Leitsatz (amtlich)
1. Die Fehlerhaftigkeit einer an § 155 Abs. 2 VAG zu messenden Limitierungsmaßnahme lässt die materielle Wirksamkeit einer Prämienanpassung, die im Übrigen auf einer den Anforderungen des § 155 Abs. 1 VAG entsprechenden Nachkalkulation beruht, unberührt. Die Fehlerhaftigkeit der Limitierungsentscheidung führt lediglich dann zu einer Anpassung der vom Versicherungsnehmer geschuldeten Prämie, soweit dieser durch die fehlerhafte Limitierungsentscheidung konkret beeinträchtigt ist.
2. Der Versicherungsnehmer trägt die Beweislast dafür, dass die Limitierungsentscheidung den Anforderungen des § 155 Abs. 2 VAG nicht entspricht und er hierdurch in seinen Rechten beeinträchtigt ist.
Normenkette
VAG § 155 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Kammergerichts - 6. Zivilsenat - vom 8. Februar 2022, berichtigt durch Beschluss vom 29. März 2022, im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben,
1. als festgestellt worden ist,
dass die Erhöhung des Monatsbeitrags im Tarif E 2 zum 1. Januar 2017 um 158,62 € in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer … unwirksam ist und der Kläger bis zum 31. Dezember 2018 nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet ist,
dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie vor dem 1. April 2017 aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger auf den vorbezeichneten Erhöhungsbetrag gezahlt hat und
dass der Kläger die vorbezeichneten Nutzungen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 6. April 2017 zu verzinsen hat;
2. als die Beklagte verurteilt worden ist,
an den Kläger 1.903,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 634,48 € seit dem 6. April 2017, aus weiteren 158,62 € seit dem 20. Juni 2017 sowie aus weiteren 1.110,34 € seit dem 15. Januar 2021 zu zahlen.
Auf die Anschlussrevision des Klägers wird das vorbezeichnete Urteil insoweit aufgehoben, als die Klage auf Feststellung, dass der Kläger nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages aus der Erhöhung des Monatsbeitrags im Tarif E 2 zum 1. Januar 2017 um 158,62 € in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer … verpflichtet ist, für den über den 31. Dezember 2018 hinausgehenden Zeitraum abgewiesen worden ist.
Soweit das Urteil im unter 2. bezeichneten Umfang aufgehoben ist, wird die Klage in Höhe eines Teilbetrages von 1.110,34 € nebst Zinsen als unzulässig abgewiesen.
Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 7.000 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung.
Rz. 2
Der seit April 1983 bei der Beklagten versicherte Kläger unterhielt dort in der Krankheitskostenversicherung unter anderem die Tarife E 2 (ambulante und stationäre Heilbehandlung) und Z (zahnärztliche Heilbehandlung).
Rz. 3
Zum 1. Januar 2011 passte die Beklagte den Beitrag des Klägers im Tarif Z um 8,41 € monatlich an, worüber sie den Kläger mit Schreiben vom November 2010 informierte. Mit Schreiben vom November 2016 informierte die Beklagte den Kläger über eine Beitragsanpassung zum 1. Januar 2017 im Tarif E 2 um 158,62 € monatlich. Den Beitragsanpassungen war jeweils eine Zustimmung des von der Beklagten beauftragten Treuhänders vorausgegangen.
Rz. 4
Zeitgleich mit der Beitragserhöhung im Tarif E 2 im November 2016 nahm die Beklagte Beitragsanpassungen in rund 160 weiteren von ihr angebotenen Krankenversicherungstarifen vor. Die Beklagte wandte sowohl bei der im Tarif E 2 vorgenommenen Beitragsanpassung als auch bei zahlreichen der in den Paralleltarifen vorgenommenen Beitragsanpassungen aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) entnommene Geldmittel auf, um die Höhe der Beitragsanpassungen für die jeweiligen Versicherten dauerhaft zu begrenzen.
Rz. 5
Mit seiner im April 2017 erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen die Wirksamkeit der Beitragsanpassungen in den Tarifen E 2 und Z gewandt. Er hat erstinstanzlich, neben der Feststellung, dass die Beitragserhöhungen unwirksam gewesen seien und er nicht zur Zahlung der Erhöhungsbeträge verpflichtet sei, die Rückzahlung der auf die Erhöhungen bis einschließlich Mai 2017 entfallenden Prämienanteile begehrt, insgesamt 1.440,67 € nebst Zinsen. Ferner hat er die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zur Herausgabe von Nutzungen verpflichtet sei, die sie vor dem 1. April 2017 aus den Prämienanteilen gezogen habe, sowie dass sie zur Verzinsung der Nutzungen verpflichtet sei. Schließlich hat er die Beklagte auch auf Freistellung von vorgerichtlich aufgewendeten Rechtsanwaltskosten und Auslagen in Anspruch genommen.
Rz. 6
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Mit Verfügung des Vorsitzenden des Berufungsgerichts vom 3. September 2018, dem Kläger am 11. September 2018 zugestellt, ist ihm die Berufungsbegründung übermittelt und eine Frist zur Berufungserwiderung von drei Monaten gesetzt worden. Diese Verfügung enthielt den folgenden richterlichen Hinweis:
"Im Hinblick auf die obige Fristsetzung zur Erwiderung auf die Berufung wird darauf hingewiesen, dass diese Erwiderung durch den zu bestellenden Rechtsanwalt spätestens am letzten Tag der dafür vorgesehenen Frist bei Gericht eingehen muss. Sie muss alles enthalten, was zur Verteidigung vorgebracht werden kann.
Wenn die Frist zur Berufungserwiderung versäumt wird und kein vernünftiger Grund zur Entschuldigung dafür vorgebracht werden kann, besteht die Gefahr allein wegen dieser Fristversäumung das Berufungsverfahren zu verlieren."
Rz. 7
Die Frist wurde auf Antrag des Klägers bis zum 15. Januar 2019 verlängert. Der Kläger hat schließlich mit Schriftsatz vom 7. Januar 2019 auf die Berufung erwidert. Mit Schriftsatz vom 26. Dezember 2020 hat der Kläger seine Rückzahlungsklage für beide Tarife für den Zeitraum von Juni 2017 bis Dezember 2017 um weitere 1.169,21 € nebst Zinsen erweitert, wobei hiervon Beträge in Höhe von 58,87 € auf den Tarif Z und in Höhe von 1.110,34 € auf den Tarif E 2 entfallen sind.
Rz. 8
Im letzten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 29. Oktober 2021 hat das Berufungsgericht die Beklagte um Klarstellung gebeten, ob es nach der Beitragsanpassung im Tarif E 2 aus dem Jahr 2017 noch eine weitere Beitragsanpassung in diesem Tarif gegeben habe. Ferner hat es beiden Parteivertretern auf deren jeweiligen Antrag einen Schriftsatznachlass zur Stellungnahme auf das Ergebnis der im Termin stattgehabten Beweisaufnahme gewährt und einen Verkündungstermin anberaumt. Erstmals mit innerhalb der nachgelassenen Schriftsatzfrist eingegangenem Schriftsatz vom 16. Dezember 2021 hat die Beklagte daraufhin vorgetragen, dass es im Tarif E 2 noch zu weiteren Beitragsanpassungen gekommen sei, unter anderem mit Wirkung zum 1. Januar 2019. Der Kläger hat vor Erlass des Berufungsurteils in seinem nachgelassenen Schriftsatz vom 6. Januar 2022 keinen Vortrag zu weiteren Beitragsanpassungen im Tarif E 2 mehr gehalten. Das Berufungsgericht hat daraufhin die zum 1. Januar 2019 erfolgte Beitragsanpassung als unstreitig behandelt und im Tatbestand seiner Entscheidung festgehalten, dass der Kläger diese Beitragsanpassung nicht angegriffen habe.
Rz. 9
Das Berufungsgericht hat das Urteil des Landgerichts abgeändert und - unter Berücksichtigung des auf den Tarif E 2 entfallenden Teils der in der Berufungsinstanz erfolgten Klageerweiterung in Höhe von 1.110,34 € - die Beklagte zur Rückzahlung von insgesamt 1.903,44 € nebst Zinsen verurteilt. Neben der Unwirksamkeit der im Tarif E 2 zum 1. Januar 2017 erklärten Beitragsanpassung hat es das Nichtbestehen der korrespondierenden Verpflichtung zur Zahlung des Erhöhungsbetrages nur bis zum 31. Dezember 2018 festgestellt. Weiterhin hat das Berufungsgericht die Pflicht zur Herausgabe der Nutzungen nebst Pflicht zur diesbezüglichen Verzinsung festgestellt. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Mit Beschlüssen vom 29. März 2022 hat das Berufungsgericht eine Gehörsrüge sowie einen Tatbestandsberichtigungsantrag des Klägers insoweit zurückgewiesen, als er sich mit diesen Rechtsbehelfen gegen die Behandlung der zum 1. Januar 2019 bewirkten Beitragsanpassung im Tarif E 2 als unstreitig gewendet hatte.
Rz. 10
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter. Mit seiner Anschlussrevision wendet sich der Kläger gegen die zeitliche Begrenzung des Feststellungsausspruches zum Nichtbestehen der Verpflichtung zur Zahlung des Erhöhungsbetrages bis zum 31. Dezember 2018.
