Entscheidungsstichwort (Thema)
Bodenbleiverseuchung
Leitsatz (amtlich)
Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 S. 2 BGB ist auch dann gegeben, wenn der Eigentümer des betroffenen Grundstücks zwar das Herabfallen von Schrotblei aus einer benachbarten Schießanlage hätte abwehren können, die daraus folgende Bodenverseuchung und Überschreitung des noch tolerablen Grenzwerts für Bleibelastung mit den sich ergebenden Folgen für die landwirtschaftliche Nutzung aber nicht erkannt hat und auch nicht erkennen konnte.
Normenkette
BGB § 906 Abs. 2 S. 2
Tatbestand
Der beklagte Verein unterhielt - bis zur Einstellung des Schießbetriebes im April 1987 - auf einem ihm von der Gemeinde W. überlassenen Gelände seit 1966 einen Trap- und seit 1973 einen Skeet-Schießstand. Beide Anlagen waren vom zuständigen Landratsamt sicherheitspolizeilich abgenommen und genehmigt. Zusammen mit den Genehmigungen hatte die Behörde "allgemeine Hinweise betrieblicher Art" sowie "Bedingungen und Auflagen" erlassen, durch die unter anderem sichergestellt werden sollte, daß zwei innerhalb einer festgesetzten Sicherheitszone von 250 m verlaufende Feldwege während des Schießbetriebes nicht von Personen betreten wurden. Die etwa 10 m bis 12 m breiten und zwischen 190 m und 210 m langen Grundstücke der Klägerin grenzen mit ihren Schmalseiten an einen der beiden Feldwege, der sie vom Vereinsgelände trennt. Die am weitesten vorgeschobenen Schießstände der Trap-Anlage waren 90 m bis 100 m und die der Skeet-Anlage etwa 60 m von der Grenze des Vereinsgrundstücks entfernt. Die von den Schützen verwendeten Schrotladungen hatten eine Höchstschußweite von 200 m.
Auf ein Schreiben des Sohnes der Klägerin vom 22. August 1983 hin ließ das zuständige Landratsamt den Grundstücken der Klägerin Bodenproben entnehmen, die auf ihren Bleigehalt untersucht wurden. Aufgrund der dabei ermittelten Meßergebnisse erließ die Behörde am 28. September 1983 eine Verfügung, nach der die Schießstände nur weiterbenutzt werden durften, wenn bestimmte Arten landwirtschaftlicher Nutzung der benachbarten Grundstücke unterblieben. Der Sohn der Klägerin erhielt mit Schreiben vom 29. Dezember 1983 Kenntnis von dieser Verfügung. Auf Widerspruch des Beklagten änderte das Regierungspräsidium T. die Verfügung teilweise ab. Eine dagegen erhobene Anfechtungsklage hat der Beklagte zurückgenommen.
Mit der im Dezember 1986 erhobenen Klage hat die Klägerin beantragt,
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihr allen Schaden zu ersetzen, welcher ihr daraus entstanden ist und noch entsteht, daß durch den Betrieb einer Trap- und Skeet-Anlage durch den Beklagten Verunreinigungen im Boden und im Untergrund, insbesondere Bleiablagerungen, auf den Grundstücken der Klägerin entstanden sind.
Das Landgericht hat unter Klageabweisung im übrigen festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, einen angemessenen Geldausgleich für die Beeinträchtigungen zu zahlen, die durch den Betrieb der Schießstände und die dadurch bedingten Ablagerungen, insbesondere von Bleischrot, auf den Grundstücken der Klägerin entstanden sind und noch entstehen. Die Berufung des Beklagten und die Anschlußberufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen (Urteil abgedruckt in NJW 1989, 1224). Das Berufungsgericht hat die Revision "beschränkt auf den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch" zugelassen.
Mit der Revision (Beklagter) und der Anschlußrevision (Klägerin) erstreben die Parteien jeweils die Abänderung des Berufungsurteils, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist. Sie beantragen jeweils
die Zurückweisung des Rechtsmittels der Gegenseite.
Entscheidungsgründe
I.
Die Revision des Beklagten ist unbegründet.
1.
