Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 16.01.2012) |
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 16. Januar 2012 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels sowie die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Vom Vorwurf weiterer Sexualdelikte hat es ihn freigesprochen. Mit ihrer beschränkten, auf die Sachrüge gestützten Revision greift die Staatsanwaltschaft die Freisprüche in den Fällen 8 sowie 9 bis 111 der Anklage zum Nachteil der Neben- und Adhäsionsklägerin B. an. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
Rz. 2
1. Mit der zugelassenen Anklage lag dem Angeklagten in den von der Staatsanwaltschaft angefochtenen Freispruchsfällen zur Last, der am 9. August 1996 geborenen Zeugin B. im September 2009 in seiner Wohnung einen Finger in die Scheide eingeführt und anschließend mit ihr den Geschlechtsverkehr ausgeführt zu haben; hierbei habe er sie mit einer Geschlechtskrankheit angesteckt (Fall 8: schwerer sexueller Missbrauch eines Kindes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, § 176a Abs. 2 Nr. 1, § 223 Abs. 1 StGB). In den Fällen 9 bis 111 soll er Fotos hergestellt haben, die „sexuelle Betätigungen der Zeugin zeigen, die bereits nach ihrem äußeren Erscheinungsbild der Befriedigung geschlechtlicher Bedürfnisse dienen und in vergröbernder Darstellung sexuellen Verhaltens unter Ausklammerung emotionaler Bezüge die dargestellte Person zum bloß austauschbaren Objekt geschlechtlicher Begierde oder Betätigung machen” (§ 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB). Zum Inhalt der Abbildungen verweist die Anklage lediglich auf in den Akten bezeichnete Lichtbilder.
Rz. 3
2. Das Landgericht hat den Angeklagten jeweils aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
Rz. 4
a) Im Fall 8 hat es die Einlassung des Angeklagten, dass es keinen sexuellen Kontakt zwischen ihm und der Zeugin B. gegeben habe, als nicht widerlegt angesehen. Der Angeklagte habe vermutet, dass die Zeugin ein entsprechendes sexuelles Erlebnis mit ihrem Freund Bu. gehabt habe, das sie auf ihn übertragen habe. Die Jugendschutzkammer sieht das mögliche Falschbelastungsmotiv der Zeugin darin, dass sie ein intimes Verhältnis zu Bu. nur deshalb verneint habe, um diesen vor strafrechtlicher Verfolgung zu schützen. Ihre Bekundungen, dass sie keinen Sexualkontakt zu Bu. gehabt habe, stünden im Widerspruch zu glaubhaften Zeugenaussagen, die auf eine sexuelle Beziehung hindeuteten.
Rz. 5
b) In den Fällen 9 bis 111 hat das Landgericht die Einlassung des Angeklagten, dass er die auf seinem Computer vorgefundenen Nacktbilder der Zeugin nicht hergestellt und von ihrer Existenz auch nichts gewusst habe, als nicht widerlegt angesehen. Das Erstellungsdatum der Bilder könne nicht rekonstruiert werden. Aufgrund der abgebildeten Bettwäsche könne zudem nicht ausgeschlossen werden, dass die Fotoserie während „einer Gelegenheit” angefertigt worden sei. Auf zwei Aufnahmen sei auch ein junger Mann vor dem gleichen Hintergrund abgebildet, bei dem es sich figürlich nicht um den Angeklagten handeln könne. Der Angeklagte, der angab, er habe der Zeugin die Schlüssel für die Betreuung seiner Wohnung in seiner Abwesenheit überlassen, habe vermutet, dass es sich bei der abgebildeten Person um … Bu. handeln könnte. Bu. hingegen habe bekundet, dass er nicht die abgelichtete Person sei. Er habe „keine Fotos in der Wohnung des Angeklagten gemacht und sei im Übrigen auch nicht mit der Zeugin … B. zusammen gewesen” (UA S. 23).
Rz. 6
Die Jugendschutzkammer wertet es insoweit als lebensfremd, dass der Angeklagte selbst die Aufnahmen von dem nackten Mann erstellt habe. Denkbar sei, dass die Fotos von B. und Bu. während der Abwesenheit des Angeklagten aufgenommen worden seien.
