Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen, unter denen dem Eigenhändler in analoger Anwendung des § 89 b HGB Ausgleichsansprüche gegen seinen Lieferanten zustehen.
Normenkette
HGB § 89b
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 08.03.1979) |
LG Düsseldorf |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 8. März 1979 im Urteilsausspruch und insoweit aufgehoben, als es den gegen die Klageforderungen zur Aufrechnung gestellten Ausgleichsanspruch der Beklagten verneint hat.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, eine Mineralölgesellschaft, handelt mit Kraftstoffen und anderen Mineralölprodukten. Mit Vertrag vom 7. August 1965 verpachtete sie den Beklagten eine Tankstelle. In diesem Vertrag war bestimmt, daß die Beklagten im Namen und für Rechnung der Klägerin ausschließlich deren Produkte als Handelsvertreter vertreiben sollten. Mit Vertrag vom 1. Januar 1968 regelten die Parteien ihre Vertragsbeziehungen neu. Nunmehr wurde vereinbart, daß die Beklagten im eigenen Namen und für eigene Rechnung tätig werden sollten. Das Vertragsverhältnis endete am 7. Oktober 1977 vorzeitig. Die Parteien behaupten wechselseitig, daß an diesem Tage jeweils die andere Seite den Vertrag fristlos gekündigt habe.
Auf die Ansprüche, die die Klägerin in der Folge für nicht bezahlte Warenlieferungen und restlichen Pachtzins gegen die Beklagten in Höhe von 30.279,54 DM geltend gemacht hat, hat ihr das Landgericht unter Abweisung der weitergehenden Klage 17.241,24 DM zugesprochen. Einen Ausgleichsanspruch, mit dem die Beklagten gegen die Klageforderungen aufgerechnet haben, hat es verneint, weil die Beklagten nach dem Vertrag vom 1. Januar 1968 nicht mehr als Handelsvertreter, sondern als Einzelhändler für die Klägerin tätig gewesen seien und die Voraussetzungen, unter denen der Eigenhändler Ausgleichsansprüche stellen könne, hier nicht gegeben seien. Jedenfalls fehle es an der Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin den von ihnen aufgebauten Kundenstamm zu überlassen.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht dieses Urteil geändert und die Beklagten zur Zahlung weiterer 7.484,90 DM, die Beklagte zu 2 darüber hinaus zur Zahlung weiterer 477,08 DM verurteilt. Die weitergehende Berufung und die Anschlußberufung der Beklagten hat es zurückgewiesen. Gegen dieses Urteil richtet sich die – zugelassene – Revision der Beklagten, mit der diese ihren bisherigen Antrag, die Klage in vollem Umfang abzuweisen, weiterverfolgen. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht führt aus: Die Beklagten schuldeten der Klägerin für nicht bezahlte Warenlieferungen und restlichen Pachtzins insgesamt 26.982,31 DM. Hinzu kämen Erstattungsbeträge für Grundbesitzabgaben in Höhe von 749,25 DM. Nach Abzug anzurechnender Zahlungen und Gutschriften in Höhe von insgesamt 2.005,42 DM belaufe sich die noch offene Verpflichtung der Beklagten auf 24.726,14 DM. Über das Urteil des Landgerichts hinaus seien daher der Klägerin weitere 7.484,90 DM zuzusprechen. Daneben sei die Beklagte zu 2 zur Erstattung von Reparaturaufwendungen in Höhe von 477,08 DM allein verpflichtet. Ein Schadensersatzanspruch wegen entgangenen Gewinns, mit dem die Beklagten aufgerechnet hätten, stehe ihnen nicht zu, weil sie die Tankstelle ohne Vorbehalt vorzeitig wieder zur Verfügung gestellt hätten.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts sind der Nachprüfung durch das Revisionsgericht entzogen. Sie sind mit der Revision nicht angegriffen.
II. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Beklagten könnten sich gegenüber den Klageforderungen auf einen Ausgleichsanspruch nicht berufen. Eine unmittelbare Anwendung des § 89 b HGB scheide aus, weil die Beklagten nach dem Vertrag vom 1. Januar 1968 keine Handelsvertreter mehr gewesen seien. Aber auch die Voraussetzungen, unter denen Eigenhändler in entsprechender Anwendung des § 89 b HGB einen Ausgleich zu beanspruchen hätten, seien hier nicht gegeben. Es fehle an einer vertraglichen Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin den Kundenstamm zu überlassen. Zwar hätten ihr die Beklagten bei Vertragsende, am 7. Oktober 1977, die Kundenkartei übergeben. Das sei aber nicht in Erfüllung einer schon früher rechtsgeschäftlich begründeten Verpflichtung geschehen. Kämen dem Lieferanten Vorteile aus dem vom Eigenhändler geworbenen Kundenstamm nur aufgrund eines rein tatsächlichen Geschehens zugute, rechtfertige das einen Ausgleichsanspruch des Eigenhändlers analog § 89 b HGB nicht.
Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg.
1. Die Revision wendet sich zunächst gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagten seien nicht als Handelsvertreter tätig geworden. Dem hält sie entgegen: Im Vertrag vom 7. August 1965 sei ausdrücklich bestimmt worden, daß die Beklagten die Produkte der Klägerin als Handelsvertreter vertreiben sollten. Formal sei das zwar durch den zweiten Vertrag vom 1. Januar 1968 dahin geändert worden, daß die Beklagten nunmehr im eigenen Namen und für eigene Rechnung tätig sein sollten. Materiell habe sich aber an der Rechtsstellung der Beklagten als Handelsvertreter dadurch nichts geändert. Die wirtschaftliche Bindung der Beklagten an die Klägerin und ihre Einbindung in deren Vertriebsorganisation sei die gleiche geblieben wie vorher. Der Ausgleichsanspruch der Beklagten ergebe sich danach bereits aus § 89 b HGB unmittelbar, ohne daß es auf die besonderen Voraussetzungen ankomme, unter denen diese Vorschrift auf Eigenhändler entsprechende Anwendung finde.
Mit diesen Erwägungen kann die Revision keinen Erfolg haben. Der Tankstellenhalter ist Handelsvertreter, wenn er gegen Provision ständig damit betraut ist, im Namen und für Rechnung einer Mineralölgesellschaft deren Treib- und Schmierstoffe zu verkaufen (BGHZ 42, 244, 245; BGH LM § 242 Ba Nr. 53; BGHZ 52, 171, 174; BSG AP § 611 BGB – Abhängigkeit – Nr. 5). An diesen Voraussetzungen fehlt es hier. Den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem von ihm in Bezug genommenen Vertrag vom 1. Januar 1968 ist zu entnehmen, daß die Beklagten seit diesem Tage die ihnen von der Klägerin gelieferten Produkte im eigenen Namen und für eigene Rechnung, also als Eigenhändler, absetzen sollten. Daß sich die Parteien daran gehalten haben, stellt die Revision nicht in Abrede.
2. Die Revision meint weiter, es sei rechtsfehlerhaft, wenn das Berufungsgericht eine analoge Anwendung des § 89 b HGB auf den Ausgleichsanspruch der Beklagten mit der Begründung verneine, die Beklagten seien vertraglich nicht verpflichtet gewesen, der Klägerin ihren Kundenstamm zu überlassen. Das Berufungsgericht habe übersehen, daß eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung der Beklagten zur Überlassung des Kundenstamms spätestens in dem Zeitpunkt begründet worden sei, in dem die Klägerin um Übergabe der Kundenkartei ersucht habe und die Beklagten dem zugestimmt hätten.