Entscheidungsgründe
Rz. 11
Revision und Anschlussrevision haben Erfolg. Soweit der Senat in der Sache nicht selbst entscheiden kann, führen die Rechtsmittel jeweils im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
Rz. 12
A. Das Berufungsgericht hat - soweit für die wechselseitig eingelegten Rechtsmittel noch von Interesse - zur Begründung ausgeführt: Die Klage sei auch in der Berufungsinstanz mit allen Anträgen zulässig, insbesondere habe der Kläger die Klage zulässigerweise noch in der Berufungsinstanz erweitern können. Die zum 1. Januar 2017 im Tarif E 2 erfolgte Beitragsanpassung sei formell wirksam. In materieller Hinsicht sei diese jedoch unwirksam gewesen. Die Beklagte sei für das Vorliegen der materiellen Anpassungsvoraussetzungen darlegungs- und beweisbelastet und bei der Beweisführung auf die Unterlagen beschränkt, die dem Treuhänder im Zustimmungsverfahren vorgelegt worden seien. Das gelte auch, soweit es um die Überprüfung der so genannten Limitierungsmaßnahmen gehe, da diese in systematischer Hinsicht Bestandteil der Prämienberechnung seien. Zwar liege das originäre Entscheidungsrecht über die Verwendung von Mitteln aus der RfB bei dem Versicherungsunternehmen; die Grenzen des dem Versicherer bei der Mittelverwendung zustehenden Beurteilungsspielraums seien jedoch gerichtlich voll überprüfbar. Der Prüfungsmaßstab ergebe sich aus § 155 Abs. 2 VAG. Hierbei sei ein objektiv-generalisierender Maßstab anzulegen. Zudem sei eine tarifübergreifende Betrachtung der Limitierungsmaßnahmen anzustellen, bei der die Verwendung von Mitteln aus der RfB für sämtliche zeitgleich angepassten Tarife berücksichtigt werden müsse. Darauf, ob gerade der Kläger in seinem Tarif durch die getroffene Limitierungsentscheidung belastet sei, komme es nicht an, denn eine fehlerhafte bzw. nicht erwiesen fehlerfreie Limitierungsentscheidung führe zur Unwirksamkeit der Beitragsanpassung insgesamt und nicht nur zu einer Korrektur des vom Kläger individuell zu viel geleisteten Beitrages. Die Beklagte habe den Nachweis der Rechtmäßigkeit nicht geführt, weil der mit der Begutachtung beauftragte Sachverständige - über den Tarif E 2 des Klägers hinaus - nicht für sämtliche von der Beitragsanpassung betroffenen Tarife eine Aussage habe treffen können, ob die vom Treuhänder zu überprüfenden gesetzlichen Grenzen der Limitierungsentscheidung gewahrt worden seien. Anhand der von der Beklagten vorgelegten Limitierungstabelle habe auch nicht vollständig nachvollzogen werden können, ob die Belange aller Versicherten ausreichend gewahrt seien und dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der prozentualen und absoluten Prämiensteigerung für die älteren Versicherten in allen zeitgleich angepassten Tarifen der Beklagten Rechnung getragen worden sei. Da sich aus der vorgelegten Limitierungstabelle teils erhebliche Schwankungen bei den pro Versichertem aus der RfB aufgewendeten Mitteln ergeben hätten, wäre die Beklagte gehalten gewesen, weitere Unterlagen - etwa ein sog. Limitierungskonzept - vorzulegen, aus denen sich die Motivation der Beklagten für die getroffenen Verteilungsentscheidungen näher erschließen lasse. Ohne Prüfung der Motivation sei die Feststellung, dass die Belange der Versicherten ausreichend gewahrt bzw. die Zumutbarkeit für die älteren Versicherten gegeben sei, jeweils nicht möglich gewesen. Der Sachverständige habe zwar anhand der von der Beklagten vorgelegten Unterlagen nicht positiv eine Fehlerhaftigkeit der Mittelverwendung feststellen können; die sich daraus demgegenüber ergebende bloße Wahrscheinlichkeit der Einhaltung der gesetzlichen Grenzen reiche indessen angesichts der Beweisbelastung der Beklagten nicht aus, um die Rechtmäßigkeit der Beitragsanpassung festzustellen. Da schon die Limitierungsentscheidung unwirksam sei, komme es auf die weiteren Fragen, die zur materiellen Berechtigung der Beitragserhöhung zwischen den Parteien streitig seien, nicht mehr an. Dem Kläger stehe deshalb ein Bereicherungsanspruch für die zwischen dem 1. Januar 2017 und dem 31. Dezember 2017 geleisteten Mehrbeiträge nebst Zinsen zu. Ferner habe er einen Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen für die rechtsgrundlos geleisteten Prämienanteile. Die festgestellte Unwirksamkeit der Beitragsanpassung wirke sich über den Zeitpunkt der Neufestsetzung ab dem 1. Januar 2019 hinaus nicht mehr aus.
Rz. 13
B. Das hält rechtlicher Nachprüfung überwiegend nicht stand.
Rz. 14
I. Die Revision ist zulässig und begründet.
Rz. 15
1. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgrund der Zulassung durch das Berufungsgericht insgesamt statthaft und auch im Übrigen zulässig. Eine Beschränkung der Revisionszulassung lässt sich dem Berufungsurteil nicht entnehmen. Soweit das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen ausgeführt hat, die Frage, welche Anforderungen an die tarifübergreifende Prüfung der Limitierungsmaßnahmen durch den Sachverständigen zu stellen sind und auf welche Unterlagen sich die Prüfung des Gerichts und des Sachverständigen hinsichtlich der gerichtlichen Kontrolle einer Limitierungsentscheidung bezieht, sei höchstrichterlich bislang noch nicht entschieden, liegt darin keine Beschränkung der Revision, sondern lediglich die Begründung für die Zulassung der Revision (vgl. Senatsurteil vom 29. September 2021 - IV ZR 328/20, NJW 2022, 192 Rn. 7).
Rz. 16
2. Die Revision ist auch begründet.
Rz. 17
a) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht die in der Berufungsinstanz erfolgte Klageerweiterung für zulässig gehalten.
Rz. 18
aa) Eine erst in der Berufungsinstanz erfolgende Klageerweiterung durch den Berufungsbeklagten, der in erster Instanz als Kläger voll obsiegt hat, setzt voraus, dass dieser Anschlussberufung eingelegt hat oder zum Zeitpunkt der Klageerweiterung zulässigerweise noch eine Anschlussberufung einlegen konnte (vgl. BGH, Urteile vom 31. August 2022 - VIII ZR 233/21, NZM 2022, 922 Rn. 69; vom 16. Mai 2017 - X ZR 120/15, BGHZ 215, 89 Rn. 36).
Rz. 19
bb) Dies hat das Berufungsgericht - wie die Revision zu Recht rügt - rechtsfehlerhaft nicht beachtet. Die Einlegung einer Anschlussberufung ist zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung (§ 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Die Frist zur Berufungserwiderung nach § 521 Abs. 2 ZPO war dem Kläger bereits durch ihm am 11. September 2018 zugestellte richterliche Verfügung vom 3. September 2018 gesetzt und mit Verfügung vom 10. Dezember 2018 bis zum 7. Januar 2019 verlängert worden. Innerhalb dieser Frist hat der Kläger, der in erster Instanz noch vollständig obsiegt hatte, keine ausdrückliche Anschließungserklärung abgegeben (§ 524 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 i.V.m. §§ 519 Abs. 2 und 4, 520 Abs. 3 ZPO).
Rz. 20
Zwar kann die Anschließungserklärung auch konkludent abgegeben und insbesondere der Stellung eines Antrages entnommen werden, der - wie hier - nur im Wege der Anschließung Erfolg haben kann (vgl. BGH, Urteile vom 10. Dezember 2019 - VIII ZR 377/18, NJW-RR 2020, 284 Rn. 22; vom 4. Februar 2015 - VIII ZR 175/14, NJW 2015, 1296 Rn. 16; Ball in Musielak/Voit, ZPO 20. Aufl. § 524 Rn. 17 m.w.N.). Der noch innerhalb der Berufungserwiderungsfrist eingegangenen Berufungserwiderung vom 7. Januar 2019 lässt sich eine Anschließungserklärung indessen nicht entnehmen. Sie beschränkte sich inhaltlich darauf, den auf das landgerichtliche Urteil geführten Berufungsangriffen der Beklagten entgegenzutreten, ohne dass sich ihr eine Absicht des Klägers entnehmen ließ, den Streitgegenstand in der Berufungsinstanz seinerseits noch erweitern zu wollen. Eine Auslegung der mit Schriftsatz vom 26. Dezember 2020 bewirkten klageerweiternden Umstellung auf eine Leistungsklage als Einlegung einer Anschlussberufung kommt inhaltlich zwar in Betracht; das verhilft der Klageerweiterung aber nicht zur Zulässigkeit, da zum Zeitpunkt der Einreichung des Schriftsatzes die Frist zur Einlegung einer Anschlussberufung bereits verstrichen war.
Rz. 21
cc) Die in der richterlichen Verfügung vom 11. September 2018 enthaltene Fristsetzung war wirksam. Insbesondere genügte die in der Verfügung enthaltene Belehrung den sich aus §§ 521 Abs. 2 Satz 2, 277 Abs. 2 ZPO ergebenden Anforderungen.
Rz. 22
(1) Dass die in der Verfügung vom 11. September 2018 enthaltene Belehrung, die Berufungserwiderung sei durch einen zu bestellenden Rechtsanwalt bei Gericht einzureichen, hinreichend gewesen ist, stellt die Revisionserwiderung zu Recht nicht in Frage.
Rz. 23
(2) Auch die Belehrung über die Folgen einer Fristversäumung war - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - vollständig und hinreichend deutlich.
Rz. 24
(a) Die Folgen einer Fristversäumung bestehen gemäß § 530 ZPO darin, dass Angriffs- und Verteidigungsmittel, die nach Ablauf der Frist vorgetragen werden, nach Maßgabe von § 296 Abs. 1 und 4 ZPO der Präklusion unterliegen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 - X ZR 120/15, BGHZ 215, 89 Rn. 41). Inhaltlich ist dem Adressaten mit der Belehrung mindestens sinnfällig vor Augen zu führen und klarzumachen, dass er sich gegen die Berufung grundsätzlich nur innerhalb der gesetzten Frist verteidigen kann, dass ihm bei Versäumung dieser Frist im Allgemeinen jede Verteidigung abgeschnitten ist und er Gefahr läuft, den Prozess vollständig zu verlieren (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 1983 - IVa ZR 135/81, BGHZ 86, 218, 226 [juris Rn. 22]; BGH, Urteile vom 16. Mai 1991 - III ZR 82/90, NJW 1991, 2773 [juris Rn. 26]; vom 11. Juli 1985 - I ZR 145/83, NJW 1986, 133 [juris Rn. 23]).
Rz. 25
(b) Diesen Anforderungen ist die Belehrung gerecht geworden. Die Belehrung vom 11. September 2018 weist den Adressaten deutlich darauf hin, dass nach Ablauf der Frist die Gefahr besteht, das Berufungsverfahren alleine aufgrund der Säumnis zu verlieren. Das gibt den Kern dessen, was dem Adressaten der Belehrung nach §§ 521 Abs. 2 Satz 2, 277 Abs. 2 ZPO mitzuteilen ist, mit hinreichender Deutlichkeit wieder. Dem Adressaten der Belehrung steht nach deren Lektüre, auch wenn er Laie ist, klar vor Augen, dass die Versäumung der Erwiderungsfrist den Verlust des Prozesses in der Rechtsmittelinstanz nach sich ziehen kann. Die von der Revisionserwiderung beanstandeten Mängel der Belehrung führen nicht zu deren Unzulänglichkeit im Sinne der §§ 521 Abs. 2 Satz 2, 277 Abs. 2 ZPO. Ob eine Belehrung ausreichend ist, hängt nach § 277 Abs. 2 ZPO nicht davon ab, dass sie den Wortlaut des § 296 Abs. 1 und 4 ZPO wiedergibt (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 1983 - IVa ZR 135/81, BGHZ 86, 218, 226 [juris Rn. 22]). Gleiches gilt für eine genaue Aufklärung über die Modalitäten, unter denen verspätetes Vorbringen gegebenenfalls doch berücksichtigt werden kann: § 277 Abs. 2 ZPO erfordert die Belehrung über die Folgen der Fristversäumung, nicht aber eine Belehrung über die Möglichkeiten, die Folgen einer geschehenen Fristversäumung gegebenenfalls wieder ausräumen zu können.
Rz. 26
dd) Entgegen den in der Entscheidung des Berufungsgerichts enthaltenen Ausführungen kommt es - was auch die Revisionserwiderung nicht in Frage stellt - nicht darauf an, dass es sich bei einem (teilweisen) Übergang von einer Feststellungs- zur Leistungsklage um eine auch im Berufungsverfahren nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageänderung handelt, auf die § 533 ZPO keine Anwendung findet (vgl. BGH, Urteile vom 31. August 2022 - VIII ZR 233/21, NZM 2022, 922 Rn. 69; vom 7. Mai 2015 - VII ZR 145/12, NJW 2015, 2812 Rn. 24). Unabhängig davon, dass es sich beim Übergang von der Feststellungs- zur Leistungsklage um eine am Maßstab der §§ 264 Nr. 2, 533 ZPO (im Grundsatz) stets zulässige Klageänderung handelt, stellt ein solcher Übergang dennoch eine Klageerweiterung dar, deren Geltendmachung die fristgerechte Einlegung einer Berufung bzw. Anschlussberufung voraussetzt (vgl. BGH, Urteil vom 31. August 2022 aaO).
