäße Versorgung mit Arzneimitteln beeinträchtigend auswirken. Kann das Vertrauen des Publikums auf die Zuverlässigkeit des Apothekers durch dessen werbliche Tätigkeit in Frage gestellt werden, weil zu befürchten ist, daß eine sachgerechte Belieferung nicht mehr gewährleistet ist, dann ist eine solche Werbung marktschreierisch und damit unzulässig.

4. Diese Grundsätze gelten sowohl für die Werbung für Arzneimittel als auch für die Werbung für apothekenübliche Waren; dabei sind die Maßstäbe bei apothekenpflichtigen Waren strenger als bei dem sonstigen Warensortiment. Das ergibt sich aus der insoweit erfahrungsgemäß verschiedenen Einstellung des Verkehrs je nach Art der vom Apotheker angebotenen Waren.

5. Hier insbesonders: Zur Frage, ob die Werbung für das Nebensortiment der Apotheke in Zeitungsanzeigen und Faltprospekten mit dem farblich hervorgehobenen bzw verkehrsschildmäßig dargestellten Text: Gestatten, Familie Sparpreis und Stop Sparpreis marktschreierisch und daher mit der Standeswürde des Apothekers unvereinbar ist.

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 23. Oktober 1980 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien betreiben Apotheken. Der Beklagte ließ in der Ausgabe der „D. Rundschau” vom 18. Juni 1980 folgende Anzeige erscheinen: (Folgt Abb. der Anzeige – Zusammenfassung:

Die große D. Rundschau.

Anzeigenblatt für …

Aus dem nichtapothekenpflichtigen Sortiment der S.-Apotheke.

(Folgt, z.T. mit Abbildungen und unter Hervorhebung der Marken, die Anzeige verschiedener Babykost-Artikel, Zahnpasten, Stärkungsmittel.)

Die Preise für apotheken- und rezeptpflichtige Arzneimittel sind gesetzlich vorgeschrieben und darum in jeder Apotheke gleich.

(S.-Apotheke, D., M. Str., Ruf …)

Außerdem ließ der Beklagte den nachstehend abgebildeten Faltprospekt außerhalb der Apotheke verteilen: (Folgt Abb. – Zusammenfassung: werden unter den weiteren jeweils im Fettdruck hervorgehobenen Textzeilen

Aus dem Intimbereich die jeweils einschlägigen Markenartikel mit Mengenangaben und Preisangaben aufgeführt, desgleichen unter den Textzeilen

  • Bevor Sie hier zugreifen, folgen Sie dem Rat des Apothekers
  • Diät leben, – das bedeutet nicht immer überflüssige Pfunde

„runterzuhungern”, sondern vielmehr, etwas für seine Gesundheit zu tun Stärkungsmittel und Laxativa bzw. Diätnahrungsmittel. Unter dem nochmals blickfangmäßig hervorgehobenen Text

PLUSPUNKTE

  • Die qualifizierte Beratung des Apothekers und seiner Mitarbeiter
  • Die schnelle Besorgung
  • Das Sortiment
  • Und die günstigen Angebote

wird nochmals eine Auswahl aus den vorgenannten Angeboten mit Mengen- und Preisangaben herausgestellt.)

Die Klägerin ist der Auffassung, diese Werbung verstoße gegen § 9 Buchst. f) der von der Bayerischen Apothekerkammer erlassenen Berufsordnung für Apotheker; die Bestimmung des § 9 Buchst. f) BO hat folgenden Wortlaut: Verboten sind insbesondere f) irreführende Angaben über Heilwirkungen, marktschreierische Anpreisungen, unwürdige Texte und Bilder.

Die Klägerin hat beantragt, dem Beklagten bei Strafandrohung zu verbieten,

a) in Zeitungsannoncen für das Nebensortiment seiner Apotheke zu werben,

b) mit außerhalb der Apotheke verteilten Faltprospekten für das Nebensortiment seiner Apotheke zu werben.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 21. August 1980 – 1 HKO 3574/80 – die Klage abgewiesen.

