Entscheidungsstichwort (Thema)
Öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft. Kritische Äußerungen in den Medien. Gesteigerte Sorgfaltspflichten des Sektenbeauftragten bei Wahrnehmung kirchlicher Aufgaben. Amtshaftungsansprüche
Leitsatz (amtlich)
a) Wenn der Sektenbeauftragte einer öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaft sich in Wahrnehmung seiner kirchlichen Aufgaben in den Medien kritisch über soziale Vorgänge äußert, handelt er in Ausübung eines öffentlichen Amtes im Sinne von Art. 34 GG
b) Dies kann Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG auslösen, nicht jedoch Entschädigungsansprüche wegen enteignungsgleichen Eingriffs.
Der Sektenbeauftragte einer öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaft unterliegt bei kritischen Äußerungen in der Öffentlichkeit über andere Personen und Unternehmen im Hinblick auf die Grundrechte der Betroffenen gesteigerten Sorgfaltspflichten.
Normenkette
GG Art. 14, 34; BGB § 839; GG Art. 4-5
Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Urteil vom 18.07.2001) |
LG Nürnberg-Fürth |
Tenor
Auf die Revision des Klägers zu 1 wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 18. Juli 2001, soweit zum Nachteil des Klägers zu 1 erkannt worden ist, aufgehoben.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger zu 1 (im folgenden: Kläger), ein ausgebildeter Heilpraktiker und Sozialpädagoge, ist seit den achtziger Jahren als Psychotherapeut tätig. Er betreibt eine Praxis in N., bietet Einzel- und Gruppentherapien an und veranstaltet Seminare, wobei ein Schwerpunkt der Therapie in Naturerlebnissen bei Unternehmungen auf dem Land (unter anderem Ausritten mit vom Kläger gestellten Pferden) liegt. Der von der beklagten Erzdiözese Beauftragte für Sekten- und Weltanschauungsfragen im Bereich der Stadtkirche N., L., setzte sich im Rahmen seiner Amtstätigkeit des öfteren kritisch in der Öffentlichkeit mit den Aktivitäten des Klägers (und des zwischenzeitlich aus dem Prozeß ausgeschiedenen früheren Klägers zu 2) auseinander.
Mit der im Frühjahr 2000 eingereichten Klage hat der Kläger (zusammen mit dem früheren Kläger zu 2) die Beklagte als Anstellungskörperschaft auf materiellen und immateriellen Schadensersatz wegen Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts und seines Gewerbebetriebs durch eine – wie er geltend macht – jedenfalls seit 1990 andauernde „Sektenkampagne” des L. in Anspruch genommen. Eine während des Prozesses – im April 2000 – bei ihm aufgetretene Querschnittslähmung führt der Kläger ebenfalls auf diese „Kampagne” zurück.
Der Kläger hat behauptet, obwohl er keine Weltverbesserungsideologie verfolge und seine Klientel in keiner Weise organisiert sei, habe ihn L. – ohne ihn jemals angehört oder sich sonst hinreichend informiert zu haben – systematisch als „Sektenführer” bezeichnet und bekämpft. Dazu habe er sich journalistischer Handlanger bedient. Der Kläger verweist insoweit auf Artikel in den N. Nachrichten vom 6./7. Oktober 1990, den F. Nachrichten vom 24. November 1995 und in der Wochenendausgabe des N. Tagblatts vom 1./3. Mai 1998 bzw. auszugsweise der M. Zeitung vom 1. Mai 1998, in denen teilweise unter wörtlicher Zitierung L. 's und/oder des Sektenbeauftragten der evangelisch-lutherischen Kirche, teilweise unter Bezugnahme auf die angeblichen Schilderungen von Teilnehmern der Veranstaltungen des Klägers mit unterschiedlichen Formulierungen – unter Anspielung auf eine etwa 200 bis 300 Personen umfassende, hierarchisch strukturierte Gruppe um den Kläger als einer charismatischen Führerfigur mit entsprechendem Gruppendruck und Abhängigkeiten – vor einem im Kommen befindlichen „pseudoreligiösen Mischmasch” bzw. einem „grauen Psychomarkt” gewarnt wurde. Ausweislich der Artikel vom 6./7. Oktober 1990 hatte L. die Gruppe um den Kläger als „eindeutige Psychosekte” bezeichnet und ihr laut F. Nachrichten vom 24. November 1995 „sektenartigen Charakter” zuerkannt. Der Kläger macht die Beklagte für die Folgen der genannten Zeitungsartikel auch deshalb verantwortlich, weil ihr Sektenbeauftragter im Rahmen seiner Amtstätigkeit bis in die jüngste Zeit diese Artikel an Interessenten weitergegeben habe. Die Übersendung der Artikel vom 6./7. Oktober 1990 und vom 24. November 1995 an das Zentrum „W. – Forum” in K. im Januar 1997 durch eine Teilnehmerin aus N. habe zur Herausnahme von drei für diesen Veranstaltungskreis vorgesehenen Kursen des Klägers (Reiten auf Islandpferden) geführt. Als weiteren Beitrag des Sektenbeauftragten der Beklagten zu der beschriebenen „Kampagne” gegen den Kläger verweist dieser auf die Mitwirkung L. 's bei einer Sendung des B. Rundfunks vom 28. Mai 1997, in der er unter anderem äußerte, bei der „Gruppe um S.” handele es sich um einen „versekteten Psychokult”, und in deren Verlauf gesagt wurde, L. kenne „Geschädigte, die zehn Jahre abhängig waren und über 100.000 DM für Therapiestunden gezahlt haben”.
Der Kläger behauptet, infolge der von L. gegen ihn entfachten „Kampagne” seien Klienten weggeblieben; andere seien geblieben, hätten aber den Kläger nicht mehr weiterempfohlen (Gesamtschaden: 1.690.453 DM). Außerdem seien ihm 30 Ausbildungsteilnehmer verlorengegangen (Schaden: 1.200.000 DM). Andererseits hätten die Angriffe gegen ihn verstärkte Werbemaßnahmen in Form von Inseraten (25.000 DM) und Rundbriefen (60.000 DM) erforderlich gemacht. Der Wegfall der Kurse bei der „Wirkstatt” in Karlsruhe habe zu einem Verlust von 71.800 DM geführt. Von dem – ursprünglich mit 3.097.253 DM bezifferten, im Revisionsverfahren um 50.000 DM reduzierten – Gesamtschaden macht der Kläger einen Teilbetrag von (zuletzt) 55.000 DM geltend. Zusätzlich verlangt er wegen der durch die „Kampagne” verursachten psychischen Belastung ein Schmerzensgeld von mindestens 10.000 DM.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht; soweit zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.