Rz. 27
b) Mit der gegebenen Begründung hätte das Berufungsgericht die Prämienanpassung nicht für unwirksam halten dürfen.
Rz. 28
aa) Das Berufungsgericht hat bei seiner Prüfung der Limitierungsmaßnahme anhand von § 155 Abs. 2 VAG einen teilweise unzutreffenden Maßstab zugrunde gelegt.
Rz. 29
(1) Auf der Grundlage von § 203 Abs. 2 VVG durch einen Versicherer bewirkte Prämienänderungen unterliegen im Individualprozess vor den Zivilgerichten sowohl mit Blick auf die Voraussetzungen als auch mit Blick auf den Umfang der materiellen Überprüfung (vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 2018 - IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 57; vom 16. Juni 2004 - IV ZR 117/02, BGHZ 159, 323 Rn. 15). Diese Prüfung erstreckt sich auch auf den Einsatz von Mitteln aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung zum Zwecke der Beitragslimitierung. Die Verwendung der Mittel aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung zum Zwecke der Limitierung von Beitragserhöhungen ist in systematischer Hinsicht Teil der Prämienberechnung (Senatsurteile vom 19. Dezember 2018 aaO Rn. 51; vom 16. Juni 2004 aaO Rn. 22; vom 1. Juli 1992 - IV ZR 191/91, BGHZ 119, 55 Rn. 13). Die Feststellung, ob die im Rahmen der Nachberechnung nach § 155 Abs. 1 VAG ermittelten Anpassungsbeträge limitiert werden müssen und inwieweit dem Versicherer dafür Mittel aus den Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen zur Verfügung stehen, ist Bestandteil der Neukalkulation der Prämie (Senatsurteil vom 19. Dezember 2018 aaO). Die Grenzen der dem Versicherer hierbei zustehenden Beurteilungsspielräume sind im Rahmen der materiellen Überprüfung der Berechtigung des Versicherers zur Prämienanpassung gerichtlich voll überprüfbar (Senatsurteil vom 19. Dezember 2018 aaO Rn. 53).
Rz. 30
Die an die Limitierungsmaßnahmen anzulegenden, materiellen Maßstäbe ergeben sich - was das Berufungsgericht noch zutreffend seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat - aus der versicherungsaufsichtsrechtlichen Vorschrift des § 155 Abs. 2 VAG (vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 2018 - IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 57; vom 16. Juni 2004 - IV ZR 117/02, BGHZ 159, 323 Rn. 9 ff.). Dieser versicherungsaufsichtsrechtliche Prüfungsmaßstab wird über die Vorschrift des § 203 Abs. 2 Satz 4 VVG in das zivilrechtliche Vertragsverhältnis zwischen dem Versicherer und dem Versicherten inkorporiert und bildet deshalb auch den Maßstab für die zivilgerichtliche Überprüfung der Limitierungsmaßnahmen auf Betreiben eines Versicherten im Individualprozess vor den ordentlichen Gerichten (vgl. Senatsurteil vom 16. Juni 2004 aaO Rn. 9, 11).
Rz. 31
§ 155 Abs. 2 VAG regelt der Sache nach - parallel zur Vorschrift des § 155 Abs. 1 VAG - ein Zustimmungserfordernis des gemäß § 157 VAG durch den Versicherer zu bestellenden Prämienänderungstreuhänders (Präve in Prölss/Dreher, VAG 13. Aufl. § 155 Rn. 12; vgl. auch BT-Drucks. 14/1245, S. 121). Gemäß § 155 Abs. 2 Satz 1 VAG bedürfen demnach der Zustimmung des Treuhänders der Zeitpunkt und die Höhe der Entnahme sowie die Verwendung von Mitteln aus der Rückstellung für erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattung, soweit sie nach § 150 Abs. 4 VAG für Beitragsermäßigungen oder -limitierungen bei älteren Versicherten zu verwenden sind, und die Verwendung der Mittel aus der Rückstellung für erfolgsabhängige Beitragsrückerstattung. § 155 Abs. 2 Satz 2 VAG erlegt dem Treuhänder auf, bei der Verwendung von Mitteln aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattungen vor der Erteilung seiner Zustimmung zu prüfen, ob die in der Satzung und den Versicherungsbedingungen bestimmten Voraussetzungen erfüllt und die Belange der Versicherten ausreichend gewahrt sind. Speziell für den Fall, dass - wie hier - die Mittel der Rückstellung für Beitragsrückerstattungen zur Begrenzung von Prämienerhöhungen eingesetzt werden sollen, hat der Treuhänder gemäß § 155 Abs. 2 Satz 3 VAG bei seiner Prüfung insbesondere auf die Angemessenheit der Verteilung auf die Versichertenbestände mit einem Prämienzuschlag nach § 149 VAG und ohne einen solchen zu achten sowie dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der prozentualen und absoluten Prämiensteigerungen für die älteren Versicherten ausreichend Rechnung zu tragen.
Rz. 32
(2) Noch zutreffend hat das Berufungsgericht vor diesem Hintergrund die gesetzlichen Anforderungen an die Limitierungsentscheidung des Versicherers bestimmt.
Rz. 33
(a) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der in § 155 Abs. 2 Satz 2 VAG enthaltene unbestimmte Rechtsbegriff der "ausreichenden Wahrung der Belange der Versicherten" dem versicherungsaufsichtsrechtlichen Begriffsverständnis folgend zu konkretisieren ist (vgl. Franz/Frey, VersR 2022, 1, 13; Reinhard, VersR 2003, 952, 954). Der Treuhänder hat mit dem Zustimmungsvorbehalt bei Prämienerhöhungen frühere Funktionen der Aufsichtsbehörde übernommen, wobei der Maßstab der Treuhänderentscheidung aber grundsätzlich kein anderer sein sollte (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 2018 - IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 38). Im Rahmen der zivilgerichtlichen Kontrolle der Limitierungsmaßnahmen ist daher zu prüfen, ob schutzwürdige Interessen der Versicherten beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigung unter Berücksichtigung der Gesamtheit der beteiligten Interessen und der Besonderheiten des Versicherungszweiges der Krankenversicherung als unangemessen anzusehen ist und so schwer wiegt, dass eine Versagung der Zustimmung des Treuhänders gerechtfertigt gewesen wäre (vgl. zum entsprechenden Maßstab für ein behördliches Eingreifen BVerwGE 172, 209 Rn. 28 m.w.N., st. Rspr.). Dabei ist ein objektiv-generalisierender Maßstab anzulegen (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 2018 aaO Rn. 52; BT-Drucks. 14/1245, S. 122; BeckOK-VVG/Gramse, § 203 Rn. 28a.5 [Stand: 1. Februar 2024]; OLG Schleswig VersR 2023, 960 [juris Rn. 86]; OLG Celle MDR 2023, 236 [juris Rn. 5]), sodass es nur auf die Interessen der Gesamtheit der Mitglieder des betroffenen Versicherungskollektivs ankommen kann (vgl. Präve in Prölss/Dreher, VAG 13. Aufl. § 155 Rn. 12; Wendt in Bach/Moser, PKV 6. Aufl. VAG § 155 Rn. 8).
Rz. 34
Ob eine in diesem Sinne nicht mehr ausreichende Wahrung der Belange der Versicherten vorliegt, obliegt im Einzelfall der nur beschränkt revisionsrechtlich nachprüfbaren Beurteilung des Tatrichters (vgl. zur beschränkten Überprüfbarkeit unbestimmter Rechtsbegriffe in der Revisionsinstanz BeckOK-ZPO/Kessal-Wulf, § 546 Rn. 9 [Stand: 1. Dezember 2023]; Ball in Musielak/Voit, ZPO 20. Aufl. § 546 Rn. 12).
Rz. 35
(b) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht § 155 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 VAG entnommen, dass eine Gestaltung der Vergabe von Limitierungsmitteln unzulässig ist, die Versicherungsnehmer, von denen ein Beitragszuschlag nach § 149 VAG erhoben wird, gegenüber den Versicherten, die den Beitragszuschlag nicht zahlen, benachteiligt. Der Treuhänder hat deshalb sicherzustellen, dass der Versicherer die aus den Prämien beider Versichertengruppen erwirtschafteten Überschüsse nicht einseitig für die Versicherten verwendet, die aufgrund der fehlenden Zuschlagszahlung stärker von Prämienanpassungen betroffen sind (vgl. Reinhard, VersR 2003, 952, 955; BeckOK-VVG/Gramse, § 203 Rn. 28a.3 [Stand: 1. Februar 2024]).
Rz. 36
Nach § 155 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 VAG muss die Limitierungsentscheidung außerdem erkennen lassen, dass der Versicherer den Belangen der älteren Versicherten - mit Blick darauf, dass bei diesen in der Regel höher ausfallende Beitragssteigerungen zu erwarten sind - besonderes Gewicht beigemessen hat (vgl. HK-VAG/Brand, § 155 Rn. 17). Weder erfordert § 155 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 VAG eine Prüfung, ob der sich absolut als Endbetrag der Beitragsanpassung (d.h. nach Limitierung) ergebende Erhöhungsbetrag den älteren Versicherten zuzumuten ist, noch ergeben sich aus dem Kriterium absolute Höchstgrenzen für eine Beitragsanpassung (Franz/Püttgen, VersR 2022, 1, 13; Reinhard, VersR 2003, 952, 956; MünchKomm-VVG/Boetius, 3. Aufl. § 203 Rn. 429; a.A. Gerwins, NVersZ 2000, 353, 355 ff.; Grote, Die Rechtsstellung der Prämien-, Bedingungs- und Deckungsstocktreuhänder nach dem VVG und dem VAG, 2002, S. 585 ff.).
Rz. 37
(c) Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, dass - entgegen der Ansicht der Revision - die Wahrung des prämienrechtlichen Gleichbehandlungsgebotes der §§ 146 Abs. 2 Satz 1, 138 Abs. 2 VAG einen im Rahmen der nach § 155 Abs. 2 VAG anzustellenden Prüfung zu berücksichtigenden Belang der Versicherten darstellen kann. Folge der Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgebotes ist, dass es dem Versicherer verwehrt ist, die Mittel aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattungen lediglich einseitig nur für bestimmte Personenkreise oder Tarife zu verwenden (vgl. OLG Schleswig VersR 2023, 960 [juris Rn. 85]; dem folgend OLG Nürnberg VersR 2023, 1498 [juris Rn. 53]; vgl. HK-VAG/Brand, § 155 Rn. 16; ders. in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. Einl. Rn. 74; BeckOK-VVG/Gramse, § 203 Rn. 28a.2 [Stand: 1. Februar 2024]; Präve in Prölss/Dreher, VAG 13. Aufl. § 146 Rn. 26; Gerwins, NVersZ 2000, 353, 359; Reinhard, VersR 2003, 952, 957; ähnlich auch Göertz in Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG 6. Aufl. § 155 Rn. 12). In diesem Zusammenhang hat sich daher die dem Treuhänder und dem Gericht abverlangte Prüfung auch auf das Verhältnis des von dem Kläger unterhaltenen Tarifes zu den übrigen von der Limitierungsentscheidung betroffenen Krankenversicherungstarifen zu erstrecken (vgl. OLG Celle MDR 2023, 236 [juris Rn. 5]; OLG Braunschweig NJW-RR 2023, 1076 Rn. 61; im Grundsatz auch OLG Schleswig VersR 2023, 960 [juris Rn. 85]; vgl. auch MünchKomm-VVG/Boetius, 3. Aufl. § 203 Rn. 433).