In der Berufungsinstanz hat die Klägerin neben den weiterverfolgten erstinstanzlichen Anträgen hinsichtlich der Prospektwerbung insbesondere ein Verbot der Verteilung des Prospekts Nr. 9. 2/79 erstrebt.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie ihre Anträge aus den Vorinstanzen weiterverfolgt. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klage unbegründet. Im einzelnen führt das Berufungsgericht aus, in erster Linie bekämpfe die Klägerin jede Werbung für das Nebensortiment durch Zeitungsanzeigen und durch außerhalb der Apotheke verteilte Faltprospekte; solche Werbemaßnahmen stellten jedoch ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keine marktschreierischen Anpreisungen im Sinne des § 9 Buchst. f) der Berufsordnung für Apotheker dar. Aus dem in § 8 BO niedergelegten Grundsatz, wonach der Apotheker berechtigt sei, in angemessener Form zu werben, ferner aus den übrigen Fallgestaltungen des § 9 Buchst. f) BO (irreführende Angaben über Heilwirkungen, standesunwürdige Texte und Bilder) sei ersichtlich, daß die Werbung sich nach Form und Inhalt von dem üblichen Rahmen abheben müsse, um als marktschreierisch angesehen zu werden. Die Verwendung von Zeitungsanzeigen oder von zur Außenverteilung bestimmten Faltprospekten als Werbemittel entspreche einer allgemein als neutral und weder als anreißerisch noch als marktschreierisch aus dem Rahmen fallend empfundenen Aufmerksamkeitswerbung. Dabei sei von dem übergeordneten Ziel auszugehen, im Interesse einer funktionstüchtigen Gesundheitsfürsorge ein übersteigertes kaufmännisches Geschäftsgebaren von Apothekern zu verhindern und die Erfüllung der vorrangigen Aufgabe der Apotheker, nämlich eine geordnete Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, sicherzustellen; diese Ziele könnten allerdings auch durch eine marktschreierische Werbung für sog. apothekenübliche Waren gefährdet werden; denn eine solche Werbung könnte geeignet sein, den Apotheken den Charakter von „Drugstores” zu geben und so eine unerwünschte Entwicklung einzuleiten. Die Verwendung überkommener, dem Verkehr als üblich und angemessen bekannter Werbeformen wie Prospektverteilung und Anzeigengestaltung könne jedoch nicht als Gefährdung der mit der Werbebeschränkung der Apotheker verfolgten übergeordneten Ziele aufgefaßt werden; die Beschränkung solle nämlich nicht die Werbung als solche, sondern nur bestimmte Auswüchse verhindern. Auch eine besonders großzügige Auslegung des Begriffs „marktschreierisch” könne der Verwendung der hier benutzten Werbemittel ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht erfassen.

Hinsichtlich des Prospekts Nr. 9.2/79 habe die Klägerin in der mündlichen Verhandlung klargestellt, daß sie diesen Prospekt in zwei Punkten für marktschreierisch halte, nämlich soweit in der Kopfleiste der Prospektinnenseiten in roter Schrift der Begriff „Familie Sparpreis” genannt sei, und soweit die Schilder mit der Inschrift „Stop. Sparpreis” verwendet würden. Weitere Bestandteile des Prospekts greife die Klägerin nach ihrer ausdrücklichen Erklärung nicht an. Die Verwendung des Begriffs „Familie Sparpreis”, so hat das Berufungsgericht weiter ausgeführt, stelle keine marktschreierische Werbung dar; es handle sich insoweit um eine fiktive Personenmehrheit, die als Beispiel für preisbewußtes Käuferverhalten angeführt werde; das könne nicht als übertriebenes Werbeverhalten angesehen werden; ebenso nicht die farbliche Hervorhebung der Wendung „Familie Sparpreis” aus dem übrigen Text im Kopfteil der Prospektinnenseiten. Auch der Gebrauch der Worte „Stop. Sparpreis” stelle weder formal noch inhaltlich eine marktschreierische Anpreisung dar; hier handle es sich nach dem Sinngehalt um eine Aufforderung, die günstige Preisgestaltung zu beachten; das könne nicht als anreißerisch angesehen werden. Die bildliche Darstellung in Form eines farbigen Schildes in der Art von Verkehrszeichen entspreche den dem Verkehr seit langem bekannten Formen moderner Werbung, an die er gewöhnt sei; eine unzulässige Übersteigerung sei damit nicht verbunden. Diese Umstände zu bewerten, sei das Gericht selbst ohne Beiziehung eines Sachverständigengutachtens in der Lage.

