Leitsatz (amtlich)
1.) Auch Gemeinden können aus Verschulden bei Vertragsschluss schadensersatzpflichtig werden.
2.) Die Haftung setzt zwar voraus, dass der für die Gemeinde Verhandelnde hiezu bevollmächtigt war, nicht aber, dass er Abschlussvollmacht hatte oder dass die Verhandlungsvollmacht in der Form des § 37 Abs. 2 rev. DGO erteilt worden war.
Verfahrensgang
OLG Köln (Entscheidung vom 02.03.1951) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen des Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 2. März 1951 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Klägerin, eine Schrotthandelsfirma, trat 1946 mit der Beklagten wegen Anpachtung des in W. gelegenen Industriegeländes der früheren S. werke in Verbindung. Mit Schreiben vom 28. Juni 1946 teilte der Gemeindedirektor der Beklagten der Klägerin mit, vorbehaltlich der Genehmigung durch den Stadtrat werde ihr das Gelände von ca. 10.000 qm zum Pachtpreis von 0,25 RM je qm und Jahr "zugesprochen". Die Beklagte entwarf einen Pachtvertrag, der in der Bauausschußsitzung vom 5. Juli 1946 einstimmig angenommen und der Klägerin am 9. Juli 1946 übersandt wurde. Am 22. Juli 1946 übersandte die Klägerin ihrerseits einen Entwurf, auf den hin die Beklagte mit Schreiben vom 30. Juli 1946 der Klägerin den Pachtvertrag "in seiner endgültigen Form" übermittelte und bemerkte, Änderungen lehne die Stadtvertretung ab; die Klägerin möge den Vertrag unterschreiben und dem Stadtdirektor übersenden; nach Genehmigung durch die Stadtverordneten werde sie Nachricht und den ausgefertigten Vertrag zurückerhalten. Die Klägerin unterschrieb daraufhin den ihr übersandten Pachtvertrag. Am 23. August 1946 genehmigte die Stadtvertretung den Pachtvertrag mit der Einschränkung, "nicht das Vorkaufsrecht zu erteilen, die Dauer der - auf 20 Jahre vorgesehenen - Pachtzeit herabzusetzen und den Ausschluss der Haftung der Beklagten für Schäden, die durch Absinken von Kanälen entstünden, auszuschliessen".
Mit Genehmigung der Beklagten nahm die Klägerin das Gelände in Benutzung und begann mit der Schrottauffuhr. Die Parteien verhandelten dann über eine Reparatur des Anschlussgleises und die Beschaffung einer zu diesem notwendigen Weiche. Mit Einwilligung der Beklagten beschaffte die Klägerin die Weiche; die Beklagte war dadurch behilflich, dass sie der Bundesbahn für die nötigen Schwellen im Tauschwege Holz zur Vorfügung stellte.
Mit Schreiben vom 18. November 1947 bestätigte die Klägerin der Beklagten die von deren Baumeister erteilte Erlaubnis, mit der Schrottauffuhr zu beginnen; "für die Zeit bis zum Abschluss des Pachtvertrages wäre noch eine Anerkennungsgebühr zu vereinbaren". Anfang April 1948 wurde der Klägerin von dem Stadtbaumeister K. der Beklagten eröffnet, dass eine grössere Firma sich für das S. gelände interessiere. Die Klägerin wies mit Schreiben vom 5. April 1948 darauf hin, dass sie das Gelände gepachtet habe, und bat um Unterzeichnung des Pachtvertrages "der Form wegen". Die Beklagte bestritt Vereinbarungen bestimmten Inhalts. In der Folge erklärte sie der Klägerin, sie hätte ihr kein Gelände verpachtet, auch nicht gestattet, es in Anspruch zu nehmen. Eine "Mietzahlung" der Klägerin wies die Beklagte zurück. Schliesslich lehnte sie in der Stadtratsitzung vom 21. Mai 1948 eine Verpachtung des Geländes an die Klägerin endgültig ab und forderte sie auf, es zu räumen.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz aus Verschulden beim Vertragsschluss in Anspruch. Sie hat vorgetragen, die Beklagte habe sie in den Glauben versetzt, der Pachtvertrag sei zustande gekommen und es handele sich bei der Ausfertigung lediglich noch um eine Formsache. Nach der Stadtratsitzung vom 23. August 1946 sei der damalige Stadtbaumeister Sch. zu ihr gekommen, habe ihr die beschlossenen Änderungen mitgeteilt und erklärt, wenn sie mit diesen Änderungen einverstanden sei, sei die Sache in Ordnung. Sie, die Klägerin, habe den geänderten Pachtvertrag, den Sch. bei sich gehabt habe, unterschrieben, worauf Schwiddessen ihr erklärt habe, nun könne sie mit der Schrottauffuhr beginnen. Demgemäss habe die Klägerin unter den Augen der massgebenden Beamten der Beklagten nach und nach mehr als 1000 to Schrott auf das Grundstück gefahren. Auch in der Folgezeit sei ihr wiederholt versichert worden, der Pachtvertrag wäre in Ordnung.