I.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Sektenbeauftragte L. bei den ihm vorliegend angelasteten Handlungen in Ausübung eines „öffentlichen Amtes” tätig wurde mit der Folge, daß eine Einstandspflicht der beklagten Erzdiözese als Anstellungskörperschaft unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG in Betracht kommt (Senatsurteile BGHZ 22, 383, 387 ff und vom 30. Januar 1961 – III ZR 227/59 – VersR 1961, 437; vgl. auch BGH, Urteil vom 4. April 1989 – VI ZR 269/59 – NJW-RR 1989, 921). Das steht im Einklang mit der neueren Rechtsprechung, die Abwehransprüche gegen ein derartiges – wenn auch nicht hoheitliches – Wirken der öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaften im gesellschaftlichen Raum als öffentlich-rechtliche Streitigkeit qualifiziert und dementsprechend für sie den Verwaltungsrechtsweg eröffnet (BGHZ 148, 307; BayVGH NVwZ 1994, 598; vgl. auch BVerwGE 68, 62, 65; BVerwGE 105, 117, 119). Soweit das Oberlandesgericht Düsseldorf neuerdings (NVwZ 2001, 1449) den Standpunkt vertreten hat, abgesehen von den Fällen, in denen die Kirche Staatsaufgaben erfülle oder auf dem Gebiet des Kirchensteuerrechts tätig werde, seien die Bediensteten der Kirche nicht in Ausübung eines öffentlichen Amtes im Sinne des § 839 BGB tätig, weil sie insoweit „keine Hoheitsgewalt” ausübten, die mit der staatlichen vergleichbar wäre, kann ihm nicht gefolgt werden. Aus der Entscheidung BVerfG NVwZ 1994, 159, auf die sich das Oberlandesgericht Düsseldorf für seine Ansicht stützt, ergibt sich in dieser Richtung nichts. Für die vorliegende Beurteilung ist weiterhin davon auszugehen, daß der Begriff der Ausübung eines öffentlichen Amtes im Sinne von § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gerade nicht auf die Ausübung staatlicher Gewalt beschränkt ist (vgl. Staudinger/Wurm BGB 13. Bearb. § 839 Rn. 710 ff m.w.N.).
2. Aus diesen Erwägungen ergibt sich andererseits zugleich, daß als Anspruchsgrundlage für den Klageanspruch nicht das (verschuldensunabhängige) Rechtsinstitut des enteignungsgleichen Eingriffs (vgl. Senatsurteile BGHZ 90, 17, 31; 99, 24, 27; 125, 258, 264) in Betracht kommt (insoweit zutreffend OLG Düsseldorf NVwZ 2001, 1449). Denn dieses Haftungsinstitut gewährt einen Entschädigungsanspruch nur bei (rechtswidrigen) unmittelbar oder mittelbar staatlichen hoheitlichen Eingriffen, um die es, wie gesagt, hier nicht geht. Es besteht kein rechtlicher Grund und auch kein Bedürfnis, in dem sich aus den Besonderheiten der Kirchenverfassung ergebenden (öffentlich-rechtlichen) Raum zwischen einerseits dem eigentlichen kirchlichen Innenbereich und andrerseits demjenigen der Wahrnehmung einzelner hoheitlicher Befugnisse entsprechend dem Staatshaftungsregime eine Haftungsgrundlage zu schaffen, die an die bloße Rechtswidrigkeit des kirchlichen Handelns anknüpft, zumal als Verschulden für eine Haftung nach Amtshaftungsgrundsätzen bereits ein objektiver Sorgfaltsverstoß ausreicht (siehe auch unten II.3.a).
II.
Das Berufungsgericht vermag keine Amtspflichtverletzungen des – von ihm als Zeugen vernommenen – Sektenbeauftragten der Beklagten im Sinne einer (schuldhaft) rechtswidrigen Verletzung von Rechtsgütern des Klägers festzustellen. Die beanstandeten Äußerungen des Zeugen L. seien, wie das Berufungsgericht näher darlegt, entweder dem Zeugen schon nicht nachweislich zuzuordnen oder sie seien entweder als wahre/bewiesene Tatsachenbehauptungen oder bloße Werturteile nicht rechtswidrig, teilweise seien sie für den Kläger nicht einmal ehrenrührig. Soweit der Zeuge L. Angaben aus anderen Quellen weitergegeben habe, hätten ihn keine besonderen Prüfungspflichten – wie etwa die Presse – getroffen. Für die Meinungsäußerungen des Sektenbeauftragten habe wie sonst bei Werturteilen der Kirche im Bereich ihres religiösen Wirkens in der Welt als Verbotsgrenze nur die der „Schmähkritik” bestanden, die L. aber nicht überschritten habe. Eine zum Schadensersatz verpflichtende unerlaubte Handlung sei auch nicht darin zu sehen, daß der Sektenbeauftragte der Beklagten die Zeitungsartikel vom 6./7. Oktober 1990, 24. Oktober 1995 und 1./3. Mai 1998 auf Anfrage verschickt habe, ohne sich von deren Inhalt zu distanzieren. Insoweit fehle es jedenfalls an einem Verschulden des Zeugen L.. An letzterem Umstand scheitere auch eine Haftung der Beklagten für die Erkrankung des Klägers, die nicht voraussehbar gewesen sei.
Darüber hinaus – so das Berufungsgericht weiter – habe der Kläger seinen Schaden nicht hinreichend dargelegt, zumindest wegen eines wesentlichen Teils des Schadensersatzanspruchs greife die Einrede der Verjährung durch. Schließlich scheitere der Klageanspruch daran, daß der Kläger es unterlassen habe, sich mit einem Rechtsmittel gegen die von ihm behaupteten Beeinträchtigungen zu wehren.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
1. a) Aus dem Zeitungsartikel vom 6./7. Oktober 1990 lastet das Berufungsgericht dem Sektenbeauftragten (nur) an, gegenüber den Journalisten bestätigt zu haben, daß sich bei ihm Anfragen von Betroffenen – darunter auch solchen, die von der Tätigkeit des Klägers betroffen gewesen seien – gehäuft hätten. Ansonsten, führt das Berufungsgericht aus, sei offen, ob der Zeitungsartikel Äußerungen L. 's oder sonstige Rechercheergebnisse der Journalisten enthalte. Ob L. die Klienten des Kläger als „eindeutige Psychosekte” bezeichnet habe, sei ebensowenig sicher wie, ob er den Journalisten das in dem Zeitungsartikel zitierte, Psychosekten betreffende, Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Mai 1989 (BVerwGE 82, 76 = NJW 1989, 2272) zur Verfügung gestellt habe.
aa) Die Revision rügt mit Recht als Verfahrensfehler, daß das Berufungsgericht sich nicht mit folgenden Umständen auseinandergesetzt hat:
- daß einzelne Aussagen in dem Zeitungsartikel ausdrücklich – durch Anführungszeichen – dem Sektenbeauftragten der Beklagten zugeschrieben worden waren und daß der Journalist R. als Zeuge bekundet hat, alle als Zitate des Sektenbeauftragten gekennzeichneten Aussagen seien von diesem – zumindest sinngemäß – auch gemacht worden,
- daß der Zeuge L. bei seiner Vernehmung bestätigt hat, den Journalisten das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts übergeben zu haben, und
- daß L. nach dem Vortrag der Beklagten in einem Schreiben vom 16. Oktober 1990 an den Redakteur der N. Nachrichten zwar einige inhaltlich falsche Zitate monierte, jedoch nicht die hier in Rede stehenden Zitate.