Rz. 38
(3) Unzutreffend hat das Berufungsgericht dagegen die Grenzen einer gerichtlichen Überprüfung der Limitierungsentscheidung bestimmt.
Rz. 39
(a) Lediglich besonders schwerwiegende Verstöße gegen die schutzwürdigen Interessen der Versicherten sind geeignet, eine Versagung der Zustimmung des Treuhänders zur Wahrung der Versichertenbelange zu rechtfertigen und damit einen materiellen Verstoß gegen den sich aus § 155 Abs. 2 VAG ergebenden Prüfungsmaßstab zu begründen. Die Ausführungen des Berufungsgerichts dazu, dass im Interesse der umfassenden zivilgerichtlichen Überprüfbarkeit der Limitierungsentscheidung keine Beschränkung der Prüfung auf offensichtliche Fehler vorzunehmen sei, lassen eine revisionsrechtlich relevante Verkennung der im Zusammenhang mit § 155 Abs. 2 VAG gebotenen Prüfungstiefe erkennen.
Rz. 40
Der als Prüfungsmaßstab des Treuhänders in § 155 Abs. 2 VAG durch den Gesetzgeber gewählte Begriff der ausreichenden Wahrung der Belange der Versicherten ist ein Kernbegriff der weiterhin subsidiär bestehenden allgemeinen Missstandsaufsicht über die Versicherer. Die bloße Missstandsaufsicht ist indessen von einer weitergehenden Rechtmäßigkeitsaufsicht, die unter Berücksichtigung der individuellen Belange des jeweils Versicherten erfolgen würde, zu unterscheiden (vgl. Senatsurteil vom 27. Juni 2018 - IV ZR 201/17, BGHZ 219, 129 Rn. 29; BVerfG VersR 2017, 409 Rn. 40). Der aufsichtsrechtlich geprägte Begriff der ausreichenden Wahrung der Belange der Versicherten ist gerade nicht auf eine Optimierung des Schutzes der Versicherten ausgelegt; verhindert werden soll lediglich, dass der Versicherer seine strukturbedingte Überlegenheit gegenüber den Versicherten ausnutzt, indem er einseitig seine Interessen verwirklicht und dadurch die Versicherten unangemessen benachteiligt (BVerwGE 172, 209 Rn. 31). Der Begriff der "ausreichenden Wahrung der Belange der Versicherten" hat deshalb nicht im Blick, dass die Interessen der Versicherten - positiv - die denkbar beste oder auch nur eine möglichst gute Berücksichtigung erfahren, sondern nur - negativ -, eine unangemessene Beeinträchtigung der Belange der Versicherten zu verhüten (vgl. BVerwG aaO). Die Belange der Versicherten sind deshalb nur dann nicht mehr ausreichend gewahrt, wenn schutzwürdige Interessen der Versichertengemeinschaft unangemessen und in offensichtlicher Art und Weise verletzt werden (so im Ergebnis auch OLG Schleswig VersR 2023, 960 [juris Rn. 82, 86 ff.]; Boetius, r+s 2023, 193, 200; ders., r+s 2022, 248, 254; ähnlich auch HK-VAG/Brand, § 155 Rn. 18), denn nur dann wäre nach dem Konzept der behördlichen Missstandsaufsicht, aus dem der Begriff der durch den Treuhänder zu wahrenden Versichertenbelange entlehnt ist (vgl. § 294 Abs. 2 Satz 2 VAG), ein behördliches Eingreifen und mithin auch eine - dem behördlichen Eingriff im Regelungszusammenhang des § 155 Abs. 2 VAG äquivalente - Versagung der Zustimmung durch den Treuhänder gerechtfertigt.
Rz. 41
(b) Rechtsfehlerhaft sind die Ausführungen des Berufungsgerichts auch, soweit ihnen zu entnehmen ist, dass eine Motiv- bzw. Begründungskontrolle der vom Versicherer getroffenen Limitierungsentscheidung stattfinde. Eine solche Kontrolle ist - was die Revision zu Recht geltend macht - im sich aus § 155 Abs. 2 VAG ergebenden Prüfungsmaßstab nicht angelegt. Bei der Frage, ob und in welcher Höhe die Mittel aus den Rückstellungen für Beitragsrückerstattung zu verwenden sind, handelt es sich im Kern um eine unternehmerische Entscheidung des Versicherers, die - abgesehen von bestimmten gesetzlich vorgeschriebenen Verwendungsarten - im Wesentlichen nicht durch inhaltliche gesetzliche Vorgaben determiniert werden soll (Senatsurteil vom 19. Dezember 2018 - IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 52). Eine sich im Einzelnen auf die Begründung und Motive der von dem Unternehmen getroffenen Verteilungsentscheidung erstreckende Ermessenskontrolle findet deshalb nicht statt (OLG Celle MDR 2023, 236 Rn. 8; OLG Schleswig VersR 2023, 960 [juris Rn. 87]; Boetius, r+s 2022, 248, 254). Gegenstand der zivilgerichtlichen Prüfung ist lediglich, ob sich die unternehmerische Entscheidung dem Ergebnis nach innerhalb des durch § 155 Abs. 2 Satz 2 VAG vorgegebenen Gestaltungsspielraums befindet.
Rz. 42
bb) Das Berufungsgericht hat zudem - wie die Revision im Ergebnis zu Recht rügt - verkannt, welche zivilrechtlichen Rechtsfolgen mit einer Verwendung von Mitteln aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung zum Zwecke der Beitragslimitierung verbunden sind, die in materieller Hinsicht nicht den sich aus § 155 Abs. 2 VAG ergebenden Anforderungen genügt. Die Fehlerhaftigkeit einer an § 155 Abs. 2 VAG zu messenden Limitierungsmaßnahme lässt die materielle Wirksamkeit einer Prämienanpassung, die im Übrigen auf einer den Anforderungen des § 155 Abs. 1 VAG entsprechenden Nachkalkulation beruht, unberührt.
Rz. 43
(1) In Rechtsprechung und Literatur werden die sich aus einer Verletzung der durch § 155 Abs. 2 VAG vorgegebenen materiellen Maßstäbe für die Verwendung von Limitierungsmitteln durch den Versicherer ergebenden Rechtsfolgen unterschiedlich beurteilt. Eine in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur vertretene Auffassung verbindet - in der Regel ohne nähere Begründung - mit der materiellen Fehlerhaftigkeit der Limitierungsmaßnahmen als Teilelement der Prämienanpassung die Rechtsfolge der Unwirksamkeit der Prämienanpassung insgesamt (OLG Braunschweig NJW-RR 2023, 1076 Rn. 51, 62; OLG Stuttgart, Urteil vom 15. Juli 2021 - 7 U 237/18, BeckRS 2021, 33305 Rn. 5, 19 ff.; LG Mannheim, Urteil vom 18. Juli 2023 - 11 O 294/22, juris Rn. 21; Gerwins, NVersZ 2000, 353, 360; Klimke in: Boetius/Rogler/Schäfer, Rechtshandbuch PKV, 2020, § 31 Rn. 19).
Rz. 44
Demgegenüber wird teilweise die Ansicht vertreten, dass die Fehlerhaftigkeit der Limitierungsentscheidung die Wirksamkeit der Prämienanpassung als solche unberührt lasse und lediglich zu einer Anpassung der durch den Versicherungsnehmer geschuldeten Prämie führe, soweit dieser durch die fehlerhafte Limitierungsentscheidung individuell beeinträchtigt sei (Franz/Püttgen, VersR 2022, 1, 12; BeckOK-VAG/Franz/Frey, § 155 Rn. 25 [Stand: 1. Dezember 2023]; ähnlich OLG Zweibrücken, Beschluss vom 4. Juli 2023 - 1 U 70/23, juris Rn. 7; LG Duisburg, Urteil vom 23. Mai 2023 - 6 O 281/22, juris Rn. 40).
Rz. 45
(2) Die letztgenannte Auffassung trifft im Ergebnis zu. Die Fehlerhaftigkeit der Limitierungsentscheidung führt lediglich dazu, dass dem einzelnen Versicherungsnehmer, soweit er dadurch konkret beeinträchtigt ist, ein individueller Anspruch auf (weitere) Limitierung, d.h. auf dauerhafte Absenkung seiner Prämie zustehen kann. Dieser Anspruch auf weitere Limitierung ist - soweit er besteht - mit einem der Höhe nach auf Grundlage von § 155 Abs. 1 VAG gerechtfertigten Prämienanspruch in seiner neuen Höhe zu verrechnen. Für diese Sichtweise sprechen der Umstand, dass § 155 Abs. 1 und 2 VAG voneinander zu unterscheidende Zustimmungserfordernisse mit jeweils unterschiedlichen Regelungsgegenständen betreffen, deren Rechtsfolgen autonom zu bestimmen sind, ferner der Wortlaut sowie insbesondere die mit den Regelungen in § 155 Abs. 1 und 2 VAG verfolgten gesetzgeberischen Zwecke.
Rz. 46
(a) Eine aus der Verletzung der in § 155 Abs. 2 VAG enthaltenen materiellen Maßstäbe abgeleitete Gesamtunwirksamkeit der Prämienanpassung berücksichtigt in systematischer Hinsicht nicht ausreichend, dass es sich bei § 155 Abs. 1 VAG und § 155 Abs. 2 VAG um jeweils eigenständige, voneinander zu unterscheidende Zustimmungserfordernisse handelt (Franz/Püttgen, VersR 2022, 1, 12; a.A. im Zusammenhang mit einer Prämienanpassung Grote, Die Rechtsstellung der Prämien-, Bedingungs- und Deckungsstocktreuhänder nach dem VVG und dem VAG, 2002, S. 599). Der in § 155 Abs. 1 VAG enthaltene Zustimmungsvorbehalt betrifft unmittelbar die von einem Versicherer beabsichtigte Prämienänderung als solche sowie deren Berechnung. § 155 Abs. 2 VAG hat demgegenüber mit der Entnahme und der Verwendung von Geldmitteln aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung einen gänzlich anderen Bezugspunkt. Die Vorschrift hat zudem auch einen über den Vorgang einer Prämienanpassung hinausgehenden, eigenständigen Anwendungsbereich, etwa im Zusammenhang mit Bar-Beitragsrückerstattungen, Leistungserweiterungen oder dem Einsatz von Mitteln aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung zum Zwecke der Prämienermäßigung (vgl. §§ 155 Abs. 2 Nr. 1, 150 Abs. 4 Satz 1 Alt. 2 VAG; Reinhard, VersR 2003, 952; Boetius in MünchKomm-VVG, 3. Aufl. § 203 Rn. 589). Hat § 155 Abs. 2 VAG aber einen Anwendungsbereich, der über den bloßen Kontext einer Prämienänderung hinausgeht, hat ein Verstoß Rechtsfolgen, die unabhängig von den sich aus einer Verletzung des § 155 Abs. 1 VAG ergebenden Rechtsfolgen bestimmt werden müssen.