Rz. 7
3. Die angefochtenen Freisprüche halten sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand.
Rz. 8
a) Die von der Revision behaupteten Darstellungsmängel liegen nicht vor.
Rz. 9
Es bedurfte entgegen der Auffassung der Revision keiner zusätzlichen Feststellungen zu den Einzeltaten. Dem nicht schematisch anzuwendenden Grundsatz, dass das Tatgericht bei freisprechenden Urteilen zunächst die Umstände feststellen muss, die es für erwiesen erachtet, und dazu die Begründung so abzufassen hat, dass dem Revisionsgericht eine Überprüfung ermöglicht wird (BGH, Urteile vom 26. September 1989 – 1 StR 299/89, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2, vom 6. April 2005 – 5 StR 441/04, NStZ-RR 2005, 211, und vom 27. Januar 2011 – 4 StR 487/10, NStZ-RR 2011, 275), ist hier genügt. Dass das Landgericht den sexuellen Übergriff des Angeklagten im Fall 8 für nicht erwiesen erachtet hat, versteht sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe von selbst. Weitergehende Feststellungen, ob gegebenenfalls ein solcher Vorgang durch eine andere Person stattgefunden hat, sind revisionsrechtlich nicht zu fordern. Eine von der Revisionsführerin zudem vermisste eingehendere Darstellung des Anklagegegenstandes zum Tatkomplex 9 bis 111 bedurfte es nicht. Die Urteilsfeststellungen gehen insoweit über die dürftige Darstellung der Anklage hinaus. Mit Blick darauf, dass der Freispruch im Ergebnis nicht zu beanstanden ist, braucht der Senat nicht darüber zu entscheiden, ob insoweit überhaupt eine konkrete Bezeichnung der Taten in der Anklageschrift vorgenommen worden ist.
Rz. 10
b) Gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Beweiswürdigung ist dem Tatgericht vorbehalten (§ 261 StPO). Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, da die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters ist. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2008 – 5 StR 564/07, NStZ-RR 2008, 180). Hieran gemessen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts vom Senat noch hinzunehmen.
Rz. 11
aa) Im Fall 8 bedurfte es keiner eingehenderen Würdigung der Einlassung des Angeklagten. Er hat den Vorwurf bestritten und die Vermutung aufgestellt, dass möglicherweise ein Vorfall, an dem eine andere Person beteiligt gewesen sein könnte, auf ihn projiziert worden sei. Entgegen der Auffassung der Revision ist angesichts dieser Fallgestaltung nicht ersichtlich, welche weitergehenden Erörterungen das Landgericht mit Blick auf die Einlassung des Angeklagten hätte anstellen müssen.
Rz. 12
bb) Die von der Revision in Bezug auf Fall 8 vermisste Wiedergabe der Aussage des Zeugen Bu. ist der Beweiswürdigung zu den Fällen 9 bis 111 zu entnehmen. Es versteht sich wegen der Unteilbarkeit der Aussage von selbst, dass seine Schilderung, mit der Nebenklägerin nicht „zusammen gewesen zu sein”, auch auf Fall 8 zu beziehen ist. Das Landgericht durfte zudem den Aussageinhalt ohne Rechtsfehler dahingehend werten, dass der Zeuge zum Ausdruck bringen wollte, keine sexuelle Beziehung mit der Nebenklägerin unterhalten zu haben.
Rz. 13
cc) Schließlich ist die Beweiswürdigung des Landgerichts auch ohne Wiedergabe der Aussage der Nebenklägerin zum Entstehen der Fotos in den Fällen 9 bis 111 aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch nachvollziehbar. Es hat ersichtlich aufgrund des erörterten Falschbelastungsmotivs die Glaubhaftigkeit der Nebenklägerin in Frage gestellt, wobei es die Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten maßgeblich auch auf die zeitgleich gefertigten Bildaufnahmen eines jungen Mannes gestützt hat.
Unterschriften
Basdorf, Raum, Sander, König, Bellay
Fundstellen