bb) Mit der Revision ist deshalb im Revisionsverfahren zu unterstellen, daß auch die Behauptungen in dem Artikel vom 6./7. Oktober 1990, es gebe eine etwa 200 bis 300 Personen umfassende Gruppe um den Kläger, die eine „eindeutige Psychosekte” darstelle, und daß der Kläger mit seinem Wirken alle in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. März 1989 aufgeführten negativen Merkmale von Jugend- und Psychosekten erfülle, von dem Sektenbeauftragten der Beklagten herrühren; darüber hinaus auch davon, daß L. von „pseudoreligiösem Mischmasch” gesprochen und den Kläger als „sogenannten Psychotherapeuten” bezeichnet, ferner erklärt hat, es gebe einen seelisch und finanziell geschädigten Exklienten des Klägers, zu dessen Fall er – L. – überlege, das Gesundheitsamt und das Finanzamt einzuschalten.
b) Aus dem Artikel vom 24. November 1995 schreibt das Berufungsgericht L. (nur) die Äußerung zu, er wisse von Leuten, die seit zehn Jahren vom Kläger abhängig seien und 100.000 DM für Therapiestunden an ihn bezahlt hätten. Es passierten bei diesem Dinge, die es sonst im Therapiebereich nicht gebe. Klienten müßten sich die Gunst des Klägers durch das Tragen einheitlicher Kleidung oder den Kauf von Pferden erwerben. Er – L. – schätze das Jahreseinkommen des Klägers auf zwischen 500.000 und 750.000 DM.
aa) In Übereinstimmung mit der insoweit erhobenen Revisionsrüge ist indessen im Revisionsverfahren dem Sektenbeauftragten L. auch noch die Äußerung über den „sektenartigen Charakter” der Gruppe um den Kläger zuzuordnen, die L. als Zeuge eingeräumt hat, ohne daß sich das Berufungsgericht mit diesem Teil der Aussage konkret auseinandersetzt.
bb) Nicht berechtigt ist dagegen die weitere Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe den Kläger verfahrensfehlerhaft hinsichtlich seiner Behauptung für beweisfällig erachtet, daß auch der übrige Inhalt des Artikels auf Äußerungen des Sektenbeauftragten zurückgehe. Von einer Begründung sieht der Senat insoweit ab (§ 565 ZPO a.F.).
c) Was den Zeitungsartikel vom 1./3. Mai 1998 und die Rundfunksendung vom 28. Mai 1997 angeht, so ist revisionsrechtlich von der Feststellung des Berufungsgerichts auszugehen, daß der Zeitungsartikel – als solcher – dem Sektenbeauftragten der Beklagten überhaupt nicht und die Rundfunksendung nur mit der Äußerung zuzuordnen ist, bei dem Geschehen um den Kläger handele es sich um einen „versekteten Psychokult”. Die Verfahrensrüge der Revision, die dem Sektenbeauftragten den gesamten Inhalt des Zeitungsartikels und der Rundfunksendung anlasten will, ist unbegründet. Von einer Begründung sieht der Senat auch insoweit ab (§ 565a ZPO a.F.).
2. Abgesehen davon, daß nach den vorstehenden Ausführungen die Tatsachengrundlage, auf der das Berufungsgericht die gegen den Kläger gerichteten Auftritte des Sektenbeauftragten der Beklagten in den Medien auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft hat, unvollständig ist, erweist sich auch die rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts im übrigen als nicht frei von Rechtsfehlern.
a) Es ist allerdings nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht die in dem Artikel vom 6./7. Oktober 1990 enthaltene Aussage, Anfragen von Betroffenen (verzweifelt Ratsuchenden) hätten sich bei L. gehäuft, als wahre – und damit unbeschadet ihres das Persönlichkeitsrecht und das berufliche Ansehen des Klägers beeinträchtigenden Charakters grundsätzlich zulässige (vgl. BVerfGE 94, 1, 8 = NJW 1996, 1529; Seyfarth, NJW 1999, 1287, 1292) – Tatsachenbehauptung angesehen hat.
aa) Zu Unrecht meint die Revision, die betreffende Tatsachenbehauptung müsse zusammen mit dem Hinweis auf „jahrelange Beobachtungen” und „ständige Gespräche” L. 's gelesen und geprüft werden; dieser Zusatz in dem Zeitungsartikel ist – nach dem Stand des Revisionsverfahrens – L. nicht zwingend zuzuordnen.
bb) Es liegen entgegen der Revision auch keine Verfahrensfehler vor, soweit das Berufungsgericht dem Zeugen L. geglaubt hat, daß vor dem Erscheinen des Zeitungsartikels mehrere Angehörige von (mehreren) Klienten des Klägers zu ihm gekommen waren. Von einer Begründung wird abgesehen (§ 565a ZPO a.F.).
cc) Schließlich ist es entgegen der Revision auch nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter in diesem Zusammenhang keinen wesentlichen Unterschied zwischen „Betroffenen” persönlich und ihren Angehörigen sieht, sondern auch letztere als „verzweifelt Ratsuchende … Betroffene” behandelt.
b) Dagegen hält den Angriffen der Revision nicht die Auffassung des Berufungsgerichts stand, die in diesem Zusammenhang im Berufungsurteil unterstellte Bezeichnung des Klägers und seiner Klienten als „eindeutige Psychosekte” beinhalte eine nach dem Grundgesetz zulässige Meinungsäußerung bzw. Religionsausübung.
aa) Das Berufungsgericht meint, trotz des gleichzeitigen Hinweises auf in einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aufgelistete Merkmale für Jugend- und Psychosekten und trotz des Adjektives „eindeutig” handele es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um ein Werturteil, das durch Elemente des Meinens und der Stellungnahme geprägt sei. Als Werturteil, das hier auch nicht die Grenze zur Schmähkritik überschreite (vgl. BVerfG NJW 1995, 3303), könne die vorliegende Äußerung der Kirche im Bereich religiösen Wirkens nicht rechtswidrig sein, ohne daß das Gericht auf die „Plausibilität” der Einstufung als Psychosekte einzugehen brauche.
bb) Dem kann nicht gefolgt werden.