Rz. 47
(b) Die Annahme einer Gesamtunwirksamkeit der Prämienanpassung aus einer Verletzung der sich aus § 155 Abs. 2 VAG ergebenden Anforderungen berücksichtigt zudem nicht, dass die Zustimmungserfordernisse des § 155 Abs. 1 und 2 VAG auch in materieller Hinsicht unterschiedliche Regelungsgegenstände betreffen, deren Unterschiede eine differenzierte Bestimmung der Rechtsfolgen gebieten.
Rz. 48
(aa) Der Umstand, dass sich am Ende des Gesamtvorgangs einer Prämienänderung für den Versicherungsnehmer eine sich in einem einheitlichen Zahlbetrag äußernde, neue Prämienhöhe ergibt, darf nicht den Blick darauf verstellen, dass die neue Prämie das Ergebnis eines mehrstufigen Prüfungs- und Rechenvorgangs ist. Im Rahmen der materiellen Überprüfung der Prämienneuberechnung sind zunächst der auslösende Faktor und sodann die Nachkalkulation zu überprüfen; ist die Nachkalkulation nicht zu beanstanden, sind die vom Versicherer vorgenommenen Limitierungsmaßnahmen darauf zu überprüfen, ob die dafür geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen eingehalten sind (vgl. Senatsurteil vom 16. Juni 2004 - IV ZR 117/02, BGHZ 159, 323 Rn. 24). Erst die Verrechnung des sich einerseits aus der Nachkalkulation auf Grundlage der geänderten Rechnungsgrundlagen ergebenden (neuen) Prämienbetrages mit der sich andererseits aus den eingesetzten Limitierungsmitteln ergebenden Beitragsermäßigung ergibt die von dem Versicherungsnehmer geschuldete Prämie (vgl. Boetius in Boetius/Rogler/Schäfer, Rechtshandbuch PKV, 2020, § 29 Rn. 204 und § 9 Rn. 61 f.). Die hinsichtlich der Limitierungsmaßnahmen durch den Versicherer zu treffende Entscheidung erfolgt damit in systematischer Hinsicht zwar stets anlässlich einer Prämienänderung. Trotzdem handelt sich bei der Beitragslimitierung um einen von der Nachkalkulation auf Grundlage der geänderten Rechnungsgrundlagen zu unterscheidenden, eigenständig zu beurteilenden Berechnungsschritt, der der eigentlichen Nachkalkulation erst nachgelagert ist (vgl. auch Franz/Püttgen, VersR 2022, 1, 12). Die Mehrstufigkeit des Vorgangs der Beitragsanpassung hat zur Folge, dass auf jeder Stufe unterschiedliche Berechnungsschritte vorzunehmen sind, die jeweils unterschiedlichen Voraussetzungen und Anforderungen unterliegen und die auch auf der Rechtsfolgenseite mit unterschiedlichen Auswirkungen verbunden sein können.
Rz. 49
(bb) Eine aus der Verletzung des § 155 Abs. 2 VAG abgeleitete materielle Gesamtunwirksamkeit der gesamten Prämienänderung berücksichtigt zudem nicht, dass die in § 155 Abs. 1 VAG und in § 155 Abs. 2 VAG jeweils enthaltenen Zustimmungsvorbehalte der Sache nach unterschiedliche Teilleistungen aus dem Gesamtleistungsgefüge des zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer bestehenden Versicherungsvertrages betreffen. Während das Zustimmungserfordernis aus § 155 Abs. 1 VAG die Rechtfertigung der neuen Höhe des Prämienanspruchs des Versicherers - und damit die von dem Versicherungsnehmer zu entrichtende Gegenleistung für den Versicherungsschutz - betrifft, bezieht sich das Zustimmungserfordernis des § 155 Abs. 2 VAG auf den Umfang einer vom Versicherer an den Versicherten zu erbringenden Leistung. Der Einsatz zum Zwecke der Beitragslimitierung ist lediglich eine von mehreren Möglichkeiten, wie die Mittel aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung eingesetzt werden können. Verwendet ein Versicherer Mittel aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung, handelt es sich um eine vermögenswerte Leistung, die vom Versicherer an den Versicherungsnehmer fließt und diesen begünstigt (Boetius in Boetius/Rogler/Schäfer, Rechtshandbuch PKV, 2020, § 29 Rn. 204 und § 9 Rn. 61 f.). Das gilt auch für den Einsatz von Mitteln aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung zum Zwecke der Beitragslimitierung, denn bewirkt wird die Limitierung dadurch, dass der Barwert des zu gewährenden lebenslangen Beitragsnachlasses als Einmalbetrag aus der Rückstellung entnommen und der Einzel-Alterungsrückstellung des begünstigten Versicherten zugeordnet wird (Franz/Püttgen, VersR 2022, 1, 11 f.; Boetius in Boetius/Boetius/Kölschbach, Handbuch der versicherungstechnischen Rückstellungen, 2. Aufl. § 10 Rn. 95; ders. in Boetius/Rogler/Schäfer, aaO, § 9 Rn. 50).
Rz. 50
(c) Zudem unterscheiden sich die in § 155 Abs. 1 VAG und § 155 Abs. 2 VAG an die Nichteinhaltung der jeweiligen Anforderungen geknüpften Rechtsfolgen schon dem Wortlaut nach. § 155 Abs. 1 Satz 1 VAG regelt zur Rechtsfolge ausdrücklich, dass Prämienänderungen erst in Kraft gesetzt werden dürfen, nachdem ein unabhängiger Treuhänder zugestimmt hat. Diese Zustimmung ist nach § 155 Abs. 1 Satz 3 VAG zu erteilen, wenn die in § 155 Abs. 1 Satz 2 VAG im Einzelnen geregelten Voraussetzungen vorliegen. Die die Wirksamkeit einer Prämienanpassung hemmende Wirkung der fehlenden Treuhänderzustimmung nach § 155 Abs. 1 VAG ist spiegelbildlich in § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG geregelt. Demgegenüber regelt § 155 Abs. 2 VAG lediglich, dass die in § 155 Abs. 2 Satz 1 VAG genannten Entnahmen und Verwendungen von Mitteln aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung der Zustimmung bedürfen, ohne weitergehende Regelungen zu den Wirkungen dieser Zustimmung oder zu deren Fehlen zu treffen. Insbesondere die Wirksamkeit von Prämienänderungen ist - im Gegensatz zu § 155 Abs. 1 Satz 1 VAG - nicht an die Erteilung der Zustimmung nach § 155 Abs. 2 VAG geknüpft.
Rz. 51
(d) Auch der aus der Entstehungsgeschichte des § 155 Abs. 2 VAG erkennbare Gesetzeszweck spricht gegen eine Gesamtunwirksamkeit der Prämienänderung aufgrund einer Nichteinhaltung der sich aus § 155 Abs. 2 VAG ergebenden Anforderungen.
Rz. 52
(aa) Das Zustimmungserfordernis des § 155 Abs. 2 VAG wurde (seinerzeit als § 12b Abs. 1a VAG a.F.) durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 vom 22. Dezember 1999 in das Versicherungsaufsichtsgesetz eingeführt (BGBl. I S. 2626). Seitdem besteht es in materieller Hinsicht im Wesentlichen unverändert fort. Bei Einführung des Zustimmungserfordernisses in § 155 Abs. 2 VAG hatte der Gesetzgeber das bereits in § 12b Abs. 1 VAG a.F. eingeführte Zustimmungserfordernis hinsichtlich der Prämienneuberechnung vorgefunden und unverändert gelassen (vgl. zur Entstehungsgeschichte Reinhard, VersR 2003, 952, 952 f.; Grote, Die Rechtsstellung der Prämien-, Bedingungs- und Deckungsstocktreuhänder nach dem VVG und dem VAG, 2002, S. 350 ff.). Die Einführung des Zustimmungserfordernisses des § 155 Abs. 2 VAG ging auf einen Vorschlag der Unabhängigen Expertenkommission zur Untersuchung der Problematik steigender Beiträge der privat Krankenversicherten im Alter zurück. In ihrem Gutachten schlug die Expertenkommission unter anderem vor, die Verwendung von Mitteln aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung an die Zustimmung des Prämientreuhänders zu binden (BT-Drucks. 13/4945, S. 40). Eines der wesentlichen Probleme, bei dem die Expertenkommission Regelungsbedarf sah und das Anlass für den Vorschlag des Zustimmungserfordernisses gab, war die aus ihrer Sicht bestehende Gefahr, dass die Versicherer aus Wettbewerbsgründen einen übermäßigen Teil der in der Rückstellung für Beitragsrückerstattungen vorhandenen Mittel für Bar-Beitragsrückerstattungen verwenden, anstatt ihn zur Limitierung von Beitragserhöhungen einzusetzen (BT-Drucks. 13/4945, S. 40).
Rz. 53
Der von der Expertenkommission ausgearbeitete Regelungsvorschlag (BT-Drucks. 13/4945, S. 40 f.) ist in der Folge im Wesentlichen wortgleich durch den Gesetzgeber übernommen worden, um - mit dem übergeordneten Ziel der Prämienverstetigung - durch das Zustimmungserfordernis sicherzustellen, dass ein ausreichender Anteil der Rückstellung für Beitragsrückerstattung für Beitragslimitierungen zur Verfügung steht und nicht durch andere Verwendungszwecke beeinträchtigt wird (BT-Drucks. 14/1245, S. 121 f.). Die Zuordnung des Mitspracherechts gerade zum Prämientreuhänder wurde aufgrund des vom Gesetzgeber gesehenen engen Sachzusammenhangs mit dem seinerzeit bereits bestehenden Zustimmungserfordernis zur Beitragsanpassung des § 155 Abs. 1 VAG (§ 12b Abs. 1 VAG a.F.) als "zweckmäßig" angesehen (BT-Drucks. 14/1245, S. 122).
Rz. 54
(bb) Das aus diesen gesetzgeberischen Erwägungen abzuleitende, vorrangige Ziel der Regelung in § 155 Abs. 2 VAG ist es daher, im Interesse der Beitragsstabilität für ältere Versicherte durch die Einbindung des Treuhänders dafür zu sorgen, dass in der Rückstellung für Beitragsrückerstattung ausreichende Mittel für Beitragslimitierungen zur Verfügung stehen (vgl. MünchKomm-VVG/Boetius, 3. Aufl. § 203 Rn. 584). § 155 Abs. 2 VAG verfolgt damit eine gänzlich andere Schutzrichtung und einen anderen Ansatz als § 155 Abs. 1 VAG. § 155 Abs. 1 VAG soll den Versicherungsnehmer durch die Einbindung des Treuhänders vor einer nicht durch die tariflichen Rechnungsgrundlagen gerechtfertigten Überhebung der Beiträge schützen. Das sich aus § 155 Abs. 2 VAG ergebende Mitspracherecht des Treuhänders bezüglich der Mittel aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung soll demgegenüber eine ausgewogene und mit dem Ziel der langfristigen Beitragsstabilität zu vereinbarende Verwendung dieser Mittel im Interesse insbesondere der älteren Versicherten sicherstellen.
