Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 23.06.2020; Aktenzeichen 602 Js 52788/19 2 KLs 3/20) |
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 23. Juni 2020 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte und auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.
Rz. 2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts lernte der in Schweden lebende Angeklagte eine bislang nicht näher identifizierte Person namens „W.” kennen, die dem sich in Geldnöten befindlichen Angeklagten anbot, für einen Kurierlohn von 100.000 Schwedischen Kronen (umgerechnet etwa 9.500 Euro) Drogen aus den Niederlanden nach Schweden zu befördern, wo sie gewinnbringend veräußert werden sollten. Der Angeklagte erklärte sich zu der Kurierfahrt bereit und fuhr mit seinem Pkw in die Niederlande. Dort übernahm er 19,574 kg eines Amphetamingemisches (Wirkstoffgehalt: 8,74 kg Amphetaminbase), 6,7591 kg Haschisch (Wirkstoffgehalt: 1,412 kg THC) sowie 997,2 g eines Kokaingemisches (Wirkstoffgehalt: 768,8 g Kokainhydrochlorid) und trat sodann die Rückfahrt an. Kurz nach Überqueren der niederländisch-deutschen Grenze wurde er von Zollbeamten einer Kontrolle unterzogen, bei der die Betäubungsmittel aufgefunden und sichergestellt wurden.
Rz. 3
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Bereits die Strafrahmenwahl begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Strafkammer hat ihrer Strafbemessung den gemäß § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG i. V. m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG zugrunde gelegt. Ihre Annahme, der Angeklagte habe mit Angaben zu seinem Auftraggeber Aufklärungshilfe im Sinne des § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG geleistet, hält indes rechtlicher Prüfung nicht stand.
Rz. 4
a) Zwar setzt die Annahme eines wesentlichen Aufklärungserfolgs im Sinne dieser Vorschrift weder den Erlass eines Haftbefehls gegen die von dem Täter belastete Person noch deren Verurteilung oder Festnahme voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2017 – 1 StR 587/16, NStZ-RR 2017, 250). Erforderlich ist aber, dass der Täter – noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens – die von ihm belastete Person so genau bezeichnet hat, dass diese identifiziert und zur Festnahme ausgeschrieben werden könnte (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 16. Februar 2000 – 2 StR 532/99, StV 2000, 318; vom 27. Juni 1989 – 1 StR 189/89, BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 14; Beschluss vom 11. August 2011 – 4 StR 279/11 Rn. 2; MüKo-StGB/Maier, 3. Aufl., § 31 BtMG Rn. 137).
Rz. 5
b) Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Denn im maßgeblichen Zeitraum vor Eröffnung des Hauptverfahrens hat der Angeklagte zur Person seines Auftraggebers lediglich angegeben, bei diesem handele es sich um einen „flüchtigen Bekannten”, der früher einmal in einer „Autohalle” gearbeitet habe, ihm nach einem zufälligen Treffen in Helsingborg die Durchführung der Kurierfahrt angetragen habe und ihm nur mit dem Vornamen „W.” bekannt sei.
Rz. 6
Diese rudimentären Angaben des Angeklagten zur Person seines Auftraggebers enthalten lediglich eine unzureichende Täterbeschreibung, die den Anforderungen an einen Aufklärungserfolg im Sinne des § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG nicht gerecht wird (vgl. Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 31 Rn. 48 f. mwN). Insbesondere genügen sie – was die Strafkammer im Grundsatz nicht verkannt hat – nicht, um eine Identifizierung der vom Angeklagten belasteten Person und deren Ausschreibung zur Festnahme zu ermöglichen.
Rz. 7
Es führt auch – entgegen der Ansicht der Strafkammer – zu keiner anderen Bewertung, dass der Angeklagte im Ermittlungsverfahren eingeräumt hat, ein bei ihm sichergestelltes Mobiltelefon der Marke Nokia sei ihm von dem „W. „ für die Durchführung der Tat zur Verfügung gestellt worden, und dass „W.” als Kontakt im eigenen Mobiltelefon des Angeklagten gespeichert war. Warum diese Umstände für die Identifizierung des Auftraggebers von Relevanz sein sollten, wird von der Strafkammer nicht in nachvollziehbarer Weise dargelegt und erschließt sich auch im Übrigen nicht, zumal in der Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils mitgeteilt wird, dass die Auswertung des Nokia-Mobiltelefons unter der vom Angeklagten hiermit angerufenen Mobilfunknummer gerade nicht zu einem verifizierbaren Nutzer führte.
Rz. 8
c) Soweit der Angeklagte in der Hauptverhandlung weitere Angaben gemacht und dort unter anderem den vollständigen Namen sowie den polnischen Wohnort des „W.” benannt, eine detaillierte Personenbeschreibung abgegeben und eingeräumt hat, in der Vergangenheit in näherem Kontakt zu „W.” gestanden zu haben, sind diese präkludiert (§ 31 Satz 3 BtMG i. V. m. § 46b Abs. 3 StGB).
Rz. 9
d) Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass der milde Strafausspruch auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht (§ 337 Abs. 1 StPO).
Unterschriften
Sander, Schneider, Feilcke, Tiemann, Fritsche
Fundstellen
Haufe-Index 14497639 |
NStZ 2021, 556 |
NStZ-RR 2021, 6 |