Die gegen diese Ausführungen gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.

II. Zunächst kann der Auffassung der Revision, daß jegliche Werbung der Apotheker durch Zeitungsanzeigen und durch Verteilung von Prospekten außerhalb der Apotheke deshalb wettbewerbswidrig sei, weil sie sich über § 9 Buchst. f) BO für Apotheker und über die Auffassungen der Apothekerkammer und der Standesgenossen hinwegsetze, nicht gefolgt werden.

1. Der Betrieb einer Apotheke ist Betrieb eines Handelsgewerbes im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 HGB; er ist ein auf Dauer und auf Gewinnerzielung angelegter Gewerbebetrieb, der die Anschaffung und Weiterveräußerung von Waren ohne Unterschied, ob diese unverändert oder nach einer Bearbeitung oder Verarbeitung weiter veräußert werden, zum Gegenstand hat.

Besonderheiten gegenüber sonstigen privaten Gewerbebetrieben ergeben sich aus der gestellten öffentlichen Aufgabe und aus dem sondergesetzlich geregelten Apothekenbetrieb: Nach § 1 Abs. 1 ApothekenG obliegt den Apotheken die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung; nach § 21 ApothekenG ist die Apotheke nach den Vorschriften der Apothekenbetriebsordnung zu betreiben (vgl. Schiedermair-Pieck, ApothekenG, 3. Aufl. Rdn. 141 zu § 1).

Weder das Apothekengesetz noch die Apothekenbetriebsordnung enthalten Vorschriften, die grundsätzlich eine Werbung der Apotheker schlechthin verbieten. Vielmehr ist § 64 Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelrechts v. 24. August 1976 (BGBl I, 2445; AMG 1976), der an die Stelle der §§ 18, 19 ApothekenG getreten ist, zu entnehmen, daß Apotheker werben dürfen; denn nach dieser Vorschrift obliegt der behördlichen Überwachung der Apotheken auch, daß die Vorschriften über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens und des Apothekenwesens eingehalten werden (§ 64 Abs. 3 AMG 1976, Schiedermair-Pieck, Rdn. 16, 22, 33 zu §§ 18, 19 ApothekenG). Es ist auch davon auszugehen, daß das Heilmittelwerbegesetz auf die Werbung der Apotheken Anwendung findet und daß die Berufsordnung der Apotheker die Berechtigung zur Werbung voraussetzt.