Mit diesen Ausführungen hat die Revision Erfolg. Sinn des Ausgleichsanspruchs nach § 89 b HGB ist es, dem Handelsvertreter für einen auf seine Leistung zurückzuführenden, ihm aber infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht mehr vergüteten Vorteil des Unternehmers, wie er in der Nutzung eines Kundenstamms liegt, eine durch Billigkeitsgesichtspunkte weitgehend bestimmte Gegenleistung zu verschaffen. Der Handelsvertreter soll für seine während der Vertragsdauer erbrachten, bei Vertragsende noch nicht abgegoltenen Leistungen eine zusätzliche Vergütung erhalten (BGHZ 24, 214, 222; 29, 83, 89; 45, 385, 386; 68, 340, 344; WM 1979, 1391). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entspricht es diesem Sinn des Ausgleichsanspruchs, ihn – in entsprechender Anwendung des § 89 b HGB – auch dem Eigenhändler zuzubilligen, wenn zwischen diesem und seinem Lieferanten ein Rechtsverhältnis besteht, das über bloße Käufer-Verkäuferbeziehungen hinausgeht und dem Eigenhändler eine dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgabenstellung zuweist, und wenn der Eigenhändler vertraglich verpflichtet ist, beim Ausscheiden aus der Absatzorganisation des Lieferanten diesem seinen Kundenstamm zu überlassen, so daß sich der Lieferant die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann (BGHZ 29, 83, 85 ff; 34, 282, 284 ff; BGH NJW 1964, 1952, 1953; BGHZ 68, 340, 342, 343; WM 1979, 1391). Diese Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 89 b HGB auf den Ausgleichsanspruch des Eigenhändlers sind, wie die Revision zutreffend geltend macht, im Streitfall gegeben.
a) Soweit es für den Ausgleichsanspruch des Eigenhändlers danach darauf ankommt, daß die Rechtsbeziehungen zwischen ihm und seinen Lieferanten über eine bloße Käufer-Verkäuferbeziehung hinausgehen und ihm eine dem Handelsvertreter vergleichbare Stellung zuweisen, hat das Berufungsgericht diese Voraussetzungen unerörtert gelassen. Nach dem von ihm in Bezug genommenen Vertrag vom 1. Januar 1968 ist aber davon auszugehen, daß die Beklagten – weit über die Aufgaben hinaus, wie sie Eigenhändler gegenüber ihren Lieferanten regelmäßig zu erfüllen haben – in die Absatzorganisation der Klägerin wirtschaftlich wie Handelsvertreter eingegliedert waren. So oblag es ihnen, ausschließlich Mineralölprodukte der Klägerin zu vertreiben (§ 1 Abs. 4 und § 7 Abs. 3 des Vertrages), allein deren Interessen zu fördern und alles zu unterlassen, was für den Absatz von Konkurrenzprodukten hätte vorteilhaft sein können (§ 7 Abs. 2). Ferner waren sie verpflichtet, einen Lagerbestand an Kraftstoffen zu halten, dessen Umfang zu bestimmen im Ermessen der Klägerin lag (§ 2 Abs. 1). Darüber hinaus bestimmte die Klägerin Art und Maß der Werbung (§ 2 Abs. 3). Die starke Einbindung der Beklagten in die Absatzorganisation der Klägerin zeigte sich aber auch darin, daß die Beklagten die jederzeitige Einsicht und Prüfung der von ihnen gefertigten Abrechnungsunterlagen zu dulden und die Verkaufserlöse, die sofort in das Eigentum der Klägerin übergingen, gesondert aufzubewahren hatten (§ 2 Abs. 4). Schließlich hatten die Beklagten nach dem eigenen Vortrag der Klägerin dieser in Tagesverkaufsberichten regelmäßig über den Geschäftsgang Bericht zu erstatten. Insoweit sind sie auch von der Klägerin ständig überprüft worden. Danach ist nicht in Zweifel zu ziehen, daß die Beklagten Pflichten zu erfüllen hatten, wie sie nach § 86 HGB einen Handelsvertreter treffen und daß ihre Aufgaben aus dem Handelsvertretervertrag vom 7. August 1965 insoweit durch den Vertrag vom 1. Januar 1968 keine Abänderung erfahren haben.