(1) Es ist schon nicht unbedenklich, daß das Berufungsgericht die betreffende Äußerung des Sektenbeauftragten der Beklagten als bloßes Werturteil angesehen hat. Bei der Einordnung einer Äußerung als Werturteil oder als Tatsachenbehauptung, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts für die Beurteilung von Eingriffen in das Grundrecht auf Meinungsfreiheit – und gleichermaßen in die Religionsfreiheit (vgl. BVerfG NJW 1989, 3269 ff) – von weichenstellender Bedeutung ist (vgl. BVerfG ZIP 2002, 2230 f m.w.N.), kommt es für die Einstufung als Tatsachenbehauptung wesentlich darauf an, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist, was bei Meinungsäußerungen ausscheidet, weil sie durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt sowie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet werden und sich deshalb nicht als wahr und unwahr erweisen lassen (BVerfGE 61, 1, 9; 85, 1, 14; BGH, Urteil vom 23. Februar 1999 – VI ZR 140/98 – NJW 1999, 2736 f.). Indes kann auch eine Äußerung, die auf Werturteilen beruht, sich als Tatsachenbehauptung erweisen, wenn und soweit bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorgerufen wird (BGH, Urteile vom 17. November 1992 – VI ZR 344/91 – VersR 1993, 193 f und BGHZ 132, 13, 21), was im Streitfall insbesondere durch die Anspielung auf angebliche in einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts angeführte Sektenmerkmale geschehen sein könnte. Umgekehrt ändert freilich die Fundierung eines Werturteils in tatsächlichen Erhebungen an seiner rechtlichen Einordnung als Werturteil grundsätzlich nichts (BVerfG ZIP 2002, 2230 f). Das Berufungsgericht will ersichtlich entscheidend auf einen Vergleich mit dem Gutachten eines in einem gerichtlichen Verfahren oder Verwaltungsverfahren bestellten Sachverständigen abstellen, das regelmäßig ein Werturteil darstellt, auch soweit der Sachverständige in dem Gutachten über das Vorliegen konkreter Tatsachen zu befinden hatte (BGH, Urteil vom 23. Februar 1999 – VI ZR 140/98 – NJW 1999, 2736 f). Soweit das Berufungsgericht die Äußerung des Sektenbeauftragten der Beklagten über den „eindeutigen Sektencharakter” hiermit gleichstellt, läßt es allerdings unerwähnt, daß es von dem dargestellten grundsätzlichen Ansatz in Einzelfällen Ausnahmen gibt, etwa dann, wenn die der Schlußfolgerung des Sachverständigen vorausgehende methodische Untersuchung oder die zum Ergebnis führende Anwendung spezieller Kenntnisse und Fähigkeiten nur vorgetäuscht oder grob leichtfertig vorgenommen worden ist; dann kann das Gutachten seinen Charakter als Werturteil verlieren (BGH, Urteil vom 23. Februar 1999 aaO). Im Streitfall wirft der Kläger dem Sektenbeauftragten vor, sein Urteil, hier sei eine „eindeutige Psychosekte” nach den Merkmalen einer maßgeblichen höchstrichterlichen Entscheidung aktiv, abgegeben zu haben, ohne sich von der Arbeit des Klägers ein persönliches Bild zu machen oder sonst nähere Informationen eingeholt zu haben. Mit diesem Gesichtspunkt hat sich das Berufungsgericht nicht befaßt.
(2) Selbst wenn man die vom Berufungsgericht vorgenommene Einstufung der in Rede stehenden Äußerung des Sektenbeauftragten im Sinne einer bloßen Meinungsäußerung als richtig zugrunde legt, ist die Rechtswidrigkeitsprüfung des Berufungsgerichts unzureichend.
Es ist zwar richtig, daß bei Werturteilen, die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage betreffen, eine Vermutung für die Freiheit der Rede spricht. Auch Meinungsäußerungen als Werturteile im Bereich religiösen Wirkens in die Welt können nicht schon dann untersagt werden, wenn sie grundlos, falsch oder emotional, nicht rational geprägt sind (vgl. BVerfG NJW 1993, 1845; BayVGH NVwZ 1994, 787, 790). Regelmäßig treten die Belange der Meinungsfreiheit dann zurück, wenn sich die Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde als Formalbeleidigung oder Schmähkritik darstellt (BVerfGE 93, 266, 293 f = NJW 1995, 3303), wobei an eine solche Einstufung strenge Anforderungen zu stellen sind (Seyfarth aaO S. 1290). Das schließt allerdings (weitere) Beschränkungen von Werturteilen unter besonderen Umständen nicht aus (BVerfG ZIP 2002, 2230 f; BVerfGE 85, 1, 16 f = NJW 1992, 1439), so daß eine Abwägung zwischen den Belangen des Ehrenschutzes und der Meinungsfreiheit erforderlich ist. Abgesehen davon, daß im Streitfall auf seiten der Beklagten auch das Recht auf Religionsfreiheit bzw. auf ungestörte Religionsausübung (Art. 4 Abs. 1, 2 GG) – für das entsprechende Grundsätze gelten wie für die Meinungsfreiheit (BVerfG NVwZ 1994, 159; BayVGH NVwZ 1994, 787, 790; vgl. auch BVerfG NJW 1997, 2669) – und auf seiten des Klägers auch der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs (Art. 14 GG; vgl. § 824 BGB) betroffen ist, darf, wie der Revision zuzugeben ist, bei der Abwägung nicht unberücksichtigt bleiben, daß sich der Sektenbeauftragte der Beklagten im vorliegenden Zusammenhang in „amtlicher” Eigenschaft für eine öffentlich-rechtlich korporierte Religionsgemeinschaft in einem Bereich geäußert hat, in dem diese unbeschadet ihres allgemeinen Auftrags weitergehenden Bindungen im öffentlichen Meinungskampf unterworfen sein kann als der einzelne Bürger: Zwar gelten für die Kirche, soweit sie nicht ausnahmsweise hoheitliche Befugnisse wahrnimmt, also etwa im Rahmen der geistigen Auseinandersetzung mit anderen Religionen und sonstigen weltanschaulichen Fragen, nicht die dem Staat gesetzten Grenzen; sie ist also weder unmittelbar an die einzelnen Grundrechte gebunden, noch unterliegt sie im übrigen denselben Beschränkungen, die für den Staat gelten, wenn er beispielsweise Informationen über weltanschauliche Gruppierungen gibt (vgl. dazu BVerfG NJW 1989, 3269; BVerfG NJW 2002, 2626; BVerwGE 82, 76, 83 = NJW 1989, 2272; BayVGH NVwZ 1995, 793: weltanschauliche Neutralität und Zurückhaltung; Verhältnismäßigkeit; Sachlichkeit; Wahrhaftigkeit). Andererseits muß für einen interessengerechten und dem Grundrechtssystem entsprechenden Ausgleich der betroffenen Rechtspositionen auch Berücksichtigung finden, daß die öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaften allgemein einen erhöhten Einfluß in Staat und Gesellschaft haben und nutzen. Mit Recht verweist die Revision darauf, daß gerade auch die kirchlichen Sektenbeauftragten in Fragen der hier in Rede stehenden Art in den Augen der Öffentlichkeit eine gesteigerte Sachkompetenz genießen (vgl. BayVGH NVwZ 1994, 787, 789). Damit korrespondiert aber auch eine erhöhte Verantwortung. Wie das Bundesverfassungsgericht bereits ausgesprochen hat, liegen den korporierten Religionsgemeinschaften, die über besondere Machtmittel und einen erhöhten Einfluß in Staat und Gesellschaft verfügen, die besonderen Pflichten des Grundgesetzes näher als anderen Religionsgemeinschaften (BVerfG NJW 2001, 429, 432; BVerfG NVwZ 2001, 908, 909). Auch nach Auffassung des Bundesgerichtshofs wird von den korporierten Religionsgemeinschaften – auch außerhalb des ihnen übertragenen Bereichs hoheitlicher Befugnisse (Kirchensteuer, Friedhofswesen etc.) – in weitergehendem Umfang als von jedem Bürger Rechtstreue verlangt, insbesondere die Achtung der fundamentalen Rechte der Person, die Teil der verfassungsmäßigen Ordnung ist (BGHZ 148, 307, 311). Dies bedeutet nach Auffassung des erkennenden Senats für den vorliegenden Fragenkreis: Setzt sich, wie hier, die Kirche im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit als anerkannte Autorität kritisch mit sozialen Phänomenen derart auseinander, daß Konflikte nicht nur mit anderen Religionsgemeinschaften, sondern ganz allgemein mit anderen Menschen und wirtschaftlichen Unternehmen vorgezeichnet sind, so muß sie auf das Persönlichkeitsrecht und die wirtschaftliche Existenz der Betroffenen Rücksicht nehmen. Es kann von ihr zwar nicht Neutralität verlangt werden, wohl aber ein angemessener Grad an Sorgfalt, Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit. Das bedeutet im Streitfall unter anderem, daß der Sektenbeauftragte der Beklagten ein den Kläger persönlich wie auch als wirtschaftlichen Unternehmer existentiell berührendes Urteil wie das, um den Kläger herum habe sich (eindeutig) eine „Psychosekte” gebildet, nicht abgeben durfte, ohne sich zuvor hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche Abqualifizierung verschafft zu haben. Dazu, ob der Sektenbeauftragte der Beklagten letzteres getan hatte, enthält das Urteil des Berufungsgerichts keine Feststellungen.
