Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückgriff (Regress) einer Versicherung auf den Unfallschädiger für erbrachte Versicherungsleistungen an Hinterbliebene
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage des Vorliegens grober Fahrlässigkeit bei Organisation und Überwachung von Tiefbauarbeiten (hier: Unfall eines Arbeiters beim Einsturz einer ungesicherten Grabenwand).
Normenkette
RVO § 640; VBG § 43 Abs. 1; VBG 36 § 43 Abs. 4
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 19. Mai 1971 aufgehoben, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen vom 7. Oktober 1970 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren fallen der Klägerin zur Last.
Tatbestand
Die klagende Bauberufsgenossenschaft erbringt und hat erbracht Leistungen aus Anlaß eines tödlichen Arbeitsunfalls, den ein bei ihr versicherter, bei dem Erstbeklagten als Bauhelfer in Diensten stehender italienischer Gastarbeiter am 17. Januar 1968 beim Einsturz eines Kanalgrabens erlitten hat. Sie ist der Ansicht, daß der Erstbeklagte als Unternehmer und der Zweitbeklagte, der als Baggerführer den Kanalgraben ausgehoben hatte, grob fahrlässig den Tod des Arbeitnehmers und Arbeitskollegen verursacht haben. Sie will deshalb bei den Beklagten Rückgriff gemäß § 640 RVO nehmen und verlangt von ihnen als Gesamtschuldnern für die bis 28. Februar 1969 erbrachten Leistungen 11.821,30 DM nebst Zinsen, außerdem begehrt sie die Feststellung, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, ihr alle Aufwendungen zu ersetzen, die sie für die Zeit vom 1. März 1969 an aus Anlaß des Arbeitsunfalls gemacht hat und machen wird.
Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt und sind der Auffassung der Klägerin entgegengetreten, daß die Voraussetzungen für einen Rückgriff nach § 640 RVO gegeben seien.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr, abgesehen von einem Teil der Zinsforderung, stattgegeben. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstreben die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht ist von folgendem Sachverhalt ausgegangen: Der beklagte Bauunternehmer hatte im Zuge eines Bauvorhabens u.a. die Aufgabe, von einer Straße aus schräg auf das Baugrundstück zu einen Kanalgraben von 2,5 m Tiefe auszuheben, der Kanalrohre und einen Wasserschlauch aufnehmen sollte. Mit den Arbeiten war, von der Straße her beginnend, vor Weihnachten 1967 angefangen worden; sodann mußte eine witterungsbedingte Pause eingelegt werden. Bis dahin hatte der Graben eine Tiefe von etwa 1,2 m und eine Länge von etwa 2,5 m erreicht. Am 16. Januar 1968 nahmen der beklagte Baggerführer und der Gastarbeiter die Arbeiten wieder auf. Der Graben wurde zunächst mit Hilfe des Baggers auf eine Länge von etwa 4 m gebracht. Da sich in etwa 1,2 m Tiefe ein Felsvorkommen ergab, lockerte der Gastarbeiter mit einem Preßlufthammer den Aushub vor. Als die erforderliche Tiefe von 2,5 m erreicht war, brachten der Gastarbeiter und der Baggerführer einen sogenannten "Sparverbau" aus Holz an. Am 17. Januar 1968 verlegte der Gastarbeiter in diesem ersten Grabenabschnitt die vorgesehenen Steinzeugrohre für die Kanalisation und schüttete sie mit Feinmaterial zu. Noch während er mit dem Verlegen und Zuschütten der Rohre beschäftigt war, hatte der Baggerführer mit dem Aushub des zweiten, unmittelbar an den ersten anschließenden Abschnitts des Grabens begonnen und diesen auf etwa 11 bis 12 m Länge vorgetrieben. Als der Gastarbeiter die Arbeit im ersten Grabenabschnitt beendet hatte, entfernten der Baggerführer und er den Holzverbau; er machte sich sodann außerhalb des Grabens zu schaffen, während der Baggerführer die Arbeit am zweiten Grabenabschnitt fortsetzte. Aus ungeklärtem Anlaß, vermutlich um den liegengebliebenen Preßlufthammer zu holen, begab sich der Gastarbeiter in den nach Verlegen und Zuschütten der Steinzeugrohre nunmehr noch etwa 2,2 m tiefen, nach Wegnahme des Verbaus ungesicherten ersten Grabenabschnitt. Als er sich im Graben befand, stürzte ein Teil der östlichen Grabenwand ein; die Erd- und Geröllmassen verschütteten den Gastarbeiter, der hierbei tödliche Verletzungen erlitt.
