Leitsatz (amtlich)
›a) Rechtshängigkeit eines Leistungsanspruchs ist ein Prozeßhindernis für eine diesen Anspruch leugnende Feststellungsklage, die später in einem anderen Verfahren erhoben wird.
b) Amtsprüfung eines Prozeßhindernisses bedeutet keine Amtsermittlung, sondern erfordert nur, daß ein Sachverhalt, der ein solches Hindernis ergibt, auch ohne entsprechende Rüge berücksichtigt wird. Dem Gericht kann aber eine Hinweispflicht nach § 139 Abs. 2 ZPO obliegen, wenn Anlaß zu der Annahme besteht, es könnte ein Verfahrenshindernis gegeben sein.‹
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin verkaufte durch notariellen Vertrag vom 29. Mai 1973 Grundstücke im Ausmaß von 7068 qm an die Beklagte zu 1 zum Preis von 155 DM/qm. Der nach Abzug schon gezahlter 60.000 DM verbleibende Restkaufpreis von 1.035.540 DM sollte nach Aufteilung der Grundstücke in Bauparzellen jeweils aus dem Erlös des Weiterverkaufs geleistet werden, spätestens jedoch zum 31. Dezember 1974 fällig sein.
Der Vertrag enthält die Vereinbarung: "Der Restkaufpreis ist verzinslich. Die Zinspauschale ist bereits an den Verkäufer bezahlt, worüber dieser Quittung erteilt". Diese Zahlung belief sich auf 141.360 DM.
Der Beklagte zu 2 und der verstorbene Ehemann der Beklagten zu 3, dessen Alleinerbin sie ist, übernahmen in dem Vertrag für die Zahlungsverpflichtungen der Erstbeklagten die selbstschuldnerische Bürgschaft. Sie erklärten, als Gesamtschuldner zu haften, und unterwarfen sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.
Durch notariellen Änderungsvertrag vom 18. Juni 1974 vereinbarten die Beteiligten, daß die Bestimmung in der Urkunde vom 29. Mai 1973, wonach der Restkaufpreis unabhängig von etwaigen Verkäufen spätestens zum 31. Dezember 1974 fällig sein sollte, aufgehoben wird und ersatzlos wegfällt.
Die Klägerin hat, gestützt auf den Kaufvertrag und auf die Behauptung mündlicher Abreden, hilfsweise auf Verzug, für die Jahre 1980 und 1981 Zinsen in Höhe von insgesamt 37, 830, 88 DM (= 8 % Jahreszinsen auf einen Restkaufpreis von 236.443, 04 DM) gegen die Beklagten als Gesamtschuldner geltend gemacht.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Die Beklagten ihrerseits haben im Wege der Abschlußberufung Widerklage mit dem Antrag auf Feststellung erhoben, daß der Klägerin auch über den eingeklagten Betrag und Zeitraum hinaus kein Zinsanspruch aus dem Kaufvertrag und dem Änderungsvertrag und auch nicht aus diesbezüglichem Verzug zustehe.
Mit Einreichung der Anschlußberufung durch Schriftsatz vom 16. Februar 1987 haben die Beklagten vorgetragen, die Klägerin habe durch Mahnbescheid vom 30. Dezember 1986, zugestellt am 7. Januar 1987, Zinsen auch für das Jahr 1982 geltend gemacht.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die Anschlußberufung der Beklagten nach dem Widerklageantrag erkannt.
Die Revision der Klägerin hat der Senat nur insoweit angenommen, als der Feststellungswiderklage auch für den Zinszeitraum 1982 stattgegeben worden ist.
Die Klägerin beantragt, die Widerklage in dem angenommenen Umfang der Revision abzuweisen. Die Beklagten beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Widerklage auch insoweit zulässig, als die Feststellung beantragt wird, daß der Klägerin für das Jahr 1982 kein Zinsanspruch aus Vertrag oder aus Verzug zusteht. Unerheblich sei, daß die Klägerin einen Zinsanspruch für diesen Zeitraum schon vor Erhebung der Widerklage durch Mahnbescheid vom 30. Dezember 1986 geltend gemacht hat, weil darüber noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei.
Dagegen wendet sich die Revision zu Recht.
1. Wenn hier, was das Berufungsurteil offenläßt, nach Widerspruch gegen den Mahnbescheid die Sache alsbald an das Prozeßgericht abgegeben worden sein sollte, so wäre der Zinsanspruch für 1982 nach der Fiktion des § 696 Abs. 3 ZPO rückwirkend ab Zustellung des Mahnbescheids (7. Januar 1987) rechtshängig geworden. Damit aber stünde der am 20. Februar 1987 erhobenen Widerklage im Umfang des den Zinsanspruch für 1982 leugnenden Feststellungsantrages gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO das von Amts wegen zu beachtende Prozeßhindernis der Rechtshängigkeit entgegen.
Voraussetzung dafür ist, daß beide Verfahren nach Klagegrund und nach der konkreten Art des Rechtsschutzziels denselben Streitgegenstand betreffen (BGHZ 7, 268, 271; BGH Urt. v. 11. Dezember 1986, II ZR 165/85, WM 1987, 367 - BGHR ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 1 - Streitsache 1). Dies ist der Fall.
