Leitsatz (amtlich)
a) Die Frage, ob der Ausschluß eines Vereinsmitglieds offenbar unbillig und deshalb unwirksam ist, haben die Gerichte bei jeder Art von Vereinen zu prüfen; insofern kommt es nicht darauf an, ob der Verein in der sozialen Ordnung eine besondere Bedeutung hat.
b) Der Ausschluß eines Mitglieds ist offenbar unbillig und deshalb unwirksam, wenn der Verein andere Mitglieder, den unter denselben Umständen ein gleicher Verstoß zur Last fällt, ohne sachlichen Grund, der eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigt, nicht ausschließt (Verstoß gegen den Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung). Der Ausschluß kann grob unbillig sein, wenn ihn der Verein auf vereinswidrige Behauptungen stützt, die das Mitglied in einem Rechtsstreit mit dem Verein zu seiner Rechtsverteidigung vorgebracht hat.
c) Bei der gerichtlichen Auseinandersetzung über die Frage, ob die Ausschließung grob unbillig war, können beide Parteien neue, im Ausschließungsverfahren nicht behandelte Tatsachen vorbringen; der Grundsatz, daß ein Verein den Ausschluß im Rechtsstreit über dessen Wirksamkeit nicht auf eine neue tatsächliche Grundlage stellen kann, wird hiervon nicht betroffen.
Normenkette
BGB § 25
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 13.05.1965) |
LG Berlin |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das im schriftlichen Verfahren ergangene und den Parteien am 13. Mai 1965 zugestellte Urteil des 7. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revisionsinstanz – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte unterhält mehrere Wintersportabteilungen und eine Tennisabteilung. Der Kläger gehörte dem Verein zunächst als Bobfahrer, später als Mitglied der Tennisabteilung an. Zwischen der Tennisabteilung und dem Vorstand des Beklagten entwickelten sich etwa seit dem Jahre 1962 Spannungen. Die Tennisabteilung sah ihre Belange durch den Vorstand als nicht genügend gewahrt an. Sie erstrebte auch einen stärkeren satzungsmäßigen Einfluß innerhalb des Vereins. Im Zusammenhang mit den hierüber stattfindenden Auseinandersetzungen hat der Beklagte den Kläger durch Beschluß seines Ehrenrats vom 7. Juni/4. Juli 1963 ausgeschlossen. In dem Beschluß stellte der Ehrenrat fest, der Kläger habe im Aushangkasten auf der Clubanlage dem Präsidenten des Beklagten in einem offenen Brief vorgeworfen, er steuere auf eine Trennung des Clubs hin. Ferner habe der Kläger in der Mitgliederversammlung vom 26. April 1963 mit den Mitgliedern der Tennisabteilung gemeinsame Sache gemacht, die unter lauten Protest- und Schmährufen gegen den Vorstand den Saal verlassen und es abgelehnt hätten, den um den Club hochverdienten 80jährigen früheren Präsidenten anzuhören, der sie gebeten habe, im Saal zu bleiben. Durch dieses Verhalten, das der Ehrenrat für unsportlich und unwürdig halte, habe der Kläger das Ansehen des Clubs gefährdet und das Glubleben gestört.
Den gegen seinen Ausschluß gerichteten Einspruch des Klägers hat der – satzungsmäßig hierfür zuständige – Verwaltungsausschuß des Beklagten zunächst durch Beschluß vom 23. Juli 1963 zurückgewiesen. Ein sich daran anschließender Rechtsstreit, in dem der Kläger diesen und den vorangegangenen Ehrenratsbeschluß angriff, endete am 4. November 1963 durch Prozeßvergleich. Darin erklärten die Parteien, sie seien sich einig, daß die Mitgliedschaft des Klägers nicht unterbrochen sei, beide Parteien aber ihren Rechtsstandpunkt wahrten.