Die Beklagte hat bestritten, dass dem Stadtbaumeister Sch. vom Stadtrat eine Ermächtigung zu den von der Klägerin behaupteten Erklärungen erteilt worden sei. Die Klägerin habe nicht darüber im Zweifel sein können, dass die Beklagte mit ihr nur einen kurzfristigen Pachtvertrag allenfalls habe abschliessen wollen.
Die Klägerin hat im ersten Rechtszug beantragt,
die Beklagte zu verurteilen
1.)
die Weiche herauszugeben,
2.)
1950,00 DM (Minderwert der Weiche) und 13.500 DM (Kosten des Transports des lagernden Schrottes) zu bezahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Landgericht hat zur Herausgabe der Weiche verurteilt, im übrigen, die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat Berufung eingelegt und beantragt, nunmehr die Beklagte zur Zahlung von
1.)
11.391,43 DM nebst 5 % Zinsen seit 1. März 1948, hilfsweise zur Herausgabe einer entsprechenden Eisenbahnweiche nebst 50 m Eisenbahngeleise und
2.)
zur Zahlung von weiteren 13.500 DM nebst 5 % Zinsen seit Klagezustellung zu verurteilen.
Den Schadensersatzanspruch zu 2.) stützte die Klägerin nunmehr auch auf ihre Auslegen für die Planierung des Grundstücks.
Das Oberlandesgericht hat unter Änderung des Urteils der Vorinstanz die Klageansprüche dem Grunde nach für berechtigt erklärt, die auf volle Klagabweisung gerichtete Anschlussberufung zurückgewiesen und die Sache zur Entscheidung des Betrags der strittigen Ansprüche an das Landgericht zurückverwiesen.
Mit der Revision beantragt die Beklagte, den Klageantrag zu 2.) abzuweisen, hilfsweise die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Ein gültiger Pachtvertrag sei wegen Fehlens der in § 37 Abs. 2 DGemO (Fassung f.d. Brit. Zone, Amtsbl der MilReg Nr. 7 S 127 ff) vorgeschriebenen Form nicht zustandegekommen, die Berufung auf Treu und Glauben könne daran nichts ändern. Auch öffentlich-rechtliche Körperschaften müssten jedoch, für Verschulden bei Vertragsschluss haften. Der Stadtrat habe den Pachtvertrag zwischen den Parteien genehmigt und der Stadtbaumeister Sch. habe aufgrund entsprechender Ermächtigung des Stadtrats mitgeteilte dass der Vertrag als zustandegekommen zu betrachten sei, wenn die Klägerin auf das Vorkaufsrecht verzichte und eine Herabsetzung der Pachtzeit annehme Nachdem der Inhaber der Klägerin einen entsprechenden Pachtvertrag unterschrieben habe, habe Sch. erklärt, die Klägerin könne das Gelände nunmehr in Benutzung nehmen. Die verfassungsmässig gestellten Organe der Beklagten wären verpflichtet gewesen, den Vertrag nunmehr formgerecht auszufertigen. Die Beklagte habe schuldhaft versäumt, die Klägerin darüber aufzuklären, dass der Vertrag noch gar nicht abgeschlossen sei. Statt dessen habe sie in der erkennbaren Absicht, sich rechtlich nicht zu binden, um das Gelände gegebenenfalls einem besseren Interessenten geben zu können, die Ausfertigung des Vertrages hinausgezögert. Die Klägerin habe sie durch Erklärungen, wie, die Sache gehe in Ordnung, der Pachtvertrag sei als abgeschlossen zu betrachten, in den Glauben versetzt, der Pachtvertrag sei materiell zustandegekommen und die Schriftform habe keine rechtsbegründende Bedeutung. Mindestens habe die Klägerin nach den Erklärungen und den Verhalten der Beklagten darauf vertraut und vertrauen dürfen, dass der Pachtvertrag abgeschlossen werden würde. Dadurch, dass die Beklagte der Klägerin die Schrottauffuhr bedingungslos gestattet und ihr die schwierige Herstellung des Anschlussgeleises für das Pachtgrundstück überlassen habe, habe bei der Klägerin der Eindruck entstehen müssen, das geschehe schon in Ausführung des Pachtvertrages, in den das vorgeschrieben war.