Rz. 55
(cc) Aus dem so verstandenen Zweck der Regelung in § 155 Abs. 2 VAG lässt sich indessen gerade keine Notwendigkeit ableiten, die materielle Wirksamkeit einer nach § 155 Abs. 1 VAG gerechtfertigten Prämienänderung von einem den Anforderungen des § 155 Abs. 2 VAG entsprechenden Einsatz der Mittel aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung abhängig zu machen. Sinn und Zweck des in § 155 Abs. 2 VAG gewährleisteten Mitspracherechtes des Treuhänders ist es nicht, unmittelbar vor Beitragserhöhungen zu schützen, die sich auf Grundlage einer zutreffenden Nachberechnung nach § 155 Abs. 1 VAG ergeben, sondern langfristig die Folgen von zur Wahrung des Äquivalenzinteresses als notwendig vorausgesetzten Beitragserhöhungen dadurch abzumildern, dass ein sachgerechter Einsatz der in der Rückstellung für Beitragsrückerstattung vorhandenen Mittel sichergestellt wird. Dafür, dass der Gesetzgeber die Fehlerhaftigkeit einer Limitierungsentscheidung mit der weitgehenden Sanktion der Unwirksamkeit einer ansonsten durch eine zutreffende Nachkalkulation gerechtfertigten Prämienanpassung versehen wollte, lässt sich aus der Gesetzesbegründung und der Entstehungsgeschichte nichts herleiten (vgl. OLG Schleswig VersR 2023, 960 [juris Rn. 87]). Der Gesetzgeber hat sich bei der Verknüpfung des in § 155 Abs. 2 VAG vorgesehenen Zustimmungserfordernisses mit den in § 155 Abs. 1 VAG bereits enthaltenen Vorschriften über die Nachberechnung der Prämienhöhe vielmehr ausschließlich von Zweckmäßigkeitserwägungen und gerade nicht von der Vorstellung leiten lassen, dass eine zutreffende Limitierungsentscheidung materielle Wirksamkeitsvoraussetzung einer im Übrigen gerechtfertigten Prämienänderung sein solle (vgl. BT-Drucks. 14/1245, S. 122).
Rz. 56
(e) Eine aus einer unzureichenden Limitierung folgende Gesamtunwirksamkeit der Prämienänderung widerspricht auch dem Zweck und der Systematik des sich aus § 203 Abs. 2 VVG i.V.m. § 155 Abs. 1 VAG ergebenden gesetzlichen Prämienänderungsrechts. Die Vorschriften zur Prämienanpassung in der substitutiven Krankenversicherung zielen vorrangig darauf ab, die Einhaltung des Äquivalenzprinzips und die dauerhafte Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge zu gewährleisten. Auch nur vorübergehende Äquivalenzstörungen sind dabei im Interesse der Beitragsstabilität weitestgehend zu vermeiden (Senatsurteil vom 19. Dezember 2018 - IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 49). Diesem Zweck widerspräche es aber, einer auf Grundlage geänderter Rechnungsgrundlagen gerechtfertigten Prämienänderung, bei der auch die formellen Voraussetzungen vorliegen, nur deshalb die Wirksamkeit zu versagen, weil die getroffenen Limitierungsmaßnahmen zu beanstanden sind. Dies liefe dem Ziel der Beitragsstabilität letztlich zuwider, da der Versicherer verpflichtet wäre, die aus der Unwirksamkeit infolge der Limitierungsmaßnahmen bei den Prämienzahlungen entstandene Lücke durch folgende Erhöhungen auszugleichen, die demgemäß noch höher ausfallen könnten (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 2018 aaO).
Rz. 57
(f) An einer Prüfung der Limitierungsentscheidung, die über eine Prüfung der ihn unmittelbar selbst betreffenden Wirkungen einer fehlerhaften Limitierung hinausgeht, hat der klagende Versicherungsnehmer dagegen kein rechtliches Interesse und sie ist auch nicht aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes geboten.
Rz. 58
(aa) Im Rahmen einer durch einen Versicherungsnehmer wegen der Höhe seines individuellen Beitrages vor den Zivilgerichten geführten Klage kann es - wie auch bei der Ermittlung des Anpassungsfaktors (vgl. Senatsurteil vom 16. Juni 2004 - IV ZR 117/02, BGHZ 159, 323 Rn. 23) - nur entscheidend sein, ob sich Fehler bei der Limitierungsentscheidung gerade auf das Versicherungsverhältnis des klagenden Versicherungsnehmers ausgewirkt haben. Sollten sich tatsächlich jegliche Fehler, die dem Versicherer bei der nach § 155 Abs. 2 VAG zu treffenden Limitierungsentscheidung unterlaufen, derart auswirken, dass die Wirksamkeit der Beitragsanpassungen im Verhältnis zu sämtlichen Versicherungsnehmern in Frage gestellt würde, auf die sich die Limitierungsentscheidung erstreckt hat, würde dies zu Ergebnissen führen, die der Gesetzgeber bei der Einführung des ergänzenden Zustimmungserfordernisses des § 155 Abs. 2 VAG ersichtlich nicht vor Augen hatte.
Rz. 59
(bb) Eine weitergehende Überprüfung der Limitierungsmaßnahmen ist auch nicht aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes geboten. Die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes muss in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes ermöglichen, in welcher der Richter die Richtigkeit bestrittener Tatsachen nicht ohne hinreichende Prüfung bejaht (vgl. BVerfG VersR 2014, 609 Rn. 19). Dem ist jedoch bereits dann Genüge getan, wenn der Versicherungsnehmer - trotz einer im Rahmen des § 155 Abs. 2 VAG erteilten Zustimmung des Treuhänders - weiterhin die Möglichkeit hat, einen individuellen Anspruch auf eine weitergehende Limitierung des auf ihn entfallenden Erhöhungsbetrages im Prozess über die Beitragsanpassung vor den Zivilgerichten geltend zu machen. Der Versicherungsnehmer kann damit in dem Umfang, in dem sie ihn individuell betrifft, eine tatsächliche und rechtliche Überprüfung der Limitierungsmaßnahmen herbeiführen. Mehr ist auch aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes nicht geboten: Dass der Versicherungsnehmer im Individualprozess die Möglichkeit haben muss, dem Versicherer im Verhältnis zu anderen Versicherungsnehmern unterlaufene Fehler zu rügen oder dass Fehler bei der Limitierungsentscheidung mit einer sich auf die Wirksamkeit der Prämienänderung insgesamt erstreckenden Rechtsfolge zu versehen sind, ergibt sich - entgegen der in der Revisionserwiderung vertretenen Ansicht - aus der Garantie des effektiven Rechtsschutzes gerade nicht.
Rz. 60
(g) Kommt nach alledem infolge der fehlerhaften Limitierung eine durchschlagende Gesamtunwirksamkeit der Prämienanpassung nicht in Betracht, kann sich die Fehlerhaftigkeit der Limitierungsentscheidung im individuellen Vertragsverhältnis notwendigerweise nur dann auswirken, wenn der Fehler zu einer Beeinträchtigung der Rechte des klagenden Versicherungsnehmers geführt hat. Eine fehlerhafte Limitierungsentscheidung führt daher nur dazu, dass die von dem klagenden Versicherungsnehmer zu zahlende Prämie anzupassen ist, soweit der Versicherungsnehmer durch die fehlerhafte Entscheidung individuell betroffen ist, mithin einen Anspruch auf die Zuweisung weiterer Limitierungsmittel hat.
Rz. 61
(h) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht daher offengelassen, ob ein konkreter Verstoß gegen die sich aus § 155 Abs. 2 VAG ergebenden Anforderungen dazu geführt hat, dass - und in welcher Höhe - der Kläger individuelle Nachteile in Bezug auf die Dotierung seiner bei der Beklagten gehaltenen Versicherungstarife mit Limitierungsmitteln erlitten hat. Ferner hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus konsequent - rechtsfehlerhaft auch die notwendigerweise vor der Prüfung der Limitierungsmaßnahmen zu beantwortende Vorfrage offengelassen, ob die durch den Versicherer angestellte Nachberechnung auf Grundlage der geänderten Rechnungsgrundlagen den sich aus § 155 Abs. 1 VAG ergebenden Anforderungen entsprach. Diese Frage hätte das Berufungsgericht indessen klären müssen, bevor es sich mit der Limitierung befasst hat.
Rz. 62
cc) Das Berufungsgericht hätte zudem keine Beweislastentscheidung zum Nachteil der Beklagten treffen dürfen. Dem liegt eine fehlerhafte Rechtsansicht zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast in Bezug auf eine Verletzung der sich aus § 155 Abs. 2 VAG an eine Limitierungsentscheidung ergebenden Anforderungen zugrunde.
Rz. 63
(1) Noch zutreffend ist das Berufungsgericht zwar davon ausgegangen, dass der Versicherer im Zuge einer Prämienanpassung auf der Grundlage von § 203 Abs. 2 VVG im Grundsatz die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass die Voraussetzungen für eine erhöhte Prämie vorliegen (Senatsurteile vom 9. Dezember 2015 - IV ZR 272/15, VersR 2016, 177 Rn. 21; vom 16. Juni 2004 - IV ZR 117/02, BGHZ 159, 323 Rn. 15). Der Senat hat ebenfalls bereits entschieden, dass der Versicherer die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der erhöhten Prämie grundsätzlich auch dann trägt, wenn der Versicherungsnehmer einen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch geltend macht (Senatsurteil vom 22. Juni 2022 - IV ZR 193/20, r+s 2022, 462 Rn. 51; vgl. auch Gramse, r+s 2023, 577, 578).
Rz. 64
(2) Die dem Urteil des Berufungsgerichts zentral zugrunde liegende Annahme, dass der Versicherer im Zivilprozess deshalb auch die Beweislast dafür trägt, dass die von ihm getroffenen Limitierungsmaßnahmen in jeglicher Hinsicht den materiellen Voraussetzungen des § 155 Abs. 2 VAG entsprechen, ist aber rechtsfehlerhaft.
Rz. 65
(a) Teile der obergerichtlichen Rechtsprechung weisen - wie auch das Berufungsgericht - ausgehend von dem in der Senatsrechtsprechung aufgestellten Grundsatz, dass der Versicherer im Zuge einer Beitragsanpassung auf der Grundlage von § 203 Abs. 2 VVG grundsätzlich die höhere Prämie rechtfertigen muss, dem Versicherer auch die volle Darlegungs- und Beweislast für die Fehlerfreiheit der auf Grundlage von § 155 Abs. 2 VAG zu treffenden Limitierungsentscheidung zu (OLG Braunschweig NJW-RR 2023, 1076 Rn. 52; OLG Stuttgart, Urteil vom 15. Juli 2021 - 7 U 237/18, BeckRS 2021, 33305 Rn. 12). Teilweise wird vertreten, dass der Versicherungsnehmer - wolle er bei primärer Darlegungs- und Beweisbelastung des Versicherers streitig stellen, dass die Limitierungsmaßnahmen materiell rechtmäßig seien - gehalten sei, zumindest konkrete Anhaltspunkte vorzutragen, welche die materielle Rechtswidrigkeit der Limitierungsmaßnahmen möglich erscheinen lassen; anderenfalls sei sein Bestreiten prozessual unbeachtlich (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 19. Juni 2023 - 1 U 70/23, juris Rn. 6 ff.; LG Rottweil, Urteil vom 3. März 2023 - 3 O 281/22, juris Rn. 60 ff.; LG Duisburg, Urteil vom 23. Mai 2023 - 6 O 281/22, juris Rn. 37 ff.; einschränkend auch OLG Nürnberg VersR 2023, 1353 [juris Rn. 20 f.]).