Das Berufungsgericht verneint - wie das Landgericht - einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus unerlaubter Handlung mangels Verschuldens. Es bejaht mit dem Erstgericht jedoch einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, weil in die dem Vereinsgelände benachbarten Grundstücke infolge des jahrelangen Schießbetriebes Schrotblei in einem solchen Umfang eingebracht worden sei, daß die entnommenen Bodenproben den Spitzenwert von 8.860 mg Blei/kg Boden enthielten. Mit der Zuführung und Ablagerung eines giftigen Stoffes in einem solchen Ausmaß sei das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung bei weitem überschritten. Aus tatsächlichen Gründen habe die Klägerin diese Einwirkungen nach § 1004 Abs. 1 BGB nicht rechtzeitig unterbinden können. Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, daß sie von der Beeinträchtigung ihrer Grundstücke durch den Schießbetrieb zu einem Zeitpunkt Kenntnis gehabt habe, in dem die Böden noch keinen, den zulässigen Grenzwert wesentlich übersteigenden Bleigehalt aufwiesen (die Schadensentwicklung also noch nicht abgeschlossen gewesen sei). Dies beruhe darauf, daß zu jener Zeit das Bewußtsein für Umweltbeeinträchtigungen der vorliegenden Art bei der Bevölkerung noch nicht vorhanden gewesen sei.
2.
Unbegründet ist die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. Soweit das Berufungsgericht ausführt, der vom Landgericht festgestellte Anspruch eines nachbarrechtlichen Ausgleichs sei im Sinne von § 308 ZPO nicht "etwas anderes", sondern "ein Weniger" des geltend gemachten Schadensersatzanspruches, bestehen dagegen Bedenken. Diese Frage kann jedoch für das Ergebnis dahinstehen. Ein etwa vom Landgericht begangener Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO ist in der Berufungsinstanz geheilt worden. Die Klägerin hat nämlich unter anderem beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen, und damit zum Ausdruck gebracht, sie mache sich die Ausführungen des Landgerichts jedenfalls hilfsweise zu eigen (vgl. BGH Urteile v. 30. November 1955, IV ZR 233/55 und v. 4. Dezember 1963, V ZR 38/62, LM ZPO § 308 Nrn. 3 und 8 sowie Urteile v. 19. Dezember 1974, VII ZR 2/74, NJW 1975, 388, 389 und v. 6. Dezember 1978, VIII ZR 282/77, NJW 1979, 2250 und v. 19. März 1986, IVb ZR 19/85, FamRZ 1986, 661, 662). Zwar hatte die Klägerin auch Anschlußberufung eingelegt, mit der sie ihren Antrag auf Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung weiterverfolgte. Es wäre jedoch lebensfremd anzunehmen, sie wolle nicht wenigstens das behalten und verteidigen, was ihr das Landgericht zugesprochen hatte, nämlich die Feststellung eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs. Dieser Wille ergibt sich auch unmittelbar aus der Berufungserwiderung, in der die Klägerin ausführt, es bestehe bei fehlendem Verschulden des Beklagten jedenfalls ein Ausgleichsanspruch. Unerheblich ist, daß sie dabei im Ansatz darauf abstellt, der Feststellungsantrag für den Ausgleichsanspruch sei als "Minus" im ursprünglichen Klageantrag enthalten. Entscheidend ist allein ihr Wille, sich jedenfalls hilfsweise auf den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu stützen. Deshalb legt der Senat ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung in diesem Sinne aus.
3.
Auch in materieller Hinsicht bleiben die Rügen der Revision ohne Erfolg. Rechtsfehlerfrei bejaht das Berufungsgericht einen - verschuldensunabhängigen - nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB.
In ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich gewährt diese Vorschrift einen solchen Anspruch allerdings nur für Immissionen der in § 906 Abs. 1 BGB genannten Arten, und auch nur insoweit, als § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB - im Interesse einer sinnvollen Nutzung der Grundstücke im nachbarlichen Raum - einem Grundstückseigentümer die Pflicht zur Duldung wesentlicher Beeinträchtigungen auferlegt. Der nachbarliche Ausgleichsanspruch tritt insoweit an die Stelle des primären Abwehranspruchs nach § 1004 Abs. 1 BGB, der auf Beseitigung oder auf Unterlassung der Beeinträchtigungen gerichtet ist.