Ein Schaden sei der Klägerin jedenfalls durch die nutzlos aufgewendeten Kosten für die Planierung des Pachtgrundstücks entstanden, ob auch durch den Schrottransport, müsse das Betragsverfahren ergeben.
II.
1.)
Die Revision bestreitet zu Unrecht, dass öffentlich-rechtliche Körperschaften für Verschulden bei Vertragsschluss überhaupt haftbar gemacht werden könnten. Der Revision ist zuzugeben, dass gesetzliche Vorschriften, die für Willenserklärungen der öffentlich-rechtlichen Körperschaften besondere Anforderungen aufstellen, nicht nur Formvorschriften sind, sondern dass durch sie insoweit zum Schutz der Körperschaft gegen unbedachte und sie gefährdende Willenserklärungen die gesetzliche Vertretungsmacht der für die Körperschaft handelnden Person eingeschränkt wird (RGZ 82, 7; 115, 315; 157, 212; BGH Urteil vom 22. Mai 1951 Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk zu § 36 DGO). Das Reichsgericht hat auch in SA 82 Nr. 57, RGZ 162, 129 (159) ausgesprochen, dass die Überschreitung der hienach bestehenden Grenzen der Vertretungsmacht den Vertreter gemäss § 179 BGB selbst haftbar mache, und dass die öffentlich-rechtliche Körperschaft nicht aus Verschulden bei Vertragsschluss in Anspruch genommen werden könnte, weil sonst gerade die Rechtsfolge eintreten würde, vor der sie durch Beschränkung der Vertretungsmacht ihrer Willensorgane geschützt werden solle. Damit stimmt überein, dass auch grundsätzlich die Verbindlichkeit eines wegen Verstosses gegen jene Formvorschriften ungültigen Vertrages nicht durch Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben auf einem Umweg doch herbeigeführt werden kann. Der Ausschluss der Haftung der Gemeinde beim Vertragsschluss ist insoweit gerechtfertigt, als der aus dem Verschulden gegen die Gemeinde abgeleitete Schadensersatzanspruch auf das Erfüllungsinteresse für eine nicht in der vorgeschriebenen Form übernommene Verpflichtung geht, selbst wenn es in das Gewand des Vertrauensschadens gekleidet ist (beispielsweise Erfüllung einer Bürgschaftsverpflichtung). Hier würde die Zulassung eines Schadensersatzanspruchs in der Tat die zum Schutz der öffentlich-rechtlichen Körperschaft erlassenen Vorschriften über die Vertretung der Körperschaft hinfällig machen (RGHRR 1928 Nr. 1396). Hiegegen liegt kein hinreichender Grund vor, der öffentlich-rechtlichen Körperschaft jede Haftung für Verschulden beim Vertragsschluss zu ersparen. Aus § 37 Abs. 2 DGO ist nichts Gegenteiliges abzuleiten. Die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss ist eine solche aus einem in Ergänzung des geschriebenen Rechtes geschaffenen gesetzlichen Schuldverhältnis, das aus der Aufnahme von Vertragsverhandlungen entspringt und zur verkehrsüblichen Sorgfalt im Verhalten gegenüber dem Geschäftsgegner verpflichtet. Die bei