c) aa) Aus den vorstehenden Ausführungen (zu b) ergibt sich, daß auch die in dem Artikel vom 24. November 1995 wiedergegebene Äußerung L. 's, die Gruppe um den Kläger habe „sektenartigen Charakter”, nicht ohne weiteres als bloßes Werturteil rechtmäßig war.
bb) Darüber hinaus hat das Berufungsgericht auch die weitere aus diesem Artikel dem Sektenbeauftragten L. zugeschriebene Äußerung, es gebe Leute, die seit zehn Jahren vom Kläger abhängig seien und rund 100.000 DM für Therapiestunden an ihn gezahlt hätten, er – L. – schätze das Jahreseinkommen des Klägers auf 500.000 bis 750.000 DM, rechtlich nicht haltbar beurteilt.
(1) Mit der Revision ist zunächst zu beanstanden, daß das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang die weitere von ihm festgestellte Äußerung L. 's, es passierten beim Kläger Dinge, die es sonst im Therapiebereich nicht gebe, Klienten müßten sich die Gunst des Klägers durch das Tragen einheitlicher Kleidung oder den Kauf von Pferden erwerben, gänzlich unberücksichtigt gelassen hat.
(2) Im übrigen wendet sich die Revision mit Recht dagegen, daß das Berufungsgericht im vorliegenden Zusammenhang zwar Tatsachenbehauptungen des Sektenbeauftragten annimmt, aus diesen jedoch die von L. angesprochene „Abhängigkeit” der Klienten vom Kläger als vermeintlich bloßes – erlaubtes – Werturteil herauslöst. Dafür gibt es nach dem Gesamtzusammenhang, aus dem nicht ein Teil der Verlautbarungen herausgenommen und einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden durte (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 1996 – VI ZR 386/94 – NJW 1996, 1131, 1133), keinen Grund.
(3) Dementsprechend vermag der Senat die Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu teilen, die Nachrede eines Jahreseinkommens von 500.000 DM bis 750.000 DM oder auch der Honorarzahlungen einzelner Patienten von 100.000 DM im Laufe von zehn Jahren sei nicht ehrenrührig und könne nicht das berufliche Ansehen eines Psychotherapeuten beeinträchtigen. Es liegt im Gegenteil auf der Hand, daß solche Angaben insbesondere im Zusammenhang mit der Behauptung, daß es sich um „abhängige” Patienten handele, ehrverletzende Qualität haben konnten.
(4) Die Bewertung der in Rede stehenden Angaben L. 's durch das Berufungsgericht läßt sich auch nicht mit dessen Erwägung halten, es reiche zur Rechtfertigung aus, daß L. „von Leuten erfahren” habe, „daß sie ihrerseits Personen kennen”, die 100.000 DM für Therapiestunden beim Kläger bezahlt hätten.
(a) Zwar war es entgegen der Rüge der Revision nicht verfahrensfehlerhaft, daß das Berufungsgericht zu diesem Punkt dem Zeugen L. unbeschadet dessen geglaubt hat, daß der Zeuge die Frage, hinsichtlich welcher (beiden) Klienten ihm von Honorarzahlungen von mehr als 100.000 DM berichtet worden sei, unter Berufung auf ein Aussageverweigerungsrecht nicht beantwortet hat. Die Frage, ob dem Zeugen L. insoweit ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zustand, stellt sich nicht, weil der Kläger nach der betreffenden Zeugnisverweigerung durch den Zeugen L. vor dem Oberlandesgericht ohne Rüge zur Hauptsache verhandelt und damit nach § 295 ZPO das Recht verloren hat, eine Entscheidung des Gerichts über die Berechtigung zur Weigerung zu verlangen (vgl. BGH, Urteile vom 18. Februar 1954 – IV ZR 126/53 – LM ZPO § 295 Nr. 9 und vom 18. November 1986 – IVa ZR 99/85 – VersR 1987, 149).
(b) Verfehlt ist aber die – jedenfalls der Tendenz nach zum Ausdruck gebrachte – Annahme des Berufungsgerichts, der Sektenbeauftragte der Beklagten hätte die ihm von anderen gemachten Angaben vor einer Weitergabe an die Presse nicht näher überprüfen müssen, weil ihn etwa mit der (erhöhten) Sorgfaltspflicht der Presse (vgl. dazu BGH, Urteile vom 21. Juni 1966 – VI ZR 266/64 – NJW 1966, 2010, vom 12. Mai 1987 – VI ZR 195/86 – NJW 1987, 2225 f, vom 30. Januar 1996 – VI ZR 386/94 – NJW 1996, 1131 und vom 7. Dezember 1999 – VI ZR 51/99 – NJW 2000, 1036 f) vergleichbare Informationspflichten nicht getroffen hätten. Ebenso wie der weittragende Einfluß der Presse auf die Meinungsbildung eine gesteigerte Prüfungspflicht der Presse begründet – die um so weiter geht, je schwerer und nachhaltiger das Ansehen des Betroffenen durch die Veröffentlichung der beanstandeten Äußerung beeinträchtigt wird –, trifft die als öffentlich-rechtliche Körperschaften verfaßten Religionsgemeinschaften bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben in der Gesellschaft eine erhöhte Sorgfaltspflicht. Es gilt insoweit für die Verbreitung von Tatsachenbehauptungen im wesentlichen dasselbe wie für mit kirchlicher Autorität versehene abfällige Werturteile (dazu oben b) bb) (2)).
d) Soweit der Sektenbeauftragte der Beklagten in der Rundfunksendung vom 28. Mai 1997 von einem „versekteten Psychokult” gesprochen hat, mag zweifelhaft sein, ob darin zugleich, wie die Revision anführt, eine Tatsachenbehauptung in dem Sinne lag, es gebe eine einheitliche Gruppe um den Kläger. Die Bewertung des Berufungsgerichts – da die Grenze der Schmähkritik nicht überschritten werde, handele es sich um ein ohne weiteres zulässiges Werturteil – ist jedenfalls aus den vorstehend bereits genannten Gründen (oben b) bb) (2)) unzureichend.