Das gegen beide Beklagte eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung ist von der Staatsanwaltschaft mangels Schuldnachweises eingestellt worden. Die Klägerin hat gegen den beklagten Bauunternehmer gemäß § 710 RVO einen noch nicht unanfechtbar gewordenen Ordnungsstrafbescheid über 810 DM wegen Verstoßes gegen Unfallverhütungsvorschriften erlassen.
Das Berufungsgericht hat beiden Beklagten zum Vorwurf gemacht, daß sie bei der Verlegung der Rohrleitungen gegen allgemein anerkannte Regeln der Baukunst und gegen die von der Klägerin herausgegebenen Unfallverhütungsvorschriften (UVV) verstoßen hätten. Diesen Verstoß erblickt es darin, daß der erste Grabenabschnitt, der auch nach Verlegen der Rohre noch mehr als 1,5 m tief blieb, unversprießt war; der beklagte Baggerführer hätte, - so meint das Berufungsgericht -, wenn er diesen Abschnitt nicht sofort verfüllte, den Sparverbau nicht entfernen dürfen, weil der erste Grabenteil nochmals hätte betreten werden müssen, sobald der in diesen hineinreichende Verbau des zweiten Abschnitts hergestellt wurde. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß bei dem Verbau maschinell ausgehobener Gräben der Beginn der Versteifungsarbeiten das größte Sicherheitswagnis in sich berge, weil es bei senkrechter Versprießung das Einsteigen eines Menschen in einen ungesicherten Graben erfordere, damit die senkrechten Kanthölzer am Grabenboden abgespreizt werden können. Dieses Wagnis seien die Beklagten zweimal eingegangen, obwohl dies nur einmal erforderlich gewesen wäre, wenn man den Verbau eines maschinell ausgehobenen Grabenteils von dem bereits und noch verbauten Teil des Grabens aus vorantreibe.
Das Berufungsgericht, das zugunsten der Beklagten unterstellt hat, daß der im Zeitpunkt des Unfalls insgesamt etwa 12 m lange Graben im ersten Abschnitt bis zum Verlegen der Kanalisationsrohre auf eine Länge von etwa 3,5 bis 4 m zunächst verbaut gewesen war, hat sich aufgrund der Beweisaufnahme davon überzeugt, daß das vorhandene Verbauholz nicht ausreichte, um auch nur diesen ersten Grabenabschnitt ordnungsgemäß zu versprießen. Es hat weiter festgestellt, daß bis zum Unfallzeitpunkt bereits acht der zu verlegenden elf - je 1 m langen - Kanalisationsrohre eingebracht waren; hieraus hat es den Schluß gezogen, daß der Gastarbeiter einen Teil der Rohre auch in dem nicht verbauten Grabenteil verlegt hatte.
Ein schuldhaftes, den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit rechtfertigendes Verhalten des beklagten Bauunternehmers hat das Berufungsgericht darin gesehen, daß dieser die Durchführung der Arbeiten und die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen nicht ständig überwacht, sondern sich auf kurze Besuche an der Baustelle beschränkt hat. Er habe auch nicht dafür gesorgt, daß genügend Sprießholz für den Verbau des ganzen Grabens vorhanden war.
Dem Baggerführer legt das Berufungsgericht zur Last, daß er die UVV über die Sicherung von über 1,5 m tiefen Gräben nicht beachtet habe; er habe nach Ausheben des Grabens nicht für eine ordnungsmäßige Versprießung des gesamten Grabens gesorgt und sich am Abbau der Versprießung (Sparverbau) im ersten Grabenteil beteiligt, obwohl dieser Verbau noch benötigt worden sei. Ihm sei auch zur Last zu legen, daß er das für einen ordnungsmäßigen Verbau erforderliche Sprießholz nicht bei dem Erstbeklagten angefordert und diesem keine Mitteilung davon gemacht habe, daß sich die Baustelle in einem Zustand befand, der nicht den UVV entsprach.
Das Berufungsgericht hat beide Beklagte als Baufachleute bezeichnet, die erkennen und stets damit hätten rechnen müssen, daß ein etwa 2,3 m tiefer unverbauter Graben jederzeit einstürzen konnte. Diese Gefahr hätte sich ihnen im Hinblick auf die Bodenbeschaffenheit und die Witterungsverhältnisse ferner wegen der zusätzlichen Gefährdung durch Erdaufhäufung an den Grabenrändern und wegen der Einwirkungen der von dem Bagger und von dem Preßlufthammer ausgehenden Erschütterungen geradezu aufdrängen müssen. Das Berufungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, daß die für die Arbeitnehmer bestehenden Gefahren unter den gegebenen Umständen jedem hätten einleuchten müssen. Deshalb hat es die Frage des grobfahrlässigen Verschuldens beider Beklagten bejaht.