den Verhandlungen abgegebenen Erklärungen sind jedoch keine solchen, aus denen die Gemeinde im Sinn des § 37 Abs. 2 DGO verpflichtet werden soll; denn die Haftung tritt unabhängig von einem auf sie gerichteten Willen des für die Gemeinde Handelnden ein (siehe auch § 3 der 2. auch für die gehinderte Fassung der DGO als weiter geltend zu erachtenden Durchführungsverordnung zur DGO vom 25. März 1936, RGBl I, 272, wo nur vom Abschluss von Geschäften die Rede ist). Mit der Auffassung, dass auch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft für Verschulden bei Vertragsschluss haften kann, befindet sich der erkennende Senat in Übereinstimmung mit dem OGH brZ (NJW 1949, 103). Auch in dem oben angeführten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. Mai 1951 wird eine Haftung öffentlich-rechtlicher Körperschaften für Verschulden beim Vertragsschluss nicht grundsätzlich abgelehnt.
2.)
Es kann auch nicht verlangt werden, dass der für die Gemeinde die Verhandlungen Führende schon für diese Verhandlungen in der Form des § 37 Abs. 2 DGO bevollmächtigt werde, wenn es andererseits auch selbstverständlich ist, dass die Gemeinde nur durch Handlungen einer Person verpflichtet werden kann, die für sie zu handeln berechtigt ist. Auf Personen, die rechtswirksam den in Aussicht genommenen Vertrag für die Gemeinde abschliessen könnten, ist also die Haftung nicht beschränkt, wenn nur der Auftrag zu Vertragsverhandlungen erteilt war (RGZ 162, 129 [156]). In dieser Hinsicht genügt es, dass das Berufungsgericht feststellt, der Zeuge Sch. Stadtbaumeister der Beklagten, der die Verhandlungen mit der Klägerin zu führen hatte, sei vom Stadtrat, dem gesetzlichen Vertreter der Beklagten (§ 37 Abs. 1 DGO), in der Stadtratsitzung vom 23. August 1946 ermächtigt worden, der Klägerin mitzuteilen, dass der Vertrag, wenn die Klägerin auf das Vorkaufsrecht verzichte und eine Herabsetzung der Pachtzeit annehme, als zustandegekommen zu betrachten sei. Die Beklagte hat im ersten Rechtszug allerdings durch das Stadtratsmitglied Josef G. Beweis dafür angeboten, dass der Zeuge Sch. in der Sitzung ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, ein Pachtvertrag komme nur in Frage, wenn die Klägerin sich verpflichte, das Gelände mit einer Frist von 3, höchstens 6 Monaten zu räumen; ausserdem sollte der Zeuge auch bekunden, dass er bei einer späteren Unterredung den Inhaber der Klägerin entsprechend aufgeklärt habe. Die Klägerin hatte jedoch - Schriftsatz vom 2. Dezember 1949 - erwidert, G. habe erstmals mit dem Inhaber der Klägerin gesprochen, als diese schon zur Räumung aufgefordert gewesen sei (1948). Die Beklagte ist dem nicht entgegengetreten und auf ihr Beweisangebot in beiden Tatsacheninstanzen nicht mehr zurückgekommen. Unter diesen Umständen konnte das Berufungsgericht ohne Verstoss gegen § 286 ZPO annehmen, die Klägerin halte ihren Beweisantrag nicht mehr aufrecht. Das Berufungsgericht hatte infolgedessen auch keine Veranlassung, die Beklagte aufzufordern, für den Inhalt der vom Stadtrat dem Zeugen Sch. erteilten Ermächtigung weitere Zeugen zu benennen, was ohnedies nicht in den Rahmen der Verpflichtung des Gerichts gemäss § 139 ZPO gehört (RG JW 1914, 313).