Rz. 66
Demgegenüber wird in der Instanzrechtsprechung teilweise vertreten, dass die Darlegungs- und Beweislast für die Rechtswidrigkeit einer Limitierungsentscheidung den Versicherungsnehmer trifft (LG Wuppertal VersR 2023, 1285 [juris Rn. 40 ff.]; LG Stralsund, Urteil vom 25. August 2023 - 6 O 84/22, juris Rn. 150 ff.; LG Erfurt, Urteil vom 9. März 2023 - 8 O 159/22, juris Rn. 111; LG Oldenburg, Urteil vom 3. März 2023 - 13 O 731/22, juris Rn. 46 ff.).
Rz. 67
(b) Letzteres trifft im Ergebnis zu. Der Versicherungsnehmer trägt die Beweislast dafür, dass die Limitierungsentscheidung den Anforderungen des § 155 Abs. 2 VAG nicht entspricht und er hierdurch in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Das ergibt sich aus den allgemeinen Grundregeln der Beweislastverteilung im Zivilprozess, von denen für den konkreten Fall keine Abweichung geboten ist.
Rz. 68
(aa) Ungeschriebenes Grundprinzip der Beweislastverteilung im Zivilprozess ist, dass jede Partei die tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Normen darlegen und beweisen muss (st. Rspr, vgl. nur Senatsurteil vom 10. März 2010 - IV ZR 264/08, NJW-RR 2010, 1378 Rn. 12; vgl. ferner Saenger, ZPO, 10. Aufl. § 286 Rn. 58 und MünchKomm-ZPO/Prütting, 6. Aufl. § 286 Rn. 113 ff., jeweils m.w.N.). Derjenige, der einen Anspruch geltend macht, muss die rechtsbegründenden und -erhaltenden Tatsachen, der Gegner die Voraussetzungen rechtshindernder,-vernichtender oder -hemmender Einwendungen und Gegenrechte darlegen und beweisen (vgl. nur BGH, Urteile vom 20. Juni 2005 - II ZR 189/03, NJW-RR 2005, 1328 [juris Rn. 10]; vom 13. November 1999 - V ZR 386/97, NJW 1999, 352 [juris Rn. 13], st. Rspr.). Dies gilt ungeachtet der konkreten Parteirolle (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 1993 - VI ZR 74/92, NJW 1993, 1716 [juris Rn. 159]).
Rz. 69
(bb) Dieses Grundprinzip gilt auch hier. Der Versicherungsnehmer erhält bei der Zuweisung von Limitierungsmitteln eine Leistung des Versicherers (vgl. Boetius in Boetius/Rogler/Schäfer, Rechtshandbuch PKV, 2020, § 9 Rn. 61 f.). Die Ausgangslage ist mit Blick auf Beitragslimitierungen zu derjenigen gegensätzlich, die für die Nachberechnung der Prämie auf Grundlage der geänderten Rechnungsgrundlagen gemäß § 155 Abs. 1 VAG gilt. Bei der Nachberechnung ist der Versicherer gehalten, die nunmehr erhöhte Leistungspflicht des Versicherten anhand der geänderten Rechnungsgrundlagen zu rechtfertigen. Die Voraussetzungen für eine erhöhte Leistungspflicht des Versicherten sind für den Versicherer insoweit rechtsbegründend, woraus es sich auch rechtfertigt, dem Versicherer die Darlegungs- und Beweislast dafür aufzuerlegen, dass die nachberechnete Prämie (im ersten Rechenschritt) den sich aus § 155 Abs. 1 VAG ergebenden Anforderungen entspricht. Die Beitragslimitierung betrifft spiegelbildlich die hiervon zu unterscheidende Frage, ob dem Versicherten die aufgrund der geänderten Rechnungsgrundlagen nunmehr gerechtfertigte Prämie teilweise und dauerhaft zu erlassen ist. Der Versicherungsnehmer kann dabei - wie ausgeführt - im Hinblick auf die Limitierungsentscheidung nur mit dem Vortrag gehört werden, dass ihm bei einer den Anforderungen des § 155 Abs. 2 VAG genügenden Limitierungsentscheidung eine weitergehende Absenkung seiner sich aufgrund der Nachberechnung nach § 155 Abs. 1 VAG ergebenden Beitragshöhe zugestanden hätte. Die tatsächlichen Voraussetzungen dieses Anspruchs, die für den Versicherungsnehmer rechtsbegründend wirken, muss dieser den allgemeinen Grundsätzen entsprechend darlegen und beweisen. Der Umstand, dass der Einsatz von Mitteln aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung zum Zwecke der Begrenzung von Prämienerhöhungen stets nur anlässlich einer Prämienerhöhung in Betracht kommt und die Limitierung deshalb systematisch Teil der Prämienberechnung ist (Senatsurteil vom 19. Dezember 2018 - IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 51), ändert hieran nichts.
Rz. 70
(cc) Es ist auch kein Grund ersichtlich, die sich aus der Anwendung der allgemeinen Grundregel ergebende Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für den konkreten Fall umzukehren. Ihr liegen Überlegungen der generalisierenden Risikozuweisung zugrunde. Sie kann daher nicht durch einzelfallbezogene Billigkeitserwägungen ersetzt werden. Eine Beweislastumkehr nimmt die Rechtsprechung demgemäß nur dann an, wenn die Gefahr besteht, dass ein Beweis sonst gänzlich verloren geht.
Rz. 71
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier indessen nicht vor. Die Einstellung der im Rahmen der Beitragslimitierung nach § 155 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VAG zu verwendenden Geldmittel in die erfolgsabhängige Rückstellung für Beitragsrückerstattung stellt eine mittelbare Form der Überschussbeteiligung der Versicherten dar (§§ 139 Abs. 1, 151 Abs. 1 VAG, vgl. Boetius in Boetius/Rogler/Schäfer, Rechtshandbuch PKV, 2020, § 9 Rn. 40). Soweit die Mittel aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung im Rahmen der nach § 155 Abs. 2 VAG zu treffenden Entscheidung sodann zum Zwecke der dauernden Beitragsabsenkung den individuellen Versicherten zugewiesen werden (vgl. Boetius in Boetius/Rogler/Schäfer, Rechtshandbuch PKV, 2020, § 9 Rn. 58, 60 f.), wird der zunächst nur mittelbar über die Einstellung in die Rückstellung für Beitragsrückerstattung an die Versicherungsnehmer verteilte Überschuss unmittelbar den individuellen Versicherungsnehmern zugeteilt. Hierin liegt eine vermögenswerte Leistung des Versicherers an den Versicherungsnehmer (vgl. Boetius in Boetius/Rogler/Schäfer, Rechtshandbuch PKV, 2020, § 9 Rn. 61 f.).
Rz. 72
Dass jedoch dem Versicherungsnehmer die Zuweisung der Darlegungs- und Beweislast für einen (weitergehenden) Anspruch auf Überschussbeteiligung gegen den Versicherer grundsätzlich zuzumuten ist, hat der Senat für den sich im Lebensversicherungsvertrag aus § 153 VVG ergebenden Anspruch auf Überschussbeteiligung bereits entschieden (Senatsurteile vom 20. Januar 2021 - IV ZR 318/19, BGHZ 228, 250 Rn. 31; vom 27. Juni 2018 - IV ZR 201/17, BGHZ 219, 129 Rn. 28, jeweils m.w.N.). Der Umstand, dass der Versicherungsnehmer die internen Verhältnisse des Versicherers nicht kennen kann, führt nicht zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast, sondern (nur) zu einer sekundären Darlegungslast des Versicherers (vgl. Senatsurteil vom 20. Januar 2021 aaO). Das gilt auch für den Fall der Beitragslimitierung nach § 155 Abs. 2 VAG.
Rz. 73
(dd) Will der Versicherungsnehmer im Zivilprozess einen Anspruch auf eine höhere Beitragslimitierung geltend machen, kann sich sein Vortrag allerdings zunächst auf die allgemeine Behauptung beschränken, dass die Limitierungsentscheidung des Versicherers gegen die sich aus § 155 Abs. 2 VAG ergebenden materiellen Maßstäbe verstößt und sich dieser Verstoß auch individuell nachteilig auf ihn ausgewirkt hat. Dann obliegt es dem Versicherer im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast, zu den der konkret getroffenen Limitierungsentscheidung zugrunde liegenden Parametern näher vorzutragen (vgl. zur Überschussbeteiligung Senatsurteil vom 20. Januar 2021 - IV ZR 318/19, BGHZ 228, 250 Rn. 31). Dabei wird der Versicherer auch Vortrag zu den in anderen Tarifen vorgenommenen Dotierungen mit Limitierungsmitteln und deren Verhältnis zur Dotierung im klägerischen Tarif halten müssen, soweit dies zur Beurteilung erforderlich ist, ob der Versicherungsnehmer durch eine gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßende Limitierungsentscheidung konkret beeinträchtigt wird. Der Umfang der sekundären Darlegungslast des Versicherers hängt hierbei vom Umfang des zuvor gehaltenen Vortrags des Versicherungsnehmers ab.
Rz. 74
Diese Darlegungslast des Versicherers beinhaltet jedoch nicht die Vorlage eines umfassenden, sich auf alle parallel mit Limitierungsmitteln bedachten Tarife erstreckenden Limitierungskonzepts. Es findet sich kein Anhaltspunkt im Gesetz, der darauf hindeutet, dass der Gesetzgeber dem Versicherer mit Blick auf § 155 Abs. 2 VAG derart umfassende Darlegungs- und Dokumentationsverpflichtungen auferlegen wollte (die Verpflichtung zur Vorlage eines Limitierungskonzepts daher zu Recht ablehnend OLG Schleswig VersR 2023, 960 [juris Rn. 87 ff.]; OLG Brandenburg, Urteil vom 8. September 2023 - 11 U 88/23, juris Rn. 14; OLG Celle MDR 2023, 236 [juris Rn. 8]; BeckOK-VVG/Gramse, § 203 Rn. 28a [Stand: 1. Februar 2024]; a.A. Gerwins, NVersZ 2000, 353, 359). Die gerichtliche Kontrolle und dem folgend auch die Darlegungslast des Versicherers beschränkt sich darauf, ob die durchgeführten Limitierungsmaßnahmen gesetzeskonform sind. Da die zugrunde liegenden Erwägungen und Motive des Versicherers dabei nicht zu prüfen sind, muss der Versicherer auch nicht darlegen, welches Konzept er mit seinen Limitierungsmaßnahmen insgesamt verfolgt.
Rz. 75
c) Das Urteil des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Mit der materiellen Rechtmäßigkeit der Nachberechnung auf Grundlage von § 155 Abs. 1 VAG, die das Berufungsgericht vor der Frage, ob dem Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Limitierungsmaßnahmen zusteht, hätte prüfen müssen, hat es sich nicht befasst; vielmehr hat es zwischen den Parteien hierzu streitige Fragen offengelassen. Da das Berufungsgericht zudem - ohne dass hierbei revisionsrechtlich relevante Fehler festzustellen wären - die formelle Wirksamkeit der Beitragsanpassungen im Tarif E 2 bejaht hat, trägt das die dem Kläger zugesprochenen Ansprüche und ausgesprochenen Feststellungen nicht.