Am 22. November 1963 befaßte sich der Verwaltungsausschuß wiederum mit der Ausschließung des Klägers und seinen dagegen erhobenen Einspruch. Mit Beschluß vom gleichen Tage, ausgefertigt am 5. Dezember 1963, bestätigte er den Ehrenratsbeschluß vom 7. Juni/4. Juli 1963 erneut. Zur Begründung führte er insbesondere aus:
„Der Verwaltungsausschuß vertritt die Ansicht, daß der vom Ehrenrat festgestellte Sachverhalt den Ausschluß des Herrn P. (Kläger) aus dem Verein rechtfertigt. Seine Mitwirküng bei dem Auszug der Llitglieder der Tennisabteilung anläßlich der Mitgliederversammlung vom 26.4.63, wie sie vom Ehrenrat im einzelnen festgestellt wurde, rechtfertigt den Vorwurf eines unsportlichen und unwürdigen Verhaltens, das das Ansehen des Clubs in schwerwiegender Weise geschädigt hat.
Unabhängig von diesem Ausschlußgrund rechtfertigen die von Herrn B. in dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Berlin vorgetragenen Behauptungen seinen Ausschluß. Herr B. hat in diesem Rechtsstreit durch seinen Bevollmächtigten vortragen lassen, daß der Vorstand die Tennisabteilung vernachlässige, daß der Vorstand zum Ausdruck bringe, daß er die Tennisabteilung zerschlagen will, um eine evtl. zu erwartende Enteignungsentschädigung für das Grundstück T. Allee … den Mitgliedern der Wintersportabteilung zufließen zu lassen und daß der derzeitige Präsident des Vereins, Herr K., aus eigennützigen Wirtschaftlichen Gründen den Vorstandsposten beibehalte.
Jede dieser Behauptungen für sich zeigt ein großes Maß von vereinswidrigem Verhalten und zeigt, daß Herr B. sich durch seine eigenen Erklärungen außerhalb des Kreises der Vereinsmitglieder stellt. Es ist als Vereinswidriges und unwürdiges Verhalten anzusehen, wenn ein Vereinsmitglied derartige Behauptungen aufstellt, Behauptungen, die sämtlich nach der Überzeugung des Verwaltungsausschusses in keiner Weise gerechtfertigt sind und das Ansehen und die Interessen der Clubmitglieder schädigen und gefährden.”
Mit der nunmehr erneut erhobenen Klage beantragt der Kläger festzustellen, daß die Beschlüsse des Ehrenrats vom 7. Juni/4. Juli 1963 und des Verwaltungsausschusses vom 22. November/5. Dezember 1963 unwirksam seien und er weiter dem beklagten Verein angehöre. Das Landgericht hat diesen Anträgen stattgegeben. Das Kammergericht hat die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision, die der Beklagte zurückzuweisen beantragt, erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsurteil kann nach dem derzeitigen Prozeßstand nicht aufrechterhalten werden.
I.
Die Revision vertritt in erster Linie die Ansicht, der Klage müsse ohne weiteres stattgegeben werden, weil das Ausschlußverfahren durch den im Vorprozeß abgeschlossenen Vergleich endgültig zugunsten des Klägers erledigt worden und der beklagte Verein deshalb gehindert gewesen sei, sich erneut auf den Ehrenratsbeschluß zu berufen und diesen durch den Verwaltungsausschuß zu bestätigen.
Damit kann sie nicht gehört werden. Das Berufungsgericht hat festgestellt, für den Vergleichsabschluß seien (nur) die vom Kläger erhobenen triftigen formellen Bedenken gegen die Wirksamkeit der Entscheidung des Verwaltungsausschusses bestimmend gewesen. In dem Verhalten der Parteien und der Erklärung, ihre jeweiligen Rechtsstandpunkte wahren zu wollen, sei hinreichend der Wille zum Ausdruck gekommen, andere Streitpunkte nicht mit zu erfassen. Deshalb sei der Vergleich dahin auszulegen, mit ihm habe nur der Beschluß des Verwaltungsausschusses aus der Welt geschafft werden sollen.
An diese Auslegung ist das Revisionsgericht gebunden. Das bezweifelt die Revision zwar, weil es sich um einen Prozeßvergleich handele. Ein gerichtlicher Vergleich ist aber nur insoweit eine – revisionsgerichtlich frei nachprüfbare – Prozeßhandlung, als er den Rechtsstreit beendet.
Um diese Frage geht es hier nicht, sondern allein um die sachlichrechtliche Tragweite der im Vergleich enthaltenen Erklärungen. Diese ist nach den Regeln des bürgerlichen Rechts zu beurteilen und vom Revisionsgericht – wie jeder Individualvertrag – nur daraufhin nachprüfbar, ob das Berufungsgericht gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze oder die Denkgesetze verstossen oder wesentlichen Auslegungsstoff nicht berücksichtigt hat. Solche Rechtsfehler hat die Revision nicht dargetan.