Angesichts der knappen Fassung der nur in einfacher Abschrift vorliegenden Niederschrift über die Stadtratsitzung vom 23. August 1946 (in den Akten der Beklagten), war das Berufungsgericht auch nicht gehalten, sich bei der Beweiswürdigung ausdrücklich damit auseinanderzusetzen, dass in der Niederschrift der Beschluss über die Ermächtigung des Zeugen Sch. nicht vermerkt worden ist, obwohl er nach § 50 DGO wohl zu beurkunden gewesen wäre. Die Vorschriften über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden greifen schon deswegen nicht ein, weil das Protokoll weder in Urschrift noch in beglaubigter Abschrift vorgelegt worden ist (§ 435 ZPO). Überdies wäre der den Gegenbeweis ausschliessende Fall des § 417 ZPO keinesfalls gegeben. Für die Wirksamkeit des Stadtratsbeschlusses war die Beurkundung ohne Bedeutung.
Ebensowenig musste das Berufungsgericht den Umstand erörtern, dass sich der geänderte schriftliche Vertrag, zu dem der Zeuge Sch. bei seinen Verhandlungen nach der Stadtratsitzung vom 23. August 1946 die Unterschrift des Inhabers der Klägerin nach seiner Bekundung eingeholt und den er der Stadtverwaltung weitergeleitet hat, sich bei den städtischen Akten nicht findet; denn das Berufungsgericht stellt fest (Urteil S 16), dass diese Akten lückenhaft sind.
Richtig ist allerdings, dass es nicht stimmen kann, wenn der Zeuge Sch. meint, aufgrund dieses letzten Vertrages sei das Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 30. Juli 1946 hinausgegangen (Bl 168 BA). Dieses Schreiben lag noch vor den erst an 23. August 1946 gefassten Stadtratsbeschluss und bezog sich auf den vorhergehenden, gerade in der Stadtratsitzung beanstandeten Vertragsentwurf. Da aber nur die leitenden Erwägungen bei der Beweiswürdigung darzulegen sind, liegt kein Gesetzes Verstoss (§ 286 ZPO) darin, dass das Berufungsgericht sich über diesen Irrtum des Zeugen nicht besonders ausspricht.
Endlich kann der Revision auch nicht zugegeben werden, dass das Berufungsgericht mit seinen Feststellungen über den Inhalt der Sch. erteilten Ermächtigung gegen einen Erfahrungssatz verstossen habe, weil es wenig wahrscheinlich sei, dass der Stadtrat einen Angestellten, dem das Dienstverhältnis wegen unbefriedigender Leistungen gekündigt gewesen sei, noch eine generelle Vollmacht zu Verhandlungen erteilt habe. Ob ein solcher Erfahrungssatz besteht, kann dahingestellt bleiben, denn die Beklagte hatte nur die Tatsache der Kündigung, nicht aber den nun angeführten Grund hiefür vorgetragen.
3.)
Die Erklärung des Zeugen Sch., der Pachtvertrag sei als abgeschlossen zu betrachten und die Klägerin könne das Gelände in Benützung nehmen, nachdem sie sich mit den Änderungen des Pachtvertrages einverstanden erklärt habe, entsprach der dem Zeugen vom Stadtrat gegebenen Ermächtigung. In Wahrheit war aber, wie sowohl den Zeugen als auch der Stadtvertretung klar sein musste, der Vertrag mangels Wahrung der Form des § 37 Abs. 2 DGO nicht geschlossen. In der Erregung dieses Irrtums lag ein Verschulden sowohl der Stadtvertretung als auch des Zeugen Sch., für das die Beklagte nach §§ 31, 89, 278 BGB einzustehen hat, während die allenfalls bestehende Verpflichtung der Organe der Stadt, den Stadtratsbeschluss durch formgerechten Vertrag auszufahren, keine der Klägerin gegenüber bestehende Pflicht war, demnach für die Frage des Verschuldens ausscheidet. Die Beklagte ist also der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet. Allerdings kann die Klägerin, wie oben dargetan, nicht verlangen, so gestellt zu werden, als ob der Vertrag zustandegekommen wäre. Das tut sie auch nicht. Wohl aber kann sie verlangen, dass ihr der Schaden ersetzt wird, der ihr dadurch entstanden ist, dass sie auf die Gültigkeit des Vertrages vertraut hat.