II.
Die Revision beider Beklagten hat im Ergebnis Erfolg.
1.
Entgegen der Ansicht der Revision durfte das Berufungsgericht das Verhalten der Beklagten unter dem Gesichtpunkt der Verletzung der vom 1. Januar 1968 an geltenden UVV (VBG 49) prüfen, obwohl diese dem beklagten Bauunternehmer erst nach dem Unfall zugegangen sind. Aus diesem Grund hat das Berufungsgericht ihre unmittelbare Anwendbarkeit verneint, jedoch die Auffassung vertreten, daß diese neuen UVV lediglich das schon vor dem Unfall bestehende Unfallschutzrecht neu fassen. Dieser Ansicht ist zuzustimmen. Zutreffend ist das Berufungsgericht von den vor dem 1. Januar 1968 gültigen UVV (VBG 36) vom 1. Januar 1930 in der Fassung vom 1. März 1965 ausgegangen. Zwar war in § 43 der VBG 36 nicht ausdrücklich davon die Rede, daß Gräben von einer bestimmten Tiefe an zu versprießen seien, wie das jetzt in § 10 der VBG 49 ausdrücklich für den Fall gesagt wird, daß ein Graben tiefer als 1,25 m ist. Indes wurde bereits früher verlangt, daß Gräben eine Abböschung erhalten oder sonst sachgemäß gesichert werden müssen (§ 43 Abs. 1 VBG 36). Da nach § 43 Abs. 4 in mehr als 1,5 m tiefen Gräben das Ein- und Aussteigen auf den Spreizen verboten war und nach Absatz 5 Spreizen nur belastet werden durften, wenn sie genügend unterstützt waren, so ergibt sich daraus, daß nach diesen Vorschriften der Verbau von Gräben zumindest dann vorausgesetzt war, wenn sie mehr als 1,5 m tief und nicht abgeböscht waren. Auf die vom Berufungsgericht weiterhin herangezogenen DIN-Vorschriften kommt es nicht an, so daß es eines Eingehend auf die insoweit von der Revision geäußerten Bedenken nicht bedarf. Unstreitig war das Grabenstück, in welchem sich der Unfall ereignete, nicht mehr verbaut, obwohl dort der Graben noch etwa 2,2 m tief war und deshalb auch nach den alten UVV hätte dann gesichert bleiben müssen, wenn der Verlauf der Arbeiten es erforderlich machte, daß dieses Grabenstück nach den Verrohrungsarbeiten nicht sofort bis auf eine Sohle von 1,5 m verfüllt, sondern in mehr als 1,5 m Tiefe nochmals von Menschen betreten werden sollte. Die bestimmte Betriebsgefahr, denen die UVV begegnen wollten, bestand nicht in dem mehr als 1,5 m tiefen Graben als solchem, sondern sie lag darin, daß im Graben befindliche Menschen der Einsturzgefahr ausgesetzt waren. Diese besondere Gefährdung meint auch das Berufungsgericht, das die Gefahr, die von einem nicht versprießten Graben für außerhalb desselben befindliche Personen ausgeht, als verhältnismäßig gering und als durch andere Mittel, z.B. durch Abschrankungen, behebbar bezeichnet. Die Beklagten haben sich damit verteidigt, daß der Bauhelfer nach Beendigung der ihm aufgetragenen Arbeiten im ersten Grabenabschnitt diesen nicht mehr habe zu betreten brauchen und daß sie nicht damit rechneten, er werde es dennoch tun. Unwiderlegt haben die Beklagten behauptet, es sei deswegen erforderlich gewesen, zwei Grabenabschnitte an Stelle eines einzigen herzustellen, weil der erste, an die Fahrstraße anschließende Teil des Grabens möglichst schnell wieder verfüllt werden sollte, damit in der Fahrbahndecke keine Senkungen und Risse eintraten, die bei längerem Offenstehen des Grabens durch den Straßenbenutzerverkehr eintreten konnten. Sie haben weiter unwiderlegt behauptet, daß der Baggerführer das erste, bereits verrohrte Grabenstück nach dem Entfernen des Holzverbaus sofort bis zu einer Höhe von 1,5 m verfüllen sollte und wollte; sodann sollte ein Wasserschlauch verlegt und erst dann der Graben voll verfüllt werden. Nach ihrer nicht widerlegten Darstellung konnte dann jedoch der Bagger wegen der Beschaffenheit des Erdreichs nicht bis zum vorderen Grabenteil vorfahren und deshalb die zur Verfüllung auf 1,5 m erforderlichen Erdarbeiten nicht vornehmen.