Im vorliegenden Falle handelt es sich dagegen um einen Ausgleich für andere als die in § 906 Abs. 1 BGB genannten und auch nicht für "ähnliche" Einwirkungen im Sinne dieser Bestimmung. Feste Körper nicht unerheblichen Umfangs wie Schrotblei sind mit den im Gesetz genannten unwägbaren Immissionen nicht zu vergleichen (vgl. BGHZ 28, 225, 227; 58, 149, 159; Erman/Hagen, BGB 8. Aufl. § 906 Rdn. 10). Ihre Zuführung braucht der Grundstückseigentümer selbst dann nicht zu dulden, wenn die Beeinträchtigungen ausnahmsweise unwesentlich oder ortsüblich sein sollten; derartige "Grobimmissionen" sind rechtswidrig.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kommt ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB aber auch für solche und andere Beeinträchtigungen in Betracht, wenn der betroffene Grundstückseigentümer dadurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (BGHZ 58, 149, 158 f. - Abschwemmungen eines provisorischen Dammes; BGHZ 62, 361, 366; 70, 212, 220 f. - Behinderungen des Kontakts nach außen; BGHZ 72, 289, 292; 85, 375, 384 - Vertiefungsschäden; BGHZ 90, 255 ff - Abschwemmung von Unkrautvertilgungsmitteln, Senatsurt. v. 19. Mai 1985, V ZR 33/84, WM 1985, 1041 - Wasserschaden infolge Rohrbruchs auf dem Nachbargrundstück; BGH Urt. v. 21. Dezember 1989, III ZR 26/88, NJW 1990, 978 - Behinderung des Abbaus von von durch unterirdische Speicherung von Gas; vgl. auch schon BGHZ 28, 225, 230 ff - Gesteinsbrocken). Der Ausgleichsanspruch ist dann allerdings subsidiär; ein gleiches Schutzbedürfnis wie in den Fällen des § 906 BGB besteht nämlich nur, wenn der Eigentümer aus besonderen Gründen gehindert ist, die Einwirkungen gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB - rechtzeitig - zu unterbinden (BGHZ 90, 255, 262 m.w.N.). Ein solcher faktischer Duldungszwang kann sich u.a. daraus ergeben, daß der Betroffene die abzuwehrende Gefahr nicht rechtzeitig erkannt hat und auch nicht erkennen konnte (BGHZ 85, 375, 384 f). So liegt es hier.
Entgegen der Ansicht der Revision handelt es sich bei dem durch das Tontaubenschießen auf das Grundstück der Klägerin fliegenden Schrotblei um eine rechtswidrige und damit unzulässige Einwirkung, die die Klägerin an sich nach § 1004 Abs. 1 BGB hätte verhindern können, wovon das Berufungsgericht mit Recht als selbstverständlich ausgeht. Die dem Beklagten erteilte öffentlich-rechtliche Genehmigung zum Betrieb des Schießstandes hatte keinen Einfluß auf Inhalt und Umfang des der Klägerin zustehenden Abwehranspruchs (vgl. Senatsurt. v. 27. Mai 1959, V ZR 78/58, NJW 1959, 2013, 2014). Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob die Klägerin aus der Eigentumsbeeinträchtigung einen Schaden erlitt. Auch bei völliger Unschädlichkeit eines Eingriffs in ihr Eigentumsrecht hätte sie den Abwehranspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB (vgl. Erman/Hagen aaO § 1004 Rdn. 8 m.w.N.). Unerheblich ist ferner, ob das Herabfallen des Schrotbleis für den Beklagten vermeidbar war oder nicht.
Mit Recht nimmt das Berufungsgericht auch an, die Klägerin sei aus besonderen Gründen gehindert gewesen, die hier geltend gemachte Beeinträchtigung ihres Eigentums rechtzeitig abzuwehren. Zutreffend stellt es dabei nicht auf die bloße Einwirkung durch herabfallendes Schrotblei ab. Aus dieser Tatsache allein ergibt sich nämlich nicht diejenige Beeinträchtigung des Eigentums der Klägerin, die zu dem heute von ihr geltend gemachten Schaden geführt hat. Es geht vielmehr um die schleichende Bodenvergiftung durch die ständige Bleiablagerung und die daraus folgende Erhöhung der zulässigen Grenzwerte des Bleigehalts im Boden, die eine landwirtschaftliche Nutzung der betroffenen Grundstücke stark beschränkt oder gar ausschließt. Insoweit kommt es entgegen der Ansicht der Revision auch nicht darauf an, ob und wann die Klägerin wußte, daß auf ihre Grundstücke Schrotblei fiel. Die Besonderheit des Falles liegt in den Gefahren einer ständig steigenden Anreicherung von Blei im Erdreich mit den sich daraus ergebenden Folgen für die landwirtschaftliche Nutzung. Insoweit verweist das Berufungsgericht mit Recht darauf, daß früher das Bewußtsein für Umweltbeeinträchtigungen der vorliegenden Art nicht vorhanden war. Die Klägerin hat nach ihrem unwidersprochenen Vortrag erst über die Ende 1983 vorgenommenen Bodenproben Kenntnis von der Bodenverseuchung erhalten. Vorher hatte sie keinen Anlaß, gegen den Schießbetrieb auf dem benachbarten Gelände vorzugehen, weil ihr aus tatsächlichen Gründen die daraus für ihre Böden folgenden besonderen Gefahren nicht bewußt waren (vgl. auch BGHZ 85, 375, 385; 90, 255, 263). Ende 1983 war aber nach den unangegriffenen Ausführungen des Berufungsgerichts die Schadensentwicklung weitgehend abgeschlossen. Im vorliegenden Zusammenhang ist auch nicht entscheidend, daß allgemein die Giftigkeit von Blei oder Bleiverbindungen etwa im Trinkwasser oder Klärschlamm schon früher erkannt worden ist. Es geht vielmehr allein darum, wann die Klägerin erkannt hat, daß der Schießbetrieb des Beklagten zu einer den Bleigrenzwert erheblich überschreitenden Bodenverseuchung führte.
Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe nicht oder jedenfalls nicht ausreichend festgestellt, daß die Klägerin Nachteile erleide, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen, weil sich dem Berufungsurteil nicht entnehmen lasse, von welchen Maßstäben das Berufungsgericht insoweit ausgehe. Freilich ist das Berufungsurteil in diesem Punkt sehr kurz geraten und beschränkt sich auf die Feststellung, daß die Bodenproben Blei bis zu einem Spitzenwert von 8.860 mg Blei/kg Boden enthielten und dieser Wert das zumutbare Maß bei weitem überschreite. Die Revision verkennt jedoch, daß das Berufungsgericht berechtigt war, auf das Urteil des Landgerichts Bezug zu nehmen (§ 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO), und es dies zwar nicht ausdrücklich, aber konkludent getan hat. So ist zur Berufung des Beklagten ausgeführt, es griffen weder seine prozeßrechtlichen noch die materiell-rechtlichen Einwendungen gegen das Ersturteil durch.
Das Landgericht hat sich mit der Bleibelastung der Grundstücke der Klägerin ausführlich auseinandergesetzt. Es entnimmt den zahlreich vorgelegten Gutachten und Stellungnahmen, daß derzeit ein Grenzwert von 100 mg Blei/kg Boden noch als tolerierbar angesehen wird (vgl. § 4 Abs. 4 der KlärschlammVO vom 25. Juni 1982, BGBl I, 734 f; Erlaß des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Umwelt und Forsten in Baden-Württemberg vom 1. Oktober 1980, GABl 1980, 1186 sowie auch die vom Beklagten selbst vorgelegte Studie über Bleibelastung von Boden und Grundwasser), daß weiter bei darüber hinausgehenden Werten Anbaubeschränkungen für die Landwirtschaft bestehen (vgl. den oben erwähnten Erlaß des Ministeriums für Ernährung aaO) und daß ab einem Grenzwert von 1.500 mg Blei/kg Boden mit Ertragsdepressionen und Pflanzenschäden zu rechnen ist. Unter näherer Auswertung der entnommenen Bodenproben stellt es fest, daß die Grundstücke der Klägerin weitflächig erheblich über dem Grenzwert von 100 mg Blei/kg Boden belastet sind. Die Spitzenwerte ergeben darüber hinaus eine Belastung, die auch den Wert von 1.500 mg Blei/kg Boden zum Teil erheblich überschreitet. Wie das Landgericht nicht verkennt, ist nach den bisherigen Untersuchungen bei Grenzwerten von 100 mg Blei/kg Boden die Gefahr einer Bleiaufnahme über die Wurzeln und in die Pflanzen relativ gering; diese Gefahr steige jedoch mit höheren Bleigehalten und niedrigeren pH-Werten des Bodens an. Es hebt ferner darauf ab, daß zwar die Gefahr einer Grundwasserbelastung nicht akut ist, eine solche aber auch nicht ausgeschlossen werden kann; darauf, ob bereits die derzeitige Nutzung beeinträchtigt werde, komme es nicht an, denn es genüge, daß nicht mehr jede Nutzungsart erlaubt sei.
Diese tatsächlichen Ausführungen des Landgerichts hat der Beklagte mit seiner Berufungsbegründung nicht angegriffen. Er hat sich vielmehr auf Rechtsausführungen beschränkt. Auch das Berufungsgericht konnte sich deshalb mit seinen Feststellungen kurz fassen. Soweit die Revision nunmehr auf die Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 8. Februar 1984 verweist, mit dem er die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegenüber dem Verwaltungsgericht S. beantragte, und auf eine dementsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts S. Bezug nimmt, handelt es sich um Vortrag I. Instanz und zudem - soweit es um die verwaltungsgerichtliche Entscheidung geht - um die in einem Eilverfahren unter anderen Gesichtspunkten (Interesse am Sofortvollzug) gemachten Ausführungen. Auch mit dem Hinweis auf die beigezogenen Akten des Regierungspräsidiums T. und des Landratsamts Z. kann die Revision die unter Bezugnahme auf das Landgerichtsurteil getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in Frage stellen. Sie bleibt schon den Hinweis schuldig, wo und wie sich der Beklagte im Berufungsverfahren auf diese Beiakten bezogen hat.