4.)
Die Revision greift das Berufungsurteil auch deswegen an, weil das Verhalten der Personen, die auf Seiten der Beklagten an den Verhandlungen beteiligt waren, nicht ursächlich für den der Klägerin nach ihren Behauptungen entstandenen Schaden gewesen sei. Dieser Angriff geht fehl. Nach der reichsgerichtlichen Rechtsprechung (RGZ 103, 220; 132, 19; 151, 8), der sich der Bundesgerichtshof angeschlossen hat: (NJW 1951, 195 = Lindenmaier-Möhring Nachschlagewerk, zu ZPO § 304), genügt es für eine nach § 304 ZPO, wenn feststeht oder eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass ein Schaden entstanden ist. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist gestützt auf ihre Aufwendungen für Planierungsarbeiten und die entstandenen Kosten für den Transport des Schrotts auf das Grundstück. Es genügt daher für die Erlassung eines Urteils über den Grund, wenn in einer der beiden Richtungen das Berufungsgericht feststellt, es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Schaden entstanden. Das Berufungsgericht hat in dieser Hinsicht ausgeführt, die Klägerin habe unstreitig das Gelände mit Lastkraftwagen und Traktor befahren wollen und z.T. auch befahren, es sei daher glaubwürdig, wenn der Zeuge K. bekunde, die Klägerin habe das in Benutzung genommene Gelände nach und nach planiert. Die Revision beanstandet, das Berufungsgericht habe die mit einem Beweisangebot verbundene Behauptung der Beklagten nicht berücksichtigt, die Klägerin habe - mit Ausnahme von 2 schon vor dem Stadtratsbeschluss vom 23. August 1946 angefahrenen Schalen - Schrott erst nach November 1947 angefahren, und zu dieser Zeit habe die Klägerin bereits gewusst, dass sie keinen Vertrag mit der Beklagten habe und mit ihr keinen langfristigen Vertrag, der allein grössere Aufwendungen rechtfertige, bekommen würde. Die Beklagte stellt auf diesen Zeitpunkt ab, weil sie dem Schreiben der Klägerin vom 18. November 1947 an die Beklagte entnimmt, die Klägerin sei sich damals bewusst gewesen, dass ein Vertrag noch nicht abgeschlossen gewesen sei.
In dem Rahmen der ihm allein zustehenden Beweiswürdigung hat das Berufungsgericht diesen Schluss aber abgelehnt (Urt S 17 Bl 171). Es hat auch die Aussage der Zeugen B., R. und K. dahin gewürdigt, dass während der Amtszeit des Zeugen Sch. (bis 15. Januar 1947) die Klägerin nicht ihre Rechtslage und die wahren Absichten der Beklagten erkannt habe, vielmehr erst 1948 die entsprechende Kenntnis erlangt habe. Gegen diese Beweiswürdigung kann die Revision nicht mit Erfolg aus § 286 ZPO ankämpfen. Vielmehr war die Feststellung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe durch das schuldhafte Verhalten der Beklagten mit den Planierungskosten einen Vermögensschaden erlitten, auch dann gerechtfertigt, wenn die Arbeiten erst kurz vor der Anfuhr des Schrottes begonnen haben sollten und der Anfang der Anfuhr auf November 1947 zu verlegen wäre. Ob die Gesamtkosten der Planierung oder wegen späterer (1948 eingetretener) Aufklärung der Klägerin über die Rechts- und Sachlage nur ein Teil der Planierungskosten ersatzfähig ist, kann dem Betragsverfahren überlassen bleiben.