II.
Das Berufungsgericht hat das Ausschlußverfahren des Beklagten für satzungsgemäß gehalten und die hiergegen erhobenen Bedenken des Klägers verworfen. Hiergegen ist ebenfalls nichts einzuwenden.
1. Soweit sich der Kläger gegen die Berechtigung des Vorstands, den nach der Satzung erforderlichen Ausschließungsantrag zu stellen, gegen die ordnungsgemäße Zusammensetzung des antragstellenden Vorstands, gegen die Wirksamkeit des Antrages sowie gegen die ordnungsmäßige Besetzung des die Ausschließung beschließenden Ehrenrats und des Verwaltungsausschusses gewandt hat, beruht die Ansicht des Berufungsgerichts, die Angriffe seien unbegründet, im wesentlichen auf der Auslegung der Satzung. Diese Auslegung ist, da sie keinen Rechtsfehler enthält und die Satzung keinen über den Bezirk des Kammergerichts hinausgehenden Wirkungskreis hat, für den Senat bindend.
2. Mit Recht ist das Berufungsgericht auch der Ansicht entgegengetreten, daß das vereinsrechtliche Ausschlußverfahren weitgehend dem gerichtlichen Strafverfahren angepaßt sein müsse.
a) Das gilt einmal für die Übertragbarkeit des Grundsatzes, niemand könne zugleich Ankläger und Richter sein. Dieses Grundsatzes wegen hatte das Landgericht als miteinander nicht vereinbar angesehen, daß der Vorstand des Beklagten einerseits das Recht habe, den nach der Satzung erforderlichen Ausschließungsantrag zu stellen, daß er aber andererseits (neben den Leitern der einzelnen Sportabteilungen und den ständig in Berlin wohnenden Ehrenmitgliedern) dem Verwaltungsausschuß angehöre und damit (in zweiter Instanz) über den Ausschluß mit entscheiden könne. Eine solche Regelung ist, wenn sie der Satzung entnommen werden kann, zulässig. Von einem Verein kann verlangt werden, daß seine Ausschlußorgane gewisse allgemeingültige Verfahrensgrundsätze beachten, damit das Verfahren, das zum Ausspruch einer Vereinsstrafe führt, nicht zu einem Willkürakt wird und sich das betroffene Mitglied sachgerecht verteidigen kann. Man würde aber die an einen Verein zu stellenden verfahrensrechtlichen Anforderungen überspannen und zu weit in die Selbstverwaltung eingreifen, wollte man einem Verein das Recht absprechen, Mitglieder an Ausschließungsverfahren teilnehmen zu lassen, die den Ausschlußantrag gestellt haben, oder – was dem gleich käme und in Vereinen vielfach geschieht – dem Ausschlußorgan selbst die Befugnis einzuräumen, von sich aus ein Verfahren gegen ein Mitglied einzuleiten und dann selbst darüber zu entscheiden.
b) Grundsätze des Strafverfahrens können auf das vereinsrechtliche Verfahren auch nicht übertragen werden, soweit es um die Beschlußfähigkeit eines Ausschlußorgans geht. Ob ein solcher Ausschluß (wie ein Gericht) stets nur in voller Besetzung verhandeln und entscheiden kann oder ob er auch dann verhandlungs- und entscheidungsbefugt ist, wenn einige Mitglieder fehlen, ist ebenfalls eine Frage, die der Verein nach eigenem Ermessen in der Satzung regeln kann und die, wenn die Satzung darüber nichts Näheres enthält, im Wege der Auslegung geklärt werden muß. Im vorliegenden Fall waren zur (zweiten) Verhandlung des Verwaltungsausschusses alle Mitglieder ordnungsgemäß geladen. Nicht teilgenommen haben mehrere Vorstandsmitglieder, die Leiter der Eisschnellauf- und Eistanzabteilungen und einige zur Mitwirkung berufene Ehrenmitglieder. Die Satzung enthält keine ausdrückliche Bestimmung, daß der Verwaltungsausschuß in unvollständiger Besetzung nicht beschlußfähig sei. Das Berufungsgericht hat auch sonst der Satzung keinen Anhaltspunkt entnommen, der dafür sprechen könnte, daß dem Verwaltungsausschuß in der am 22. November 1963 vorhandenen Besetzung die Verhandlungs- und Entscheidungsfähigkeit abgesprochen werden müßte. Bei der großen Zahl von Mitgliedern, die der Ausschuß hat, wäre die Annahme, er sei immer nur bei Anwesenheit aller Mitglieder beschlußfähig, auch sehr ungewöhnlich und unpraktikabel. In diesem Punkte hat daher das Berufungsgericht das gegen den Kläger gerichtete Verfahren ebenfalls als rechtmäßig ansehen können, ohne daß ihm dabei ein Rechtsfehler unterlaufen wäre.