Im Klagegrund stimmen der durch Mahnbescheid. geltend gemachte Zinsanspruch "aus 1982, Vertrag UR. 848/73, UR. 707/1974" und die diesen Anspruch leugnende Feststellungswiderklage überein, da der Mahnbescheid bei dieser Fassung nicht nur vertragliche Fälligkeitszinsen, sondern auch Zinsen wegen Verzuges mit der vertraglichen Leistungspflicht erfaßt, also dem entspricht, auf das sich auch der Feststellungsantrag erstreckt.
Der Leistungsanspruch geht allerdings über das Ziel einer bloßen Feststellung des streitigen Rechtsverhältnisses hinaus, weil auch die eine Durchsetzung des Anspruchs ermöglichende Verurteilung zur Zahlung verlangt wird. Deshalb begründet eine negative Feststellungsklage keine. Rechtshängigkeitssperre für eine später erhobene Leistungsklage (BGH Urt. v. 28. November 1961, I ZR 127/60, GRUR 1962, 360, 361 mit Anm. v. Falck und v. 17. Februar 1983, III ZR 174/81, NJW 1983, 2032; RGZ 71, 68, 73 f; RG DR 1939, 1914, 1915; a.M. Baltzer, Die negative Feststellungsklage aus § 256 I ZPO, 1980, S. 149 ff; Zöller/Stephan, ZPO 15. Aufl. § 26 Rdn. 9). Anders verhält es sich jedoch in dem hier vorliegenden umgekehrten Fall einer später als die Leistungsklage erhobenen negativen Feststellungsklage über denselben Anspruch. Für diesen Fall ist anerkannt, daß der Streitgegenstand der Leistungsklage auch den der späteren negativen Feststellungsklage umfaßt, da der Antrag auf Verurteilung zur Leistung zugleich den engeren Feststellungsantrag enthält, daß der Anspruch besteht (BGH Urt. v. 11. Dezember 1986 aaO.; Habscheid, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß und im Streitverfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1956, S. 261, 270 ff; Schwab ZZP 71, 155, 170; Thomas/Putzo, ZPO 15. Aufl. Einl. II 5 c und § 261 Anm. 4 c; im Ergebnis auch Baltzer aaO.; Zöller/Stephan aaO.).
2. Eine abschließende Entscheidung ist noch nicht möglich.
Zwar ist weder festgestellt noch ersichtlich, daß die Mahnsache im Zeitpunkt der letzten mündlichen Berufungsverhandlung tatsächlich schon an das Prozeßgericht abgegeben war; auch die mit der Revisionserwiderung vorgelegte Fotokopie der Abgabemitteilung des Amtsgerichts belegt nicht den Zeitpunkt der Abgabe. Das Berufungsgericht hätte jedoch in Anbetracht der von Amts wegen zu beachtenden Tatsache, daß über den Zinsanspruch ein Mahnbescheid ergangen ist, die Parteien auf die sich deshalb stellende Frage des Eintritts der Rechtshängigkeit hinweisen müssen. Amtsprüfung bedeutet zwar keine Amtsermittlung, sondern heißt nur, daß der Streitstoff auch ohne entsprechende Rüge zu berücksichtigen ist (BGH Urt. v. 5. November 1975, VIII ZR 73/75, NJW 1976, 149; RGZ 160, 338, 346 f.). Wenn aber der von einer Partei vorgetragene Sachverhalt Anlaß zu dem Bedenken gibt, es könnte ein Verfahrenshindernis bestehen, muß der Richter nach § 139 Abs. 2 ZPO hierauf hinweisen (BGH aaO.). Das Berufungsgericht hat sich dieser Erwägung verschlossen, weil es den Vortrag der Beklagten rechtsirrig nur unter dem Gesichtspunkt der Rechtskraft und nicht unter dem der Rechtshängigkeit geprüft hat. Die zur Frage der Rechtshängigkeit noch erforderliche Klärung ist nachzuholen. Es kommt nunmehr darauf an, ob die Mahnsache im Sinne des § 696 Abs. 3 ZPO "alsbald" an das Prozeßgericht abgegeben worden ist (vgl. dazu BGHZ 103, 20).
3. Das angefochtene Urteil unterliegt daher, soweit das Berufungsgericht der Feststellungswiderklage für den Zinszeitraum 1982 stattgegeben hat, der Aufhebung und Zurückverweisung.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens wird dem Berufungsgericht vorbehalten. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszuges verbleibt es bei der durch Zurückweisung der Berufung bestätigten Kostenentscheidung des Landgerichts, da im Umfang der Berufung die Revision nicht angenommen worden ist und sich der angenommene Teil der im Wege der Anschlußberufung erhobenen Widerklage nicht mehr auf die Kosten erster Instanz auswirken kann.
Fundstellen
Haufe-Index 2992974 |
NJW 1989, 2064 |
BGHR ZPO § 139 Abs. 2 Prozeßhindernis 1 |
BGHR ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 1 Amtsprüfung 1 |
BGHR ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 1 Streitsache 2 |
DRsp IV(413)205c |
WM 1989, 834 |
MDR 1989, 623 |