Rz. 76
II. Auch die Anschlussrevision des Klägers ist zulässig und begründet.
Rz. 77
1. Die Anschlussrevision ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Kläger ist durch die zeitliche Beschränkung des unbeschränkt begehrten Feststellungsausspruchs und die damit verbundene Teil-Abweisung der Klage durch das Berufungsurteil beschwert (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2021 - VIII ZR 6/19, NJW-RR 2021, 1312 Rn. 36 m.w.N.). Die Anschlussrevision betrifft den gleichen Lebenssachverhalt, den auch die unbeschränkt zugelassene Revision betrifft (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2001 - IX ZR 73/00, BGHZ 148, 156 Rn. 42 ff.).
Rz. 78
2. Die Anschlussrevision ist auch begründet. Zu Recht rügt die Anschlussrevision eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt, indem es seiner Entscheidung Vortrag der Beklagten aus einem nachgelassenen, nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz zugrunde gelegt hat, ohne zuvor die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen (§ 156 ZPO) oder ins schriftliche Verfahren überzugehen (§ 128 Abs. 2 ZPO).
Rz. 79
a) Art. 103 Abs. 1 GG gibt dem an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten das Recht, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern. Nach dem im Zivilprozess geltenden Mündlichkeitsgrundsatz darf das Gericht den Prozess zudem nur auf Grund mündlicher Verhandlung entscheiden und als Prozessstoff nur das berücksichtigen, was in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 1996 - IX ZR 264/95, BGHZ 134, 127 Rn. 32; MünchKomm-ZPO/Fritsche, 6. Aufl. § 128 Rn. 1). Räumt das Gericht einer Partei ein Schriftsatzrecht zur Stellungnahme zu einem erst in der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweis ein und wird in einem daraufhin eingegangenen Schriftsatz neuer entscheidungserheblicher Prozessstoff eingeführt, so muss das Gericht deshalb die mündliche Verhandlung wiedereröffnen oder in das schriftliche Verfahren übergehen, um dem Gegner rechtliches Gehör zu gewähren (BGH, Beschlüsse vom 10. Dezember 2019 - VIII ZR 377/18, NJW-RR 2020, 284 Rn. 13; vom 20. September 2011 - VI ZR 5/11, VersR 2011, 1462 Rn. 5; BeckOK-ZPO/Bacher, § 283 Rn. 18 [Stand: 1. Dezember 2023]; Foerste in Musielak/Voit, ZPO 20. Aufl. § 283 Rn. 13).
Rz. 80
b) Gemessen an diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht den Mündlichkeitsgrundsatz und dadurch das rechtliche Gehör des Klägers verletzt.
Rz. 81
aa) Das Berufungsgericht hat am 29. Oktober 2021 das letzte Mal mündlich zur Sache verhandelt. Im Rahmen dieser mündlichen Verhandlung hat es darauf hingewiesen, dass es für die zeitliche Begrenzung der Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragsanpassung im Tarif E 2 darauf ankommen könne, ob in diesem Tarif in der Folge weitere Beitragsanpassungen erfolgt seien, und die Beklagte um entsprechende Klarstellung gebeten. Sodann hat das Berufungsgericht beiden Parteien einen Schriftsatznachlass gewährt und einen Verkündungstermin anberaumt. Erstmals im innerhalb der nachgelassenen Frist eingegangenen Schriftsatz vom 16. Dezember 2021 hat die Beklagte vorgetragen, dass im Tarif E 2 weitere Beitragsanpassungen bewirkt worden seien, unter anderem zum 1. Januar 2019. Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag seiner Entscheidung als unstreitig zugrunde gelegt und darauf gründend den Ausspruch zur Zwischenfeststellung auf den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2018 beschränkt. Die mündliche Verhandlung hat es nicht wiedereröffnet. Mit Beschlüssen vom 29. März 2022 hat es eine vom Kläger erhobene Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO sowie einen Tatbestandsberichtigungsantrag gemäß § 314 ZPO zurückgewiesen und ihm hierbei vorgehalten, dass auch ihm ein Schriftsatznachlass eingeräumt worden sei, den er - hätte er das Unstreitigwerden des Vortrags der Beklagten vermeiden wollen - hätte nutzen müssen, um seinerseits weiteren Vortrag zu nachfolgenden Prämienänderungen zu halten.
Rz. 82
bb) Das Berufungsgericht wäre indessen zur Vermeidung einer Gehörsverletzung verpflichtet gewesen, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen oder - nach Einholung entsprechender Zustimmungserklärungen der Parteien - ins schriftliche Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO überzugehen. Der im Schriftsatz vom 16. Dezember 2021 erstmals zu den nachfolgenden Prämienanpassungen gehaltene Vortrag der Beklagten ist nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung zwischen den Parteien geworden. Die dennoch erfolgte Berücksichtigung des Vortrages durch das Berufungsgericht stellt eine Verletzung des Mündlichkeitsprinzips dar. Die Berücksichtigung hätte entweder die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung oder aber den Übergang ins schriftliche Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO erfordert, da (nur) in diesem Fall der gesamte bis zum Vortragszeitpunkt des § 128 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 ZPO angefallene Akteninhalt Entscheidungsgrundlage wird, ohne dass eine Bezugnahme in mündlicher Verhandlung erforderlich ist (vgl. BeckOK-ZPO/von Selle, § 128 Rn. 32 [Stand: 1. Dezember 2023]).
Rz. 83
c) Die Gehörsverletzung war auch entscheidungserheblich. Unterbleibt - wie hier - eine einfachrechtlich zwingend gebotene mündliche Verhandlung, kann in aller Regel nicht ausgeschlossen werden, dass bei Durchführung der mündlichen Verhandlung eine andere Entscheidung ergangen wäre. Sie kann je nach Prozesslage, Verhalten der Gegenseite und Hinweisen des Gerichts zu weiterem Sachvortrag, Beweisanträgen und Prozesserklärungen führen, ohne dass dies im Einzelnen sicher vorhersehbar wäre (BVerfG NJW 2015, 3779; vgl. MünchKomm-ZPO/Fritsche, 6. Aufl. § 128 Rn. 9). Unabhängig von der sich aus dem Verstoß gegen den Mündlichkeitsgrundsatz ergebenden Vermutungswirkung, ergibt sich die Entscheidungserheblichkeit auch daraus, dass der Kläger angekündigt hat, die Wirksamkeit der im Schriftsatz vom 16. Dezember 2021 durch die Beklagte geltend gemachten Beitragserhöhungen anzugreifen. In diesem Fall hätte das Berufungsgericht ohne eine nähere Prüfung der formellen und materiellen Wirksamkeit der nachfolgenden Beitragsanpassungen die zeitliche Wirkung des Zwischenfeststellungsausspruches nicht begrenzen dürfen.
Rz. 84
d) Der allgemeine Grundsatz der Subsidiarität steht - entgegen der in der Anschlussrevisionserwiderung vertretenen Ansicht - dem Erfolg der von der Anschlussrevision erhobenen Verfahrensrüge nicht entgegen. Dieser erfordert es, dass ein Beteiligter alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. nur Senatsbeschluss vom 15. Juli 2015 - IV ZB 10/15, NJW-RR 2015, 1150 Rn. 7 m.w.N.).
Rz. 85
Diesen Anforderungen hat der Kläger Genüge getan. Er hat die Verletzung seines rechtlichen Gehörs erstmals in seinen Schriftsätzen vom 24. Februar 2022 gerügt, mit denen er Anhörungsrüge erhoben bzw. Tatbestandsberichtigung beantragt hat. Dass der Kläger nicht zuvor auf den ihm durch das Berufungsgericht formlos mitgeteilten Schriftsatz der Beklagten vom 16. Dezember 2021 reagiert hat, gereicht ihm nicht zum Nachteil. Die von ihm gerügte Gehörsverletzung ist nicht darin begründet, dass das Berufungsgericht ihm einen neues Vorbringen enthaltenden Schriftsatz des Gegners kommentarlos übermittelt hat; sie liegt vielmehr erst darin, dass das Berufungsgericht den neuen Vortrag ohne Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Diese Gehörsverletzung ist dem Kläger indes frühestens durch die Zustellung des angefochtenen Urteils bekannt geworden. Zuvor durfte sich der Kläger mangels entgegenstehender Anhaltspunkte darauf verlassen, dass das Berufungsgericht den Anforderungen des Mündlichkeitsgrundsatzes gerecht werden und die mündliche Verhandlung wiedereröffnen würde, soweit der nachgelassene Schriftsatz der Beklagten aus Sicht des Berufungsgerichts neues entscheidungserhebliches Vorbringen enthielte.
Rz. 86
e) Die Tatbestandswirkung des § 314 ZPO steht der erhobenen Verfahrensrüge - worauf die Anschlussrevision zu Recht hinweist - nicht entgegen. Da das Berufungsgericht durch seine Verfahrensgestaltung den Mündlichkeitsgrundsatz und damit das rechtliche Gehör des Klägers verletzt hat, ist die Entscheidung des Berufungsgerichts insoweit aufzuheben. Durch die Zurückverweisung wird die Berufungsinstanz wiedereröffnet und das Verfahren in die Lage zurückversetzt, in der es sich befand, als die Verhandlung vor dem Erlass des aufgehobenen Urteils geschlossen wurde (BGH, Urteil vom 28. September 2000 - IX ZR 6/99, BGHZ 145, 256 [juris Rn. 12]; BeckOK-ZPO/Kessal-Wulf, § 563 Rn. 3 [Stand: 1. Dezember 2023]). Im Umfang der Aufhebung entfällt auch die Bindungswirkung des Tatbestandes (Althammer in Stein/Jonas, ZPO 23. Aufl. § 314 Rn. 11), sodass das Berufungsgericht hierdurch an neuen Feststellungen nicht gehindert ist.
Rz. 87
III. Soweit das Berufungsgericht die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz zu Unrecht als zulässig beurteilt hat, kann der Senat selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die in der Berufungsinstanz erweiterte Klage - im in der Revisionsinstanz noch anhängigen Umfang - als unzulässig abweisen. Im Übrigen ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Rz. 88
Das Berufungsgericht wird sich zunächst mit den bisher von ihm offengelassenen Fragen zur materiellen Rechtmäßigkeit der Nachkalkulation auf Grundlage von § 155 Abs. 1 VAG zu befassen haben. Abhängig vom Ergebnis dieser Prüfung ist gegebenenfalls die Limitierungsentscheidung unter Anwendung des dargelegten Prüfungsmaßstabs und der gebotenen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast erneut zu beurteilen.
Dabei wird das Berufungsgericht auch erwägen können, ob das bereits vorliegende Sachverständigengutachten als Grundlage neuer Feststellungen dienen kann.
Prof. Dr. Karczewski |
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Harsdorf-Gebhardt |
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Dr. Brockmöller |
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Dr. Bußmann |
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Dr. Bommel |
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Berichtigungsbeschluss vom 9. April 2024
Der Tenor des Senatsurteils vom 20. März 2024 wird wegen offenbarer Unrichtigkeit gemäß § 319 Abs. 1 ZPO dahingehend berichtigt, dass es heißen muss:
"dass die Beklagte die vorbezeichneten Nutzungen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 6. April 2017 zu verzinsen hat"
Prof. Dr. Karczewski |
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Harsdorf-Gebhardt |
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Dr. Brockmöller |
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Dr. Bußmann |
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Dr. Bommel |
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Fundstellen
NJW 2024, 1803 |
NJW 2024, 8 |
NWB 2024, 904 |
WM 2024, 833 |
ZAP 2024, 672 |
ZIP 2024, 4 |
JZ 2024, 307 |
VuR 2024, 3 |
RdW 2024, 433 |
r+s 2024, 454 |