3. Nicht frei von Rechtsfehlern ist es auch, daß das Berufungsgericht in der vom Kläger behaupteten, teils unstreitigen, Weitergabe der Zeitungsartikel vom 6./7. Oktober 1990, 24. November 1995 und 1./3. Mai 1998 keine schuldhafte Amtspflichtverletzung des Sektenbeauftragten der Beklagten gesehen hat.
a) Im Ansatz zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, daß, wie im Bereich des Ehrenschutzes anerkannt ist, durchaus auch in der Wiedergabe der Aussage eines Dritten dann eine eigene Äußerung des Zitierenden liegen kann, wenn er sich den Inhalt der fremden Äußerungen erkennbar zu eigen gemacht hat. Bereits im Verbreiten dessen, was ein Dritter geäußert hat, ist eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen zu sehen, wenn es an einer eigenen und ernsthaften Distanzierung desjenigen, der eine Äußerung weitergibt, fehlt (BGHZ 132, 13, 18 f). Das alles hat im Grundsatz auch und gerade für den Fall zu gelten, daß Zeitungsartikel „amtlich” (geschäftsmäßig) verbreitet werden, in denen, wenn auch neben anderen Stimmen, der die Artikel Verbreitende selbst zu Wort gekommen ist, wie es hier – wie im Revisionsverfahren anzunehmen ist: bis auf den Artikel vom 1./3. Mai 1998 – der Fall war.
b) Das Berufungsgericht verneint gleichwohl eine haftungsrechtliche Einstandspflicht der Beklagten, weil auch bei Anlegung eines im Zusammenhang mit der Amtshaftung gebotenen objektivierten Sorgfaltsmaßstabes (vgl. nur BGHZ 117, 240, 249; Senatsurteil vom 11. Dezember 1997 – III ZR 52/97 – NJW 1998, 1307 f m.w.N.) den Sektenbeauftragten jedenfalls kein Verschulden treffe. Es sei nicht dargelegt, wieso L. hätte wissen sollen, daß der Inhalt der einzelnen Zeitungsartikel möglicherweise unrichtig sei. Für die Unbedenklichkeit der Texte habe aus seiner Sicht gesprochen, daß der Kläger keine rechtlichen Schritte gegen die Veröffentlichungen unternommen habe. L. habe sich auf die „unwidersprochen gebliebenen” Presseberichte verlassen dürfen, soweit es um Tatsachenbehauptungen gegangen sei, die nicht seinem eigenen Erfahrungsbereich entstammten. Selbst wenn L. Bedenken gekommen wären und er sich an fachkundiger Stelle erkundigt hätte, ob die Verbreitung der Zeitungsartikel auf rechtliche Bedenken stoße, könne nicht ohne weiteres angenommen werden, daß er die eindeutige Antwort erhalten hätte, die Weiterverbreitung sei rechtswidrig. Immerhin hätten seinerzeit gewichtige Stimmen im juristischen Schrifttum die Auffassung vertreten, als Folge der Ausweitung der Meinungsäußerungsfreiheit auf Kosten des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen durch das Bundesverfassungsgericht sei der Ehrenschutz „praktisch nicht mehr durchsetzbar”.
(aa) Diese Ausführungen zum Verschulden sind schon mit dem Mangel behaftet, daß, wie oben (unter b) bb) (2) und (4)) ausgeführt, der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts hinsichtlich der (objektiven) Berechtigung des Sektenbeauftragten einer öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaft zu „amtlichen” ehrverletzenden Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen in der Öffentlichkeit bzw. zu den ihn in diesem Zusammenhang treffenden Prüfungspflichten nicht richtig ist. Infolgedessen läßt das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Verbreitung der Zeitungsartikel ganz außer acht, daß diese – bis auf denjenigen vom 1./3. Mai 1998 – maßgeblich auf eigene Äußerungen des Sektenbeauftragten gegenüber den Journalisten zurückgehen; soweit jene Äußerungen rechtswidrig gewesen sein sollten – was, wie gesagt, bisher noch nicht hinreichend geprüft ist –, kann also ein Verschulden L. 's nicht mit dem Hinweis ausgeschlossen werden, er habe auf die Richtigkeit der Zeitungsartikel vertraut. Da die Annahme des Berufungsgerichts – wie auch schon des Landgerichts –, die in Rede stehenden Amtshandlungen seien rechtmäßig gewesen, auf einer unzureichenden tatsächlichen und rechtlichen Beurteilungsgrundlage beruht, kann ein Verschulden des Sektenbeauftragten der Beklagten nicht schon unter Berufung auf die sogenannte Kollegialgerichts-Richtlinie verneint werden, die besagt, daß einen Beamten in der Regel kein Verschulden trifft, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen (Berufsrichtern) besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat (vgl. Staudinger/Wurm aaO Rn. 216 ff, 218 m.w.N.).
(bb) Die Revision beanstandet darüber hinaus mit Recht, daß bei Zugrundelegung eines objektivierten Sorgfaltsmaßstabes ein Verschulden des Sektenbeauftragten selbst insoweit in Betracht kommt, als in den von ihm weiterverbreiteten Zeitungsartikeln Angriffe gegen den Kläger enthalten sind, die zwar nicht als Äußerungen des Sektenbeauftragten der Beklagten gekennzeichnet sind, aber noch weit schwerer wiegen; wie etwa in dem Artikel vom 1./3. Mai 1998, wo der Sektenbeauftragte der evangelisch-lutherischen Kirche in B. mit der Behauptung zitiert wird, bei ihm hätten sich Frauen gemeldet, die erklärt hätten, so unter dem Einfluß des Klägers gestanden zu haben, daß sie für Geschlechtsverkehr den Therapeutensatz bezahlt hätten. Zeitungsartikel mit einem für den Betroffenen derartig schwerwiegenden Inhalt durfte der Sektenbeauftragte – wie sich für L. aufdrängen mußte – nicht in seiner amtlichen Funktion an die interessierten Kreise weiterleiten, ohne sich hinsichtlich der Richtigkeit – etwa über die von seinem evangelischen Amtskollegen vorgenommenen Recherchen – näher zu informieren.
(cc) Ein „Vertrauen” des Sektenbeauftragten auf die Richtigkeit der Zeitungsberichte ergab sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht schon daraus, daß der Kläger hiergegen zunächst keine gerichtlichen Schritte unternahm, zumal dieser nach den eigenen Feststellungen des Berufungsgerichts vor dem Erscheinen des ersten Zeitungsartikels erklärt hatte, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe seien „nicht ernstzunehmen” – worin alles andere als eine Billigung gesehen werden konnte –, und diese ausweislich der späteren Zeitungsartikel auch später ausdrücklich in Abrede stellte.
(dd) Die vom Berufungsgericht für möglich gehaltenen Rechtsauskünfte fachkundiger Kreise, falls L. sich vor seinen öffentlichen Auftritten und Äußerungen gegen den Kläger hinsichtlich seiner diesbezüglichen Rechte und Pflichten erkundigt hätte, schließen den Verschuldensvorwurf gegen den Sektenbeauftragten der Beklagten ebenfalls nicht aus. L. ist bereits vorzuwerfen, daß er sich – wovon revisonsrechtlich auszugehen ist – in der vom Berufungsgericht beschriebenen, rechtlich nicht leicht zu durchschauenden Situation nicht rechtlich informiert hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar dann, wenn die nach sorgfältiger Prüfung gewonnene Rechtsansicht des Amtswalters als rechtlich vertretbar angesehen werden kann, und er daran bis zur gerichtlichen Klärung der Rechtslage festhält, aus der nachträglichen Mißbilligung seiner Rechtsauffassung durch die Gerichte ein Schuldvorwurf nicht hergeleitet werden (vgl. nur BGHZ 119, 365, 369). Die Verneinung des Schuldvorwurfs setzt allerdings voraus, daß die letztlich als unzutreffend erkannte Rechtsmeinung nicht nur vertretbar, sondern auch aufgrund sorgfältiger rechtlicher und tatsächlicher Prüfung gewonnen worden war. Fehlt es an dieser weiteren Voraussetzung, kann ein Schuldvorwurf bereits unter diesem Gesichtspunkt begründet sein (BGHZ 119, 365, 370).