2.
Das Berufungsgericht hat die Ansicht der Beklagten, der erste Grabenabschnitt habe nach dem Verlegen und Bedecken der Steinzeugrohre nicht mehr von Menschen betreten werden müssen, als irrig bezeichnet. Nach seiner Meinung ist ein erneutes Betreten dieses Grabenteils erforderlich gewesen, um die teilweise noch nicht verlegten Rohre einzubringen; es hätte zuvor ein Verbau angebracht und dieser nach der Beendigung der Verlegungsarbeiten gleichzeitig Zug um Zug mit der Verfüllung des Grabens beseitigt werden müssen.
Es kann dahinstehen, ob diese Überlegungen richtig sind oder ob das Berufungsgericht, wie die Revision rügt, die Möglichkeit einer sogen, übergreifenden Versprießung nicht in Erwägung gezogen und seine Sachkunde überschätzt hat. Es kann auch dahinstehen, ob den Beklagten der Vorwurf einfacher Fahrlässigkeit gemacht werden kann oder nicht, insbesondere ob der beklagte Baggerführer für eine Wiederherstellung der im ersten Grabenabschnitt abgebauten Versprießung hätte sorgen müssen, als sich herausstellte, daß er den Bagger aus besonderen Gründen nicht bis zu der Stelle heranbringen konnte, von der aus die zunächst vorgesehene, die Gefahr beseitigende Verfüllung des Grabens hätte vorgenommen werden können. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Baggerführer damit rechnen mußte, daß der Gastarbeiter noch einmal den vorderen, nach Wegnahme des Verbaus nunmehr völlig ungesicherten Grabenabschnitt betreten würde, um den im Graben liegenden Preßlufthammer herauszuholen, zumal die Beklagten unwiderlegt vorbringen, der Hammer hätte auch mit Hilfe des mit ihm verbundenen, nach oben führenden Preßluftschlauchs herausgezogen werden können.
3.
Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen, die - jedenfalls zum Nachteil der Beklagten - nicht mehr ergänzungsfähig sind, rechtfertigen jedenfalls nicht den Vorwurf, daß die Beklagten oder einer von ihnen grobfahrlässig gehandelt hat und hierauf der Tod des Gastarbeiters zurückzuführen ist.
Zwar steht die Beurteilung der Frage, ob ein schuldhaftes Verhalten nur als fahrlässig oder ob es als grobfahrlässig bezeichnet ist, in erster Linie dem Tatrichter zu. Das Revisionsgericht darf nur prüfen, ob das Berufungsgericht den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt und die insoweit erforderlichen Feststellungen rechtsfehlerfrei getroffen hat. Für die Beurteilung des Grades der Fahrlässigkeit lassen sich allgemeine Regeln nur mit großem Vorbehalt aufstellen (vgl. Senatsurteil vom 11. Juli 1967 - VI ZR 14/66 - VersR 1967, 909, 910 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung), so daß stets eine besondere Prüfung aller objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalles erforderlich ist. Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der verkehrserforderlichen Sorgfalt voraus; die erforderliche Sorgfalt muß in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden und es muß dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGHZ 10, 14, 17).
Diesen in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen trägt das Berufungsurteil nicht Rechnung.