3. Es kann auch nicht als Verstoß gegen das satzungsmäßige Verfahren angesehen werden, daß der Verwaltungsausschuß seine Entscheidung zusätzlich auf Behauptungen gestützt hat, die der Kläger nach Erlaß des Ehrenratsbeschlusses im (ersten) Rechtsstreit vor dem Landgericht Berlin aufgestellt hatte. Zwar steht es einem Verein frei zu bestimmen, das zweitinstanzliche Ausschlußorgan dürfe über Tatbestände nicht befinden, die im erstinstanzlichen Verfahren noch nicht behandelt worden sind. Eine solche Einschränkung müßte aber in der Satzung geregelt sein. Wenn das – wie im vorliegenden Fall – nicht geschehen ist, muß davon ausgegangen werden, die vereinsinterne Rechtsmittelinstanz dürfe im Interesse einer zügigen Abwicklung des Ausschlußverfahrens auch neue Tatsachen berücksichtigen und darauf seine Entscheidung mit stützen, sofern nur dem Mitglied Gelegenheit gegeben worden ist, sich auf die Verteidigung gegen den neuen Vorwurf ausreichend einzurichten. Der Verwaltungsauschuß hat dem Kläger rechtzeitig vor dem Verhandlungstermin mitgeteilt, jener Sachverhalt werde erörtert werden. Damit lassen sich aus diesem Gesichtspunkt ebenfalls keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der Ausschließung herleiten.
III.
Die vom Ehrenrat als Auschlußgrund angesehen Tatsache, daß der Kläger mit einem im Aushangkasten des Clubs angebrachten Brief dem Präsidenten des Beklagten die Absicht unterstellt hatte, auf eine Trennung des Clubs hinzusteuern, hat der Verwaltungsausschuß nicht zum Gegenstand seiner Entscheidung gemacht. Die Ausschließung beruht daher nur auf der Feststellung, dem Kläger falle wegen seiner Beteiligung am Auszug der Tennisabteilung aus der Mitgliederversammlung vom 26. April 1963 und wegen seiner schriftsätzlichen Ausführungen im ersten Ausschließungsprozeß ein unsportliches und unwürdiges Verhalten zur Last, das das Ansehen des Clubs gefährdet habe.
Gegen den auf diesen Sachverhalt gestützten Ausschluß läßt sich nicht einwenden, er habe in der Satzung keine Grundlage. Nach § 6 der Satzung kann ein Mitglied ausgeschlossen werden, „wenn es durch unsportliches oder unwürdiges Verhalten das Ansehen des Clubs gefährde oder das Clubleben, störe”. Auf diesen Satzungstatbestand haben sich der Ehrenrat und der Verwaltungsausschuß gestützt und ihn als erfüllt angesehen. Da die Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter die herangezogene Vorschrift zu den Maßnahmen gehört, die ein Verein in Ausübung seiner Vereinsgewalt eigenverantwortlich zu treffen hat und die gerichtlich nur in engen Grenzen nachgeprüft werden können (BGH NJW 1966, 1751), kann die Revision aus diesem Gesichtspunkt Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses nicht herleiten.