Gewisse Beschränkungen der Werbung ergeben sich aus der Hauptaufgabe der Apotheker, die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zuverlässig zu gewährleisten. Das sind einmal die Vorschriften, die der Gesetzgeber auf ihm besonders wichtig erscheinenden Gebieten erlassen hat, wie das Gesetz über die Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens in der Neufassung vom 18. Oktober 1978 (BGBl I, 1677); ferner können Standes- und Berufsvorschriften, die der Sicherung der Hauptfunktion des Apothekers dienen, eine Beschränkung der Werbung des Apothekers enthalten (dazu unter 2). Davon ist die Werbung für apothekenübliche Waren im Sinne des § 12 ApoBO nicht ausgenommen, vielmehr dient schon die Beschränkung der Waren, die in der Apotheke neben Arzneimitteln angeboten werden dürfen, dem Sicherungszweck. Nach der amtlichen Begründung zu § 12 ApoBO (abgedruckt bei Pfeil-Pieck-Steinbach, ApoBO zu § 12 – S. 301) rechtfertigt die Hauptaufgabe der Apotheke als zentrale Abgabestelle für Arzneimittel eine Beschränkung der Verkaufsbefugnis für Waren, die keine Arzneimittel sind. Anderenfalls müßte befürchtet werden, daß der Apotheker seine Hauptaufgabe hintanstellt und sich anderen einträglicheren Geschäften zuwendet. Die Begründung führt weiter aus, es liege nicht im gesundheitspolitischen Interesse, daß sich die Apotheke zu einem „Drugstore” entwickele; aus diesen Gründen dürften in der Apotheke neben Arzneimitteln nur Mittel und Gegenstände der Gesundheitsvorsorge und der Körperpflege sowie Waren abgegeben werden, für die der Apotheker besonders sachkundig sei. Das rechtfertigt die Annahme, daß auch die Werbung für den Vertrieb von nach § 12 ApoBO zugelassener Waren im Blick auf die Sicherung der Hauptfunktion des Apothekers gestaltet werden muß.

2. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die §§ 8, 9 Buchst. f) der BO wirksam erlassen worden seien, verneint aber einen Verstoß mangels Tatbestandsmäßigkeit der angegriffenen werblichen Maßnahmen. Auch diese Ausführungen lassen einen Rechtsfehler nicht erkennen.

Nach § 9 der Bayerischen Berufsordnung der Apotheker vom 22. Mai 1958 ist jede Maßnahme verboten, die den Zweck verfolgt, den Absatz in unlauterer Weise zugunsten der eigenen Apotheke zu beeinflussen, insbesondere nach Buchst. f) irreführende Angaben über Heilwirkungen, marktschreierische Anpreisungen, standesunwürdige Texte und Bilder. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 3. Januar 1980 (2 BvR 1022/79 – NJW 1980, 633) diese Vorschrift für verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen und dazu ausgeführt, die Ermächtigung zum Erlaß einer Berufsordnung schließe die vom Landesgesetzgeber übertragene Aufgabe ein, den Umfang standeswidriger Apothekenwerbung zu bestimmen; das Verbot unangemessener und marktschreierischer Werbung in § 9 Buchst. f) BO sei als Regelung der Berufsausübung von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Es solle damit ein übersteigertes kaufmännisches Geschäftsgebaren des Apothekers im Interesse einer funktionstüchtigen Gesundheitsfürsorge verhindert werden; eine geordnete Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sei die vorrangige Aufgabe des Apothekers, hinter der das Streben nach Gewinn zurückzutreten habe. Zur Erfüllung dieser Aufgabe seien dem Apotheker eine Reihe gesetzlicher Verpflichtungen auferlegt, mit denen sich eine marktschreierische Werbung auch für sogenannte apothekenübliche Waren nicht vereinbaren lasse; eine derartige Geschäftsgestaltung würde der Apotheke den Charakter eines „Drugstore” geben und damit eine Entwicklung einleiten, die befürchten lasse, daß der Apotheker seine Hauptaufgaben im Rahmen der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung hintanstelle und sich zunehmend einträglicheren Geschäften zuwende.

Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsirrtum das Vorliegen eines Verstoßes gegen das Verbot einer marktschreierischen Werbung verneint.

„Marktschreierei” ist als Begriff rechtlich nicht bestimmt; als umfassendere Kennzeichnung eines wettbewerblichen Verhaltens enthält Marktschreierei Elemente des Anreißens, der Übertreibung und der Mißachtung der Individualsphäre; hier ist der Begriff eigenständig im Blick auf die vom Bundesverfassungsgericht gekennzeichnete besondere Aufgabe des Apothekers zu verstehen.