a)
Das Berufungsgericht hat den beklagten Bauunternehmer für verpflichtet gehalten, entweder ständig auf der Baustelle anwesend zu sein oder diese doch in so kurzen Abständen aufzusuchen, daß die Einhaltung der Sicherheitsvorkehrungen immer gewährleistet gewesen wäre. Es hält die zwei Besuche an der Baustelle am Tag vor dem Unfall, einen weiteren Besuch am Morgen des Unfalltages und eine Kontrollfahrt, die etwa 1 bis 1 1/2 Stunden vor dem Unfall stattgefunden hat, nicht für ausreichend. Diese Auffassung stellt eine Überspannung der Pflichten eines Bauunternehmers dar, der - unwiderlegt - genaue Anweisungen gegeben hat, in welcher Reihenfolge die Arbeiten am Kanalgraben vor sich gehen sollten. Der beklagte Unternehmer hat sich bei seiner richterlichen Vernehmung in dem Ermittlungsverfahren dahin eingelassen, daß er die Anordnung gegeben habe, die Kanalisationsarbeiten in zwei Abschnitten auszuführen, damit möglichst schnell das Straßenbankett wieder gesichert werden konnte; er habe nicht gewußt, daß nach Beendigung der Arbeiten in diesem ersten Grabenabschnitt dieser wegen technischer Schwierigkeiten nicht sofort verfüllt werden konnte. Als er kurze Zeit vor dem Unfall an der Baustelle vorbeigefahren sei, habe der Holzverbau im ersten Abschnitt noch gestanden und der Baggerfahrer habe noch nicht mit dem Ausheben des zweiten Grabenabschnitts begonnen. Dem beklagten Unternehmer kann also nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe es an Anweisungen fehlen lassen. Zu berücksichtigen ist, daß der Gastarbeiter seit etwa zwei Jahren selbständig Rohrverlegungsarbeiten ausführte, also an dieser kleinen und keine Besonderheiten bietenden Baustelle keiner weiteren Anweisungen oder einer besonderen Beaufsichtigung durch den Unternehmer bedurfte. Hinzu kommt, daß beide Beklagte unwiderlegt vorgebracht haben, dem Gastarbeiter seien die Sicherheitsvorschriften bekannt gewesen und er habe sie bis dahin stets beachtet. Dem Bauunternehmer kann insoweit allenfalls der Vorwurf gemacht werden, daß er nicht ausdrücklich einen Aufsichtspflichtigen bestellt hat. Abgesehen davon, daß nichts für einen anderen Geschehenshergang spricht, falls ein solcher Aufsichtspflichtiger bestellt worden wäre, würde ein schuldhaftes Unterlassen nicht den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen.
Die weitere Frage, ob der beklagte Unternehmer dafür gesorgt hat, daß genügend Material für eine ordnungsgemäße Versprießung des Grabens vorhanden war, kann dahinstehen. Es kommt auf die Frage, ob der von dem Gastarbeiter und dem Baggerführer angebrachte Sparverbau, den der Unternehmer bei seinen Besuchen an der Baustelle gesehen hat, eine ausreichende Sicherung darstellte oder nicht, nicht an. Wäre der erste Abschnitt des Grabens entsprechend der Anweisung des beklagten Unternehmers nach dem Verlegen der Steinzeugrohre aufgefüllt worden, so würde der Unfall sich nicht ereignet haben. Dem Unternehmer kann auch nicht als grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden, daß der erste Grabenabschnitt nicht sofort verfüllt wurde und daß der Preßlufthammer im Graben liegenblieb.
b)
Dem beklagten Baggerführer hat das Berufungsgericht zum Vorwurf gemacht, er habe nach Aushub des Grabens nicht für eine ordnungsgemäße Versprießung des gesamten Grabens gesorgt; es lastet ihm auch an, daß er beim Abbau der im ersten Grabenabschnitt vorhandenen Versprießung mitgewirkt hat.
Der Baggerführer hat sich unwiderlegt dahin eingelassen, die Versprießung des Grabens und deren Entfernung sei nicht seine Aufgabe gewesen. Der Gastarbeiter habe hierbei stets selbständig gehandelt und sei nicht von seinen Weisungen abhängig gewesen. Er habe sich am Abräumen der Versprießung im ersten Grabenabschnitt nur beteiligt, um die Arbeiten zu beschleunigen und den Bagger, mit dem er diesen Abschnitt habe sofort verfüllen wollen, nicht unnötig pausieren zu lassen.
Ein Baggerführer hat sich in erster Linie um das ihm anvertraute Gerät zu kümmern und dafür zu sorgen, daß hierdurch weder Personen noch Sachen zu Schaden kommen. Wenn der beklagte Baggerführer hinsichtlich der Grabensicherung einen Fehler gemacht haben sollte, so würde hieraus jedenfalls nicht der Vorwurf eines grobfahrlässigen Verhaltens hergeleitet werden können. Der Umstand, daß der Baggerführer den Preßlufthammer im Graben hat liegen sehen, mußte ihm nicht den Gedanken aufdrängen, der Gastarbeiter werde in den Graben steigen, um dieses Gerät herauszuholen; vielmehr konnte er der Meinung sein, daß der Preßlufthammer an dem daran befestigten Schlauch nach oben gezogen werde. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß der Baggerführer das Unfallgeschehen noch abwenden oder in seinem Ausmaß mildem konnte, als er den Gastarbeiter in den Graben hinabsteigen sah.
III.
Da sich ein grobfahrlässiges Verhalten der Beklagten nicht feststellen läßt, sind die Voraussetzungen für einen Rückgriff nach § 640 RVO nicht gegeben. Der von der Klägerin geltendgemachte Anspruch erweist sich als unbegründet, so daß das klagabweisende Urteil des Landgerichts wiederherzustellen war.
Unterschriften
Fehle
Dr. Bode
Sonnabend
Dunz
Scheffen
Fundstellen