Mit Recht hat sie sich aber gegen die Ansicht des Berufungsgerichts gewandt, die Gerichte könnten in einem Fall wie dem vorliegenden auch nicht nachprüfen, ob der Ausschluß aus den besonderen Gründen des Einzelfalls offenbar unbillig sei. Hierzu hat sich das Berufungsgericht auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts gestützt. Das Reichsgericht hat allerdings, soweit ersichtlich, eine Nachprüfung in dieser Richtung nur in Fällen bejaht, in denen es sich um einen „die Belange des Volksganzen oder eines nicht unerheblichen Volksteils berührenden Verein von sozialer, wirtschaftlicher oder kultureller Bedeutung” gehandelt hatte und das Mitglied eines solchen Vereins durch die Ausschließung „in wichtigen Lebensbeziehungen betroffen” worden war (RGZ 140, 23, 24 m.w.N.). Eine ausdrückliche Entscheidung, dies sei in anderen Fällen ausgeschlossen, hat es aber auch in dem vom Berufungsgericht angeführten Urteil nicht getroffen. Es gibt auch keinen durchgreifenden Grund, die Nachprüfung von Ausschließungsbeschlüssen in dieser Hinsicht auf bestimmte Vereine zu beschränken. Zwar ist das Schutzbefürnis eines Vereinsmitglieds in jenen Fällen besonders groß. Der Ausschluß kann auch um so eher als offenbar unbillig erscheinen, je wichtiger für das betroffene Mitglied die Zugehörigkeit zu dem Verein ist. Die Tatsache allein, daß ein Verein in der sozialen Ordnung geringere Bedeutung hat und der Ausschluß das Mitglied in weniger wichtigen Lebensbereichen trifft, kann aber nicht dazu führen, diesem das Recht abzuschneiden, vor Gericht geltend zu machen, sein Ausschluß sei offenbar unbillig. In jeder Art von Vereinen unterwerfen sich die Mitglieder mit ihrem Eintritt der Vereinsstrafgewalt immer nur unter der Voraussetzung, der Verein werde von ihr jedenfalls nicht in der Weise Gebrauch machen, daß dies offensichtlich der Billigkeit widerspricht. Dann ist es aber auch nicht gerechtfertigt, Mitgliedern verschiedenartiger Vereine insoweit einen unterschiedlichen gerichtlichen Schutz zu gewähren.
Der vorliegende Fall gibt auch Anlaß zu erörtern, ob der Ausschluß unter diesem Gesichtspunkt aufrechterhalten bleiben kann.
Das gilt zunächst, soweit die Auschlußorgane des Beklagten ihre Entscheidung auf das Verhalten des Klägers in der Mitgliederversammlung vom 26. April 1963 gestützt haben. Insofern muß sich das Berufungsgericht noch mit der Behauptung des Klägers auseinandersetzen, der Beklagte habe gegen andere Mitglieder der Tennisabteilung, die die Versammlung zum selben Zeitpunkt und unter denselben Umständen verlassen hätten, keine Ausschlußverfahren eingeleitet oder diese später wieder eingestellt. Wenn das der Fall gewesen sein sollte und der Beklagte dem Kläger keine Tatsachen zur Last legen kann, die es rechtfertigen, sein Verhalten schwerer als das der übrigen Beteiligten zu bewerten, könnte der Beklagte gleichgelagerte Fälle zu Lasten des Klägers ohne sachlichen Grund ungleich behandelt haben. Damit hätte er gegen den Grundsatz der gleichmässigen Behandlung der Mitglieder verstoßen, der im Vereinsrecht allgemein gilt (BGH NJW 1954, 953; NJW 1960, 2142) und auch im Ausschlußverfahren zu beachten ist. Zwar steht es im freien Ermessen eines Vereins, ob er im Einzelfall von einem nach der Satzung gegebenen Ausschlußgrund Gebrauch machen will oder nicht. Ein Mitglied hat aber einen Anspruch darauf, in gleichliegenden Fällen nicht schlechter behandelt zu werden als andere Mitglieder. Verstößt ein Verein gegen diesen Grundsatz, dann ist das eine rechtsfehlerhafte Ausübung des Ermessens, die den Ausschluß zu einer offenbar unbilligen und damit rechtlich unwirksamen Maßnahme macht.