Für den Feststellungsantrag kommt es im übrigen nicht mehr darauf an, wo die Zumutbarkeitsgrenze unter Abwägung aller Umstände des Falles festzulegen ist, wenn sich, wie hier, feststellen läßt, daß diese Grenze jedenfalls überschritten ist. Wird die Klägerin aber durch den jahrelangen Schießbetrieb auf dem Gelände des Beklagten nunmehr in der landwirtschaftlichen Nutzung ihrer Grundstücke wegen der flächendeckenden Bleiverseuchung maßgeblich beeinträchtigt, dann folgt daraus auch, daß sie dies nicht entschädigungslos hinnehmen muß. Welcher Ausgleich unter Abwägung aller Umstände des Falles der Klägerin zusteht, kann dem Höheverfahren vorbehalten bleiben (vgl. auch Senatsurt. v. 8. Juli 1988, V ZR 45/87, BGHR BGB § 906 Abs. 2 Satz 2 Anspruchshöhe 1).
II.
Die Anschlußrevision der Klägerin (§ 556 ZPO) ist unzulässig. Das Berufungsgericht hat die Revision "beschränkt auf den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch zugelassen". Diese Beschränkung ist wirksam. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann die Zulassung der Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (vgl. z. B. Senatsurt. v. 12. Juli 1985, V ZR 172/84, WM 1985, 1454; BGH Urt. v. 3. Juni 1987, IVa ZR 292/85, BGHR ZPO § 546 Abs. 1 Beschränkung 1 m.w.N. und v. 10. Juli 1986, I ZR 203/84, BGHR ZPO § 546 Abs. 1 Satz 1 Revisionszulassung, beschränkte 1 ). Der Anspruch auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung und der auf Ausgleich analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB sind auch prozessual zwei verschiedene Ansprüche. Das Berufungsgericht hätte den Anspruch auf Schadensersatz durch Teilurteil abweisen können. Im Falle völliger Klageabweisung hätte der Kläger sein Rechtsmittel darauf beschränken können, ob ihm ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch zusteht. Die beiden genannten Ansprüche unterscheiden sich voneinander. Über den Schadensersatzanspruch ist der Grundstückseigentümer so zu stellen, wie er ohne die Beeinträchtigung stehen würde; der Ausgleichsanspruch soll nur die normalerweise gegebene Abwehrbefugnis kompensieren. Der Ausgleichsanspruch gewährt keinen vollen Schadensersatz, sondern bemißt sich in Anlehnung an die Grundsätze einer Enteignungsentschädigung (BGHZ 90, 255, 263 m.w.N.). Beide Ansprüche sind deshalb nicht nur nach ihren Voraussetzungen, sondern auch in ihren Folgen verschieden. Deliktischer Schadensersatzanspruch und Ausgleichsanspruch konkurrieren daher - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht miteinander im Blick auf das gleiche prozessuale Ziel (anders als in BGH Urt. v. 7. Juli 1983, III ZR 119/82, NJW 1984, 615). Demgemäß hat auch der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (Urt. v. 21. Dezember 1989, III ZR 26/88, NJW 1990, 978, 990) die beiden Ansprüche als verschiedene prozessuale Ansprüche und im Blick auf die Rechtskraft als verschiedene Streitgegenstände behandelt.
War die Revisionszulassung aber wirksam beschränkt, so ergibt sich daraus, daß das Rechtsmittel ausschließlich zugunsten des Beklagten zugelassen worden ist. Die Klägerin wäre nicht berechtigt gewesen, im Umfang der Klageabweisung selbständig Revision einzulegen. Sie kann auch im Wege unselbständiger Anschlußrevision nicht den Anspruch auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung zur revisionsgerichtlichen Nachprüfung stellen (vgl. BGH Beschl. v. 21. Mai 1968, VI ZR 27/68, NJW 1968, 1476, 1477; Baumbach/Albers, ZPO 48. Aufl. § 556 Anm. 1; Thomas/Putzo, ZPO 15. Aufl. § 556 Anm. 2; Zöller/Schneider, ZPO 15. Aufl. § 556 Rdn. 1).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1456409 |
BGHZ, 158 |
NJW 1990, 1910 |
ZIP 1990, 933 |
JZ 1990, 978 |
JuS 1990, 1019 |