Es kann auch unterstellt werden, dass der Lagerplatz der Klägerin in S. überfüllt war und sie daher eine andere, sei es auch eine vorübergehende Lagermöglichkeit benötigte, wie die Beklagte behauptet und durch den Zeugen K. unter Beweis gestellt hatte, ohne dass dieser vom Berufungsgericht gehört worden ist, wie die Revision nun rügt. Dass die Klägerin schon bei Beginn der Planierungsarbeiten sich bewusst gewesen wäre, dass sie den Platz nur vorübergehend werde benutzen können, folgt aus den von der Beklagten behaupteten Tatsachen nicht. Die Klägerin hätte in solchem Fall einen anderen Platz zu vorübergehenden Gebrauch mieten können, der keine Planierung erforderte.
5.)
Aus dem bisher Ausgeführten ergibt sich, dass das Berufungsgericht nicht wegen Mitverschuldens der Klägerin an der Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach gehindert war, da nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts der Klägerin erst kurze Zeit vor dem Bruch zwischen den Parteien klar geworden ist, dass sie über das Bestehen eines Vertrages mit der Beklagten in Irrtum versetzt worden war und diese höchstens zu einen kurzfristigen Vertrag bereit wäre. Dass die Klägerin von sich aus hatte erwägen müssen, die Stadt könne ihr das Pachtgrundstück nicht langfristig überlassen, weil sie es zur Ansiedlung von Industrie brauche, erledigt sich schon dadurch, dass sogar der zuständige Stadtratsausschuss einen 20jährigen Vertrag einstimmig gut geheissen hatte.
6.)
Endlich hat die Revision noch darzutun versucht, der Klägerin sei kein Schaden entstanden. Sie habe die Weiche in RM bezahlt und erhalte sie aufgrund des Anerkenntnisses der Beklagten in DM vergütet, habe für den Schrott - den unstreitig die Beklagte ihr tauschweise überlassen hatte und der schon auf dem Pachtgrundstück gelagert hatte - die Kosten des Transports auf ein anderes Grundstück erspart und in übrigen würde die Klägerin bei Mietung eines anderen Platzes gleiche, unter Umständen noch höhere Transportkosten gehabt haben. Sie schulde überdies für die Benutzung des Platzes angemessenes Entgelt. Die Zahlungen, die die Klägerin für das Eisenbahngeleise erhalten wird, mindern den ihr im übrigen entstandenen Schaden nicht. Sollten sie kraft Anerkenntnisses über den gesetzlichen Umstellungssatz hinaus- gehen, so wäre der auf Grund freier Entschliessung eintretende Vorteil nicht auf den Schaden anzurechnen. Den Vorteil aber, den die Klägerin möglicherweise dadurch gehabt hat, dass sie den ihr von der Beklagten verkauften, auf dem Grundstück lagernden Schrott dort liegen lassen konnte, braucht sich die Klägerin, wenn die Beklagte Vergütung für die Benützung des Platzes begehrt, nicht nochmals anrechnen zu lassen. Der Anspruch auf Benützungsvergütung selbst schliesst die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten nicht aus, Teil, wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhebt, nach den eigenen Ausführungen der Beklagten jener Anspruch unter dem der Klägerin für das Geleise bleibt. Die Frage, ob die. Klägerin durch Transportkosten einen Schaden erlitten hat, hat das Berufungsgericht ausdrücklich und zulässigerweise den Betragsverfahren überlassen.
Nach alledem war die Revision mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 3018503 |
BGHZ 6, 330 - 335 |
BGHZ, 330 |
NJW 1952, 1130-1131 (Volltext mit amtl. LS) |
DNotZ 1952, 574 |
DNotZ 1952, 574-576 |
DVBl 1953, 60 (amtl. Leitsatz) |
JZ 1952, 567 (amtl. Leitsatz) |
JZ 1952, 591-592 (Urteilsbesprechung von Prof. Dr. H.C. Nipperdey) |
MDR 1952, 604-605 (Volltext mit amtl. LS) |