Ebenso kann es offenbar unbillig gewesen sein, die vom Verwaltungsausschuß als unsportlich, unwürdig und vereinsgefährdend angesehenen Prozeßbehauptungen des Klägers als Grund zu benutzen, ihn auszuschließen. Der Kläger hatte sich mit diesen Behauptungen vor dem Landgericht gegen die Feststellung des Ehrenrats verteidigen wollen, er habe einen Ausschlußgrund gesetzt, weil er in seinem „offenen Brief” den Vorstand zu Unrecht bezichtigt habe, auf die Abtrennung der Tennisabteilung vom Club hinzuarbeiten. Dieser Umstand mußte im Ausschlußverfahren besonders berücksichtigt werden. Der Kläger könnte in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt oder zumindest irrtümlich angenommen haben, jene Behauptungen zur Wahrnehmung seiner Rechte vorbringen zu dürfen. Das Berufungsgericht wird prüfen müssen, wie das Prozeßverhalten des Klägers in dieser Hinsicht zu bewerten ist und ob ihm hieraus bei vernünftiger Beurteilung seiner Lage ein ernsthafter Vorwurf gemacht werden kann. Je nach dem Ergebnis dieser Prüfung muß alsdann eine tatrichterliche Würdigung aller Umstande ergeben, ob der Beklagte sein Ermessen vertretbar ausgeübt hat, in dem er die Prozeßbehauptungen des Klägers zur Ausschließung benutzt hat, oder ob er insoweit die Vereinsbelange zu einseitig in den Vordergrund gestellt, das Interesse des Klägers an seiner Rechtsverteidigung zu wenig berücksichtigt und infolgedessen von seinem Ermessen in einer Weise Gebrauch gemacht hat, die den Ausschluß als offenbar unbillige Maßnahme erscheinen läßt.
IV.
Aus den beiden zuletzt genannten Gründen muß das angefochtene Urteil aufgehoben werden. Bei der erneuten Verhandlung der Sache vor dem Berufungsgericht ist es dem beklagten Verein (ebenso wie dem Kläger) nicht verwehrt, neue Tatsachen vorzubringen, die für die rechtliche Beurteilung der Frage, ob der Ausschluß des Klägers offenbar unbillig war, erheblich sind. Der vom erkennenden Senat in ständiger Rechtsprechung vertretene Grundsatz, ein Verein könne im Prozeß über die Rechtswirksamkeit einer Ausschließung keine neue Tatsachen nachschieben (zuletzt BGHZ 45, 314, 321), steht dem nicht entgegen. Seine Bedeutung erschöpft sich darin, daß ein Ausschließungsbeschluß der gerichtlichen Nachprüfung nur mit dem Inhalt unterliegen kann, wie er im vereinsrechtlichen Ausschließungsverfahren zustandegekommen ist. Der Verein kann nur insoweit keine neuen Tatsachen in den Prozeß einführen, als er damit die Ausschließung auf eine neue tatsächliche Grundlage stellen und sich auf einen neuen Ausschließungsgrund berufen würde, der nach der Satzung zunächst Gegenstand des vereinsinternen Verfahrens hätte sein müssen. Hiermit haben Tatsachen, aus denen sich die offenbare Unbilligkeit des Ausschlusses des Klägers ergeben oder mit denen die offenbare Unbilligkeit seines Ausschlusses widerlegt werden soll, nichts zu tun. Da das Gericht einen Vereinsstrafbeschluß in dieser Hinsicht frei nachprüfen kann, muß der Kläger zur Begründung seines Einwands Tatsachen vorbringen können, die sich aus dem Ausschließungsbeschluß nicht ergeben. Umgekehrt muß der beklagte Verein in der Lage sein, diese Behauptungen durch einen neuen Tatsachenvortrag zu entkräften oder neue Tatsachen einzuführen, aus denen sich ergibt, der Vorwurf, grob unbillig von einem Ausschließungsgrund Gebrauch gemacht zu haben, treffe ihn zu Unrecht.
Bei der erneuten Entscheidung über die Klaganträge hat das Berufungsgericht auch darüber zu befinden, welche Partei die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen hat, weil das vom endgültigen Ausgang des Rechtsstreits abhängt.
Unterschriften
Dr. Fischer, Bundesrichter Liesecke ist beurlaubt und deshalb nicht in der Lage zu unterschreiben. Dr. Fischer, Dr. Schulze, Fleck, Stimpel
Fundstellen
BGHZ |
BGHZ, 381 |
NJW 1967, 1657 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1967, 908 |