Bei Berücksichtigung der zur Sicherung der Hauptaufgabe des Apothekers erforderlichen Beschränkungen können insbesondere solche übertreibenden, anreißerischen, die Individualsphäre verletzenden werblichen Maßnahmen sich störend auf das Verhältnis des Apothekers zum Kunden und damit die ordnungsmäßige Versorgung mit Arzneimitteln beeinträchtigend auswirken. Kann das Vertrauen des Publikums auf die Zuverlässigkeit des Apothekers durch dessen werbliche Tätigkeit in Frage gestellt werden, weil zu befürchten ist, daß eine sachgerechte Belieferung nicht mehr gewährleistet ist, dann ist eine solche Werbung marktschreierisch und damit unzulässig. Diese Grundsätze gelten sowohl für die Werbung für Arzneimittel als auch für die Werbung für apothekenübliche Waren im Sinne des § 12 ApoBO; dabei sind die Maßstäbe bei apothekenpflichtigen Waren strenger als bei dem sonstigen Warensortiment; das ergibt sich aus der insoweit erfahrungsgemäß verschiedenen Einstellung des Verkehrs je nach Art der vom Apotheker angebotenen Waren.

Bei einer solchen, nach Sinn und Zweck gebotenen Auslegung des § 9 Buchst. f) BO hat das Berufungsgericht im Streitfall ohne Rechtsirrtum die Tatbestandsmäßigkeit der angegriffenen Werbung verneint; es handelt sich um Waren, die nicht apothekenpflichtig sind; die Zeitungswerbung enthält neben verkleinerten bildlichen Darstellungen der Waren Namen, Warenmenge, Preis und z.T. Angaben über die Anwendung; es ist nicht ersichtlich, inwiefern durch solche Angaben negative Wirkungen in Richtung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung eintreten könnten.

Hinsichtlich des Faltprospekts gilt nichts anderes als für die Werbung durch Zeitungsanzeigen; insoweit hat die Klägerin den Vorwurf einer marktschreierischen Werbung auf die Abbildung des Schildes „Stop Sparpreis” auf der ersten Seite und auf die Bezeichnung „Familie Sparpreis” beschränkt. Auch insoweit hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler ein marktschreierisches Verhalten in dem dargelegten Sinne verneint.

Die rechtliche Beurteilung und inhaltliche Abgrenzung des Begriffs „Marktschreierei” ist Sache des Gerichts. Die zur Subsumierung erforderlichen Feststellungen konnte das Berufungsgericht aufgrund allgemeiner Erfahrungssätze und seiner speziellen eigenen Erfahrungen als Teilnehmer des in Betracht kommenden Verkehrs selbst treffen, der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurfte es nicht.

3. Die Klägerin vertritt die Auffassung, der Beklagte habe auch gegen eine allgemeine Standesauffassung verstoßen, wonach seine Werbung marktschreierisch sei; damit wird die Regelung des § 9 Buchst. f) BO überschritten; eine allgemeine Standesauffassung verlangt nach dem Vortrag der Klägerin also mehr als das in der Berufsordnung geregelte Standesrecht. Eine solche Entwicklung ist möglich. Es wäre aber Sache der Klägerin gewesen, die eine solche Folgerung rechtfertigenden Umstände vorzutragen. Das ist nicht geschehen.

Die von der Klägerin herangezogene Senatsentscheidung vom 3. Dezember 1971 (I ZR 137/69 GRUR, 1972, 709, 710 – Patentmark) erwähnt den anderen, hier nach Auffassung der Klägerin gerade nicht in Betracht kommenden Fall, daß ein nicht unerheblicher Teil der beteiligten Berufskreise einen Verstoß gegen eine Standesvorschrift für unbedenklich hält und deshalb der Vorwurf eines wettbewerbswidrigen Verhaltens nicht erhoben werden kann.

III. Da das Berufungsurteil auch im übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin erkennen läßt, war die Revision zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 646129

NJW 1983, 2085

GRUR 1983, 249

PharmaR 1983, 93

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