4. Die zusätzlichen Erwägungen des Berufungsgerichts dazu, daß es (allemal) hinsichtlich der im Laufe des Prozesses aufgetretenen Erkrankung des Klägers an einem Verschulden des Sektenbeauftragten fehle – ohne daß es darauf ankomme, ob die Krankheit durch die Äußerungen des Zeugen L. gegenüber den Medien und die Weiterverbreitung der Presseberichte ausgelöst worden sei –, sind, wie die Revision zutreffend rügt, schon deshalb verfehlt, weil der Fahrlässigkeitsvorwurf sich im Rahmen des § 839 Abs. 1 BGB nur auf die Erfüllung des haftungsbegründenden Tatbestandes durch die Amtspflichtverletzung, nicht dagegen auf den daraus entstandenen Schaden zu erstrecken braucht (vgl. nur Senatsurteile BGHZ 34, 375, 381 und vom 8. Februar 1965 – III ZR 170/63 – NJW 1965, 962 f). Eine andere Frage, mit der das Berufungsgericht sich aber nicht befaßt hat, ist die, ob die behauptete Erkrankung im Sinne einer adäquaten Kausalität – also nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegend (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 62. Aufl. Vorbem. vor § 249 Rn. 58 ff) – auf die behaupteten (psychischen) Beeinträchtigungen des Klägers zurückzuführen ist.
III.
Die die Klage (insgesamt) abweisende Entscheidung des Berufungsgerichts wird auch nicht durch die weitere – hilfsweise – Begründung des Berufungsurteils getragen.
1. Das Berufungsgericht hält die Klage, was die Darlegung des dem Kläger durch die behauptete Amtspflichtverletzung entstandenen Schadens angeht, für „wenigstens teilweise” beziehungsweise „jedenfalls nicht hinsichtlich eventueller Schadensereignisse in unverjährter Zeit, also aus den letzten drei Jahren vor der Klageeinreichung” unschlüssig, ohne allerdings insoweit die erforderliche nähere Aufgliederung vorzunehmen.
Im übrigen trifft zwar die Beanstandung des Berufungsgerichts hinsichtlich der entgangenen Einnahmen schon deshalb zu, weil weder der vom Kläger auf 1.690.453 DM „geschätzte” Betrag an entgangenen Entgelten seiner Praxis, noch der im Zusammenhang mit dem Verlust von 30 Ausbildungsteilnehmern genannte Betrag von 40.000 DM pro Teilnehmer, noch der durch die Ausbootung des Klägers bei der „Wirkstatt” eingetretene Verlust von 71.800 DM hinreichend aufgeschlüsselt worden sind. Nicht ohne weiteres gilt diese Beanstandung jedoch, wie die Revision zu Recht rügt, für die weiteren geltend gemachten Schadenspositionen von insgesamt 85.000 DM wegen verstärkter Werbemaßnahmen einschließlich Rundbriefen. Darüber hinaus trifft die Rüge der Revision zu, daß das Berufungsgericht nach dem besonderen Verlauf des gerichtlichen Verfahrens, in dem das erstinstanzliche (klageabweisende) Urteil des Landgerichts auf die Berechnung des Schadens überhaupt nicht eingegangen ist und auch im Berufungsverfahren unvermittelt in eine Beweisaufnahme zur Frage des Vorliegens einer Amtspflichtverletzung eingetreten worden ist, eine Bestätigung des klageabweisenden Urteils nicht entscheidend auf Mängel in der Schadensberechnung stützen durfte, ohne dem Kläger Gelegenheit zu einer Ergänzung seines Vortrags zu geben (§ 139 ZPO a.F.). Schließlich rechtfertigten die Mängel im Vortrag des Klägers hinsichtlich seines materiellen Schadens auf keinen Fall die Klageabweisung bezüglich des weiter geltend gemachten immateriellen Schadensersatzanspruchs.
2. Auch der vom Berufungsgericht weiter angeführte Gesichtspunkt eines Haftungsausschlusses nach § 839 Abs. 3 BGB rechtfertigt – jedenfalls nach dem bisherigen Sachstand – nicht die von ihm ausgesprochene (vollständige) Abweisung des Amtshaftungsanspruchs.
a) Das Berufungsgericht lastet dem Kläger an, auf die von ihm beanstandeten Handlungen des Zeugen L. nicht mit einer Unterlassungsklage bzw. mit einem Antrag auf einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO reagiert zu haben. Auch wenn, so führt es aus, ein solches Verfahren eine gewisse Zeit in Anspruch genommen hätte, wäre doch – „die Rechtswidrigkeit der Aktivitäten des Zeugen L. unterstellt” – verhindert worden, daß die Artikel vom 24. November 1995 und vom 1./3. Mai 1998 sowie die Rundfunksendung vom 28. Mai 1997 unter dessen Mitwirkung hätten entstehen können. Auch hätte die Verbreitung der Zeitungsartikel durch den Zeugen unterbunden werden können.
b) Indessen machen diese Ausführungen schon nicht hinreichend deutlich, welche gerichtliche Schritte des Klägers im einzelnen – insbesondere was die spätere Verbreitung der Zeitungsartikel durch den Zeugen L. angeht – das Berufungsgericht sich vorstellt beziehungsweise von welchen konkreten (hypothetischen) Geschehensabläufen es ausgeht.
Im übrigen sind die Ausführungen des Berufungsgerichts nicht geeignet, sämtliche Zweifel zu beseitigen, ob für den Kläger in seiner Situation ein gerichtliches Vorgehen zumutbar war.
aa) Der Senat hat im derzeitigen Verfahrensstadium keinen Anlaß, näher darauf einzugehen, ob und inwieweit im allgemeinen die vom Berufungsgericht in Betracht gezogene Unterlassungsklage oder die Einholung entsprechenden einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutzes (zu letzterem vgl. Senat BGHZ 130, 332, 338 und Beschluß vom 7. November 1996 – III ZR 283/95 – VersR 1997, 238 = BGHR BGB § 839 Abs. 3 Primärrechtsschutz 13) ein „Rechtsmittel” im Sinne des § 839 Abs. 3 darstellt, nämlich einen Rechtsbehelf, der darauf gerichtet und geeignet ist, einen Schaden durch eine bereits erfolgte Amtspflichtverletzung dadurch abzuwenden oder zu mindern, daß das schädigende Verhalten beseitigt oder berichtigt wird (vgl. Staudinger/Wurm aaO Rn. 354). Bezogen auf den Streitfall könnten sich diesbezügliche Zweifel möglicherweise daraus ergeben, daß eine solche Unterlassungsklage nicht unmittelbar gegen die (ersten) öffentlichen Äußerungen von Seiten der Beklagten hätte gerichtet sein können, sondern nur vorbeugend gegen etwaige zukünftige (weitere) Amtspflichtverletzungen, und daß sie jedenfalls nicht den durch den (ersten) Zeitungsartikel bereits verwirklichten Schaden insgesamt hätte abwehren können (zu letzterem Gesichtspunkt vgl. Senatsurteil vom 16. Januar 1986 – III ZR 77/84 – NJW 1986, 1924; Ossenbühl Staatshaftungsrecht 5. Aufl. S. 93 f). Eine andere, gegebenenfalls nach § 254 BGB zu beurteilende Frage wäre, ob dem Kläger nicht weitergehende presserechtliche (etwa Gegendarstellungs-)Ansprüche gegen die beteiligten Medien zustanden.