b) Darüber hinaus ist aber auch davon auszugehen, daß die Beklagten vertraglich verpflichtet waren, der Klägerin den von ihnen aufgebauten Kundenstamm zu überlassen. Soweit das Berufungsgericht demgegenüber meint, daß es sich bei der Übergabe der Kundenkartei am 7. Oktober 1977 nur um ein rein tatsächliches Geschehen gehandelt habe, das nicht auf einer schon früher begründeten rechtsgeschäftlichen Verpflichtung beruhte, kann ihm darin nicht gefolgt werden. Wie bereits dargelegt, waren die Beklagten nach dem Vertrag vom 1. Januar 1968 – ebenso wie nach dem früheren Vertrag vom 7. August 1965 – verpflichtet, der Klägerin die jederzeitige Einsicht und Prüfung der Abrechnung sunt er lagen zu gestatten und in Tagesverkaufsberichten ständig über den Geschäftsgang Bericht zu erstatten. Danach war die Klägerin vertraglich ohne weiteres dazu berechtigt, von den Beklagten jederzeit auch insoweit Aufschluß zu verlangen, als es ihr bei der Prüfung der Verkaufsberichte und der Abrechnung darauf ankam, Namen und Anschrift der Kunden der Beklagten zu erfahren. Dem haben die Beklagten – als die Klägerin bei Vertragsende darum ersuchte – genügen müssen und – wie die Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben – durch Übergabe ihrer Kartei auch tatsächlich genügt. Bei der Überlassung dieser Unterlagen handelte es sich daher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht um ein von Rechten und Pflichten freies tatsächliches Geschehen, sondern um die Bestätigung und Erfüllung der ursprünglich schon mit Vertrag vom 7. August 1965 begründeten und später mit Vertrag vom 1. Januar 1968 erneuerten Verpflichtung, der Klägerin auf deren Ersuchen auch über die Kunden der Beklagten Aufschluß zu geben und damit den Kundenstamm zu überlassen.
Keine Bedeutung kommt demgegenüber den Ausführungen der Klägerin zu, daß es ihr im Hinblick auf Ansprüche, die ihr die Beklagten gegen Tankstellenkunden abgetreten hätten, mit dem Verlangen nach Übergabe der Kundenkartei ausschließlich darauf angekommen sei, sich über diese Kunden Aufschluß zu verschaffen. Im Gegensatz zu diesen Ausführungen läßt das Verhalten der Klägerin bei der Beendigung des Vertragsverhältnisses erkennen, daß es ihr allein darum nicht zu tun gewesen war. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat sich die Klägerin nicht auf das Ersuchen der Namhaftmachung nur einzelner Schuldner beschränkt, gegen die ihr Ansprüche als Zessionarin zugestanden haben mögen. Vielmehr hat sie die Übergabe der gesamten Kundenkartei verlangt, also weit mehr, als sie für die Erlangung von Informationen nur über einzelne Schuldner benötigte.
c) Soweit es für den Ausgleichsanspruch des Eigenhändlers schließlich noch darauf ankommt, daß sich der Lieferant die Vorteile des Kundenstamms des Eigenhändlers sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann, ist nach den Ausführungen des Berufungsgerichts davon auszugehen, daß auch diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt sind. Anhaltspunkte dafür, daß die von der Klägerin bei Vertragsende herausverlangte und ihr übergebene Kundenkartei nicht geeignet gewesen sei, den von den Beklagten aufgebauten Kundenstamm weiter für die Klägerin zu nutzen, sind dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen und von der Klägerin auch nicht aufgezeigt.
III. Da der Ausgleichsanspruch der Beklagten danach nicht schon mit der Begründung verneint werden kann, daß es an den Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung des § 89 b HGB fehle, war das Berufungsurteil im Urteilsausspruch und insoweit aufzuheben, als es den gegen die Klageforderungen zur Aufrechnung gestellten Ausgleichsanspruch der Beklagten für ungerechtfertigt erachtet hat. In diesem Umfang war die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird nunmehr zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen gegeben sind, von denen gemäß § 89 b HGB der Ausgleichsanspruch nach Grund und Höhe im einzelnen abhängt. Dafür kommt es auf weitere vom Tatrichter zu treffende Feststellungen an, gegebenenfalls auch auf die Umstände, die für die Beendigung des Vertragsverhältnisses von Bedeutung waren.
Unterschriften
v. Gamm, Zülch, Piper, Herr RiBGH Dr. Erdmann befindet sich in Urlaub und ist daher an der Unterschrift verhindert. v. Gamm, Teplitzky
Fundstellen
Haufe-Index 1237588 |
NJW 1981, 1961 |
Nachschlagewerk BGH |