Darüber hinaus ist offen, ob eine Unterlassungsklage – erst recht eine Widerrufsklage, auf die die Revisionserwiderung verweist – des Klägers Erfolg gehabt hätte. Das Berufungsgericht legt dies zwar für die – aus seiner Sicht – theoretische Alternative, daß die Aktivitäten des Zeugen L. rechtswidrig waren, wie selbstverständlich zugrunde. Es berücksichtigt hierbei aber nicht die – keineswegs fernliegende – Möglichkeit, daß die mit einer Unterlassungsklage des Klägers befaßten Gerichte die Frage der Rechtmäßigkeit des Verhaltens des Sektenbeauftragten der Beklagten ebenso beurteilt hätten wie die beiden Vorinstanzen im vorliegenden Amtshaftungsprozeß. Im Bereich des § 839 Abs. 3 BGB kann der bei der Feststellung der Ursächlichkeit einer Amtspflichtverletzung für die Frage, wie die Entscheidung eines Gerichts oder einer Behörde ausgefallen wäre, geltende Grundsatz, daß allein auf die sachlich richtige, nicht auf die tatsächliche Entscheidung abzustellen ist, nicht uneingeschränkt gelten (Senatsurteil vom 16. Januar 1986 – III ZR 77/84 – NJW 1986, 1924 f). Dies hat der Senat in dem genannten Urteil zwar in erster Linie für Fälle ausgesprochen, in denen es nicht um die Anrufung eines Gerichts (gegen einen Verwaltungsakt) ging, sondern darum, ob eine Verwaltungsbehörde durch Gegenvorstellung oder Dienstaufsichtsbeschwerde zur Überprüfung ihres eigenen Handelns veranlaßt werden sollte. Ähnliche Erwägungen sind aber nicht ausgeschlossen, wenn es – wie hier – um die (hypothetische) Entscheidung eines Gerichts geht und ersichtlich eine einigermaßen zuverlässige Beurteilung, wie richtigerweise zu entscheiden gewesen wäre, nicht ohne weiteres möglich ist (vgl. Staudinger/Wurm aaO Rn. 362).
bb) Die vorstehend aufgeworfenen Fragen belassen jedenfalls Zweifel an einem Verschulden des Klägers in bezug auf die Nichteinlegung eines Rechtsmittels (außer der erfolglos gebliebenen Eingabe des Klägers vom 5. November 1998 an den N. Stadtdekan). Es fehlt am Verschulden, wenn die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels so gering oder zweifelhaft ist, daß dem Verletzten dessen Gebrauch nicht zuzumuten ist (Staudinger/Wurm aaO Rn. 358 m.w.N.). Im Streitfall kommt zu den oben angesprochenen Unwägbarkeiten – und der bis zur Entscheidung BGHZ 148, 307 noch bestehenden Unsicherheit hinsichtlich des Rechtswegs – hinzu, daß der Kläger vorgetragen hat, Rechtsanwälte hätten ihm von einer Unterlassungsklage abgeraten, weil ein auch nur teilweise verlorener „Zivilprozeß” die Sache für den Betroffenen „schlimmer mache als zuvor”. Ein solcher – im Revisionsverfahren zu unterstellender – Ratschlag muß in der damaligen Situation des Klägers nicht unbedingt falsch gewesen sein.
3. Die Notwendigkeit einer differenzierteren tatrichterlichen Beurteilung – unter Zuhilfnahme des § 287 ZPO – gilt auch für die Frage des Durchgreifens der Einrede der Verjährung, die das Berufungsgericht „zumindest wegen eines wesentlichen Teiles der Schadenspositionen”, jedoch wiederum ohne eine nähere Eingrenzung, angenommen hat.
Nach dem hier noch anwendbaren § 852 Abs. 1 BGB a.F. verjährt der Anspruch auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Grundsätzlich zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß bei wiederholten unerlaubten Handlungen die Verjährung hinsichtlich des jeweiligen schädigenden Einzelaktes gesondert einsetzt. Jede schädigende Teilhandlung oder Unterlassung stellt eine verjährungsrechtlich selbständige neue Schädigung dar, die einen neuen Ersatzanspruch mit eigenem Lauf der Verjährungsfrist erzeugt. Der Umstand, daß die wiederholten schadenstiftenden Handlungen Ausfluß eines einheitlichen Entschlusses sind – etwa im Sinne einer „Kampagne” –, bewirkt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht, daß die Verjährung von Schadensersatzansprüchen erst mit der letzten unerlaubten Handlung für alle beginnt; strafrechtliche Begriffe, wie die natürliche Handlungseinheit und die fortgesetzte Handlung, sind für die Verjährung deliktischer Ansprüche unmaßgeblich (BGHZ 71, 86, 94). Die Ansicht der Revision, im Streitfall sei der Verjährungsbeginn unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer „Dauerhandlung” hinausgeschoben, trifft daher nicht zu. Es ist auch nicht richtig, daß nur deshalb, weil der Sektenbeauftragte der Beklagten sich seit Erscheinen des ersten Zeitungsartikels nicht öffentlich von den ihm zugeschriebenen Äußerungen distanziert hat, eine solche „Dauerhandlung” anzunehmen wäre.
Wenn es mithin naheliegen mag, daß – wie das Berufungsgericht angenommen hat – wegen der durch die (dem Kläger bekannten) Zeitungsartikel von 1990 und von 1995 eingetretenen Schäden Verjährung eingetreten ist, so gilt dies jedenfalls nicht für einen etwa damit zusammenhängenden, nicht voraussehbaren Gesundheitsschaden und, wie das Berufungsgericht selbst sieht, nicht für die weiteren in Betracht zu ziehenden Amtspflichtverletzungen zumindest ab 1997. Die insoweit erforderlichen näheren Abgrenzungen müssen dem Tatrichter überlassen werden.
IV.
Da der Rechtsstreit im Revisionsverfahren nicht entscheidungsreif ist, muß die Sache nach allem zur erneuten Prüfung des Klageanspruchs an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
Unterschriften
Rinne, Wurm, Streck, Schlick, Dörr
Fundstellen
Haufe-Index 915234 |
BGHZ 2004, 54 |
BGHZ |
NJW 2003, 1308 |
BGHR 2003, 732 |
BGHR |
NVwZ 2003, 768 |
JR 2004, 145 |
Nachschlagewerk BGH |
AfP 2003, 326 |
DÖV 2003, 689 |
JZ 2004, 195 |
MDR 2003, 809 |
VersR 2003, 1301 |
DVBl. 2003, 1010 |
AfkKR 2003, 191 |